Die deutsche Fremdenlegion und das Kap der guten Hoffnung

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Titel: Die deutsche Fremdenlegion und das Kap der guten Hoffnung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 40-41
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die deutsche Fremdenlegion und das Kap der guten Hoffnung.

Was wird nun aus der elftausend Mann starken, jetzt wirklich aufgelösten deutschen Fremdenlegion? Die Engländer haben dreitausend Mann für das Kap der guten Hoffnung gekauft und eingefangen, ein Schiff voll nach Amerika gesegelt und Andern das Reisegeld für Amerika oder die Heimath gegeben. Aber Viele müssen es vorziehen, letzterer auch ferner zu entsagen, und den Meisten fehlt „der Sinn, nach Amerika zu segeln, wo sie ohne König kegeln, wo sie ohne Spucknapf spei’n, bewohnt von Gleichheitsflegeln.“ Diese Letzteren gehen aber, wie sie Gelegenheit und Zufall zieht oder stößt, in alle Welt und lehren alle Heiden, wie’s just kommt. Sie finden und fressen und schlagen sich sogar durch, und sind vielleicht in allen Lagen gegen ihre Brüder am Kap zu beneiden. Wenn es dreißig Mann in Colchester gelang, zwei Regimenter Engländer mit Hurrah und Steinen in die Flucht zu schlagen[1] und überall, in Kneipen und Damen gegenüber zu herrschen, so ist uns für diese verlorenen Söhne des Vaterlandes nicht bange. Sind doch schon Manche glücklich „unter die Haube“ gekommen, Einige sogar empor, nämlich an den Galgen. Letzteres ist nicht nur gut gegen Zahnschmerzen, sondern auch gegen alle andern Uebel dieses Lebens. Für Alle diese ist gesorgt, und die übrigen zerstreuten Schafe finden auch ohne Hirten noch irgendwo Weide und einen barmherzigen Bruder, der ihnen die Wolle abscheert. Aber die Kapianer? Denen sei Gott gnädig. Nachdem die Engländer in mehreren Kaffernkriegen die Feinde ihrer Kapkolonie mehrmals vernichtet haben, stehen sie jetzt mit Weib und Kind und Nachkommenschaft alle wieder auf, um beiläufig auch die Engländer „zu civilisiren.“ Davor fürchten sich die Engländer rasend und haben deshalb Geld und Gaunerei in Massen aufgeboten, Deutsche als lebendige Mauern zwischen sich und die Kaffern zu schieben.

Das ist eine heroische Aufgabe für unsere dreitausend Herren Brüder, zumal da sie Palmerston größtentheils kurz vor ihrer Abreise noch Knall und Fall verheirathete, so daß sie gleich damit anfangen müssen, Mauern für die Engländer, für ihre eigenen Herde, für Weib und schreiende Wiege zu bauen. Außerdem das Feld, das ihnen die englische Regierung schenkt, denn der Mensch lebt nicht von Mauersteinen allein. Sodann läßt sich ohne Geologie denken, Was das für Feld ist, das die Engländer verschenken. Kurz, es sieht schon, noch ehe man den ersten Kaffer erblickt, sehr schwarz und wild aus. Dazu kommt aber, daß der große Kaffernprophet und Zauberdoktor Unchlakasa auf die radikalste und raffinirteste Weise eine Erhebung und Ausrottung der Engländer vorbereitet hat, die entsetzlich werden muß. Er hat ihnen alles Vieh und die ganze künftige Ernte weggenommen, um seinen Kaffern im Wahnsinn hungriger Wölfe die einzige Kornkammer, die einzige Rettung ihres Lebens in den englischen Niederlassungen und erschlagenen Körpern zu zeigen. Unchlakasa’s Prophezeiungen verkündigen die jetzige Auferstehung aller Kaffern, die während des vergangenen Jahrhunderts gestorben sind, vorausgesetzt, daß die jetzt Lebenden seine Befehle ausführen. Diese laufen darauf hinaus, daß sie all’ ihr Vieh verkaufen oder tödten, alle ihre Vorräthe von Lebensmitteln verbrennen, und ihre Felder und Gärten unbestellt lassen sollen. Niemand soll Lebensmittel oder Eigenthum behalten, mit Ausnahme einer Axt, die sich Jeder, der sie noch nicht besitzt, anschaffen muß. Diese Politik sieht ziemlich klar und kräftig aus. Nach den neuesten Nachrichten tödten die Stämme der Goleiko’s und T’Slombie’s, so wie andere Kaffernhorden ihre Viehheerden zu Tausenden, Andere verkaufen sie für ein Viertel, ein Achtel ihres Preises. Der Prophet sagt nämlich, daß, so wie die Lebenden sich alles Eigenthums, aller Lebensmittel entledigt hätten, die Todten auf ein gegebenes Zeichen von ihm mit sämmtlichem Vieh aus einer Höhle beim Flusse Kei auferstehen, hervormarschiren und einen Sturmwind loslassen würden, der alle Weißen vom Antlitze der Erde in’s Meer treiben würde. Wenn nichts von diesen Prophezeihungen eintrifft, stellt sich doch gewiß der Sturmwind ein, den die lebenden, hungrigen Wölfe von Kaffern selbst darstellen und ausführen werden.

