Die erste Aufführung von Schiller’s „Räubern“
Die erste Aufführung von Schiller’s „Räubern“.
Am 13. Januar dieses Jahres ist gerade ein Jahrhundert vergangen, seit Schiller’s „Räuber“ zum ersten Male zur Aufführung gelangten. Es ist dies einer der wichtigsten Säculartage der deutschen Bühne; denn Schiller’s Genie war vor Allem berufen, dieselbe auf eine höhere Stufe zu heben und das Künstlerische und Volkstümliche in einer Weise zu verschmelzen, wie sie nur den Glanzepochen dramatischer Dichtung eigen ist. Es war in Schiller etwas von Shakespeare’s urwüchsiger Kraft und hinreißendem Feuer; später kam besonders durch Goethe’s Einfluß der Adel und die Grazie künstlerischer Ruhe hinzu, doch in keinem andern Dramatiker war so mächtig wie in ihm der Sturm und Drang des geschichtlichen Geistes, und keiner hat wie er der Bühne ein Repertoire von Dramen großen Stils geschenkt, welche alle in sich die Bürgschaft unverwüstlicher Dauer tragen.
So großartig wie die Gesammtwirkung dieses hervorragenden Genius war auch schon sein erster Wurf: „Die Räuber“ flammten auf wie ein wunderbares Phänomen, entzückend für die Einen, schreckhaft für die Andern; es war eines jener dramatischen Ereignisse, dem gegenüber man Partei ergreifen mußte; es war die fulminante Ankündigung eines durchgreifenden dramatischen Genius; eine brüske Usurpation der Herrschaft über die Bühne mit dem kühnen Griffe eines unfehlbaren Instinctes. Der gute Geschmack mochte sich vor diesem Schauspiele bekreuzen, die feinfühlige Kritik ihm die schweren Sünden gegen die Gesetze geläuterter Schönheit vorwerfen[1]: „Die Räuber“ waren eine dramatische That, die sich von der Bühne nicht fortdisputiren ließ. In der That kann man
[45][46] nicht ohne Schadenfreude die Prophezeiungen damaliger tonangebender Recensenten lesen, welche, wenn irgend eine Vorstellung des Stückes einmal weniger besucht war, gleich verkündeten, es könne keine Dauer auf der Bühne haben, während dasselbe noch heute ein Repertoirestück, noch heute so frisch und wirksam ist, wie vor hundert Jahren. Mag man „Die Räuber“ für eine dramatische Jugendsünde des Dichters halten: nie hat sich eine solche Jugendsünde so glücklich conservirt. Mag man zugeben, daß der Dichter mit einer Explosion seines Genies seine Laufbahn eröffnete: es war dies kein verpuffendes Feuerwerk, sondern dieses Feuerzeichen leuchtete noch den kommenden Geschlechtern. Gerade hierin sind „Die Räuber“ ein Phänomen, wie die Literatur aller Zeiten kein zweites aufzuweisen hat.
Der Säculartag der ersten Aufführung des Stückes ruft alle Erinnerungen an dieselbe wach; diese erste Aufführung fand unter Verhältnissen von seltener Abenteuerlichkeit statt, die sich so leicht nicht wiederholen dürften.
