Die Zwingenburg bei Billafingen

Textdaten
<<< >>>
Autor: Theodor Lachmann
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Zwingenburg bei Billafingen
Untertitel:
aus: Überlinger Sagen, in: Alemannia, Band XVIII, S. 179–181
Herausgeber: Anton Birlinger
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Peter Hanstein
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Bonn
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[179] 15 DIE ZWINGENBURG BEI BILLAFINGEN

Ungefär anderthalb Stunden landeinwärts von Überlingen zieht sich fast parallel mit dem Überlingersee das fruchtbare Billafinger Tal hin, zu beiden Seiten von hohen Bergzügen eingeramt. Der südliche Bergzug ist mit dichtem Tannenwald besezt, aus dem westlich vom Dorf Billafingen ein runder Hügel hervorschaut, welcher von einem Erdwal umgeben ist, der steil gegen die Talseite abfällt. Es ist diß ein sog. „Ringwal“, eine „Völkerburg“, und heißt wie das ganze Gewann „Zwingenburg“.

Nach den Erzälungen des Volkes stand auf disem Hügel dereinst ein Schloß, dessen Besizer, die „Zwingherren“, einen ser üppigen, ausgelaßenen Lebenswandel fürten. Sie bedrückten ire Untertanen aufs Schändlichste, und stellten namentlich den Weibern nach. Kein Mädchen war vor inen sicher: die Bräute [180] des Tales musten vor irer Hochzeit jeweils vier Wochen lang auf der Burg zubringen. Der lezte der Zwingherren trib es noch am Schlimmsten; seine Gräueltaten machten in überall verhaßt. Um deshalb seine Wege zu verbergen, ließ er sein Reitpferd verkert beschlagen, so daß, wenn er weggeritten, man glauben muste, er sei heimgekert, und wenn er nach Hause gekommen, die Spuren nach auswärts fürten. Auf seiner Burg hielt er oft nakte Bälle. Das Maß seiner Laster war aber nun voll. Als am Weihnachtstage seine Frau in die Kirche nach dem benachbarten Bondorf gegangen, war bei irer Rückker das Schloß spurlos verschwunden. Die wenigen Bewoner, die sich noch zu flüchten gewußt, erzälten der Schloßherrin: wärend des Gottesdienstes habe der Herr mit dem Dienstmädchen in ganz entblößtem Zustand einen Tanz aufgefürt und da sei die Burg in die Tiefe versunken. Auch ein Kind war noch gerettet worden, da es die Wärterin in einem irdenen Topf hatte den Berg hinab rollen laßen.

Andere erzälen dagegen den Untergang des Schloßes folgendermaßen: An einem Sonntage ward wärend des Vormittagsgottesdienstes bei lustiger Musik ein nakter Ball in der Burg gehalten. Da ereilte die Frevler die gerechte Strafe. Der Himmel verfinsterte sich, schwarze Wolken zogen sich zusammen, ein heftiges Gewitter mit schreklichem Bliz und Donner brach plözlich los und ein Blizstrahl traf das Schloß, welches mit Mann und Maus niderbrannte. Die Großmutter wonte gerade dem Gottesdienst in Billafingen bei; da kam der Schloßhund, welcher sich losgerißen, mit der Kette zu ir in die Kirche und die Greisin wuste nun das Schicksal der Burg.

Von einem Gebäude finden sich jedoch auf dem Bühl keine Reste; nur lose Steine ligen umher; ebensowenig sind irgendwo Brandspuren zu entdecken. Dunkle Tannen bedecken den Berg und zalreiche Fuchslöcher schauen an den Abhängen vor und zeigen, daß der ganze Hügel unterminiert ist. Die Leute aber behaupten, daß tiefe Verliese weit unter der Erde hingehen und einen Schaz bergen. Noch jezt suchen am Karfreitag bißweilen Knaben hier nach Geld und sollen solches auch schon gefunden haben. Auch der Großvater des benachbarten Hofbauern soll hier einst Goldmünzen in großer Menge gefunden haben und sei dadurch reich geworden. Einst giengen Kinder auf die Zwingenburg und sahen erstaunt unter einer Tanne einen ganzen Haufen „Zugören“ (Rörenknochen von Schafen, Zigen, welche zum Befestigen der Zugstränge am Rosskummet dienen). Sie erzälten diß zu Haus, worauf ir Vater auf den Berg gieng, aber nirgends war mer Etwas zu sehen. Hätten die Kinder die Nadeln gleich mitgenommen, so hätten sie vil Geld nach Hause gebracht. Ein ander Mal besuchten Knaben die Zwingenburg und sahen ein glänzendes Kegelspil samt Kugeln daligen, sie sezten die Kegel auf und kegelten nach Herzenslust; plözlich aber rollten Kegel und Kugeln den [181] Abhang hinab und waren nicht mer zu finden. Zu Hause erfuren die Buben, daß es ein goldenes Kegelspil gewesen. Vor meren Jaren begaben sich einige Männer aus dem Tal auf die Zwingenburg, um den Schaz zu heben. Beim Graben stießen sie auf eine eiserne Kiste und wollten sie eben herausnemen, da sagte einer der Schazgräber: „Schau! da springt eine Haselmaus herüber!“ Auf dises versank plözlich die Kiste, denn beim Schazgraben darf kein Wort gesprochen werden. Eine Stimme aber ließ sich vernemen: „Der Schaz ist nun so weit hinabgesunken, als das Billafinger Tal tief ist.“ Jezt liefen die Gräber erschrocken davon und ließen sich nie mer zum Weitergraben herbei. Bißweilen siht man am Fuße des Berges einen schwarzen Mann umherwandeln. An Weihnachten soll schon öfters wärend des Vormittagsgottesdienstes Tanzmusik von der Zwingenburg herabgetönt haben.

Mündlich