Der Prophet Unchlakasa hat mehrere Jünger, unter denen sich besonders einer, Namens Kreli, auszeichnet. Er überredete mehrere Stämme, welche über „Säen oder Nichtsäen“ Rath hielten, sich gläubig für das Letztere zu entscheiden und so die großen Reformpläne des Propheten: „Ausrottung alles Lasters und Bekehrung oder Auskehrung aller Weißen,“ zu unterstützen. Was man bei den Kaffern Laster nennt und als Tugend preist, geht unter Anderem aus einem Kriegsgerichte unter den T’Slombie’s hervor. Das Kriegsgericht verurtheilte einen Mann ihres Stammes wegen Feigheit, weil er in einem Kampfe blos einen Mann, zwei Weiber und mehrere Kinder todtgeschlagen, und nicht einmal alle zum großen Festessen als Braten geliefert habe.

Und das sind noch lange nicht die Schlimmsten, wie denn überhaupt die braunen, sehnigen, schlanken Kaffern von Natur intelligent, scharfsinnig und nicht ohne Sinn für Menschlichkeit sein sollen. Ganz anders noch sieht’s unter den noch frei umherwüthenden, kurzen, stämmigen, im breiten, hervorstarrendem Maule zähnefletschenden Buschmännern aus. Der Missionär Fleming, der ein ganzes Buch aus seinen Erlebnissen in Südafrika schrieb, schildert mehrere Arten von Buschmännern, z. B. die Namagua’s, so:

