Die Wacht an der See im Frühling 1889

Textdaten
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Autor: Gerhard Walter
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Titel: Die Wacht an der See im Frühling 1889
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27–28, S. 464–467, 475–478
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die kaiserliche Jacht „Hohenzollern“. Nach einer Zeichnung von Hans Hampke.

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Die Wacht an der See im Frühling 1889.

Ein Ueberblick von Gerhard Walter. Mit Illustrationen von Hans Hampke.

Es giebt nichts Neues unter der Sonne!“ und „alles schon dagewesen!“ sind zwei bekannte Worte, mit denen mancher dasjenige kalt lächelnd zurückweist, was der andere als etwas Besonderes, Unerhörtes preisen möchte. Aber die beiden Worte halten zum Glück nicht immer Stich. Es hat in früheren Tagen keine Sonne auf die Ostsee niedergeschienen, die ihre Strahlen auf einen deutschen Kaiser geworfen hätte, welcher an der Spitze eines reisigen Geschwaders in stolzer Meerfahrt und Heerfahrt auf offener, rauschender See als auf seinem eigenen Gebiet seine goldene Standarte gehißt hätte. Es giebt wohl eine alte Fabel und Sage von „Kaiser Karls Meerfahrt“, an der wir als Kinder unser Herz gestärkt; aber „Kaiser Wilhelms Meerfahrt“ ist Wahrheit und Geschichte aus unseren Tagen, an der wir Männer unsere Herzensfreude haben.

Sie hat früher gekrönte Häupter getragen, die Ostsee: den Dänenkönig, der auf der „Kolberger Heide“ an der holsteinischen Küste seine Schlacht schlug; den Schwedenkönig, der am pommerschen Strande landete, um mit seinen Dalekarlen und Finnen auf des deutschen Reiches Boden zu kämpfen. Aber die Zeiten sind vorbei: über der Ostsee fliegt der Hohenzollernaar und breitet weit seinen Fittig: Suum cuique!

Vor vierzig Jahren noch, was war 1849 die deutsche Marine! Es gab eine dänische, schwedische, russische, französische, englische Marine. Und die dänische blockirte unsere Seehäfen und zerstörte mit zwei Fregatten unsern Handel, ohne daß wir an Gegenwehr denken konnten. Und als wir daran dachten – als „Barbarossa“, „Lübeck“ und „Hamburg“ hinausgingen, um mit den Dänen im Kampf sich zu messen, da fiel auf Helgoland ein Schuß, der sagte: Zurück! Und der englische Premier erklärte im Parlamente, bewaffnete Schiffe unter schwarz-roth-goldener Flagge würden als Piraten angesehen und behandelt werden. Ich entsinne mich noch des Wortes eines Dänen, der zu den Besten seines Volkes gehörte, wie er vor 1864 geringschätzig beim Anblick eines deutschen Buches mit Schiffsabbildungen sagte: „Nicht einmal richtig zeichnen können sie ein Schiff!“ Sie haben seitdem das Zeichnen gelernt und das Bauen und das Fahren, und das Kämpfen werden sie auch verstehen, und das Sterben im Kampf und überm Sieg wird ihnen eine stolze Ehre sein und denen, die nach uns kommen, ein Sporn: Vorwärts und durch!

Die deutsche Marine ist Deutschlands Lieblingskind geworden, das volle Symbol seiner Einheit, der sichtbare Ausdruck seines Einflusses, der hinübergreift bis an die fernen Küsten Ostasiens und hinein in das Gewirr der tausend Inseln des Stillen Oceans, der Macht des neuen Reiches, das seine Flagge hißt am Palmenstrande Afrikas und im Schatten der Urwaldriesen Neu-Guineas und, wo sie weht, es den Nachbarn vernehmlich zuruft: „Hände davon!“ Das Herz des deutschen Mannes draußen freut sich jetzt, wenn von fern die Segel eines Kriegsschiffes am Horizont auftauchen: es mag aus deutschen Planken gezimmert sein und deutsche Geschütze tragen, ihm und seinem Thun und Handeln zum Schutz. Die Zeiten sind vorbei für immer, in denen der deutsche Kaufmann hinter den Rumpf eines englischen Kreuzers sich duckte, um Schutz zu finden; wir können das jetzt alles selbst machen!

Ein so mächtiges Gefüge, wie unsere Marine in wunderbar kurzer Zeit geworden ist, muß notwendigerweise, um ein brauchbares Werkzeug zu sein in der Hand dessen, dem sie dient, zweckentsprechend beweglich und gegliedert sein. Demgemäß bestand von vornherein das Bestreben, die Kräfte des jungen Seewesens richtig zu vertheilen und sie nicht auf einem Flügel unserer Stellung zusammenzudrängen. Wenn Nordsee und Ostsee die deutschen Küsten in einer Länge von 150 Meilen bespülen, dann mußte hier sowohl wie dort unsere Wehrkraft zur See einen Stützpunkt haben. So entstanden die Marinestation der Nordsee zu Wilhelmshaven und die der Ostsee zu Kiel.