Auf der Militärakademie des Herzogs von Württemberg hatte Schiller „Die Räuber“ gedichtet, und das Jahr 1780 kann als ihr Geburtsjahr betrachtet werden. Den äußern Anlaß hatte ihm eine Erzählung in Haug’s „Schwäbischem Magazin“ gegeben, auf welche ihn sein Freund von Hoven aufmerksam gemacht. Doch fanden sich in dieser Erzählung nur die beiden Brüder, der leichtsinnige und der intrigante, welcher letztere den Brief des ersten unterschlägt, während dieser später dem Vater das durch den andern bedrohte Leben rettet. Der schließliche Ausgang der Handlung war noch dazu ein versöhnlicher. Daß die Erzählung bei ihrer Umwandelung in’s Drama in die Räubersphäre hinübergespielt wurde, daran trug wohl der Räuber Roque im Cervantes die Schuld, zu der ganzen Auffassung des Helden aber gaben die Theorieen des Plutarch und Rousseau von den erhabenen Verbrechern Anlaß. Den revolutionären Geist, der die Handlung durchweht, schöpfte Schiller aus dem eigenen Ingrimm und dem der Genossen über die strenge militärische Disciplin der Anstalt und aus der glühenden Freiheitssehnsucht, welche sich aller Gemüther bemächtigt hatte. Der Materialismus des Franz Moor aber war das Resultat medicinischer Studien, welche der junge Schiller als Fachwissenschaft betrieb; es bereitete ihm Vergnügen, mit cynischem Hohn ihre letzten Consequenzen zu ziehen. Unter solchen Einflüssen entstanden die „Räuber“, aber nicht im freien Fluß und Guß einheitlichen Schaffens. Der Dichter mußte sich die Muße zum Dichten stehlen; er meldete sich krank, um Abends und Nachts das Licht im Krankenzimmer benutzen zu können. Und so schrieb er zunächst nieder, was ihm am lebendigsten vor der Seele schwebte, die am meisten hervortretenden Scenen und Situationen; nicht in geschlossener Scenenfolge entwickelte sich das Gesammtbild der Dichtung. Was er geschaffen, las er in unbewachten Augenblicken den Commilitonen vor und hörte dabei auf ihren Rath; er wurde ermuthigt durch ihren begeisterten Beifall, manchen Charakterzug der Genossen aber nahm er in die Charaktere seiner Räuber auf. Die verbindenden kleineren Scenen, die Zwischenglieder der Handlung, fügte er später ein.
Als Schiller die Militärakademie verließ, nahm er das fertige Manuscript der „Räuber“ mit in die bescheidene Stube, die er als Regimentsmedicus bewohnte. Sein heißester Wunsch war, das Stück gedruckt zu sehen. Doch in Stuttgart fand sich kein Buchhändler, der dazu bereit gewesen wäre, und auch in Mannheim nicht, trotz aller Bemühungen, die sich sein gerade dort anwesender Freund Petersen gab, einen Verleger zu entdecken. Schiller hatte Petersen geschrieben: „Was über fünfzig Gulden abfällt, ist Dein,“ und in einem Postscriptum hinzugefügt: „Höre, Karl, wenn’s reussirt, will ich mir ein paar Bouteillen Burgunder darauf einschänken lassen.“ Da Petersen aber nicht reussirte, so wagte Schiller, das Stück auf eigene Kosten drucken zu lassen, und borgte die dazu erforderliche Summe. Als die ersten sieben Bogen im Druck vollendet waren, sandte er sie an den Buchhändler Schwan in Mannheim, der als ein kunstsinniger und urtheilsfähiger Mann in Süddeutschland wohlbekannt war. Schwan erkannte das Talent des Dichters und machte den Intendanten des Mannheimer Theaters, Freiherrn von Dalberg, zuerst auf das Stück aufmerksam; er veranlaßte ihn, wegen einer Bühnenbearbeitung der „Räuber“ sich mit dem Dichter in Beziehung zu setzen. Auch theilte er Schiller kritische Bemerkungen mit, welche dieser willig beachtete, ja manches schon Gedruckte wurde wieder umgedruckt; die erste Ausgabe zeigt daher bisweilen zwischen den Absätzen große Zwischenräume. Sie erschienen indeß, was Druck und Papier betrifft, keineswegs in so abschreckender Gestalt wie die zweite, mit welcher sie oft verwechselt wird. Auch der Löwe, der sich gegen die Tyrannen aufbäumt, schmückte erst die letztere, während die erste Ausgabe als Titelbild die Schlußscene des vierten Actes zeigte. Der buchhändlerische Betrieb dieses im Selbstverlag erschienenen Artikels war indeß anfangs nichts weniger als glänzend, und melancholisch blickte der junge Schiller auf den Stoß von Exemplaren, den er in seiner Stube aufgethürmt hatte und der sich mit der Zeit, nach dem gemeinen Loos sterblicher und unsterblicher Werke, in Maculatur zu verwandeln drohte.
