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Autor: Ludwig Mayr
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Titel: Die Sippe der Setteline
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aus: Geschichte der Herrschaft Eisenburg Seite 54–114
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Entstehungsdatum: 1914–1918
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Verlag: Selbstverlag
Drucker: Th. Otto’s Buchdruckerei
Erscheinungsort: Memmingen
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[54]
2. Teil.


Die Sippe der Setteline.

Da noch Verwandtschaft mit diesem zweiten Eisenburger Geschlecht vorhanden ist, ist es nötig, das Wort Sippe, das in der neueren Zeit einen etwas anrüchigen Inhalt angenommen hat, zu deuten. Wir nehmen es im ursprünglichen Sinn: Sibje (nach Grimm) = Freundschaft, wie der Bauer heute noch seine Verwandtschaft benennt. Und wir wählten es nicht bloß zur stabreimlichen Ausschmückung des Titels oder weil der Bayernherzog Albrecht in seiner Lehens-Entlassungs-Urkunde ebenfalls von unseren „nächstgesippten Vettern" spricht (1504), sondern auch weil es bezeichnender ist als unser abgeschliffenes „Verwandtschaft". – Groß führt das Geschlecht ein mit den Worten: Ein rauhes Geschlecht, kraftstrotzend, einen tüchtigen Trunk nie verschmähend, aufbrausend. Und wahrlich: die Eisenburg tritt in ihr Mannesalter ein. Leidenschaftlich wie ihre Herren, sind auch die Zeiten und große Ereignisse pochen an ihre Tore, welche Ereignisse nicht spurlos an ihr vorübergehen. – Auch der Name „Settelin" bedarf einer kurzen Erläuterung. Er wird fast ausnahmslos mit Umlaut, gleich von Sattel herstammend, geschrieben, da die Settelin zufällig oder nicht zufällig den Sattel im Wappen führen, wenigstens jener Teil des weitverzweigten Geschlechts, der mit uns in Berührung kommt. Der schon genannte letzte direkte Nachkomme unseres Zweiges der Settelin, Ferdinand, hält mit Recht dafür, daß nach der Aussprache zur Schreibung

[T4]

[T5]

[55] der Hellaut zu wählen sei, besonders auch, da doch erst der Name aufkam und jedenfalls das Wappen später. Uebrigens haben alle Hauptlinien andere Wappen. – Die Settelin sind ein altes Geschlecht. Nach J. II. 361 kommt schon 1231 einer dieses Namens als „Suntheimischer Klostermann“ von Ottobeuren vor. In Ravensburg zeugt ein Konrad Settelin 1307 „in der Richtung zwischen Abtey und Stadt Lindau wegen dem Gotteshausen zu St. Stephan und der Spitaldürftigen in Lindau“ (Gr. B. S. 32).? Ferdinand von Settelin nimmt an, daß nach dorten der Ursprung des Geschlechtes deute, trotz des völlig verschiedenen Wappens, während andre sie von Gmünd kommen lassen (St. M.) In Ravensburg (Rauenspurg) zieht, nebenbei bemerkt, ein Matthias Settelin noch im 17. Jahrhundert durch seinen originellen Wappenspruch die Aufmerksamkeit auf sich:

An der Hunden hinkhen
An der Jungs fromm Wünschen
Und an der Wejber weinen
An der Krämer ßweeren (Schwören, Beteuern)
Sol sich niemand Cheren.

