Die Wittwe
Ein Mährchen.
Dorindens junger Ehegatte,
Den sie so lieb, wie sich, und wohl noch lieber hatte – – –
Noch lieber? wirft der Spötter ein
Und lachet hönisch; doch er lache!
Drum noch nicht auf, gewiß zu seyn.
Genug, der Tod entriß Dorinden
Sehr früh den treusten, besten Mann;
Und ich kann keine Worte finden,
Um alles das recht lebhaft auszudrücken,
Was sie, die junge Frau, gefühlt,
Die ihn vor wenig Augenblicken
Gesund, itzt aber todt in ihren Armen hielt,
Der Priester kam, der sie besänftgen sollte;
Die ganze Freundschaft kam; doch nichts bewegte sie.
Je mehr man tröstete, je mehr Dorinde schrie.
Man mußte mit Gewalt sie von dem Todten bringen.
War alles, was sie that; und ein entsetzlich Ach!
War alles, was sie trostlos sprach.
Dieß trieb sie länger noch als vier und zwanzig Stunden.
Er sah Dorindens Schmerz; und theils auf ihr Begehren,
Theils als ein Freund den Seligen zu ehren,
Und seinem Untergang im Tode vorzubaun,
Entschloß er sich, in Holz ihn auszuhaun.
Das Werk in kurzem zu vollenden;
Und Stephan stund in Lebensgröße da.
Ein Meisterstück pflegt bald bekannt zu werden;
Das Volk lief zu und schrie, so balds den Stephan sah:
Seht nur die lächelnden Geberden!
Seht nur den aufgeworfnen Mund!
Nein, ähnlichers kann nichts gefunden werden:
So sah ich ihn noch jüngst, als er Gevatter stund.
Der noch allein der Wittwe Trost verlieh,
Ins zweyte Stock, wo er und sie
Ein ganzes Jahr vergnügt geschlafen hatten.
Hier schloß sie sich mit ihm in ihre Kammer ein,
Und hielts für ihre Pflicht, mit ganzen Strömen Zähren,
Um seiner ewig werth zu seyn,
Ihn noch im Tode zu verehren.
Wer kann wohl mehr von einer Frau begehren?
Und hatte, wie mein Währmann sagt,
Kein lebendes Geschöpf seit dieser Zeit gesprochen,
Als ihren Hund und ihre Magd.
Und heute wars nach so viel bangen Wochen
Und in dem Augenblick war auch ein Fremder da.
Schnell kam die Magd mit schlauen Mienen:
„Madam, es fragt ein Herr nach Ihnen,
Ein schöner Herr, fast wie der selge Mann;
Das er mir nicht vertrauen kann.“
Du kannst, sprach sie, nur was erdichten,
Ich gehe nicht von meinem lieben Mann.
Und kurz, du darfst ihm nur berichten,
Denn ach! kein Wunder wärs – – –
„Dieß geht nicht an, Madam,
Er hat Sie schon, indem er angekommen,
An Ihrem Fenster wahrgenommen.
Der fremde Herr ruht eher nicht.
Er hat was wichtigs anzubringen.
Ich dächte doch, Madam, Sie giengen!“
Die junge Wittwe sieht bestürzt,
Das Bild, mit dem sie sich zeither die Zeit verkürzt,
Und nimmt den Fremden an. Wer wird es seyn? Ein Freyer?
Vielleicht giebt uns die Magd Bericht?
Der Nachmittag verstreicht. Der Fremde geht noch nicht.
Soll er denn gar ihr Gast zu seyn begehren?
Dorinde kömmt und zwar allein.
Sie wird sich wohl einmal am Bilde letzen wollen.
Der Herr will mit Gewalt mein Gast den Abend seyn?
Du mußt geschwind die Kanne Schmerlen sieden.
„Ja, ja, Madam, ich bins zufrieden.“
Dorinde geht zurück. Die Magd durchsucht das Haus,
Sie findet keins, und ruft Dorinden
In aller Angst geschwind heraus.
„Madam, ach lassen Sie sichs klagen!
Es ist kein hartes Fischholz da,
Es ist hart Holz, und es zerschlagen?“
Das Bild? Nein, nein – – doch – – thus nur. Ja. – –
Was brauchst du mich denn erst zu fragen?
„Allein das Bild ist schwer, ich kanns allein nicht tragen:
Nun gut, so darfst du ja das Holz nicht erst zerschlagen.
Der Herr zieht künftig in mein Haus;
Da darf ich so nicht länger klagen.
Das Fenster öffnet sich; und Stephan fliegt heraus.