Wilhelmshaven ist ein gewaltiges Zeugniß dafür, wie Preußen in weitsichtiger Politik lange, ehe es an die Spitze von Deutschland trat, sich für seine Aufgabe vorbereitete. Das Gebiet am Jahdebusen, welches zum Kriegshafen umgestaltet werden sollte, wurde nicht etwa erst nach dem großen Kriege von 1870, oder nach 1866, oder nach 1864 von Oldenburg erworben, sondern – wohlgemerkt! – schon 1854, als noch männiglich über die Bestrebungen der Preußen, zur See fahren zu wollen, die Achseln zuckte. Wie viele Millionen die Riesenarbeit gekostet hat, dort aus Schlick und Triebsand und Moor ein Nest der Marine zu bauen, wie es jetzt vollendet ist – das entzieht sich der Berechnung. Aber das ungeheure Werk mit seinen Bassins und Riesenschleusen, seinen Molen und seiner Werft ist gelungen.

Leichter ward es uns gemacht an der Ostsee. Lange war die Rede davon gewesen, den Jasmunder Bodden auf Rügen zu einem Kriegshafen auszubauen, der Wilhelmshaven ebenbürtig wäre; denn Danzig erfüllte nicht annähernd die nöthigen Bedingungen, um Panzerschiffen Unterkunft zu gewähren, und Swinemünde war der einzige Hafen, der eine vollausgerüstete hölzerne

Das Torpedoschulschiff „Blücher“.

[465] Kreuzerfregatte aufnehmen konnte. Aber die Kosten eines solchen Baues auf Rügen berechneten sich zu schwindelnder Höhe.

Da löste die Erwerbung von Schleswig-Holstein mit einem Male alle Schwierigkeiten: Kiel mit seinem tief ins Land sich einkeilenden Hafen („Kiel“ plattdeutsch für „Keil“; neben dem großen „der kleine Kiel“; auf den alten Fahnen der Gewerke steht noch „tom Kiel“ zu lesen) fiel an Preußen.

Die Kreuzerfregatte „Irene“.

Selbständig steht jede der beiden Stationen da unter eigenem Chef, je einem Vice-Admiral (im Range gleich dem Generallieutenant); beide zusammen unter dem „Oberkommando der Marine“, das seinen Sitz in Berlin hat. Früher – bis zum 1. April dieses Jahres – standen die Stationskommandos unter dem „Chef der Admiralität“, der sowohl das Kommando wie die jetzt von diesem getrennte Verwaltung in seiner Person vereint. Letztere ist jetzt in die Hände eines Staatssekretärs des Reichsmarineamts – auch eines Seeoffiziers, mit dem Titel Excellenz – übergegangen; ihm liegt auch die Vertretung der Marineangelegenheiten im Reichstag ob.

Jedem Stationskommando ist je eine Marineinspektion, eine Matrosen- und Werftdivision unterstellt. Zur Marinestation der Ostsee gehört auch die Schiffsjungenabtheilung in Friedrichsort.

Andere Behörden mit besonderen selbständigen Aufgaben sind ferner: die Inspektion der Marineartillerie zu Wilhelmshaven, die Inspektion des Torpedowesens zu Kiel; die technischen Institute: die Werften in Danzig, Wilhelmshaven und Kiel; und die wissenschaftlichen Institute unter der Direktion des Bildungswesens der Marine: die Marineakademie und Marineschule, die Deckoffiziersschule zu Kiel und die deutsche Seewarte in Hamburg.

Jene frühere Stellung des Chefs der Admiralität wurde als solche erst geschaffen nach dem Kriege von 1870; der hochverdiente Begründer der Marine, der Prinz Adalbert von Preußen, welcher als Befehlshaber an der Spitze der Marine gestanden hatte, wurde nun Generalinspecteur der Marine, und erster Chef der Admiralität der begabte Organisator General von Stosch, dem Deutschland es zu danken hat, daß es lernte, seine Schiffe selbst zu bauen und auszurüsten vom Marlspieker bis zur kolossalsten Panzerplatte; nach seinem Abgange trat der General von Caprivi an seine Stelle, der auf dem gegebenen Grunde weiterbaute, nachdem er in verblüffend kurzer Zeit sich bis in die letzten Kleinigkeiten des Betriebes hineingearbeitet hatte.

Im vergangenen Jahre folgte ihm der Viceadmiral Graf von Monts, einst der tapfere Kommandant des unglücklichen „Großen Kurfürsten“, das erste seemännische Haupt der Marine seit dem Tode des Prinzen Adalbert 1873. Nach dem frühen Tode des Grafen fand die oben beschriebene Theilung statt.

Aber die stramme Schule unter den Generalen der Landarmee ist an der Marine nicht verloren gewesen. Und wie lange wird’s dauern, dann hißt wieder ein Prinz aus Hohenzollernblut seine Flagge als oberster Befehlsbaber der Marine nach dem Kaiser: Prinz Heinrich, untadelig und treu, und Seemann vom Scheitel bis zur Zeh’!

Und noch eine glänzende Aussicht! Nach Vollendung des Nordostseekanals wird die schleunige, unbemerkte Vereinigung sämmtlicher Schiffe beider Stationen zu entscheidendem Schlage unter einem Kommando keine Schwierigkeiten machen. –

Auf der Kommandobrücke der „Irene“.