In Memmingen hören wir um 1400 von einem Benz (Bernhard) Settelin, den wir vorerst als Stammvater unserer Setteline betrachten könnten. Seine Hausfrau ist Anna Rotmundin (v. St. G. 249). Nach Sta. 323. 1 ist er am Jörgentag 1422 Zeuge und wieder 1437 ist „an sanct Affaratag der erbare und wyse Betz Settelin unter den Bürgern von Memmingen“, welche unter dem Vorsitze des Bürgermeisters Jakob Retz geschworene Kundschaft einzuziehen hatten wegen des Zehents zu Berg auf Ersuchen der beiden streitenden Parteien: Karthäuser und Oberhospital (A. B. C. 188). Wie schon erwähnt, nennt ihn Ferdinand von Settelin in G. in seiner Genealogie irrig den Käufer der Eisenburg. Mit ihm beginnt aber auch sonst die Verwirrung. Nach v. St. G. ist er (Benz) durch seinen Sohn Michael der Begründer der Stadtlinie der Setteline. Auch Ferdinand v. Settelin (künftig F. v. S.) hat diesen Michael, während aber ersterer demselben angesehene und einflußreiche Persönlichkeiten entstammen läßt, gibt dieser schon durch Michaels Enkelin Hildegardis, welche den Dionys Reichlin v. Meldegg ehelicht, dem Stamme das Ende und läßt dafür den Enkel Bernhards, auch Michael, den v. Stetten nicht nennt und kennt, mit denselben zahlreichen für Memmingen hervorragenden Nachkömmlingen auftreten. Was tun? Der gewiß wichtige Teilungsbrief von 1475 erwähnt diesen Michael auch nicht. Ferdinand selbst fühlt sich in dieser Namenreihe so unsicher, daß er, der sonst, wenn irgend möglich, nicht bloß Geburts- und Sterbejahr, [56] sondern auch das Trauungsjahr und den Namen der Gemahlin angibt, hier von alledem nichts erwähnt. Aus diesem und anderen Unstimmigkeiten fühlten wir uns berechtigt, eine „gereinigt Stammtafel“ der Settelin aufzustellen, welche mit vorkommenden Tatsachen wenigstens nicht im Widerspruch steht, welche nicht erlaubt, daß zwei verschiedene Johannes zu gleicher Zeit (1455) Stadtammänner sind (wie es nach F. v. G. und v. St. einmal vorkäme), welche nicht 3 völlig gleichlautende Namenreihen nebeneinander gleichzeitig laufen läßt, welche auch nicht (w. F. v. S.) in derselben Familie zwei gleichnamige, verheiratete Glieder sein läßt, mag sie auch sonst mangels urkundlichen Materials selbst (die Stammtafel) fehlerhaft sein. Die Eisenburger Linie steht ziemlich unzweifelhaft sicher. Nur die Stadtlinie bedarf noch, sowohl was ihren Ursprung als auch ihren Fortgang betrifft, dringender Aufklärung. Stebenhabers Fam.-Chr. bringt ein neues, aber leider kein vermittelndes und klärendes Moment. Doch hat dies für uns, da wir ja keine Geschichte der Familie Settelin vorhaben, geringe Bedeutung.

1. Die Kaeufer der Herrschaft Eisenburg.

Am 21. Februar, also Freitag vor Invocavit 1455, kaufen Majr der Aeltere vom Haan, Hans und Jos die Settelin, die Herrschaft Eisenburg mit allen Nutzen und Lasten und Rechten. Jos (der auch da und dort als Josef oder Joas statt des mißverstandenen abgekürzten Jodokus sich merkbar macht), ist der Hauptkäufer und künftige Herr der Burg. Er wird auch der „Aeltere“ genannt, im Gegensatz zu seinem Sohn Jos, dem Jüngern, dem Schwiegersohn des Mitkäufers Majr, dessen Tochter Anna er zur Gemahlin hat. Hans ist eine etwas rätselhafte Person. Er tritt später als Priester auf, hat aber Nachkommen, und ist ebenfalls ein Sohn des alten Jos (siehe später). Majr selbst entstammt nach v. St. G. 250 dem alten, mit den in Augsburg auftretenden ebenfalls von Memmingen kommenden jüngern Mayr nicht zu verwechselnden Geschlecht der Majren von Schlegelsberg, welches einen Hahn im Wappen geführt hat. Der Wappenschild der „Majr vom Haan“ ist in der Sakristei der Martinskirche neben vielen andern noch zu sehen. Nach St. M. soll in dieser Sakristei einst auch ein Glasgegemälde zu sehen gewesen sein, das an eine Pilgerreise eines solchen Majr erinnerte. Nach Ansicht des jetzigen Pfarrmesmers ist dasselbe 1846 Restaurierungsarbeiten als sog. alter Plunder zum Opfer gefallen. G. M. bringt Jörg Majr als Jörg Mang, den Heinzen von Isenburg als Hansen, den „Joseph“ Settelin [57] als Gemahl der Anna Tenflin von Ungerhausen, welches aber die Frau des Mitkäufers Johannes ist, während unser echter Jos eine Anna Krüeglin zur Ehegesponsin hat.

