Die Weidenkätzchen
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DIE WEIDENKÄTZCHEN
Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
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sagt mir doch, ihr Schätzchen,sagt, woher ihr stammt.
»Wollen’s gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum;
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haben winterüberdrin geschlafen, Lieber,
in tieftiefem Traum.«
In dem dürren Baume
in tieftiefem Traume
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habt geschlafen ihr?In dem Holz, dem harten,
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?
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»Mußt dich recht besinnen:20
Was da träumte drinnen,waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.
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Nur als wie Gedankenlagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister
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dort verweilen läßt.«
Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
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ja, nun weiß, ihr Schätzchen,ich, woher ihr stammt!