In Kriegszeiten hat die Marine selbstredend nur eine Aufgabe: den Feind abzuwehren, aufzusuchen, zu schlagen, daheim und draußen. In Friedenszeiten ist ihr Zweck, einmal sich für den Krieg vorzubereiten, und dann die Interessen des Reiches rings in der Welt zu vertreten, soweit das Meer seine Brandung auf den Strand rollt, entweder im politischen Dienst des Reiches oder zum Schutz der Angehörigen Deutschlands an fernen Küsten, seines Ansehens und seines Handels.

Was den ersteren Zweck angeht, die Vorbereitung und Schulung für den Ernstfall, so stellt das Reich zur Ausbildung der Mannschaften und des Offizier-Ersatzes die Schulschiffe und Uebungsgeschwader alljährlich ist Dienst.

Von Schulschiffen giebt es verschiedene Arten; einmal die stationären: das mächtige Artillerieschulschiff „Mars“ in Wilhelmshaven, auf dem die Geschützführer der ganzen Marine an allem möglichen Kanonenmaterial ausgebildet werden; ferner das Torpedoschulschiff „Blücher“ in Kiel, das die sorglichst und bestgehüteten Geheimnisse der Kriegskunst zur See birgt und auf dem die künftigen Führer und Kommandanten unserer Torpedoboote in aller Weisheit dieses Dienstzweiges unterwiesen werden, der wie kaum ein [466] anderer Ansprüche an die Klugheit, Besonnenheit und Selbstlosigkeit der Offiziere und Mannschaften stellt.

Dann aber kommen die seefahrenden Schulschiffe. (Auch „Mars“ und „Blücher“ gehen zu Zeiten Anker auf, um in See zu manövriren und scharf zu schießen.) Zunächst sind da zu nennen die Schiffsjungenschulschiffe. In diesem Jahre sind als solche für den ersten Jahrgang der Jungen, nachdem dieselben in Friedrichsort die erste nöthige militärische und sonstige Vorbildung erhalten haben – die schmucken kleinen Segelbriggs „Muskito“ und „Rover“ in Dienst gestellt. Für den zweiten Jahrgang werden die Korvetten „Luise“, „Ariadne“ und „Nixe“ benutzt. Mitte Juni ist in diesem Jahr die „Ariadne“ hinausgegangen, um die im Herbst heimkehrende „Nixe“ abzulösen auf der westindischen Station. Der erste Jahrgang übt nur in der Ostsee. Im zweiten Jahre werden die Jungen zum ersten Male auf die große Reise geschickt, die, auf achtzehn Monate berechnet, gewöhnlich nach Südamerika, Westindien und Nordamerika geht. Die alte sturmbewährte kampfgewohnte, bei Jasmund 1864 mit achtzig Schuß gezierte „Nymphe“, das gute, schlanke Seeschiff, ist früher manch liebes Mal mit den braven Jungen hinausgezogen über die Linie und hat draußen die Nase tief, tief ins Salzwasser gesteckt; und wenn die Jungen sonnverbrannt die Lichter des „Eddystone“ wieder aufleuchten sahen, des ragenden Leuchtthurms auf einsamer Klippe am Eingang zum „Kanal“, dann hatten sie gelernt, was sie wissen mußten, um pflichttreue, stramme, behende Matrosen zu werden. Jetzt liegt die „Nymphe“, ihres Schmucks entkleidet und von der Liste gestrichen als Hulk an der Werft zu Kiel, und für sie ist die „Nixe“ eingetreten auf der zur Nachtstunde auf dem weiten Ocean die Wachen einander anrufen mit hallendem Ton und die noch manchmal im wilden Sturm der Winde und Wogen sich neigen wird, stampfend vor der Dünung, schlingernd von Bord zu Bord vor den weißlich überkämmenden Seen und der fauchenden Bö.

Segelfregatte „Niobe“.

Die Ausbildung der Kadetten findet nach wie vor auf der ewig jungen Segelfregatte „Niobe“ statt, die bereits die zweite Generation wiegt. Schon sind jetzt Männer Kommandanten der „Niobe“, die einst zum ersten Mal in ihren Wanten aufenterten, und immer noch gleich stolz drängt sie den eichengewölbten Bug durch die Wellen der Nordsee, wenn sie die hoffnungsvolle Schar der künftigen Offiziere des Reiches hinausträgt zur langen, arbeitsamen Sommerfahrt um England und Irland herum.

In früheren Jahren bis 1883 ging regelmäßig im Oktober eine der großen Kreuzerfregatten, wie „Prinz Adalbert“ oder „Elisabeth“ oder „Leipzig“ oder die längst vergangene „Hertha“, mit den mittlerweile zu Seekadetten Vorgerückten hinaus auf die große zweijährige Reise um die Welt, auf der dieselben als überzählige Unteroffiziere Dienst thaten, um nachher praktisch und theoretisch voll ausgebildet in das Offizierscorps, zunächst als Unterlieutenants, überzugehen. Aber diese Ansammlung von 30 bis 40 jungen Leuten auf einem Schiff hatte auf die Dauer ihre Uebelstände. Es war ihnen schwer gemacht, an ihre eigene Unentbehrlichkeit und wirkliche Verantwortlichkeit zu glauben.

Heckgeschütz.

