Die deutsche Sprache in Oesterreich und Amerika
[555] Die deutsche Sprache in Oesterreich und Amerika. Der Kampf des Deutschthums gegen Unterdrückung ist zugleich ein Kampf für die deutsche Sprache. Daß dieselbe in Oesterreich, wo sie noch immer die Sprache des Heeres ist, nicht unter dem Sprachwirrwarr der zahlreichen andern Nationalitäten verschüttet werden darf: das scheinen doch jetzt auch die Männer des Kabinets Taaffe einzusehen. Der Unterrichtsminister Dr. von Gautsch hat auf seiner Rundreise in Böhmen bei Besichtigung der tschechischen Schulen stets das Mahnwort ausgesprochen: „Lernt deutsch!“, da er sich davon überzeugen mußte, daß die deutsch-böhmischen Abgeordneten Recht hatten, wenn sie im Parlamente diesen Mangel an Kenntniß der deutschen Sprache bei der tschechischen Jugend stets gerügt. Natürlich wehren sich die Tschechen aufs Aeußerste gegen diese Zumuthung; denn gerade die Kenntniß der deutschen Sprache muß der tschechischen Jugend die Ueberzeugung beibringen, daß sie einer überlegenen Kultur gegenüberstehen. Jeder Anwalt des Deutschthums hat gerade dadurch eine scharfe Waffe in der Hand, daß er die Kultur und Litteratur einer geistig hoch stehenden Nation gegen die untergeordneten Leistungen der in das österreichische Kaiserreich eingesprengten Völkerstämme ins Feld zu führen vermag. Und auch von jenseit des Oceans tönt jetzt eine Stimme herüber, welche diese Bedeutung des Deutschthums aufs Entschiedenste betont. Kein Geringerer als der hervorragende Staatsmann Nordamerikas, der dort stets dem Deutschthum ein mächtiger Hort gewesen, Karl Schurz, sprach sich bei der Versammlung des deutsch-amerikanischen Schulvereins, welche in New-York am 27. Juni stattfand, in diesem Sinne aus und zugleich im Sinne einer von jeder Einseitigkeit freien Duldsamkeit. „Wir haben das Gefühl,“ sagte er, „daß die Errungenschaften eines großen Kulturvolkes, seine Litteratur, seine Sprache, seine Kunst und sein Gemüthsleben nicht dem Volke allein gehören, sondern der ganzen Menschheit. Ich bin nicht dafür, daß die deutsche Sprache in Amerika aussterben soll, im Gegentheil, jeder, der deutsch spricht, versteht oder es zu lernen Gelegenheit hat, soll dies thun; denn er hat damit einen Schatz, der ihm in allen Lebensstellungen von ungeheurem Vortheil ist. Ich bin dafür, daß jeder Deutsche in Amerika ordentlich Englisch lerne, und wenn ich das könnte, würde ich jedem Amerikaner rathen, auch ordentlich Deutsch zu lernen, damit er sein Englisch um so besser versteht; das ist der Gesichtspunkt, von dem ich diese Frage ansehe. Wir wollen uns nicht in die politischen Kämpfe der Nationalitäten in Oesterreich mischen; wir wollen aber Eins thun, so weit wir dies können: wir wollen helfen, daß das große Kulturelement, welches in der deutschen Litteratur und Sprache, im Leben und Streben des deutschen Herzens und Geistes besteht, dem österreichischen Volke erhalten bleibe. Ich bin kein Feind der Tschechen, Ungarn oder Kroaten. Ich will die deutsche Sprache nicht nur deßhalb erhalten wissen, weil sie deutsch ist, sondern auch der Tschechen, Ungarn und Kroaten wegen. Die Ungarn haben eine Litteratur; aber selbst der stolzeste Ungar wird nicht sagen, daß sie sich mit der deutschen messen kann. Die böhmische Litteratur ist noch schwächer, und von einer kroatischen habe ich noch nichts gehört. Die deutschen Schulen in Ungarn, Böhmen und Kroatien werden also nicht allein dem Deutschthum dienen, sondern auch die herrschenden Volksstämme von einer brutalen Verfolgung des Deutschthums abhalten.“ Die Gefahren, welche demselben drohen, hebt auch Karl Schurz hervor. Hat doch neuerdings das Tschechenorgan „Politik“ ausdrücklich erklärt, mit dem Nationalitätenhader gehe es so nicht weiter; er dringe bis in das Heiligthum der Familie und lasse kein Gebiet mehr verschont; alle Fragen der Wissenschaft arteten zuletzt in böswilligen Streit aus, in welchem nationale Mißgunst, Neid und Verleumdungssucht die Hauptrolle spielten. Berufsstände eines und desselben Landes mit gemeinsamen Interessen würden gewaltsam aus einander gerissen. Schurz wies in seiner Rede auf den deutschen Schulverein hin: man richte so oft die Blicke auf die Deutschen in Amerika und wie diese immer, wenn große Wasserfluthen kämen, bereit seien, zu helfen. „Was wir jetzt sehen, ist auch eine Wasserfluth, und zwar eine der schlimmsten Sorte. Als das Hochwasser am Rhein wüthete, wurden Häuser weggeschwemmt; sie konnten wieder aufgebaut werden. Die jetzige Wasserfluth soll deutsches Wesen, deutschen Geist, deutsche Litteratur, deutsches Streben wegschwemmen. Haben wir den Leuten am Rhein wieder zu Häusern und Aeckern geholfen, so sollten wir den Deutschen in Oesterreich auch wieder zu ihrer Kultur helfen.“ Ernste, schöne Worte, die über den weiten Ocean zu uns herüber tönen und uns daran mahnen, daß gleicher Sinn und gleiches Streben herrscht, so weit die deutsche Zunge klingt. †