Textdaten
Autor: August Ey
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Titel: Die drei Spiegel
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aus: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1929 S. 48–50
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Originaltitel: Der Venetianer
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Originalherkunft: Harzmärchenbuch oder Sagen und Märchen aus dem Oberharze
Quelle: Commons
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Die drei Spiegel.


     Schon lange ist es her, da lebte in Lautenthal ein armer Bergmann, der nicht weniger als acht Kinder hatte. Obwohl er von früh bis abends arbeitete, aiso recht fleipig war, gelang es ihm doch nicht, vorwärts zu kommen.

     Eines Tages begab sich der Bergmann nach einem Teiche, der mitten im Walde lag. Als er sich dort zwei große Bund Schilf zurecht gemacht hatte, wurde er müde; er legte sich unier einer Baum und schlief ein. Nach einem Stündchen wachte er wieder auf; da stand ein Mann vor ihm, der ihn fragte, wie es gehe. Anfänglich wollte der Bergmann nicht recht mit der Sprache heraus, da jedoch der Fremde immer zutraulicher wurde, begann ersterer ebenfalls zu sprechen; er erzählte auch, daß er sehr viel Not habe, und daß er für Frau und Kinder Brot schaffen müsse.

     „Willst du mir vertrauen,“ bemerkte der Fremde, „dann kann ich dir helfen, und du bist mit einem Male sorgenfrei.“

     „Wenn das wahr ist,“ antwortete der Bergmann, dann werde ich Euch auf den Knien danken; ich will gern alles tun, um aus meiner Not zu kommen, nur verlangt nichts Unrechtes von mir!“

     „Bewahre,“ sagte der Fremde, „das beanspruche ich nicht von dir. Vor allem aber antworte mir: „Willst du dich mir unbedingt anvertrauen?““

     „Ja, von Herzen gern, wenn Ihr es gut mit mir meint.“

     „Das versteht sich von selbst. So lege dich wieder hin und schlafe, dann wirst du sehen, wie das Glück zu dir kommt.“

     Der Bergmann, der ohnedies noch nicht recht ausgeschlafen hatte, legte sich abermals nieder und schlief ein. Als er wieder erwachte, lag er auf einem Bett von Samt und Seide, in der Stube befanden sich an den Wänden die schönsten Gerätschaften, Tische, Stühle, Spiegel und große Bilder mit Goldrahmen. Der Bergmann verwunderte sich noch über die Pracht, da traten zwei Diener an das Bett und fragten, ob der Herr gut geschlafen habe.

     „O ja,“ antwortete treuherzig der Bergmann, „aber, meine Herren, wo bin ich denn?“

     „In Venedig,“ erwiderte ehrfurchtsvoll der eine Diener.

     „In Venedig? Du lieber Himmel, wie komme ich denn hierher?“

     „Das wird der Herr schon wissen und erfahren,“ sagte der andere Diener. „Dürfen wir beim Aufstehen helfen?“

     „O nein,“ sprach lächelnd der Bergmann, „das bin ich nicht gewohnt. Ich kann schon allein aufstehen.“

     Er stieg aus dem Befte und wollte seine Sachen anziehen; die waren aber fort. Dafür zogen ihm die Diener andere, viel schönere Keider an und putzten ihn ordentlich heraus, so daß er aussah wie ein echt vornehmer Herr. Auch mußte er sich aus einem silbernen Waschbecken waschen, und der Diener reichte ihm in kristallenem Kruge Mundwasser, alles auf das feinste und beste. Der Bergmann verwunderte sich in einem fort und schüttelte mit dem Kopfe; er wußte sich nicht zu erklären, ob denn alles so in Wirklichkeit war, oder ob er mur träume.

     „Womit können wir aufwarten?“ fragten die Diener.

     Der Bergmann verlangte Essen. Schnell liefen die Diener fort; es dauerte nicht lange, so brachten sie ihm ein Frühstück, wie es besser auch der König nicht haben kann. „Na,“ dachte er, „wenn du issest, trinkst und satt wirst, dann ist es gewiß kein Traum.“ Nachdem er gegessen und getrunken hatte, wurde er leutseliger; er fragte die Diener, wo denn eigentlich ihr Herr stecke, und was er wäre? Eben wollten die Diener antworten, da trat der freundliche, liebreiche Herr herein, den der Bergmann bei Lautenthal gesehen und gesprochen, und der ihm gesagt hatte, er [49] solle sich nur wieder niederlegen und einschlafen, dann würde sich das weitere schon finden. Der Fremde kam auf ihn zu, reichte ihm die Hand und fragte:

     „Na, wie gefällt es dir hier?“

     „O,“ sagte der Bergmann, „wem sollte es hier nicht gefallen! Aber meine armen Kinder und meine gute Frau! Bitte, sagt mir, wie bin ich eigentlich hierher gekommen, und was habt Ihr mit mir vor?“

     „Ich will dich glücklich machen,“ antwortete der Fremde, „wenn du mir vertraust. Jetzt will ich dir aber vor allem einmal zeigen, daß ich dich schon längst kenne; daß mir deine Vergangenheit bekannt ist, und daß ich deine Zukunft weiß. Tritt vor diesen Spiegel, der dir erzählen wird, wie es dir ergangen ist.“

     Als der Bergmann vor dem Spiegel stand, sah er nicht nur, wie er seine Braut am Hochzeitstage in die Kirche führte, sondern auch noch manches andere, was er längst vergessen hatte. Er war darüber so verwundert, daß er kein Wort sprechen konnte.

     Jetzt gelangte er vor den zweiten Spiegel. Dieser zeigte ihm, wie daheim Frau und Kinder wehklagten, weil sie dachten, er sei tot. Das machte den Bergmann weicherzig, und die Tränen rannen ihm über die Wangen.