Neuerdings wurde statt dessen das „Schulgeschwader“ in Dienst gestellt, das im vergangenen Jahr aus den vier Kreuzerfregatten „Stosch“, „Moltke“, „Gneisenau“ und „Charlotte“ bestand, auf denen die Seekadetten – es werden zur Zeit durchschnittlich jährlich 50 Kadetten eingestellt – gleichmäßig vertheilt waren. Gleichzeitig befand sich auf dem Schulgeschwader eine große Zahl der „Vierjährig-Freiwilligen“, Leute, die aus der Landbevölkerung sich freiwillig zum Dienst an Bord statt in der Armee melden und sich für die genannte Zeit verpachten müssen und die, obwohl von Natur richtige Landratten, doch so brave, todesmuthige und gelassene Seeleute werden können, wie’s die Leute der „Undine“ waren – „lauter Schuster und Schneider“ – die in höchster Noth bis zu Ende untadelig jedes Manöver ausführten und noch im Augenblick der Strandung aus der wüthenden Brandung heraus, den Tod vor Augen, das dreifache, brausende Hoch auf den Kaiser riefen: eine schöne deutsche Uebersetzung des alten „Ave Caesar, morituri te salutant“.

Dieses Schulgeschwader ist jetzt außer Dienst gestellt, und an seine Statt ist das „Uebungsgeschwader“ getreten, bestehend aus den Panzern „Kaiser“ als Flaggschiff, „Deutschland“, „Friedrich der Große“, „Preußen“ und dem Aviso „Zieten“, unter dem Kommando des Kontreadmirals Hollmann. Dem gepanzerten Geschwader mit seinen mächtigen Schiffen mag die Ehre werden, den deutschen Kaiser über See zu geleiten, wenn die „Hohenzollern“ die goldene Kaiserstandarte hißt. Nach Beendigung der Sommerfahrten und Sommermanöver wird es dann wieder hinausgehen in Gegenden, wo mildere Lüfte wehen, um auch in der Winterzeit die in der rauhen Heimath nicht mögliche seemännische Ausbildung rastlos zu üben.

Schmied im Vorderschiff an Deck.

Außer diesem wehrhaften Uebungsgeschwader tritt für den Sommer das „Manövergeschwader“ zusammen, in diesem Jahr bestehend aus den Panzerfregatten „Baden“ als Flaggschiff, „Bayern“, „Oldenburg“ und der Kreuzerfregatte „Irene“, letztere unter dem Kommando des Prinzen Heinrich, dazu dem Aviso „Wacht“. Zum Kommandanten des Manövergeschwaders ist der [467] Kontreadmiral v. Kall ernannt. – Beide Geschwader vereinigt, werden später die große „Manöverflotte“ bilden, der dann noch eine größere Abtheilung von Torpedobooten in zwei Divisionen sich angliedern wird.

Ein drittes Geschwader, das „Kreuzergeschwader“, dient draußen an der ostafrikanischen Küste dem Vaterlande unter dem Befehl des Kontreadmirals Deinhard. Zur Zeit besteht es aus der Kreuzerfregatte „Leipzig“ als Flaggschiff und aus der Kreuzerkorvette „Carola“. Dazu kommen die Kreuzer „Möwe“ und „Schwalbe“ und der Aviso „Pfeil“. Es war früher ein fliegendes Geschwader, ohne feste Station, ohne ein für allemal gültige Seegelordre: heute in Sidney, morgen Anker auf nach den Samoainseln; plötzlich vor Hongkong in Sicht, einige Monate später in Sansibar seine Geschütze zeigend; nach erreichtem Zweck durch den Indischen Ocean zurück, vor dem stürmenden Monsun fahrend mit gerefften Marssegeln und in Singapore nach langer, beschwerlicher Reise wie müde zu Anker gehend; manchmal bis zu fünf Monate lang ohne Post, immer beweglich, schlagfertig im Dienst und auf das Wort des Kaisers; fern von der Heimath auf Jahre; bald im Passat in prächtiger Fahrt, und dann einmal vom Teifun umwettert: harter Dienst, schöner Dienst! Nun liegen die obengenannten Schiffe seit Monaten wieder an der ostafrikanischen Küste im furchtbar schweren Blokadedienst gegen die Sklavenhändler und Aufständischen. Ein einsamer Dienst, wie jedes Schiff rastlos die ihm zugewiesene Küstenstrecke abfährt und seine Boote in gleichmäßigen Entfernungen zu Wasser läßt, um durch sie mit der dazu gehörigen Mannschaft und je einem Offizier auf freier See bei Tag und Nacht, bei unwirthlich wildem Wetter und im heißen Sonnenbrand den jedem Boot zugetheilten Küstenstrich abkreuzen und bewachen zu lassen, etwa von 24 zu 24 Stunden ihnen Ablösung bringend.