Groß glaubt, daß die Settelin reich geworden seien durch Handel und schließt dies warscheinlich aus verschiedenen Stiftungen, die sie gemacht hatten. Allein eine Meßpfründe zu stiften war dazumal minder schwierig, als 6000 fl bar zu erlegen. Wenn sie auch zu den wohlhabenden Familien in Memmingen zählen mochten (sie wären sicherlich sonst nicht mit einem Heinrich und Michael 1453 von Kaiser Friedrich in den Adelstand erhoben worden), so dürfen wir doch daraus, daß Jos der Alte noch 2 Zahlgehilfen braucht, daß die 3 Käufer schon Samstag vor Ambrosii 1458 (1. 4.) an die Spitaldürftigen das Holz, genannt der „Ger“ zu Holzgünz, wieder veräußern (Sti. 61. 2), daß schließlich sogar in der später noch zu erwähnenden „Registratura“ der Dokumente von Eisenburg 2 Urkunden sich verzeichnet finden, die besagen, daß das Kleeblatt 1462 die Eisenburg um 1400 Heller versetzt und erst 1469 wieder eingelöst hat, den nicht ganz unberechtigten Schluß ziehen, daß der Reichtum wenigstens des Hauptkäufers nicht übermäßig war.

Und nun der Kaufsgegenstand selbst:
1. Zum ersten die Güter und Stücke zu Eisenburg gelegen:
Die 2 Baumgärtlein dieshalb des Weiherleins,
Item die 2 Baumgärten jenhalb des Weiherleins,
das Krautgärtlein,
die große Wies,
die Mahd, das man nennt das Vogtmahd,
den Brühl, den man nennt den Vogtbrühl,
die Mahd, genannt Kehrshals,
den Bauhof daselbst und das aufgetan Feld, das ich obgenannter Heinrich v. Eisenburg zu dem Bauhof auf der Höhe habe reuten lassen,
die 5½ Jauchert Ackers auf dem hohen Berg,
die 3 Weiherlein, eins zwischen den Baumgärten, das andere in des Gläbers Garten und das dritte hinter dem Bauhof gelegen, den Weiher, den man nennt Seegader,
die nachgeschriebenen Sölden und Gütlein mit Namen:
das Gütlein, das Paulin Scholl baut, gültet 4 Pfd. Heller,
Mahd hinterm Bauhof, das Scholl baut, 1
Gütlein, das Nägelin baut, 3
Gütlein, das Zuckerauf (Zuckhenrigel) baut, 3
Gütlein, das der Jäger innehat, 4
Gut, da Hans Port draufsitzt, 4
Gut, da der Gläber draufsitzt, 4
Gut, da der Schneider draufsitzt,
Item und auch die Bannhölzer und anderen Hölzer, die zu obgenannter Feste, Burg und Berg zu Eisenburg gehören.

