Die elektrischen Kräfte/Zusammenstellung:§1

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Erster Abschnitt.


Ueber die Art und Weise, in welcher das allgemeine Axiom der lebendigen Kraft benutzt werden kann zur näheren Erforschung der elektrischen Kräfte.


Abgesehen von diesen Erörterungen über das genannte Axiom, enthält der Abschnitt mancherlei Präliminarien, so z. B. die Fundamentalgleichungen für die Wirkung der ponderomotorischen und elektromotorischen Krafte.




§. 1. Ueber die Bewegung der elektrischen Materie im Innern eines ponderablen Körpers, und die damit verbundene Wärmeentwicklung.

Die elektrische Materie im Innern eines gegebenen ponderablen Körpers werde durch irgend welche Ursachen oder Kräfte (deren Entstehung und Beschaffenheit vorläufig ganz dahingestellt bleiben mag) in Bewegung versetzt und in Bewegung erhalten; in Folge dessen wird offenbar die Vertheilung dieser Materie von Augenblick zu Augenblick eine andere werden. Es soll der Zusammenhang, in welchem Bewegung und Vertheilung zu einander stehen, näher untersucht werden.

Dabei ist zu bemerken, dass man unter der elektrischen Bewegung die relative Bewegung der elektrischen Materie in Bezug auf die ponderable Masse versteht; demgemäss mag der Betrachtung ein rechtwinkliges Axensystem zu Grunde gelegt werden, welches mit der ponderablen Masse des gegebenen Körpers in starrer Verbindung steht, an der etwaigen Bewegung dieser ponderablen Masse also theilnimmt. Auch sei vorausgesetzt, dass die zu betrachtende elektrische Bewegung eine stetige ist, so dass sie also ihrer Richtung und Stärke nach als constant angesehen werden darf für alle Puncte eines unendlich kleinen Volumelements und für alle Augenblicke eines unendlich kurzen Zeitintervalls.

Construirt man an irgend einer Stelle im Innern des Körpers ein Flächenelement , senkrecht gegen die zur Zeit daselbst vorhandene elektrische Bewegung, so kann die während des Zeitelementes durch hindurchfliessende Elektricitätsmenge bezeichnet werden durch:|


oder auch durch:



wo alsdann die Stärke des durch gehenden Stromes, andererseits die Stärke der im Puncte vorhandenen Strömung genannt wird. Denkt man sich die Strömung geometrisch dargestellt durch eine (vom Punct ausgehende) Linie von entsprechender Richtung und Länge, so werden die senkrechten Projectionen dieser Linie auf die Coordinatenaxen bezeichnet als die Strömungscomponenten. Sind die Werthe dieser letztern also so wird sein.

Diese Definitionen vorausgeschickt, soll nun zunächst diejenige Elektricitätsmenge berechnet werden, welche während der Zeit hindurchfliesst durch ein im Innern des Körpers beliebig gegebenes Flächenelement .

Wir construiren parallel mit der durch gehenden Strömung einen Cylinder, welcher die Peripherie des Elementes zur Leitcurve hat, und construiren ferner in diesem Cylinder einen senkrechten Querschnitt , unendlich nahe an In Folge der vorausgesetzten Stetigkeit hat die elektrische Strömung in den Puncten des von begrenzten

Fig. 1
Fig. 1
Cylindersegmentes überall einerlei Stärke und Richtung, also überall die Stärke und die Richtung des Cylinders. Die gesuchte, während der Zeit durch fliessende Elektricitätsmenge ist daher ebenso gross wie die während dieser Zeit durch fliessende, und besitzt folglich, nach (2.), den Werth:



Hierfür kann, weil

ist, auch geschrieben werden:

oder auch:

Denn es soll die Normale von vorstellen; und es sind also und diejenigen Winkel, unter welchen die Normale gegen und gegen die Coordinatenaxen geneigt ist. Gleichzeitig sollen die Componenten von vorstellen.

