Die Zündrequisitenfabrikation
Das „Schwefelhölzchen“ ist ein sehr unbedeutendes Wörtchen und bei dem bloßen Anblick auch ein höchst unbedeutendes Ding an und für sich, wenn gleich es sich den Menschen unentbehrlich gemacht hat und bei aller seiner Kleinheit und Unscheinbarkeit doch eine der wichtigsten Rollen in der Welt spielt; und die Fabrikation dieser Kleinigkeiten wird nicht selten mit einer Großartigkeit betrieben, welche man dem Produkt selbst nicht ansieht.
Die Langweiligkeit und Unsicherheit der alten Feuerzeuge – wir erinnern nur an Stahl, Stein und Zunderbüchse – hatte schon längst Versuche zur Herstellung eines schnell und sicher wirkenden Feuererzeugungsmittels hervorgerufen und verschiedene, mehr oder minder praktische Erfindungen waren gemacht worden, wie die des chemischen Feuerzeugs u.s.w. Endlich erfand Congreve das erste Reibefeuerzeug (Lucifer matches), welches aber in seiner Zusammensetzung aus chlorsaurem Kali und [175] Schwefelantimon immer noch nicht alle Ansprüche befriedigte. Ein Deutscher, Namens Romer, welcher schon die früheren Feuerzeuge verbessert hatte, verfiel endlich in Anbetracht der besonderen Eigenschaften des Phosphors, auf die Idee, denselben zur Herstellung schnellzündender Feuerzeuge zu benutzen; seine Versuche hatten den gewünschten Erfolg und Romers Entdeckung breitete sich mit überraschender Schnelle nach allen Richtungen über fast die ganze bewohnte Erde aus, und zahlreiche Fabriken zur Anfertigung von Reibzündhölzern entstanden.
Die erste Operation bei der Anfertigung von Streichzündhölzern ist die Herstellung der Holzstäbchen oder Dräthe, welche mittelst eines Hobels geschieht, der auf jeden Stoß deren zwei liefert. Ein fleißiger Arbeiter kann so täglich zwanzig tausend Stäbchen liefern, ist aber eine durch Wasser- oder Dampfkraft getriebene Hobelmaschine vorhanden, so können täglich mehrere Millionen Dräthe fertig werden. – Es sei noch bemerkt, daß eine Klafter gutes, leichtspaltbares Holz eine Million Dräthe, oder fünf Millionen Hölzchen giebt, da jeder Drath fünf Hölzchen liefert. Die Dräthe werden in Bündel gebunden und so in die Fabrik abgeliefert.
Die Drathbündel werden nun auf der Schneidebank mit einem, der Tabakschneide ähnlichen Werkzeuge in fünf Theile zerschnitten, welches eben so leicht als schnell von Statten geht, obwohl auf einen Schnitt gewöhnlich fünfhundert Hölzer abgetrennt werden. – Nun sind die Hölzchen zum Setzen oder Packen in die Maschine fertig.
Sind in der betreffenden Fabrik Einlegemaschinen vorhanden, so kann jede dieser Maschinen, die nur einen Arbeiter erfordert, täglich eine Million Hölzer setzen. Ist aber keine Maschine vorhanden, so ist das Einsetzen der Hölzer gewöhnlich die Arbeit von Kindern, welche recht rasch damit zu Stande kommen. Die sogenannte Maschine besteht aus zwei senkrecht auf ein Bret befestigten Stäben und zwanzig Bretchen, die an jedem Ende ein Loch haben, um sie mittelst derselben auf die Stäbe zu befestigen. In jedes Bretchen sind fünfzig Querfurchen eingeschnitten, grade groß genug, um ein Hölzchen aufnehmen zu können. Mit großer Raschheit werden nun von dem Arbeitenden fünfzig Hölzchen in die Furchen gelegt, oder vielmehr gerollt und dann das Bretchen auf die Stäbe befestigt, worauf dann ein zweites Bretchen zur Hand genommen und auf dieselbe Weise gefüllt wird. So kann bei einiger Uebung in wenig Minuten die ganze Maschine gefüllt sein und es werden dann die einzelnen Bretchen durch Preßschrauben fest an einander geschraubt.