Es bleibt der eine und der andere draußen auf Nimmerheimkehr, den das Fieber dahingerafft und den sie ins viel tausend Fuß tiefe, kühle Seemannsgrab versenkt oder am fremden Strande unter Palmen begraben haben, wo ihm die Brandung das Schlummerlied singt. Was thut’s! Im Dienst gestorben ist kein Strohtod, sondern immer Vikingstod in Waffenehren; und die Erde ist überall des Herrn. –

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Zwei Jahre zurück! Zwischen den Korallenriffen der Solomonsinseln oder vor den Admiralitätsinseln auf der australischen Station fährt vorsichtig ein schlankes Schiff; die deutsche Kriegsflagge weht von der Gaffel und hebt sich licht ab von dem Dunkelgrün der Strandwaldungen, aus denen schwerer Duft mit der linden Brise herüberweht; dort an Land steigt Rauch auf aus dem Dorf unter den Palmen und Mangobäumen mit seinen palmblattgedeckten Hütten; im Gebüsch verborgen lauern ängstlich dunkle Gestalten. Auf dem Kreuzer – es mag hier der „Adler“ sein oder dort der „Eber“ – steigt plötzlich eine weiße Rauchwolke auf; nun ein dumpfer Knall, ein heulendes Zischen – die Granate schlägt ein zwischen den Hütten – ein Krachen und Feuersprühen aus weißem Pulverdampf – und wieder und immer wieder; im Wald ist’s wie ausgestorben; das Dorf geht in Flammen auf: das Todtenmal für einen weißen Mann, den die dunkelbraunen Gesellen erschlagen und dessen Gut sie geraubt haben. Hinter dem Heck des Kreuzers hervor schießen vor behendem, gleichmäßigem Ruderschlag die Boote mit der Landungskompagnie, im Bug der Barkasse das blinkende Landungsgeschütz: Deutschland schützt – oder rächt das Blut seiner Söhne; und die scheue Kunde davon fliegt von Insel zu Insel. – Dann kam Befehl für beide Schiffe nach den Samoainseln. Sie wußten nicht, daß der Palmenstrand von Upolu ihnen ein Kirchhof werden sollte. – Sie lagen da im Hafen von Apia. Da kam die „Olga“ noch dazu: das war das vierte Geschwader, den Deutschen dort zu Schirm und Wehr zugesandt. Die Leute von dem Geschwader fochten den Heldenkampf von Veilele – eine Handvoll gegen ein Heer, aber alles Männer; dreimal mit der blanken Waffe: „Marsch, marsch, hurrah!“ sich stürmend Luft schaffend und den Weg bahnend – – und viel deutsches Blut floß unter dem lichtgrünen Schirmdach der Pisangs und tropfte durchs dichtverschlungene Gebüsch zur Erde; und unter den Palmen am Strande der See ruhen die todten Seeleute im langen Schlaf. – –

Und dann kam der furchtbare 16. März 1889 mit seinem Orkangebrüll; und den „Eber“ hob eine Riesensee und schmetterte das ungeheure Gewicht auf das Riff; ein kurzes Schwanken – und das todwunde zerbrochene Schiff rollt mit allen, die darin leben, zurück in die rasende, tiefe See. – Und bald liegt auch der „Adler“ flügellahm und sterbend auf dem Korallenfels; der Todten und des Leids genug an einem Tage für Deutschland! –

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Das Panzerschiff „Kaiser“.

Die „Olga“ strandete in Sand und Schlamm, ward wieder abgebracht und konnte über See fahren, aber „Adler“ und „Eber“ fliegen nicht mehr über die See und kämpfen nicht mehr auf blauem Wasser. Doch den Todten hat ihr Kaiser die Leichenrede gehalten. „Nicht ertrunken sind unsere Kameraden in Samoa, sondern gefallen, ihre Pflicht bis zum letzten Augenblick erfüllend!“ Als Ersatz für die „Olga“ ist im April die Kreuzerkorvette „Alexandrine“ nach Samoa hinausgegangen, und vorher noch, gleich nach Eintreffen der Unglücksnachricht, war die „Sophie“ vom Sansibar-Geschwader abgesondert und nach dem so plötzlich schutzlos gewordenen Inselreich abgesandt worden. – Der Wechsel kommt schnell im Leben des Seemanns!

Auf der ostasiatischen Station mag der „Sperber“ im Hafen von Yokohama zu Anker gehen im Herbst, umringt von japanischen Zampans, und der „Iltis“ liegt wohl im Winter in Tientsin eisumklammert am Bollwerk.

Die weiße „Hyäne“ liegt in der Ruhe des Sonntagnachmittags still da in der Mündung des Kamerunflusses; kein Hauch kühlt die Hitze des Nachmittags und rührt die Wipfel der Kokospalmen; sie hat das Sonnensegel ausgeholt, und in seinem Schatten liegen die Schläfer an Deck, weiß vom Fuß bis zum Kopf, bis die Stunde des Urlaubs da ist; vier helle Schläge der Glocke – und es kommt Leben ins Schiff; – der Kutter setzt ab – aber nach sechs Uhr darf niemand an Land sein; nach Sonnenuntergang geht dort das Fieber um. – Nicht ganz so warm wird’s den Leuten sein auf dem „Greif“, dem schnellen, neuen Schiff, das zum Schutz unserer Hochseefischer in der Nordsee kreuzt und den englischen Fischern auf die Finger sehen soll: „Hübsch artig – und nicht zu dicht ’ran!“

Es ist eine kleine Welt für sich, solch ein reisiges Schiff, ob groß oder klein; und wenn’s – wovor Gott es behüten wolle! – an fremder, unwirthlicher Küste stranden sollte, aber alle Leute und alles Material retten könnte, dann dürfte es wohl möglich sein, aus dem Vorhandenen eine kleine Kulturheimath zu bauen und auszustatten. Aber keine Welt wär’s, auf der der alte, unerfüllbare Traum in Erfüllung ginge von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. So verschiedenartige und so eng an einander gedrängte Elemente zusammen zu halten, bedarf es eiserner Zucht und streng hochgehaltener Rangunterschiede.

