Die Zeiten. Zwei Blätter – Zweites Blatt
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Der unglückliche Erfolg, welcher für Hogarth sich aus dem vorhergehenden Blatte ergab, und welcher ihn um so mehr kränken mußte, da populärer Beifall ihm gewissermaßen zum Bedürfniß geworden war, äußerte wenigstens auf den Künstler die Wirkung, daß er sich mit der Herausgabe dieses zweiten Blattes mehr in Acht nahm. Er begann es, und ließ es liegen, indem er sich vorerst auf andere Weise an den gegen seine Person gerichteten Angriffen zu rächen suchte (durch das Porträt von Wilkes und durch die Carrikatur des Satyren-Dichters Churchill). Er begann mehrere Male daran zu arbeiten, ließ es jedoch wieder liegen, so daß es bei seinem Tode unvollendet war. Seine Wittwe erlaubte niemals die Herausgabe, aus Gründen, die man nach dem Vorhergehenden leicht vermuthen kann. Erst nach ihrem Tode wurde das Blatt von den Herren Boydell gekauft und 1790 herausgegeben. Die Composition ist jedoch noch schlechter, als die vorhergehende, worin wenigstens eine einzige Parteiansicht vorherrschte und Einheit der Darstellung zu bemerken war. Hier kommen mehrere Dinge vor, die der vertheidigten Partei nicht einmal angenehm sein konnten.
Wie auf dem vorhergehenden Blatte schwebt über dem Ganzen die Friedenstaube. Seitwärts im Vordergrunde ist das Parlament dargestellt; allein man bemerkt nur das Oberhaus, worüber sonderbarer Weise [874] der damalige Sprecher des Unterhauses, Sir John Cust, präsidirt. Das Parlament ist natürlich in zwei Parteien geschieden, die durch eine Barre von einander getrennt sind, in die ministerielle und Oppositions-Seite. Die Opposition hat sich sehr vermindert. Bestechung und Hofeinfluß haben eine Menge Whigs zu Tories gemacht. Der Herzog von Cumberland (unter dem Sprecher), der Herzog von Devonshire, Lord Chesterfield (an dem Hörrohre kennbar, das er im Alter benützte), und Andere sind übergetreten. Ein anderer ist im Begriff, seine Partei zu verlassen, oder sich als Ratte zu erweisen (he is ratting), d. h. er ist ein Nachahmer jener Thiere, die ein Haus verlassen, sobald dasselbe mit dem Einsturz droht. Er schleicht sich nämlich unter der Barre durch, um zur andern Partei überzugehn. – Pitt (Graf von Chatham) ist jedoch noch auf seinem Posten geblieben. Er feuert eine lange Flinte gegen die Friedenstaube, und seinem Beispiele folgen noch Andere, die ebenfalls bei der Partei ausharren, unter Andern sein ehemaliger College im Ministerium, Legge, der vor ihm sitzt. Pitt ist auch an seinen mit Wollentüchern verbundenen Beinen kennbar, denn er litt am Podagra. Das Feuer aber bleibt ohne Erfolg.
