Die Wichtelmänner (1819)
Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Die Wichtelmänner. |
I. Von einem Schuster, dem sie die Arbeit gemacht.
Es war ein Schuster ohne seine Schuld allmählig so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb, als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er das Abends zu um es Morgen in die Arbeit zu nehmen, und weil er ein gutes Gewissen hatte, legte er sich darauf ruhig zu Bett, befahl sich Gott und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit setzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er wußte nicht, was er vor Verwunderung sagen sollte, als er sie näher betrachtete, waren sie auch so sauber gearbeitet, daß kein Stich daran falsch war, als sollt’ es ein Meisterstück seyn. Auch trat denselben Tag schon ein Käufer ein und dem gefielen die Schuhe so gut, daß er mehr als gewöhnlich dafür bezahlte, und der Schuster von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln konnte. Abends schnitt er die zu und wollte Morgens frisch an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand, waren sie schon [203] fertig und es blieben auch nicht Käufer aus, die ihm so viel Geld gaben, daß er zu vier Paar Schuhen das Leder kaufen konnte. Die schnitt er Abends wieder zu und fand sie am Morgen fertig und so gings immer fort, was er Abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also daß er bald wieder zu einem wohlhabenden Manne ward mit ehrlichem Auskommen. Nun geschah es, daß eines Abends kurz vor Weihnachten, nachdem der Mann wieder zugeschnitten hatte, er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach: „wie wär’s, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns solche hilfreiche Hand leiste?“ Die Frau wars zufrieden und steckte ein Licht an, darauf verbargen sie sich in den Stubenecken hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben Acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine, niedliche, nackte Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich und fingen an mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, nähen, klopfen, daß der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war und fertig auf dem Tisch stand, und das war lange vor Tag; und dann sprangen sie schnell fort.
Am andern Morgen sprach die Frau: „die kleinen Männer haben uns reich gemacht, dafür müssen wir dankbar seyn. Sie dauern mich, daß sie so herumlaufen und nichts am Leib haben und frieren. Weißt du was? ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu.“ Der Mann [204] war es wohl zufrieden; Abends, wie sie alles zusammen hatten, legten sie es statt der zugeschnittenen Arbeit auf den Tisch und versteckten sich dann, weil sie sehen wollten, wie sich die Männlein dabei anstellen würden. Um Mitternacht kamen sie beide gelaufen und wollten arbeiten, als sie aber die Kleider liegen sahen, bezeigten sie große Freude. Mit der größten Geschwindigkeit zogen sie sie an und dann hüpften, sprangen und tanzten sie darin, tanzten zur Thüre hinaus und blieben von nun an aus, dem Schuster aber ging es sein Lebtag wohl.
II. Von einem Dienstmädchen, das Gevatter bei ihnen gestanden.
Ein armes Dienstmädchen war fleißig und reinlich, und kehrte alle Tage den Schmutz vor die Thüre auf einen großen Haufen. Eines Morgens lag ein Brief darauf, und weil es nicht lesen konnte, bracht es ihn seiner Herrschaft, da war es eine Einladung von den Wichtelmännern an das Mädchen, es mögte ihnen ein Kind aus der Taufe heben. Das Mädchen besann sich, endlich auf vieles Zureden, daß man so etwas nicht abschlagen dürfe, sagte es ja. Da kamen drei Wichtelmänner und führten es in einen hohlen Berg. Darin war alles klein, aber so zierlich und prächtig, daß es nicht zu sagen ist; die Kindbetterin lag in einem Bett von schwarzem Ebenholz mit Knöpfen von Perlen, die Decken waren ganz golden, die Wiege von Elfenbein und die Wanne von Gold. Das Mädchen stand nun Gevatter und wollt darnach wieder fort, die Wichtelmännlein baten es [205] aber, drei Tage bei ihnen zu bleiben. Die verlebt’ es in Freuden und ward ihm alles zu Lieb gethan, als sie aber herum waren und es heim wollte, da steckten sie ihm die Taschen ganz voll Gold und führten es dann wieder aus dem Berg. Und als es nach Haus kam, war es statt drei Tage ein ganzes Jahr darin gewesen.
III. Von einer Frau, der sie das Kind vertauscht haben.
Einer Mutter war ihr Kind von den Wichtelmännern aus der Wiege geholt, und ein Wechselbalg mit dickem Kopf und starren Augen hineingelegt, der nichts als trinken und essen wollte. In ihrer Noth ging sie zu ihrer Nachbarin und fragte sie um Rath. Die sagte, sie solle den Wechselbalg in die Küche tragen, auf den Heerd setzen, Feuer anmachen und in zwei Eierschalen Wasser kochen, das bringe den Wechselbalg zum Lachen, und wenn er lache, dann sey es aus mit ihm. Die Frau thut alles; wie sie die Eierschalen mit Wasser übers Feuer setzt, spricht der Klotzkopf:
„nun bin ich so alt
wie der Westerwald,
und hab nicht gesehen, daß jemand in Schalen kocht!“
und muß darüber lachen, und wie er lacht, kommt auf einmal eine Menge von Wichtelmännerchen, die bringen das rechte Kind, setzten es auf den Heerd, und nehmen ihren Gesellen wieder mit fort.