Die Formel (4.a, b) repräsentirt den analytischen Ausdruck für diejenige Elektricitätsmenge welche durch ein völlig beliebig gegebenes Flächenelement und zwar in dem durch die Normale indicirten Sinne, während der Zeit hindurchfliesst.| Bringt man das Element (ohne seinen Ort zu ändern) successive in diejenigen speciellen Lagen bei denen seine Normale parallel ist mit der Axe, so geht die Formel (4.b) successive über in:



Diese Ausdrücke sind vollkommen analog mit dem Ausdruck (2.). Demgemäss ergeben sich conforme Definitionen einerseits, aus (2.), für die Strömung andererseits, aus (5.), für die Strömungscomponenten

Zufolge (2.) wird nämlich die Strömung selber (d. i. ) zu definiren sein als diejenige Elektricitätsmenge, welche durch ein gegen ihre Bewegungsrichtung senkrechtes Flächenelement von der Grösse Eins hindurchgeht während der Zeiteinheit.

Andererseits wird zufolge (5.) jede Strömungscomponente (d. i. oder oder ) zu definiren sein als diejenige Elektricitätsmenge, welche während der Zeiteinheit hindurchfliesst durch ein gegen die betreffende Axe senkrechtes Flächenelement von der Grösse Eins.

Es sei nun irgendwo im Innern des Körpers eine geschlossene Fläche construirt von beliebiger Gestalt und Grösse; und es seien und diejenigen Elektricitätsmengen, welche innerhalb dieser Fläche sich vorfinden zu den Zeiten und Alsdann wird:



wo die Summation (oder Integration) sich hinerstreckt über alle innerhalb der Fläche vorhandenen Volumelemente , und wo die Dichtigkeit der elektrischen Materie bezeichnet.

Die Differenz repräsentirt offenbar diejenige Elektricitätsmenge, welche während der Zeit durch die einzelnen Elemente der construirten Fläche in das Innere derselben hineingeströmt ist, und kann daher nach (4.a,b) so ausgedrückt werden:


Fig. 2
Fig. 2

Hieraus folgt durch eine bekannte Umgestaltung:



Dabei ist unter die innere Normale von zu verstehen, und die Integration in (7.a) über alle Elemente der construirten Fläche, in (7.b) über| alle Elemente des von ihr umschlossenen Volumens ausgedehnt zu denken.

Substituirt man in (7.a,b) den für aus (6.) sich ergebenden Werth, so erhält man (nach Fortlassung des gemeinschaftlichen Factors ):




Denkt man sich nun endlich das von der construirten Fläche umschlossene Volumen als ein unendlich kleines, als identisch mit einem einzelnen Volumelement so gewinnen die Formeln (8.a,b) folgende Gestaltung:

Dabei ist in (9.a) die unendlich kleine Oberfläche des betrachteten Volumelements zerlegt zu denken in unendlich kleine Elemente zweiter Ordnung und über diese Elemente zweiter Ordnung hinerstreckt zu denken die mit bezeichnete Integration.

Wir betrachten nun ferner die Oberfläche des gegebenen Körpers, indem wir dabei, der Einfachheit willen, die Annahme machen, derselbe sei eingehüllt von einem isolirenden Medium. Es sei ein Element jener Oberfläche, und es seien ferner und diejenigen Elektricitätsmengen, welche auf vorhanden sind zu den Zeiten und alsdann wird:

falls nämlich die Dichtigkeit der auf ausgebreiteten Elektricität vorstellt. Es ist so dass also dieses als diejenige Elektricitätsmenge bezeichnet werden kann, welche das Element während der Zeit verlassen hat.