[58] Item und auch darzu und darmit

2. Das Dorf Amendingen mit Gericht, Zwing und Bann, allen Ehehaften u. Rechten u. nachgeschriebenen Gütern u. Höfen:

Den Hof, den Bentelin Scholl baut (von Gotteshaus Kempten) gültet 4 Malter Roggen, 2 Malter Haber Hubgeld, 18 Schilling Heller Heugeld,
den Garten, den Bentelin Scholl baut, gültet 7 Schilling Heller,
das Maiergut, das Betelin Schll bat, tet 1 2 Schill. Heller,
den Hof, den Christian Scholl baut, gültet 5 M. Roggen, 4 M. Kern, 9 M. Haber Hubgeld, 4 12 Schilling H. Heugeld, 200 Eier, 6 Hühner etc.
Alle meine Rechte des Maierhofs, 10 M. Roggen Hubgeld, 2 H. Heugeld, Lehen v. Kempten.
Alle die Rechte, die ich an den Hof habe, den der Fackler baut (10 M. Roggen, 4 M. Fesen, 8 M. Haber etc.)
Das Lehen, das Hermann Hummel baut (3 M. Roggen, 1 M. Haber),
00 Gütlein, das der Geißer baut (1 7 Schilling Heller),
den Hof, den der Schmied baut (3 M. Roggen, 2 M. Haber, 1 M. Kern) Lehen von Kempten,
das Gütlein, das Heinz Glatz baut (1 Heller, 50 Eier),
die Kupferschmiede, die Seibrand Löffer u. Benz Ruhen, den Kupferschmieden von Memmingen auf ihr Lebtag verliehen ist (9 H. etc.)
die 4 Schilling Heller Vogtrecht aus d. Schermairin v. M. Hof zu Amendingen,
00 5 Schilling Heller Vogtrecht aus dem Hof, den Hans Zißel baut,
00 Hofstatt, die Paulin Hartmann innehat,
auch der große Weiher zu Amendingen mit allen Rechten u. Zugehörden,
der kleine Weiher und die zwei großen Fischgruben daselbst.
und das Wasser und die Fischenz der Ach (Ahe),
des Heubachs (Heyenbach)
des Riedbachs
und alle Beiwasser und Fischenz, auch Kochbach und den Zehent jenseits der Ach Eisenburg wärts,
und 2 Schill. Vollzins (Fallzins?) aus dem Hof, den die Augustiner haben,
und den Hirtenstab, der 100 Eier gültet,
auch die Dienste zu Amendingen, nämlich daß „ain yetlicher pur,“ der mit einer Mähne baut, jedes Jahr 8 Tage mit der Mähne dienen soll (Baumann findet schon 7 Tage in Steinheim außergewöhnlich hoch), nämlich 5 im Sommer und 3 im Winter;
so soll ein jedlicher Söldner dienen jedes Jahr 7 Tag etc., ausgenommen der Müller, der soll nur 3 Tage dienen und der hat auch das Recht der Holznutzung aus den Eisenburger Holzmarken, ausgenommen der Burghalde.

3. Item und damit den Weiler Schwaighausen, auch mit Gerichten, Zwing und Bann, Ehehaften etc.:

den Hof, den Michael Scholl baut (4 M. Roggen, 1 M. Haber etc.),
000..... den Peter Herz baut 0. (4½ „ Rogggen 2..Haber 0c.),
die Sölde, die Peter Herz baut (1 Heller),
den Hof, den Peter Schmidt baut (5 M. Roggen, 2 M. Haber etc.),
die Söld, die Peter Schidt baut (3½ H., 1 Henne),
00 d 00 Georg Scherlein baut (1 M. Roggen),

[59]

die 27 Jauchert Acker, die mit in die obgen. Höfe und Sölden gehören, die niemand verliehen sind,
auch der Weiher mit all seinen Rechten und Zugehörden, die Dienste (7 Tage).

4. Item das Gut Trunkelsberg,

das den ehrbaren Ulrich Reißer und Barbara Stüdlin seiner ehelichen Hausfrau auf beider Lebtag und jedweders Briefsag zugehört, (12 M. Roggen, 2 M. Kern, 6 M. Haber, 10 H. Heugeld, 200 Eier, 4 Hühner, 2 Hennen), auch desselben Gutes 4 Jauchert Ackers zu Hawangen und alle Holzmarken, Wonn und Weid, und daß ihm der Bauer darauf jährlich 5 Tage mit der Mähne dient.

Bemerkenswert ist in diesem wie im Zehentkaufbrief von 1359, daß Trunkelsberg immer als „Gut“, anscheinend mit 2 großen Höfen und einigen Eigenleuten bezeichnet wird, während es nach Peter Maurus Feyerabend (J 1.) schon 972 als Dorf Uamintingen mit seinem Dorf Trunkelsperg) gelten soll, was jedenfalls verfrüht ist.

Weiters sind im Kaufbrief noch die Eigen-Leute aufgezählt.