Aus den Berichten der Genossen des Dichters, eines Streicher und Scharfenstein, kann man sich ein treues Bild dieser Situation entwerfen, die freilich nichts von dem Zauber hat, den das verklärende Auge der Nachwelt gern in sie hineinlegen möchte. Da sehen wir eine Stube, die mit einer gewöhnlichen Wachtstube eine bedenkliche Aehnlichkeit hat. Das Parterrezimmer auf dem „Kleinen Graben“, das stark nach Tabak duftete, hatte, außer einem großen Tisch und zwei Bänken, nichts an Mobiliar aufzuweisen; sein dekorativer Schmuck aber bestand in Militärgarderobe und angestrichenen Hosen; in der einen Ecke lag ein Haufen Kartoffeln nebst leeren Tellern, Bouteillen und dergleichen, in der andern der Bücherballen der „Räuber“.
Und der Dichterjüngling selbst entsprach keineswegs dem Ideal, welches eine mädchenhafte Phantasie sich von gottbegnadeten Poeten zu entwerfen pflegt. Er kam vielleicht gerade aus dem Dienste, eingepreßt in seine nach altem preußischen Schnitt fabricirte Uniform, auf jeder Seite des Gesichtes drei starre vergipste Rollen, welche Locken vorstellen sollten, einen kleinen Militärhut auf dem Scheitel, einen langen dicken Zopf am Hinterkopf und weiße Kamaschen an den Füßen, die er in dieser einzwängenden Bekleidung kaum bewegen konnte, sodaß er wie ein Storch einherstelzte. Und dann die Erscheinung des Dichters selbst, die baumlange, für einen Flügelmann prädestinirte Gestalt, die rothen Augenbrauen über den tiefliegenden grauen, meist entzündeten Augen, in denen nicht, wie in den Augen Goethe’s, der Ordensstern des Genius leuchtete! Dazu die blassen, eingefallenen Wangen, das dunkelrothe, buschige Haupthaar! Das war kein Adonis, und wenn sich der Dichter nicht, wie dies oft vorzukommen pflegt, in späteren Jahren verschönert hätte, so würde man alle seine Bilder und Statuen der verwegensten Schmeichelei anklagen müssen.
Das erlösende Wort für die in den Bücherballen gebundenen Geister der „Räuber“ sollte von Mannheim kommen; der Zauberstab der Bühne sollte, wie schon so oft, eine schlummernde Dichtung zu nationalem Leben erwecken. Dem Wunsche einer Umarbeitung, welchen der Mannheimer Intendant ausgesprochen, kam Schiller bereitwillig entgegen: sollte er doch auch ein bestimmtes Honorar dafür erhalten; er erklärte dem Freiherrn von Dalberg, „er werde es für ein ausnehmendes Glück schätzen, Seiner Excellenz wärmster Literaturliebe sich mit allem, was er sei, zu eigen zu machen“. Am Eifer des Dichters lag es nicht, wenn sich die Umarbeitung bis in den October 1781 hinein verzögerte, sondern an einem sehr unpoetischen Zwischenfall, an einer unter den Grenadieren ausgebrochenen Ruhrepidemie, welche die Thätigkeit des Regimentsmedicus in hohem Maße in Anspruch nahm und ihn besonders nöthigte, täglich auf der Wachtparade Rapport zu erstatten. Daß er diese Epidemie mit sehr energischen Mitteln bekämpfte, dafür bürgt zunächst schon sein Eifer, sie so rasch wie möglich aus dem Felde zu schlagen, weil sie seinem poetischen Schaffen gerade damals sehr im Wege war, doch auch sonst besaß er den Ruf eines Mediciners, der starke Dosen zu geben liebte; er war ein Kraftgenie in der Heilkunst, wie in der Dichtkunst. Das umgearbeitete Stück schickte er zunächst seinem Freunde Petersen zu, der ihm über Charakter, Vermittelung, Entwickelung, Dialog etc. eine mindestens sechs Bogen lange Kritik schreiben sollte. Dann wanderte das Manuscript nach Mannheim.
Doch der künstlerisch gebildete Intendant hatte immer neue Vorschläge zu Abänderungen zu machen: die Rathschläge der tonangebenden Dramaturgen sind den Dichtern oft genug verhängnißvoll geworden. Die Theaterausgabe der „Räuber“, die in solcher Weise zu Stande kam, steht gegen das Stück, wie es der Dichter im ersten Wurf gestaltete, wesentlich zurück, und es ist bedauerlich, daß [47] noch heutigen Tages oft genug die „Räuber“ in dieser „verdalbergten“ oder vielmehr „verballhornten“ Gestalt über die Bühne gehen.