„Man weiß von ihrem häuslichen, socialen Leben noch nicht viel, da nur wenige Missionäre, die sich unter dieselben wagten, zurückkehrten. Was durch sie bekannt ward, lautet entsetzlich. In geschlechtlicher Beziehung kennt man keine Liebe, keine Treue, da die wildeste Polygamie herrscht und Weiber und Kinder auf die bestialischste Weise mißbraucht und oft beinahe oder ganz getödtet werden. Wenn ein Vater die Mutter von sich stößt oder die kämpfenden Mütter sich an einander rächen wollen, werden allemal die Kinder der unterliegenden Partei gemordet. Der Missionär Kicherer, von Geburt ein Deutscher, der eine Zeit lang unter ihnen lebte, erzählt von Beispielen, daß Mütter ihre Kinder Löwen vor die Hütte hinauswarfen, weil diese nicht abziehen wollten, ehe ihnen ein Almosen hinausgegeben wurde. Kinder hören überhaupt auf, von der Mutter beachtet zu werden, sobald sie kriechen können. Man merkt selten eine Spur von Weiblichkeit unter Müttern und Mädchen. Sie morden ihre Kinder zuweilen ohne irgend eine sichtbare Veranlassung, ohne daß man sie deshalb bestraft oder nur tadelt. Wenn sie ihren abgeweideten Platz verlassen, von Feinden verfolgt werden, auch aus Rache gegen den Vater, werden Kinder erstickt, erwürgt, lebendig begraben oder schlechtweg auf der brennenden, ausgetrockneten Ebene liegen gelassen. Eben so geht’s bei der Flucht oder beim Aufbruch nach einer andern Gegend alten Leuten, die nicht mehr selber vorwärts können. Man läßt sie einfach zurück, im günstigen Falle mit einer mit Wasser gefüllten Straußeierschale und einem Stück Fleisch, so daß sie eben nur ihren Hunger- und Verschmachtungstod verlängern können. Diese Namagua-Buschi’s (Buuschi’s, wie man eigentlich statt Buschmänner sagen müßte) sind die personifizirte, fortwährende Wuth und Feindschaft gegen alle sie umgebende Welt. Sie beißen und schlagen auf Alles los, was ihnen in den Weg kommt, tolle Hunde in Menschengestalt. Was sie beißen, fressen sie auch im Nothfalle. Sie können ausgetrocknete alte Stiefeln mit Sohlen und Hacken verschlingen und verdauen. Zuweilen kratzen sie tief in den harten Boden hinein und fressen die Wurzeln der Bäume, die sie nicht ausreißen können, an Ort und Stelle ab. Thier- und Menschenblut trinken sie warm und deren Fleisch essen sie nicht selten [41] roh. Sie haben Grade in ihrer Wuth gegen andere Menschen und hassen andere farbige, eingeborene Racen grimmiger, als die Weißen, mit denen sie zuweilen verkehren und Tauschhandel treiben. Wenn sie einzelne Hottentoten oder Fingo-Kaffern erwischen können, werden diese unter ausgesuchten Qualen zu Tode gemartert. So erzählt Mr. Shaw in seinen „Erinnerungen an Südafrika“ von einem Hottentoten, den die Namagua’s fingen, bis an den Hals in einen Sumpf eingruben und ihn noch mit Erde und Steinen umgaben, daß er sich nicht wieder herausarbeiten konnte. Nachdem sie sich eine Zeit lang über die entsetzliche Lage ihres Opsers gefreut hatten, ließen sie ihn zurück, um den Raubvögeln, die den lebendigen Kopf umkreisten, Platz zu machen. Er brachte über vierundzwanzig Stunden in dieser Lage zu, bis ihn Stammesgenossen entdeckten und befreiten. Er erzählte dann, wie es ihm gelungen sei, die gierigen Raubvögel, die den ganzen Tag auf ihn losstürmten, abzuhalten, durch fortwährende Bewegungen mit den Augen und dem Munde und herzhaftes Zischen und Schreien.

Der natürliche, unkultivirte Mensch ist und bleibt Produkt des Bodens, auf welchem er entsprang und in welchen er zurückkehrt, Produkt des Klima’s, der Bodenformation und der Landschaftlichkeit. Selbst der gebildete Mensch bedarf einer bedeutenden moralischen Kraft, um dieser Abhängigkeit Herr zu werden. „Niemand wandelt ungestraft unter Palmen,“ sagt Goethe. Die Natur, welche den Kaffer und Buschmann umgibt, ist eben so menschenfeindlich und giftig, wie er, felsig, sonnenglühend, wimmelnd von giftigen Käfern und Insekten, Schlangen und Reptilien, Löwen und reißendem, blutgierigem, mitleidlosem Wild anderer Art. Es gibt kleine, unscheinbare Käfer, deren Biß starke Menschen nach einigen Stunden tödtet, und Schlangen, wie sie kein anderer Erdtheil so tödtlich und giftig aufweisen kann. Die fürchterlichste dieser Reptilien ist die Peitschenschlange, zwei bis drei Fuß lang und in ihrer braunen Farbe und Gestalt an den Bäumen hängend wie eine Hetzpeitsche. Sie kriecht zwischen den Baumzweigen und deren Schlingpflanzen umher, wickelt oben ihren Hintertheil um einen Zweig und läßt den übrigen Körper zwischen Zweigen und Blättern herunterhängen, bis sie eine Beute erwischen kann. Sie stürzt sich auf sie und verursacht durch ihren Biß augenblicklich Bewußtlosigkeit und Erstarrung. In diesem Zustande saugt sie ihrem Opfer blos das Blut aus und läßt es für andere giftige Thiere liegen. Von Boden- und Grasschlangen gibt es besonders drei Arten, eine dreifüßige braune mit schwarzen Flecken, eine seltene schwarze von etwa derselben Größe und eine grüne, die sich in ihrer Farbe genau mit dem Grase, in welchem sie sich herumwindet, vermischt, so daß man sie selbst dicht dabei nicht von demselben unterscheiden kann. Uebrigens gewöhnt sich der Mensch auch an solche Natur, und der Gebildete lernt sie beherrschen. Ein englischer Offizier ging einmal mit einem Freunde in’s Kafferland hinein auf die Jagd und frühstückte auf einem Grashügel. Als er die Hand auf den Boden drückte, um sich zu erheben, griff er den Hals einer großen Schlange, die sich blitzschnell um seinen Arm wickelte und ihren Hals aus dessen Hand zu ziehen suchte. Statt aber loszulassen, wie neunundneunzig unter hundert Anderen gethan haben würden, griff er nur fester zu und hielt fest, während er mit der andern Hand ein großes Einlegemesser aus der Tasche zog, es mit Hülfe der Zähne öffnete und dann mit einem Schnitt den Kopf der Schlange abhieb. Wäre er nicht an Schlangen gewöhnt gewesen, würde er losgelassen und geschrieen haben und verloren gewesen sein.