2. Die neuen Eisenburger Herren und ihre Taten.
1455–1580.

Unter diesem Titel wollen wir nunmehr die neuen Herren einzeln vorstellen. Hiegegen werden wir alles, was „in den Kampf um die Hoheitsrechte“ einschlägig ist, unter einem Sondertitel bringen, ebenso was die Juden in Eisenburg anbelangt, auch die Trunkelsberger Settelin. Schon von Anfang sehen wir die Familie in der ganzen sonderbaren Zwiespältigkeit des Gemütszustandes dieser Zeit: intensive religiöse Betätigung bei äußerer erschreckender Roheit. 1449, am Aftermontag vor Walburgentag wurde bei den Augustinern der Altar neben dem Sakramentshäuschen eingeweiht „und hieß (berichtet Tobias Büchele) der Sättele-Altar, sie richteten auß, was darüberging und stifteten einen priester darzue“. 1473 wieder stiftet unser

Joß der Alte

und sein Schwiegersohn Hans Spon (Spun, Spum) und dessen Frau Margaretha eine ewige Messe auf dem St. Peter- und Pauls-Altar in der Martinskirche und ergeben hierzu ihren Zehnten zu blaichen (?), welcher von Abt Johann zu Ursberg an Ulrich von Rechberg und von diesem an Hans Spon und Joß Settelin käuflich übergegangen ist und von dem ersteren wieder um 380 fl eingelöst werden kann, so wie der Priester Hans [60] Briem, dem sie genannte Messe verleihen wollen, sein eigen Haus dahier zu derselben schenkt, das er um 150 fl erkauft hat (Sta. 360. 3). Rptl. O. 332 bemerkt zu derartigen Stiftungen ganz richtig, daß nicht immer bloß der Glaube an die Verdienstlichkeit allein maßgebend gewesen sei und der Wunsch nach Mehrung des Gottesdienstes, sondern auch daß die Stifter, indem sie das Besetzungsrecht in der Regel sich selbst und ihrer Familie vorbehielten und den künftigen Bewerbern aus ihrem Geschlecht den ersten Anspruch, den Mitgliedern ihres Hauses, die sich die Bildung ihrer Zeit aneignen wollten, ein bescheidenes Auskommen in geachteter Stellung verschaffen wollten. Auch der Stolz, einen eigenen Kaplan zu haben, spielte eine Rolle – die, setzen wir bei, in Memmingen ganz besonders ausgedehnten Maßstab annahm, zu einem krassen Ueberfluß an Geistlichen führte, was mit Schuld war (durch die damit verbundenen Auswuchse), daß Memmingen im Zeitalter der Reformation eine gewichtige Rolle spielte.

Der hier auftretende Hans Spon von Sponheim, welchen Geschlechtes Wappen (blauer Sparren auf weißem Grund) in der Funk’schen Kapelle der Martinskirche noch erhalten ist (auch eine Grabplatte dortselbst zeigt ein Sättelin- und ein Sponsches Wappen), wird weiterhin als Ritter Hans noch von sich reden machen.

Zwischen diesen frommen Stiftungen also ein kleiner Todschlag – was tuts? Wie aus dem Kaufbrief hervorgeht, hatte der Müller in Amendingen das Recht des Bauholzbezugs aus den Settelinschen Waldungen. Die Mühle gehörte seit 1464 dem Ulrich Schupp von „Buchshain“, welcher sie mit aller Gerechtigkeit und Zugehörde als Lehen des Paulin Stebenhaber um 646 Hell. von der alten Müllerin, des Dietzen von Höhenrain Witwe, bei welcher Familie die Mühle seit 1426 gewesen, käuflich erworben hatte. Joß scheint in der Abgabe von Zimmerholz sparsam gewesen zu sein, worüber es zur Klage kam. Am St. Lucientag 1469 erging ein Urteil des Stadtammanns Ehrhart Vehlin und des Dreizehnergerichts dahin, daß sich Joß dieser Verpflichtung nicht entziehen könne. Der Handel führte zu erbitterten Auseinandersetzungen, so daß schließlich der Junge des Müllers, Martin, von Joß dem Jungen eines schönen Tages totgeschlagen wird, indes der frumbe alte Settelin den Müller Simon Schupp in den Turm setzt. Am Freitag nach Judika 1475 verträgt Bürgermeister und Rat der Stadt Memmingen den Bruder des Täters, Johann Eberhard, mit der Familie Schupp und deren Helfern Hans Boler zu Frechenrieden, Jörg von Berg, Jörg von Westernach, Bernhard Schaflitzl, Heinz [61] von Full und Jörg von Ueberlingen dahin, daß die Settelin den Simon freigeben und dem Vater Ulrich die Mühle um 375 fl abkaufen müssen, da derselbe unter solchen Gutsherren nicht mehr wohnen wolle (A. B.; Sti. 43. 1 u. 3).