Wir construiren die innere Normale des Elements , construiren sodann ferner parallel mit der in unmittelbarer Nähe von vorhandenen Strömung einen Cylinder, welcher die Peripherie von zur Leitcurve hat, und construiren endlich in diesem Cylinder einen senkrechten Querschnitt unendlich nahe an . In Folge der vorausgesetzten Stetigkeit hat die elektrische Strömung in den Puncten des von begrenzten Cylindersegmentes überall|
Fig. 3
Fig. 3
einerlei Stärke und Richtung, nämlich die Stärke und die Richtung des Cylinders. Jene während der Zeit das Flächenelement verlassende Elektricitätsmenge ist daher von gleicher Grösse mit derjenigen Elektricitätsmenge, welche während dieser Zeit durch hindurchfliesst, und hat also nach (3.) den Werth:


Hieraus folgt:


Diese Formel aber kann [vergl. die früher bei (4.a, b) ausgeführten Operationen] leicht in folgende Gestalten versetzt werden:



Substituirt man endlich hier für den aus (10.) sich ergebenden Werth, so erhält man (nach Fortlassung des gemeinschaftlichen Factors ):



Die Formlen (9.a, b) und (14.a, b) repräsentiren den gesuchten Zusammenhang, der zwischen den elektrischen Dichtigkeiten einerseits und den elektrischen Strömungen andererseits stattfindet.


In Betreff der durch die elektrischen Strömungen sich entwickelnden Wärme gehen wir aus von dem (experimentell gefundenen) Joule’schen Gesetz, demzufolge die in einem Drahtelement durch einen elektrischen Strom erzeugte Wärmemenge proportional ist mit dem Quadrat der Stromstärke, proportional dem sogenannten Widerstande des Drahtelements und proportional der Zeit. Ist also die Länge, der Querschnitt, die Leitungsfähigkeit, mithin der Widerstand des Drahtelements, und ist ferner die Stromstärke, so wird die in dem Element während der Zeit sich entwickelnde Wärmemenge den Werth haben:

| Denkt man sich die Maasseinheiten für die räumlichen Dimensionen, für die Zeit und für die Stromstärke in irgend welcher Weise festgesetzt, so wird man trotzdem aus dieser Formel (15.) für die Wärmemenge sehr verschiedene Zahlenwerthe erhalten je nach der jedesmal für gewählten Maasseinheit. Diese Willkühr mag beseitigt werden.

Ueber die Maasseinheiten der räumlichen Dimensionen, der Zeit, und der elektrischen Stromstärke sollen allerdings bestimmte Determinationen unterbleiben. Hingegen soll die für die elektrischen Leistungsfähigkeit zu wählende Maasseinheit jenen andern Maasseinheiten in solcher Weise adjungirt gedacht werden, dass der aus (15.) für sich ergebende Zahlenwerth die entwickelte Wärmemenge in mechanischem Maasse darstellt, also diejenige lebendige Kraft repräsentirt, welche dieser Wärmemenge äquivalent ist.

Finden elektrische Strömungen statt in einem Körper von beliebiger Gestalt, und ist irgend ein Volumenelement des Körpers von solcher Kleinheit, dass die elektrische Strömung in allen Puncten von einerlei Richtung und Stärke hat, so wird man, um die in diesem Volumelement sich entwickelnde Wärmemenge zu ermitteln, dasselbe zu zerlegen haben in Elemente zweiter Ordnung, und zwar in lauter cylindrische Elemente parallel mit Betrachtet man ein solches cylindrisches Element für sich allein, und bezeichnet man seine Länge mit seinen Querschnitt mit seine Leitungsfähigkeit mit so findet man für die in demselben während der Zeit entstehende Wärmemenge [nach (15.)] den Werth:



denn die in dem cylindrischen Element vorhandene Stromstärke ist gleich dem Querschnitt multipliciert mit der Strömungsstärke [vergl. (1.),(2.)]. Dieser Werth kann so geschrieben werden:



Die in dem gegebenen Volumelement entstehende Wärmemenge ergiebt sich hieraus durch Summation; und hat also den Werth:




Die beiden Formeln (15.) und (16.) können also angesehen werden als der analytische Ausdruck des Joule’schen Gesetzes für lineare und räumliche Stromelemente.