     Nun trat er vor den dritten Spiegel. In diesem merkte er, wie er mit seiner Familie in großem Wohlstand lebt; er gewahrte aber auch, wie er wieder in Armut zurücksinkt.

     „Sieh,“ sagte der Fremde, „du wirst zu großem Reichtum gelangen und nicht wieder arm werden, wenn du mir folgen willst. Merke wohl auf. Wenn du nach Hause kommst, so grabe unter dem Baume, der in deinem Garten steht, ein Loch, so tief, wie du groß bist; das grabe bei Nacht zwischen elf und zwölf Uhr. Dabei wirst du eine gebe Erde finden. Von dieser nimm dir jedesmal zwei Kugeln, so groß, daß du sie mit beiden Händen umspannen kannst; trage sie nach Goslar und verkaufe sie an den Goldschmied. Du darfst aber nicht mehr als wöchentlich zweimal zwei Kugeln machen und verkaufen. Nimmst du und verkaufst du mehr, dann ist es dein Unglück. Außerdem will ich dir noch etwas geben, das dich schnell reich macht. Hier habe ich eine Erdart und mehrere Flüssigkeiten. Wenn ich von dieser nur ein paar Tropfen auf die Erde gieße und drehe dann in der Hand Kügelchen daraus, so entstehen die schönsten Ebelsteine.“ Der Fremde probierte es und gab sie auf diese Weise hergestellten leuchtenden Edelsteine bem Bergmann zum Andenken mit den Worten:

     „Wenn du nach Goslar kommst, so erhältst da für diese Ebelsteine viel Geld.“

     Der Bergmann bedankte sich aufs herzlichste, wickelte die Edelsteine sorgfältig ein und steckte sie in die Tasche.

     „Nun,“ sprach der Fremde, „komm und laß uns noch ein wenig spazieren gehen, du mußt doch auch sehen, wie es in Venedig ist.“

     Sie wanderten miteinander durch die Stadt. Am späten Abend kamen beide nach Hause. Der Fremde wünschte dem Bergmann gute Nacht, die Diener waren beim Ausziehen wieder behilflich, der Gast mußte sich in das schöne Bett legen und schlief vor übergroßer Müdigkeit bald ein. Als er am anderen Morgen aufwachte, lag er wieder unter dem Baume am Teiche. Anfänglich meinte er, es sei alles nur ein Traum gewesen. Doch nein, es war Wirklichkeit, denn als er schnell in die Tasche griff, da fand er die beiden Edelsteine. Nun raffte er sich auf. Er ging nach Goslar, verkaufte die Steine und empfing dafür schweres Geld. Mit diesem eilte er nach Hause.

     Als er in seine Haustür trat, stürzten ihm Frau und Kinder freudig entgegen und umarmten ihn, so daß er erst garnicht zu Worte kommen konnte. Dann ging es ans Fragen, vor allem: ob er auch Geld mitgebracht habe, denn sie waren alle recht hungrig. Er legte Geld auf den Tisch. Nun wurde gleich fortgeschickt, Fleisch und Brot gekauft, und nach langer Zeit konnten sich Frau und Kinder wieder einmal satt essen. Das war eine Freude und ein Jubel, wie nie zuvor!

     Zwischen elf und zwörf Uhr nachts ging der Bergmann in den Garten; er grub unter dem Baume ein großes Loch. Da fand er alles so, wie es der Venezianer vorausgesagt hatte; er erblickte eine gelbe Erde; von dieser drückte er zwei Kugeln, so groß, daß er sie mit beiden Händen umspannen konnte. Des andern Tages trug er diese Kugeln nach Goslar und verkaufte sie an den Goldschmied.

     Lange Jahre war der Bergmann genügsam und war ein grundreicher Mann. Eines Tages fuhr ihm aber der Geizteufel in den Kopf; er verfertigte, trotz des Verbotes, in einer Woche zum drittenmal Kugeln und brachte sie nach Goslar. Als er mit voller Tasche zurückkam, ward er müde; er legte sich wieder unter den Baum und schlief ein. Da erschien ihm der Fremde aus Venedig, weckte ihn auf und sprach:

     „Du hast mein Gebot übertreten. Du solltest wöchentlich nur zweimal Kugeln anfertigen und verkaufen; jetzt wirst du wieder arm werden, wie du es früher gewesen bist. Das ist die Strafe für deine Habgier.“

     Nach diesen Worten verschwand der Fremde.

     Wie dieser gesagt, und wie es der Bergmann in dem Spiegel gesehen hatte, so ist es auch gekommen: der reiche Mann sank wieder in seine frühere Armut zurück und mußte sich von neuem um das tägliche Brot abmühen. [50]      Wenige Wochen nach seinem Tode wurde in dem Garten eine Umgrabung vorgenommen, weil man daselbst ein großes stattliches Haus bauen wollte. Man grub tief hinunter; plötzlich rief ein Arbeiter erstaunt:

     „Ei, was ist denn das hier?“

     „Das sieht ja bald wie Silber aus,“ sagte ein andrer.

     Der erste zeigte den Fund allen Kollegen, die natürlich ebenso verwundert waren. Man stellte allerlei Vermutungen auf, wie wohl diese silberglänzende Erde hierher gekommen sein könnte. Enblich nahm einer das Wort und meinte, man müsse vor allem vorsichtig weiter graben, denn es könnte sich doch noch mehr vorfinden.

     Diese Vermutung bestätigte sich: man fand beim Weitergraben noch sehr viel von dieser Erde. Und als dieselbe von sachverständigen Leuten untersucht wurde, stellte es sich heraus, daß sie Silberteile enthielt. Man nugte diese Entdeckung aus, und es währte nicht lange, so entstanden die Silberbergwerke zu Lautenthal.