Achtern in seiner Kajüte wohnt, über dem Ganzen gleichsam schwebend, nur im Nothfall selbst eingreifend, als das Geschick und die Vorsehung des Schiffs, als der alles Vermögende, alle Gewalt in seiner Hand Zusammenfassende, niemand an Bord Verantwortliche –: der Kommandant. Sein Organ, ihm verantwortlich für den ganzen Zustand und die Einrichtung des Schiffes, für die Ausbildung der Mannschaft, für die Ausführung jedes gegebenen Befehls, ist der Erste Offizier, der bei: „Alle Mann!“ selbst kommandirt, dessen Stellung vergleichbar ist mit der des vielgeplagten Kompagniechefs in der Landarmee, nur daß sie auf größeren Schiffen unendlich viel verantwortlicher, mühsamer und rastloser ist.

Für die nautische Führung des Schiffes ist der Navigationsoffizier bestellt, der die Länge und Breite berechnet und dem Kommandanten das tägliche „Besteck“ überreicht. Sein Gebiet sind die Seekarten, seine Furcht die Korallenriffe und Sandbänke, die Abtrift durch Sturm und Strömung; rennt das Schiff auf in einer schwierigen Flußmündung, setzt es sich auf den Fels bei der Hafeneinfahrt: ihn trifft die ganze Wucht der Verantwortlichkeit.

Der Batterieoffizier hat die Wehrhaftigkeit des Schiffes in seiner Hand. Er exerziert die Mannschaft am Geschütz; er läßt den Salut feuern im fremden Hafen, wenn am Großmast die Flagge des Landes aufgeht, an dessen Küste das Schiff ankert; und auf sein Kommando zischen heulend die Hartgußgranaten gegen den Panzer des Feindes, bis das gellende Hornsignal etwa schmettert: „Batterie halt; klar zum Entern!“ – oder: „Entern abschlagen!“

Der wachhabende Offizier – vom Unterlieutenant bis zum Kapitänlieutenant (Hauptmann) hinauf, je nach der Größe und Bedeutung des Schiffes – ist, so lange er im Dienst ist, verantwortlich für die Sicherheit des Schiffes. Es ist ein hartes Werk, je vier Stunden lang ohne Ablösung auf der Kommandobrücke auf und ab zu gehen, ohne Unterlaß in gespanntester Aufmerksamkeit mit dem Blick die Segel und die ganze Takelage, die Leute an Deck, die See draußen und den Himmel droben zu umspannen; alles zu bemerken, nichts, auch das Kleinste nicht außer Acht zu lassen, sofort, wo’s noth thut, mit dem richtigen Befehl einzugreifen; zumal bei stürmender See und in rabenfinsterer Nacht, wenn die vom Blick in die Dunkelheit schmerzenden Augen vom Regen geblendet sind, oder im Nebel, der wie ein Leichentuch überall herniederhängt; oder wenn der Schneesturm über den Atlantik herfaucht, den Heimkehrenden entgegen. Von Mitternacht bis vier Uhr morgens, das ist die böse „Hundewache“, auf der wohl mancher in strahlender Schöne die Sonne hat aus dem Meer tauchen sehen, aber auch mancher in Sehnsucht des Friedens der Heimath gedacht hat.

Diesen Offizieren allen stehen Hilfskräfte zur Seite, jüngere Offiziere, Deckoffiziere und Unteroffiziere. Die Deckoffiziere haben etwa die Stellung wie die Feldwebellieutenants in der Armee; die Obermaate – Obersteuermannsmaat für die Navigation, Oberfeuerwerksmaat für die Artillerie etc. – entsprechen den Sergeanten, die Maate den Unteroffizieren. Bei der Mannschaft ist der Obermatrose dem Gefreiten des Landheeres gleich, erkennbar an dem

Das Panzerschiff „Bayern“.

[477] gelben Winkel am linken Arm; und dann kommt die große Masse der gewöhnlichen Matrosen, Heizer und Handwerker. Die beiden letzteren Klassen zählen zur Werftdivision, die sich von der Matrosendivision durch weiße Knöpfe und ebensolche Tressen an der Jacke unterscheidet sowie durch silbernen Namen am Mützenband, während letztere alles in gelbem Metall und in Gold trägt.

Das Kanonenboot „Hyäne“.

Die Größe der Mannschaftszahl ist auf den einzelnen Schiffen selbstredend außerordentlich verschieden. So hat der „König Wilhelm“ eine Besatzung von 759 Mann, die Ausfallkorvetten der „Sachsen“-klasse zählen 354, die Panzerkanonenboote wie „Brummer“, „Hummel“ u. s. w. 76, die Kreuzerfregatten bis zu 432, die Kreuzerkorvetten etwa 260, die Kreuzer (früher Kanonenboote 1. Klasse) bis 127, die Kanonenboote – die man sich nicht zu klein vorstellen darf, sondern die ausnahmslos alle dreimastig und ganz stattliche Schiffe sind – bis zu 87 Mann Besatzung. Die ganze Flotte auf Kriegsfuß erfordert 16000 Mann.