Die gefüllte Maschine, welche nun tausend Hölzchen enthält, wird einige Mal auf eine Steintafel gestoßen, wodurch die Hölzer eine vollkommen gleiche Fläche erhalten und die ganze Vorrichtung nun einer groben Bürste, oder einer Egge gleicht.
Durch Eintauchen in heißen Sand werden die Hölzchen etwas erwärmt, damit die Zündmasse besser an ihnen haftet, dann werden sie mit den Spitzen in geschmolzenen Schwefel, und ist dieser getrocknet, in die eigentliche Zündmasse, den Phosphorteig, getaucht. Dieser Teig wird aus Phosphor mit Salpeter, Braunstein oder Mennige und einer Gummi- oder Leimauflösung bereitet und auf eine Steinplatte gestrichen. Gummi und Leim werden zugesetzt, nicht nur um den Phosphor fester an dem Schwefel haften zu machen, sondern auch, um ihn einzuhüllen, damit er sich nicht vor seinem Gebrauch selbst verzehre; Salpeter und die übrigen Ingredienzien aber, um durch dieselben den bei der Entzündung sonst zu schnell verpuffenden Phosphor zu längerem Brennen zu veranlassen, bis auch der Schwefel von der Flamme ergriffen ist. Auf der sorgfältigen Bereitung der Zündmasse beruht also vorzüglich die Güte der Waare, ist z. B. zu viel Phosphor zugesetzt, so überzieht er bei dem Verbrennen den Schwefel mit einer glasigen Schlacke, welche dessen Entzündung verhindert.
In dem Trockenraume endlich werden die Hölzchen abgetrocknet, und hier ist der unangenehmste [176] und gefährlichste Aufenthalt, da der feuchte Phosphor giftige Dämpfe aushaucht, deren Wirksamkeit schon mancher Arbeiter durch Verlust seine Kinnbacken in Folge des durch Phosphorvergiftung hervorgerufenen Knochenfraßes, bitter erfahren hat.
Die völlig trocken gewordenen Hölzchen kommen nun in die Hände von Frauen und Kindern, welche dieselben in Holzschachteln oder Papierhülsen u.s.w. füllen, und die gefüllten Papierpackete wieder in kleine Kistchen packen. Ist ein Kistchen gepackt, so wird die ganze Oberfläche der darin enthaltenen Päcktchen mit Leim überstrichen und dann in scharfen Sand gedrückt, wodurch die zum Entzünden des Phosphor nöthige rauhe Fläche entsteht. Ist dieser letzte Ueberzug trocken, wird der Deckel aufgelegt, derselbe mit Papier verklebt und das Kistchen ist zum Versenden fertig.
Das Phosphorfeuerzeug hat sich in jede Haushaltung eingebürgert und jedes andere fast gänzlich verdrängt, da kein anderes so bequem und zugleich so billig ist, als eben die Streichhölzchen, und dieses erklärt denn auch die ungeheuren Massen von Zündhölzchen aller Art, welche gefertigt und verbraucht werden. Eine Fabrik in Wien liefert z. B. täglich bis zehn Millionen, und in ganz Oesterreich giebt es über zweihundert Zündrequisitenfabriken, welche über zwanzigtausend Menschen beschäftigen.
Unter den in Sachsen bestehenden Fabriken dieser Branche ist unbedingt die von Kummer und Günther in Königswalde bei Annaberg die ansehnlichste, nicht unbedeutend sind auch die Fabriken von A. F. Eckhardt in Potschappel, Lorenz in Jöhstadt, einige Fabriken in Leipzig und anderen Städten, welche zusammen wohl über tausend Menschen beschäftigen.
Zu näherer Betrachtung einiger Etablissements dieser Branche übergehend, wählen wir für erst die