Textdaten
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Titel: Die Strähne verwickeln sich
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Strähne verwickeln sich. Nach dem Oelgemälde von G. del Torre.
Photographie im Verlag von B. Angerer in Wien.

[36] Die Strähne verwickeln sich. (Mit Illustration S. 33.) Eine bescheidene Sennhütte im Wälsch-Tirol ist der Schauplatz der alten ewig neuen Geschichte. Wer möchte zweifeln, daß es Schicksalsfäden sind, die Strähne, die das jugendliche Paar hier an der traulichen Feuerstätte abwickelt? Unsere hübsche Sennerin hat, wenn wir ihr kokettes Lächeln recht verstehen, bisher die Taktik des berühmten Strategen befolgt, der durch sein Zaudern den großen Hannibal besiegte, und die treuherzigen Züge des Freiers erzählen von einer langen, aber hoffnungsvollen Probezeit, die nun glücklich abgelaufen ist. Heute holt er sich das beglückende Ja aus ihrem Munde, und das Garn, das ihm die listige Schöne zu halten gab, ist nur eine letzte schwache Schanze, die sie gegen den stattlichen Bewerber aufgeführt hat.

Soeben werden wir Zeugen des entscheidenden Augenblicks; die Strähnen haben sich schon so rettungslos verwickelt, daß die zuversichtliche Hand es wohl wagen darf, mit stummer Frage den Faden festzuhalten, und der schwache Versuch der Schönen, ihn wieder frei zu machen, ist nicht so ernstlich gemeint. Bald wird der lächelnde Mund wiederholen müssen, was die strahlenden Augen schon lange ausgesprochen haben, und es gehört wenig Prophetengabe dazu, um vorherzusagen, daß die fleißigen Finger ihr Garn heute nicht mehr zu Ende wickeln werden.