In der Mitte des Blattes steht die Statue Georg’s III. mit dem Krönungsmantel. Das Bild, wie Unterschrift zeigt (Ramsey del.), ist nach der Zeichnung eines damaligen Porträtmalers, welchen der Hof begünstigte, verfertigt, einem gewissen Ramsey, der zwar Geschicklichkeit im Treffen zeigte, allein alle seine Bilder mit großer Steifheit darstellte. Diese kann man auch an der Statue des Königs erkennen. Georg III. steht da, wie ein Grenadier, welcher das Gewehr präsentirt. In der Hand hält er einen Barometer, welcher gutes und schlechtes Wetter, als von ihm ausgehend, anzeigt. Auf dem Postamente geht aus einem Löwenkopfe die Röhre einer Bewässerungsmaschine hervor, welche dazu dient, den Hof mit königlicher Gnade anzufrischen. Von welcher Art die letztere sein mag, ergibt sich aus den Bischofsmützen, Sternen des Hosenbandordens, Peerskronen (coronets) und Kammerherrnschlüsseln, die am Postamente umherliegen. Der Hof umringt das Postament in der Gestalt von Orangen und Taxusbäumen, welche der Bewässerung [875] bedürfen. Die Bewässerungsmaschine leitet Lord Bute, wie auf dem vorhergehenden Blatte die Spritze. Er war allerdings genöthigt, bald nach dem Abschluß des Friedens wegen der allgemeinen Entrüstung der Nation aus dem Ministerium zu treten, die öffentliche Meinung bezeichnete ihn jedoch fortwährend als Rathgeber des Königs bei jeglichem unpopulären Schritt, ein Umstand, den Lord Brougham kürzlich mit Bestimmtheit abgeleugnet hat, weil Georg III. es seinem Minister nie vergeben haben soll, daß dieser sich durch die Heftigkeit des Widerstandes abschrecken ließ, den königlichen Eigenwillen auf seine Gefahr vertreten zu wollen. – Die einzelnen Orangenbäume sind durch die Zeichen G. R. (Georg Rex) oder George als Eigenthum des Königs bezeichnet, so daß jene Höflinge als Leute gelten, welche blindlings jedem Befehle gehorchen. Einige haben früher anstatt des George den Namen James gehabt, der jedoch klüglicher Weise ausgelöscht ist. Es sind also ehemalige Anhänger der Stuarts. Als nämlich mit der Thronbesteigung Georg’s III. die goldene Zeit der Tories begann, trat eine Menge der ehemaligen Jakobiten, seitdem mit dem Namen Hochtories bezeichnet, zu der regierenden Partei über, da ohnedem seit 1745 ohne alle Hoffnung die früher von ihnen vertretene Sache verloren war. Außerdem war den verbannten Jakobiten bei der Thronbesteigung des Königs Gnade ertheilt. Deßhalb trägt auch der schottische Jagdhund hinter Lord Bute an seinem Halsbande die Inschrift: Mercy (Gnade). Einer jener Orangenbäume hat auch die Inschrift: Republican; dies soll also irgend ein Whig sein, der vom Hofe eine Pension erhielt, allein seine Partei deßhalb nicht aufgab. Den Whigs, wie jetzt den Radicalen, wurden damals oft genug republikanische Bestrebungen vorgeworfen, um sie bei dem großen Haufen verhaßt zu machen. Ein Lorbeerbaum steht übrigens seitwärts und wird vom Himmel aus, durch das Sternbild des Wassermanns, bewässert, welches zwischen den Fischen und der Waage oben zu sehen ist, eine Andeutung, daß es dort oben zwar nicht an Wasser fehlt, dieses jedoch nur nach Verdienst zugemessen wird. Der Topf des Lorbeerbaumes hat die Inschrift: Culloden, und der Baum soll somit den Herzog von Cumberland bezeichnen, dessen Heldenthum [876] von Culloden freilich schon sehr veraltet und durch Hastenbeck und Kloster Zeven vergessen war.
Auf der andern Seite der Platform, Lord Bute gegenüber, wirft ein Gärtner mehrere alte und vertrocknete Bäume als nutzlos in den Graben. Dies können nicht die Mitglieder der früher herrschenden Partei sein, denn der Gärtner ist der ehemalige Minister und Leiter der Whigs, Henry Fox, den Hogarth auf dem vorhergehenden Blatte als wartenden Fuchs darstellte. Henry Fox ist zu den Feinden niemals übergetreten, und man könnte deßhalb nicht recht begreifen, weßhalb ihn Hogarth hier angebracht hat, wenn man nicht annehmen will, diese Reinigung des Hofes solle eine Anspielung auf das Geschrei gegen die Sinekuren sein, welches die Whigs damals ihrerseits begannen, als sie selbst von demselben ausgeschlossen waren. Uebrigens ist dem Gärtner bei dieser Gelegenheit eine alte Walze zwischen die Beine gerathen, die er nicht mit über Bord werfen kann. Sie hat die Inschrift: 100,000,000 Pfund, und bezeichnet die Staatsschuld, welche unter dem Ministerium Pitt, woran Fox Antheil hatte, bis auf diese Summe vermehrt worden war. Somit wäre angedeutet: die Whigs dringen gegenwärtg auf Sparsamkeit, und waren während ihrer Herrschaft selbst Verschwender. – Was die Figur, die mit einer weißen Maske aus dem Graben hervorsieht, bedeuten soll, ist von den englischen Erklärern nicht angegeben.
