Die Vorliebe der Raubtiere für Menschenfleisch

Textdaten
Autor: H. Lense
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Vorliebe der Raubtiere für Menschenfleisch
Untertitel:
aus: Die Burg. Illustrierte Zeitschrift für die studierende Jugend, 2. Jahrgang, S. 170–171
Herausgeber: Prof. J. Hartorius und Oberlehrer K. Faustmann, Mainz.
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Verlag der Paulinus Druckerei
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Trier
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Der Artikel erschien fast wortgleich mit dem Titel Ziehen Raubtiere das Fleisch der Menschen jeder anderen Nahrung vor? unter der Verfasserangabe W. K. in: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1910, Zehnter Band, Seite 237–238.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[170] Die Vorliebe der Raubtiere für Menschenfleisch.

Von H. Lense.


Tatsache ist, daß man sowohl bei Löwen und Tiger, als auch Wölfe, wenn sie erst einmal Menschenfleisch verkostet haben, mit der größten Frechheit stets aufs neue versuchen, einen Menschen zu erbeuten. Dies ist einwandfrei durch viele Berichte aus Indien, Südafrika und den russischen Steppen festgestellt worden. Aber folgt daraus schon, daß Menschenfleisch für diese Bestien einen ganz besonderen Leckerbissen bedeutet?

Kein anderer, als der große Tierzüchter Hagenbeck, der sein Leben lang die Neigungen der wilden Bestien zu studieren Gelegenheit hatte, tritt dieser Ansicht energisch entgegen.

Hagenbeck meint, daß der Grund, weshalb Raubtiere nach einmaliger Erbeutung eines Menschen dem Herrn der Schöpfung mit anscheinender Hartnäckigkeit immer wieder auf den Leib rückten, nicht der den Bestien besonders angenehme Geschmack des Menschenfleisches ist, sondern der Umstand, daß die Raubtiere eben nach einmaliger Überwältigung eines Menschen die Scheu vor demselben verloren haben.

Sie sehen dann in dem bisher stets gemiedenen, so anders gearteten Wesen nichts als einen gewöhnlichen Feind, und zwar einen Feind, der nicht einmal mit so feinen Sinnesorganen, wie die Vertreter der Tierwelt sie besitzen, ausgerüstet ist und sich daher bedeutend leichter beschleichen und überraschen läßt.

Für diese Ansicht Hagenbecks spricht auch folgende Tatsache. Nach dem Feldzuge Napoleons gegen Rußland in Jahre 1812, bei dem ungezählte Mengen von ermatteten Soldaten in den Schneewüsten Rußlands und Polens umkamen, zeigte sich die auffallende Erscheinung, daß die Wölfe in Rußland in den folgenden Jahren jede Furcht vor den Menschen vollständig verloren hatten und [171] sich beutesuchend bis in die Dorfstraßen wagten, wo sie furchtlos Leute anfielen und zerrissen. Ja, es kam so weit, daß kleinere Dörfer von Wolfsrudeln tagelang geradezu belagert wurden, so daß zur Befreiung der Bewohner Militär aufgeboten werden mußte.

Ähnliche Beobachtungen konnte man nach dem letzten blutigen Burenkriege in Südafrika bei den Löwen machen.

In beiden Fällen liegt die Vermutung nahe, daß den Raubtieren, denen viele Verwundete, Verirrte und Ermattete mühelos zur Beute wurden, der Respekt vor dem Menschen völlig abhanden gekommen war und sich dadurch ihre Angriffslust gesteigert hatte. Tatsächlich ist zum Beispiel nachgewiesen, daß in den ersten zwei Jahren nach Beendigung des letzten südafrikanischen Feldzuges die Zahl der durch Löwen zerissenen Menschen sich genau um das Doppelte vermehrte. Erst dann konnte ein langsamer Rückgang festgestellt werden.

Es war also inzwischen dem Könige der Tiere doch wieder die Erkenntnis von dem Übergewicht des Menschen aufgegangen.