Von einzelnen annehmbaren Zusätzen, wie die eingelegte Scene zwischen Franz und Hermann abgesehen, waren es besonders zwei wichtige Aenderungen, gegen welche sich der Dichter vielleicht lange gesträubt haben mag, welche die Physiognomie des Stückes zu Ungunsten desselben veränderten. Die erste betraf das Costüm: die „Räuber“, die zur Zeit des siebenjährigen Krieges spielen sollten, wurden in die Zeit Maximilian’s und des deutschen Landfriedens zurückverlegt. Wo blieb da das tintenklecksende Säculum, aus dessen Geist heraus das Stück gedichtet war? Schiller selbst sagt in seiner anonymen Selbstkritik darüber: „die Zeit wurde verändert; Fabel und Charakter blieben. So entstand ein buntscheckiges Ding wie die Hosen des Harlekin.“ Noch empfindlicher war die zweite Aenderung; denn sie traf den dramatischen Nerv des Stückes. In der Theaterbearbeitung tödtet sich Franz nicht selbst, sondern er wird gefesselt vor seinen Vater und das Tribunal der Räuber geführt und von Karl in den Thurm geworfen, in dem der alte Graf so lange schmachtete. Damit war Karl’s Charakter aus den Fugen geworfen; er wird dasselbe Scheusal wie Franz, und aus einem Räuber von großartigem Schwunge zu einem Marterknecht und raffinirten Mörder, wie sein Bruder.
Für die Aufführung mußte Schiller sogar noch weitere Zugeständnisse machen, die er nicht in die Theaterausgabe aufnahm: so den Selbstmord Amaliens, mit welchem er dem Kunstgeschmack des Freiherrn von Dalberg eine kleine Freude bereitete, während er selbst als Dichter an dem Ausspruch festhielt: „Moor’s Geliebte darf nur durch Moor sterben.“
Daß das so zugerichtete Stück einen glänzenden Erfolg davon trug, müßte Wunder nehmen, wenn nicht die Macht des echten Genius einen Kern schüfe, der als unverwüstlich sich bewährt, mag auch die Schale noch so sehr zerhackt werden. Und glänzend war der Erfolg, den die „Räuber“ bei ihrer ersten Aufführung in Mannheim am 13. Januar davontrugen. Die Aufführung sollte eigentlich schon früher stattfinden; doch am 10. Januar war der Geburtstag der Gräfin Franziska von Hohenheim, und Schiller mußte sich bei der Gratulationscour mit einfinden. Am 13. Januar aber war überall in Mannheim der Theaterzettel angeschlagen: „Die Räuber, Trauerspiel in sieben Handlungen, für das Mannheimer Nationaltheater vom Dichter neu bearbeitet; gleichzeitig war dem Publicum über die sittliche Tendenz des Stückes eine beruhigende Auskunft ertheilt, welche Schiller selbst verfaßt, Dalberg aber verbessert hatte. Die Aufführung begann wegen der Länge des Stückes um fünf Uhr Nachmittags, doch schon lange vorher hatten sich die Räume des Theaters gefüllt; denn aus allen Nachbarstädten waren zu Roß und Wagen Schaulustige gekommen. Schiller selbst hätte sich fast verspätet, wie Petersen berichtet. Ein Kellnermädchen in Schwetzingen übte solche Anziehungskraft auf ihn aus, daß er sich verplauderte, die Zeit darüber vergaß und die Versäumniß nur mit Mühe wieder einholen konnte.
Wenige wußten, daß der Dichter bei der Aufführung seines Stückes anwesend war, wäre es aber auch allen bekannt gewesen, die Unsitte unserer Tage, die Dichter selbst auf die Bretter zu rufen, war der damaligen Zeit fremd. Mit welchen Gefühlen mag Schiller zum ersten Male die Gestalten seiner Phantasie verkörpert auf der Bühne vor sich gesehen haben! Der Antheil des Publicums war nicht gleich von Anfang an ein begeisterter, erst die letzten Acte schlugen zündend durch. So mochte Schiller selbst nicht ohne eine gewisse Bangigkeit dem Ausgange dieser ersten Feuerprobe seines dramatischen Genius entgegensehen. Was ihn aber von Hause aus ermuthigen mußte, war das glänzende Spiel der Darsteller der Eckhof’schen Schule, welche sich durch einen glücklichen Zufall in Mannheim zusammengefunden hatten, um das erste Werk eines Dichters über die Taufe zu heben, der später die deutsche Bühne beherrschen sollte.