Den Kern der Marine bilden die eigentlichen Schlachtschiffe, die nur dazu da sind, um an der Küste zur Abwehr oder auf hoher See im Angriff dem Feind die Stirn zu bieten und ihn fern zu halten. Diese Schlachtschiffflotte setzt sich zusammen aus den großen und kleinen Panzerschiffen, an deren Spitze die mächtige, schon erwähnte Panzerfregatte „König Wilhelm“ steht mit einer Wasserverdrängung (gleich ihrem Eigengewicht) von 9757 Tonnen, einer Länge von 108 Metern, einer Breite von 18 Metern und einem Tiefgang von 8 Metern, einer Maschine, die mit der Macht von 8000 Pferdekräften arbeitet; mit einem Stahlpanzer von 30 Centimetern und einer gewaltigen Bewaffnung von 18 Stück 26-Centimeterkanonen (d. h. Kanonen, welche Granaten von 26 Centimetern Durchmesser schießen), 5 Stück 21-Centimeter- und 6 Stück 15-Centimetergeschützen, ohne die Revolver- und Landungsgeschütze. Der „König Wilhelm“ steht im ganzen mit 15 Millionen Mark zu Buch. An ihn reihen sich als Breitseitschiffe „Kronprinz“ und „Friedrich Karl“, als Thurmschiffe „Friedrich der Große“ und „Preußen“, als Kasemattschiffe „Kaiser“ und „Deutschland“. „Friedrich Karl“ hat von diesen allen den schwächsten Panzer, und die „Hansa“ ist, weil ihre Panzerhaut zu dünn war, im vergangenen Jahr von den Listen gestrichen und zum Kasernenschiff der Torpedodivision eingerichtet worden. So vergeht der Glanz der Welt! – Einst, wenn diese Riesen alle einherkamen, in Segel gehüllt vom Topp bis zu den Backspieren, war’s ein stolzer Anblick; jetzt tragen sie nur noch Pfahlmasten und fahren allein unter Dampf; für das Gefecht sind Segel heutzutage nur noch ein lästiges Hinderniß.

Außenbord.

Wenig im Aeußern einem „Schiff“ ähnlich, aber an Brauchbarkeit im Kampf den genannten mindestens ebenbürtig sind die Ausfallkorvetten von der „Sachsen“-klasse, die 41 Centimeter stark schwergepanzerten und schwerbewaffneten, leichtbeweglichen, mit geringem Tiefgang von nur 6 Metern gebauten, im Scherz wohl sogenannten „aufgetakelten Bügeleisen“: „Baden“, „Bayern“, „Sachsen“, „Württemberg“, denen die „Oldenburg“ sich anschließt. Ein einziger Signalmast ragt aus den niedrigen, schornsteinreichen Ungethümen auf, in zwei Drittel seiner Höhe einen „Mastkorb“ tragend, auf dem Revolverkanonen aufgestellt sind. Zwei derartige Masten tragen, statt aller Takelage, auch die „geschützten“ Kreuzerkorvetten der neusten Ordnung: „Irene“ und „Prinzeß Wilhelm“. Die Ausfallkorvetten sind es vor andern, denen im Ernstfall der Schutz der Küsten, die Verhinderung einer Blockade oder einer Landung des Feindes anvertraut werden wird. Daneben aber fällt diese Aufgabe den 13 Panzerkanonenbooten zu, die in der Form den Ausfallkorvetten fast gleich, nur kleiner sind und nur 3 Meter Tiefgang besitzen. Diese vermögen sich vor einem übermächtigen Feind bis aufs Watt oder in die Flußmündungen zurückzuziehen, während ihr einziges 30-Centimetergeschütz – das schwerste Kaliber, welches die Marine kennt – dem Gegner noch Schuß auf Schuß auf den Panzer sendet. Sie selbst tragen einen Panzer von 20 Centimetern Stärke und sind um ihrer Kleinheit willen ein sehr schwer zu treffendes Ziel. Im unvermeidlichen Nahkampf können sie sich des Gegners bei gutem Glück immer noch durch „Rammen“ entledigen, durch einen machtvollen Stoß mit dem Sporn vorn am Bug unter Wasser, der furchtbaren Waffe, mit welcher alle Panzerfahrzeuge ausgerüstet sind und mit welcher der „König Wilhelm“ dem gepanzerten „Großen Kurfürsten“ die Todeswunde beibrachte. Im ganzen zählen wir [478] 26 gepanzerte Schiffe, von denen das älteste, der „Arminius“, allerdings nur noch als Eisbrecher Dienst thut.

Aber diese Rüstung wurde dem mächtig erstarkenden Reich zu eng. In der Marinedenkschrift, welche zur Etatsberathung 1889/90 dem Reichstag vorgelegt wurde, heißt es zum Schluß:

„Um der deutschen Marine denjenigen Platz unter den Seemächten zu geben, welcher den politischen, militärischen und überseeischen Interessen des Deutschen Reiches entspricht, und um ein Bündniß mit Deutschland auch in maritimer Beziehung zu einem erwünschten und gesuchten zu machen, erscheinen folgende Neubauten unabweisbar:

