Die Wurmlinger Kapelle
Von Calw Graf Anselm lag am Tod,
Ein stark und frommer Grafe,
Er ging mit vollen Sinnen ein
Zum allerletzten Schlafe;
Als zög’ er hinaus auf’s Jagen,
Er sprach mit seiner Zunge so klar,
Als rief er im Feld zum Schlagen.
Er sprach: ich kann durch’s Fenster seh’n
Die Sonne mag ihn mit ihrem Licht
Nicht Einmal Jahrs bescheinen.
Ich habe gelebt auf Bergen frei
In Schlachten und in Siegen,
Auf Bergen möcht’ ich liegen.
Es ist vergangen kein einziger Tag,
Daß ich nicht zog in die Ferne,
Ich führ’ als todt in die weite Welt
So spannt vor einen Wagen bald
Ein tüchtig Paar von Stieren,
Die schickt mit meinem Sarg hinaus,
Doch keiner soll sie regieren.
Macht dort mir ein Grab zur Stelle,
Und baut zu Gottes Ehren auf
Eine heilige Kapelle.
Und als der Graf verschieden war,
Auf schwarzem Wagen zwei schwarze Stier’
Zieh’n steinernen Sarg im Stillen.
Sie ziehen mitten durch’s Ackerfeld,
Es will es keiner wehren,
Dem todten Herrn zu Ehren.
Sie zieh’n vom Morgen bis zur Nacht,
Und wieder bis zum Morgen,
Da machen sich die Diener auf,
Sie fragen nach der irren Spur
Mit Worten lange, mit Blicken,
Bis sie auf einem steilen Berg
Fern das Gespann erblicken.
Dahin sie ihn getragen,
Die Stiere brachten ihn wohl hinauf,
Der Sarg fiel nicht vom Wagen.
Daß er so wohl gelingen ließ
Dem Herrn die letzte Reise.
Von vielen Dörfern tönt herauf
Ein frommes Grabgeläute,
Als ob sie ihm Blumen streute.
Und wie den Sarg man öffnet noch,
Des Grafen Aug’ ist offen,
Als hätt’ ihn Berges Luft und Licht
Auch liegt der Abendsonne Schein
So roth auf Lippen und Wangen:
Es war, als wäre der bleiche Tod
Vor seinem Strahl vergangen.
Nach seinem Wunsch, zur Stelle,
Als Grundstein weihten sie den Sarg
Zur heiligen Kapelle.
Von drunten kommen auf deren Klang
Das ganze, tiefe Dorf will ruh’n
Auf hohem Berge bei’m Grafen.