Textdaten
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Autor: Gustav Schwab
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Titel: Die Tübinger Schloßlinde
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aus: Gedichte. 1. Band, S. 264–267
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[264]

Die Tübinger Schloßlinde.

1.

Und wie sollt’ ich dein vergessen,
Du getreue Musenstadt,
Die mein ganzes Herz besessen
Und mich wohl gepfleget hat.

5
Von dir singen, von dir sagen

Könnt’ ich gar viel Leid und Freud’,
Doch, nicht ist’s aus fernen Tagen,
Ach! mir ist, als wär’s erst heut!

Aber heute gieb mir Kunde

10
Tief aus deiner alten Zeit,

Als dich von dem schwäb’schen Bunde
Ulrich, unser Herr, befreit.

Zwar er kam in schwerem Zorne,
Schlug dir ein dein zagend Schloß,

15
Daß die Sträucher und die Dorne

Standen auf den Trümmern bloß.

Doch er hat es neu erbauet,
Stark und fürstlich es erhöht;
Blickt, ihr Enkel, auf, und schauet,

20
Wie es noch so stattlich steht!


[265]
Stolz auf seinem schlanken Renner

Ritt der Herzog mitten ein,
Hoher Rath der weisen Männer
Zog gemächlich hinterdrein.

25
Aus den Zellen, aus den Schenken,

Dicht in Mantel und in Bart,
Sah man Hut und Degen schwenken
Den Studenten alter Art.

Vor den Thoren vom Barette

30
Wirft der Fürst ein Lindenreis:

„Wachs’ und blüh’ an dieser Stätte
Als ein Bäumlein grün und weiß!“

Keiner wagt es drauf zu treten,
Frommer Boden hüllt es ein,

35
Unter Jubeln und Gebeten

Geht der Zug zur Burg hinein.

2.

Als sie funfzehn Jahr gestanden,
Sah’n schon alle Steine grau,
Vieles hatten überstanden

40
Fürst zumal und Fürstenbau.


[266]
Denn das span’sche Kriegsgewitter

War gezogen durch das Land,
Doch am Thor die steinern’ Ritter
Hielten unbezwung’nen Stand.

45
Und die Linde vor den Thoren

Rauschte freudiglich darein,
Als von Fürstenhand erkoren,
Freie Wächterin zu seyn.

Rauscht’ und blühte funfzehn Jahre,

50
Bis ein Winter wieder kam,

Der den Herzog auf der Bahre
Von dem treuen Schlosse nahm.

Mit der welken Blätter Zittern
Flüsterte sein Baum darein,

55
Und das edle Paar von Rittern

Jetzo schien es erst von Stein.

Lehrer viel und Schüler wallen
Durch die Straßen schleichend bang,
Aus den Sälen, aus den Hallen

60
Tönt ein frommer Sterbgesang.


Doch die graue Landesveste
Zeuget noch von ihrem Herrn,
Hätten gleich die fremden Gäste
Sie zerstöret gar zu gern [1].

[267]
65
Und der Baum der blüht noch immer

Seit manch hundert Sommern gut,
Ziert mit grüner Zweige Schimmer
Manchen freien Musenhut.

Horch, sie rauscht im Abendwinde,

70
Wandle, Herzog, durch dein Schloß,

Komm’ und pflück’ von deiner Linde
Einen frischen Blüthensproß!


  1. Die Franzosen im Jahr 1688.