Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Der Räuberbräutigam
Untertitel:
aus: Kinder- und Haus-Märchen Band 1, Große Ausgabe.
S. 206-210
Herausgeber:
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1819
Verlag: G. Reimer
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
seit 1812: KHM 40
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Bearbeitungsstand
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Begriffsklärung Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Der Räuberbräutigam.


[206]
40.

Der Räuberbräutigam.

Es war einmal ein Müller, der hatte eine schöne Tochter, als sie nun herangewachsen war, dachte er, wenn ein ordentlicher Freier kommt und um sie anhält, so will ich sie ihm geben, damit sie versorgt wird. Es trug sich zu, daß einer kam, der sehr reich schien, und da der Vater nichts an ihm auszusetzen wußte, so versprach er ihm seine Tochter; das Mädchen aber hatte ihn nicht recht lieb, wie eine Braut ihren Bräutigam lieb haben soll, und fühlte ein Grauen in seinem Herzen, so oft es ihn ansah, oder an ihn dachte. Er sprach zu ihr: „warum besuchst du mich nicht, da du meine Braut bist?“ „Ich weiß nicht, wo euer Haus ist,“ sagte das Mädchen. „Draußen ists, im grünen dunkeln Wald,“ antwortete der Bräutigam. Da suchte es Ausreden und sprach: „da kann ich den Weg dahin nicht finden.“ Der Bräutigam aber sagte: „bis Sonntag mußt du hinaus zu mir kommen, dazu hab ich schon Gäste eingeladen, und damit du den Weg durch den Wald findest, so will ich dir Asche streuen.“ Als es nun Sonntag war, und das Mädchen fort gehen sollte, ward ihm so Angst, und es steckte sich beide Taschen voll Erbsen und Linsen. Es kam zu dem Wald, da fand es die Asche gestreut und ging auf dem Weg fort, aber rechts und links warf es bei jedem Schritt ein paar Erbsen und Linsen auf die Erde. Nun ging es fast den ganzen Tag, bis es zu einem Haus kam, das mitten im dunkelsten Walde stand. Es sah niemand darin und [207] es war alles still, aber auf einmal rief eine Stimme:

„kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus!“

Wie es sich umsah, wars ein Vogel, der da in einem Bauer saß und der noch einmal rief:

„kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus.“

Nun ging die schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere und durchs ganze Haus, aber es war alles leer und keine Menschenseele war zu finden. Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte Frau. „Könnt ihr mir nicht sagen, sprach das Mädchen, ob mein Bräutigam hier wohnt.“ „Ach! du liebes Kind, antwortete die alte Frau, du bist in eine Mördergrube gekommen; deine Hochzeit soll mit dem Tod seyn, der Räuber will dich ums Leben bringen. Siehst du, da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen müssen, wenn sie dich haben, zerhacken sie dich und kochen dich darin und wollen dich dann essen. Wenn ich dich nicht rette, so bist du verloren!“

Darauf versteckte sie das Mädchen hinter ein großes Faß und sprach: „reg dich und beweg dich nicht, sonst ists um dich geschehen: wann die Räuber schlafen, so wollen wir entfliehen, ich habe auch schon längst fortgewollt.“ Kaum war das geschehen, so kamen die Räuber heim und führten eine andere Jungfrau mit, waren trunken, und hörten nicht ihr Schreien und Jammern. Sie gaben ihr Wein zu trinken, drei Gläser, ein Glas weißen Wein, ein Glas rothen und ein Glas gelben, davon zersprang [208] ihr das Herz. Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch und zerhackten ihren schönen Leib in Stücken, und streuten Salz darüber. Da ward der Braut hinter dem Faß Angst, als müßte sie nun auch sterben. Und einer sah, daß an dem kleinen Finger der Gemordeten ein goldener Ring war, und weil er sich nicht gut abziehen ließ, nahm er ein Beil und hieb den Finger ab, aber der Finger sprang in die Höhe und fiel hinter das Faß, der Braut gerade in den Schoos. Der Räuber nahm ein Licht und suchte darnach, konnte ihn aber nicht finden, da sprach ein anderer: „hast du auch schon hinter dem großen Faß gesucht?“ „Ei, rief die alte Frau, kommt und eßt, und laßt das Suchen bis Morgen, der Finger lauft euch nicht fort.“

Da ließen die Räuber vom Suchen ab, gingen und aßen und tranken, die Alte aber tröpfelte ihnen einen Schlaftrunk in den Wein, daß sie sich bald in den Keller hinlegten, schliefen und schnarchten. Als die Braut das hörte, trat sie hinter dem Faß hervor und mußte über die Schlafenden hinwegschreiten, die da reihenweis lagen, und hatte große Angst, sie mögte einen aufwecken. Aber Gott half ihr, daß sie glücklich durchkam, und die Alte stieg mit ihr hinauf und sie machten sich aus der Mördergrube hinaus. Die gestreute Asche war fortgeweht, aber die Erbsen und Linsen hatten gekeimt und waren aufgegangen, und zeigten ihnen beim Mondschein den Weg. Da gingen sie die ganze Nacht, bis sie Morgens in der Mühle ankamen. Das Mädchen aber erzählte seinem Vater alles, wie es sich zugetragen hatte.

[209] Als nun der Tag kam, wo die Hochzeit sollte gehalten werden, erschien der Bräutigam, der Müller aber ließ alle seine Verwandte und Bekannte einladen. Wie sie bei Tische saßen, ward einem jedem aufgegeben, etwas zu erzählen. Da sprach der Bräutigam zur Braut: „nun, mein Herz, weißt du nichts? erzähl uns auch etwas.“ Sie antwortete: „so will ich einen Traum erzählen. Ich ging durch einen Wald und kam an ein Haus, da war keine Menschenseele darin, aber ein Vogel im Bauer rief zweimal:

„kehr um, kehr um, du junge Braut,
du bist in einem Mörderhaus!“

mein Schatz, das träumte mir nur. – Da ging ich durch alle Stuben, die waren alle leer, bis ich in den Keller kam, wo eine steinalte Frau saß. Ich sprach: „wohnt mein Bräutigam hier?“ Sie aber antwortete: „ach! du liebes Kind, du bist in eine Mördergrube gekommen, der Bräutigam will dich zerhacken und tödten, und will dich dann kochen und essen.“ – mein Schatz, das träumte mir nur. – Aber sie versteckte mich hinter ein großes Faß und kaum war das geschehen, so kamen die Räuber heim und schleppten eine Jungfrau mit sich, der gaben sie dreierlei Wein zu trinken: weißen, rothen und gelben, davon zersprang ihr das Herz. – Mein Schatz, das träumte mir nur. – Darauf zogen sie ihr die feinen Kleider ab, und zerhackten auf einem Tisch ihren schönen Leib in Stücke, und bestreuten sie mit Salz – mein Schatz, das träumte mir nur. – Und einer von den Räubern sah, daß an dem Goldfinger noch ein Ring steckte, und weil [210] er schwer abzuziehen war, nahm er ein Beil und hieb ihn ab, aber der Finger sprang in die Höhe und sprang hinter das große Faß, und fiel mir gerade in den Schoos und da ist der Finger mit dem Ring!“ Bei diesen Worten zog sie ihn hervor, und zeigte ihn den Anwesenden.

Der Räuber, als er das sah und hörte, wurde vor Schrecken kreideweiß und wollte entfliehen, aber die Gäste hielten ihn fest, und überlieferten ihn dem Gericht. Da ward er und die ganze Bande für ihre Schandthaten gerichtet.