Böck als Karl Moor hatte hinreißendes Feuer, obschon er in seiner Erscheinung die ideale Jünglingsgestalt des Räuberhauptmannes nicht deckte. Der dreiundzwanzigjährige Iffland aber machte als Franz Moor den größten bewältigenden Eindruck auf das Publicum; er wußte diesem Charakter, welchem der Dichter in seiner Selbstkritik später alle menschliche Wahrheit absprach, dennoch große Wirkungen abzugewinnen, besonders wo er die innere Zerrüttung und Gewissensangst des Bösewichts darstellte, in den großen Scenen des letzten Actes. Nach allen Schilderungen war dieser Franz Moor Iffland’s eine ebenso großartige wie in allem Detail kunstverständig ausgeführte Leistung. Beil als Schweizer, Beck als Kosinsky werden als treffliche Darsteller gerühmt. Nach dem glänzenden Erfolge speiste Schiller mit den Schauspielern zusammen; das Gespräch war anregend; es lief indeß auch viel „Kunstgeschwätz“ mit unter.
Nach Stuttgart zurückgekehrt, empfand Schiller um so tiefer den Zwang seiner freudlosen Lebensstellung. Der Herzog war sehr ungnädig über das wüste Stück wie über des Dichters ganzen Lebenswandel, und als dieser ohne Urlaub, in Begleitung seiner Freundinnen, der Frau von Wolzogen und jener mumienhaft häßlichen Frau Vischer, in welcher man jetzt allgemein das Ideal seiner „zur Statue entgeisternden“ Laura erblickt, abermals einer Aufführung der „Räuber“ in Mannheim beigewohnt hatte, erfuhr der Herzog davon und gab ihm Arrest. Das Verbot, Dichtungen zu veröffentlichen, die nicht vorher dem Fürsten selbst zur Prüfung und Beurtheilung vorgelegt worden waren, reifte seinen Entschluß zur Desertion und Flucht, den er am 17. September 1782 mit seinem Freunde Streicher während eines Festes auf der Solitude ausführte; er ging nach Mannheim, dem Eldorado seiner Zukunftshoffnungen. Doch noch stand ihm eine Zeit schwerer Prüfungen bevor.
Jedenfalls war die erste Aufführung der „Räuber“ vielleicht das entscheidendste Ereigniß in Schiller’s Leben; er selbst schrieb bald nach der Aufführung an Dalberg, dem er den wärmsten Dank aussprach:
„Beobachtet habe ich sehr vieles, sehr vieles gelernt, und ich glaube, wenn Deutschland einst einen dramatischen Dichter in mir findet, so muß ich die Epoche von der vorigen Woche an zählen.“
Nun, Deutschland hat seinen größten dramatischen Dichter in Schiller gefunden und wahrt mit Recht eine pietätvolle Erinnerung an jenen wichtigsten Tag der Mannheimer Theaterchronik.
- ↑ Was die Kritik der Zeitgenossen über das neue Schauspiel betrifft, so findet man die Actenstücke zusammengetragen in dem verdienstvollen Werke von Julius W. Braun „Schiller und Goethe im Urtheile ihrer Zeitgenossen“ (Leipzig, Bernhard Schlicke), einer schätzenswerthen Publication, von welcher die ersten zwei Bände vorliegen und die einen der lehrreichsten Vorgänge der Literatur, das Werden und Wachsen der Classicität, im Wechsel günstiger und ungünstiger, anerkennender und feindseliger Urtheile aus authentischen Quellen auf das Interessanteste beleuchtet. Ich hatte selbst mehrfach in den „Blättern für literarische Unterhaltung“ darauf hingewiesen, daß unsere überreiche Goethe- und Schiller-Literatur in Bezug hierauf noch eine Lücke enthält, und freue mich, dieselbe, wohl in Folge meiner Anregung, jetzt ausgefüllt zu sehen.