Seitwärts von der Platform befindet sich das Volk, vom Hofe durch einen Graben getrennt. Eine Brücke mit einem verschlossenen Thore führt hinüber; dort stehen, der königlichen Gnade wartend, verstümmelte Matrosen und Soldaten; sie harren nicht vergeblich, denn auch sie werden bewässert. Der Erzbischof von Canterbury, Dr. Secker, segnet zwei Kinder ein. Hogarth hat ihm den Namen „Geschwätz“ gegeben (Dr. Caut). Im Vordergrunde steht Wilkes mit Hals und Händen in den sogenannten Stocks; an der Brust ist ihm sein North Briton festgeheftet und über seinem Haupte das Wort „Verläumdung“ (Defamation) geschrieben. An seiner Seite erleidet das Gespenst einer kurz vorher gehängten Diebin, der Miß Fanny Phantom, als Verschwörung [877] (Conspiracy), dieselbe Strafe. Sie hält in der einen Hand einen Hammer, um Lärm zu machen, in der andern ein Licht, womit sie unversehens dem hülflosen Wilkes das Kinn versengt. Der arme Wilkes, mit leeren Taschen, wird ohnedem auf verschiedene Weise verhöhnt. Ein Schulknabe amüsirt sich bei ihm à la Teniers. Unter dem Gerüste, worauf er steht, macht ein Schotte Musik mit einem Dudelsack und zwar sicherlich im höchsten Wohlgefallen befriedigter Rachsucht, denn Wilkes hatte auch die Vorurtheile des gemeinen Engländers gegen seine nördlichen Nachbarn in Anspruch genommen, um Lord Bute verhaßt zu machen, und dabei heftig auf die Schotten geschimpft. Ein Anderer bläst unter ihm das Kuhhorn, ein Knabe spielt die Violine, ein Hochländer jubelt mit einem Schornsteinfegerjungen, ein Weib zapft Branntwein aus einem mit den Anfangsbuchstaben von Wilkes Namen (J. W.) bezeichneten Fasse, eine Magd besprengt von oben seinen Kopf mit einem Wischlappen.
Uebrigens ist diese Darstellung von Wilkes ein frommer Wunsch des Künstlers geblieben, denn die jenem Demagogen zugedachte gerichtliche Verfolgung nahm einen ganz andern Ausgang, als die Regierung erwartete; Wilkes ist ferner nie vom Pöbel verhöhnt worden, und füllte gerade durch die von ihm unterhaltene Aufregung seine vorher geleerten Taschen.
Im Hintergrunde erblickt man die Segnungen des Friedens. Wo es früher brannte, werden neue Häuser gebaut; eine neue Kirche ist auf der andern Seite schon fertig, die Gesellschaft zur Beförderung der Künste, Manufacturen und des Handels (Society for the promotion of arts, manufactures & trade) ist in einem vor der Kirche stehenden Hause in voller Thätigkeit. Eine colossale silberne Pallette, eine Prämie, wie die Inschrift zeigt (Premium), wird durch einen Krahn emporgewunden. H. Templemow, der Secrctär der Gesellschaft, welcher dieses zweckmäßige Mittel erfunden hat, um die Malerei in Flor zu bringen, leitet dieses Verfahren, und im ersten Stock ist Lord Romney, der Präsident, zu erblicken.