Mit den Schlangen um die Wette treiben Addern und Vipern ihr Vergiftungshandwerk. Am tödtlichsten ist der Biß der sogenannten Puff-Adder, mit zwei Zoll langem und eben so breitem Kopfe, fünf Zoll im Umfange, drei Fuß lang, rund und dick bis an das Ende des Schwanzes, strohgelb unten, oben mit Braun gemischt, mit funfzehn Bogen von dunklerer Farbe, dreieckig mit dem offenen Rachen, in welchem zwölf Fangzähne dick und fest starren. Die beiden vordersten, 3/4 Zoll lang, sind hohl und krumm und mit Giftsäckchen gefüllt, die sich beim Bisse spritzend leeren und das Opfer oft augenblicklich tödten. Dieses tödtlichste Reptil Afrika’s hat noch die tückische Gewohnheit und Geschicklichkeit, rückwärts auf seine Beute zu springen. Wer das nicht weiß, wird von dem scheinbar rasch davonspringenden Scheusale furchtbar überrascht. Ein Mann, von einer solchen Adder in’s Knie gebissen, starb noch an demselben Tage, obgleich das Bein bald nach dem Bisse amputirt worden war.

Das sind fürchterliche Feinde, welche der deutschen Fremdenlegionäre harren, aber nicht die schlimmsten. Entsetzlicher ist’s, von kleinen Käfern gebissen zu werden und daran rettungslos zu sterben, entsetzlicher noch, über Nacht von hungerwüthenden Kannibalen überfallen und seiner Habe, seines Lebens beraubt und mit Weib und Kind gefressen zu werden. In einem früheren Artikel über die holländische Transvaal-Republik haben wir mitgetheilt, aus welchem Grunde die Republikaner einen entsetzlichen Vertilgungskrieg gegen einen Kafferstamm unternahmen, weil sie noch einige gekochte Gebeine ihrer geraubten Weiber und Kinder in deren Töpfen gefunden.

Die Kapkolonie war den Engländern einst etwas werth, als der Welthandel dort noch einer Zwischenstation, eines Depots bedurfte. Seitdem man aber mit Dampf die Welt, so zu sagen, „in einem Futter“ umsegelt, hat sie alle Bedeutung, allen Werth verloren. Die Kapstadt ist verlassen, die regelmäßigen Verbindungen, der Austausch und die Umladung von Waaren haben aufgehört. Sie ist ein verlorner Posten, an welchen man keine neuen Kaffernkriege wagen will, obwohl man die dort wohnenden Engländer nicht ohne Weiteres Preis geben darf. So kaufte und preßte man sich Deutsche zusammen, die gerade am Vorabende eines der radicalsten und grimmigsten Einfälle der Kaffern ankamen.

Es sind allerdings dreitausend kräftige, disziplinirte, größtenteils gebildete Jünglinge und Männer, die durch gehörige Benutzung ihrer physischen und geistigen Mittel sich gegen ganze Legionen wilder Menschen und Bestien zu halten und zu gedeihen im Stande sind, wie sich ja auch die holländische Transvaal-Republik hält. Und so wollen wir nicht ohne Hoffnung von unsern Brüdern am Kap der guten Hoffnung scheiden, besonders nicht die Hoffnung, daß sie auch den Engländern ihre Haare auf den Zähnen zeigen werden, wie sie dies mit Erfolg schon mitten in England thaten.



  1. Von einem Betheiligten mitgetheilt, der eine Schilderung des Lebens in der Fremdenlegion für die Gartenlaube versprochen hat.