4 Panzerschiffe neuester Bauart, jedes zu 9 300 000 Mark, ohne Artillerie- und Torpedobewaffnung,

9 Panzerfahrzeuge für die Küstenvertheidigung, jedes zu 3 500 000 Mark,

7 Kreuzerkorvetten oder ‚geschützte Kreuzer‘, jede zu 5 500 000 Mark,

4 ungeschützte Kreuzer, jeder zu 1 600 000 Mark,

2 Avisos (für den Nachrichtendienst), jeder zu 1 000 000 Mark,

2 Torpedodivisionsboote, jedes zu 600 000 Mark. – Zusammen 116 800 000 Mark.

Diese Bauten wären zu vollenden je nach ihrer Dringlichkeit, so daß in den Staatshaushalt für 1894/95 die letzten 4 700 000 Mark einzustellen wären.“ – Und so ward es vom Reichstag beschlossen. Deutschland geht vorwärts und der Kaiser sorgt für seine heißgeliebte Marine. Ehe das Jahrhundert zur Rüste geht, sind der Nordostseekanal und dieser mächtige Zuwachs unserer Marine vollendet und ausgebaut!

Decksbatterie und Wanten.

Es war ein schöner, stolzer Anblick, als im vorigen Jahre vor der Kaiserjacht „Hohenzollern“ am 14. Juli das ganze Manövergeschwader in Kiellinie vorüberzog, vor dem kaiserlichen Herrn die Flaggen senkend; einzigartig war es, als dann die „Hohenzollern“ sich in Bewegung setzte, um die Führung zu übernehmen, und plötzlich gleich schwarzen, sprühenden Walfischen in schnaubender Fahrt von fünf deutschen Meilen in der Stunde die Torpedoboote beider Divisionen hervorschossen, auf das Schiff zu, das den Kaiser und sein Glück trug, ihm das Geleit gebend bis dort, wo der Leuchtthurm ragt, dann in fliegender Fahrt mit prächtigem Manöver einschwenkend und die „Hohenzollern“ umfassend. – Das alles ist auf deutschen Werften gebaut! Und zu uns kommen jetzt die Fremden und bestellen bei uns! Darauf dürfen wir schon ein wenig stolz sein!

Der Torpedo – er trägt seinen Namen von dem elektrische Schläge austheilenden Zitteraal, lateinisch torpedo genannt – ist die empfindlichste, feinste und verderblichste Waffe der Neuzeit. Da liegt ein Schiff zu Anker bei Nacht oder wendet im Pulverdampf des Gefechts; eine auserlesene Bemannung an Bord, lauter „gepanzerte Herzen“, jeder bereit, zehn Tode für sein Vaterland zu sterben: da schleicht sich’s heran, zu zweien und zweien, schwarz wie der Tod und die Nacht, kaum aus dem Wasser ragend, behende und schlank, ohne Licht zu zeigen in schauriger, eiliger Fahrt; nun sind sie nahe genug – von 400 Metern an kann mit einiger Sicherheit geschossen werden, je näher, desto sicherer; der Schuß ist abgegeben, lautlos gleitet der Torpedo in die See – schnell wenden die Boote und tauchen zurück in Nacht, aber unter dem Wasser eilt das Verderben dahin, die lange, sich selbst steuernde Bronzecigarre von 31/2 Metern Länge – nun stößt der mit Sprengstoff, nasser Schießbaumwolle, geladene Kopf unter der Wasserlinie gegen den Panzer des Feindes – eine Wassergarbe steigt auf – und tödlich getroffen neigt sich das stolzeste Schiff zur Seite. Durch das gesprengte Loch strömen gurgelnd die Wasser ein – was helfen dir nun deine gepanzerten Herzen?

Auf Schutzvorrichtungen gegen die Torpedos, z. B. eiserne Netze, hat man wohl auch Bedacht genommen, aber das alles gehört wie vieles andere ins Gebiet der Theorie, welche erst der nächste Seekrieg durch die Praxis bestätigen, ändern oder umstoßen kann. Deutschland besitzt zur Zeit über 70 solcher Torpedoboote, die etwa 70 Fuß lang und ganz aus Eisen gebaut sind.

Eine andere Art der Sprengwaffen sind die Seeminen, große, etwa birnenförmige eiserne Behälter, die in das Fahrwasser gelegt werden, um das dagegen rennende Schiff zu zerstören. Sie werden gleichwie die Küstenbefestigungen, Forts und Panzerthürme mit ihren schweren Riesengeschützen zum Schutz der Hafeneinfahrten und Flußmündungen von der Matrosenartillerie bedient. – Als Vertheidigungstruppe für diese Befestigungen und als Landungstruppe dienen die beiden Seebataillone, von denen das eine in Kiel, das andere in Wilhelmshaven liegt.

So wird mit Fleiß im Frieden der Krieg geübt. Wenn er einmal kommt und wir uns unserer Haut wehren müssen, wird in ihm viel gelernt werden; aber er wird auch viel edles Blut kosten. Doch fließt es nicht umsonst, wie auch all die unendliche, peinliche, gewissenhafte Treue und Arbeit nicht umsonst gewesen ist, mit der die deutsche Marine vor allen andern an ihrer Aufgabe bis zur Stunde gearbeitet hat: rastlos, rücksichtslos, unermüdlich, ohne einen Gedanken der Arbeitenden draußen und daheim an ihre eigene Bequemlichkeit. Alle Gedanken gehen auf in dem einen: „Dienst!“ Und ob’s süß oder sauer fällt, einerlei – Dienst ist Ehre! – So hält unsere Marine die Wacht an der See:

„Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“