Der alte Joß muß bald darauf gestorben sein. Denn am 18. September 1475 hören wir von einer Teilung der Hinterlassenschaft, die zu manchen Weiterungen führte. Doch sind noch einige Kleinigkeiten nachzutragen. Aus Schw. 32 erfahren wir, daß die Settelin u. a. auch Pferdehandel getrieben haben. Sie schickten 1465 den Falkeisen mit 8 schönen Pferden zur Nördlinger Messe. Aber in Heuburg wurde die Karawane von Räubern aufgehoben. – Im gleichen Jahr vergeben unsere 3 Käufer an Hans Kaiser, den Blattner, die Hammerschmiede zu Amendingen mit „Hammer, Bollier und Schleife“ am Heubach bei der Sägmühl auf 5 Jahre gegen jährlich 12 fl. (Sti. 46. 1). – Im nächsten Jahr wird Hans Spon Bürgermeister in Memmingen (G. M. 535). Nach Groß „Ratswahlen“ (H. der Stb.) ist dies Spon der Alte, vorher Stadtammann, während nach derselben Quelle[WS 1] der junge Spon, Settelins Schwiegersohn, 1472 Ratgebe ist und 1473 zum Bürgermeister erklärt wird, ebenso 1475. Damals herrschten in Memmingen unleidliche Zustände. Den Geschlechtern waren diese letztgenannten Wahlen nicht recht. „War etwa Spon der Alte keiner aus den Geschlechtern und deswegen Partheysucht im Spiel?“ fragt G. M. Wahrscheinlich letzteres. Denn Spon ist doch auch Ritter. Jedenfalls half er zu den Bürgern und machte die öden Zänkereien wegen des Tanzes nicht mit (die Geschlechter wollten eben den gemeinen Mann nicht neben sich dulden und es tat ihnen wehe, daß die Bürgerschaft in Rat und Regiment den höchsten Grad innehatte). Augsburg, Ulm und Ravensburg versuchten zu vermitteln. Der junge Hans Spon wurde 1471 mit Ulrich Zehender vor Kaiser und Kammergericht geboten; „war viel Hin- und Herreusens und ging viel Geld auf“ sagt G. M. 1472 tat das Kammergericht den Spruch in dieser hochnotpeinlichen Angelegenheit: „war den Geschlechtern alles abgesprochen“. Scho. Uebrigens sieht es aus, als ob die Geschlechter schon einigen Grund zu Unmut über das Regiment der Zünftigen gehabt hätten, denn sie brachten in der Klage 1471 vor: „So hätten sy vor zytten die pöse unordenliche gewonheit gehabt das sy alle jar in iren zünfften uff die statt by acht hundert pfund haller vertrunken, deshalben man ettlich uff karren haim hatt müssen füren, drauß vil spott und schaden entstanden wern“ (B. 61 Ziff. 107). – Wir bringen diese Angelegenheit um die Familie Spon in ihrem Ansehen zu zeigen.

[62]
Johann Eberhard Settelin.

Nachdem der alte Joß die Augen geschlossen, teilten die 4 „geschwistergit“ am Montag nach hl. Kreuztag im Herbst 1475 (18. Sept.), nämlich Hans, Joß, Eberhard und Margaretha die väterliche Hinterlassenschaft (Sti. 41. 2), Margaretha mit Zustimmung „mins Vogz in der sach“ Ludwig Metzger, B.z.M., durch Auslosung. Es erhielt:

1. Eberhard:

„Vestin, Burg, Burgstall und Berg zu Ysenburg mit sampt dem Vorhoff, Stadel Stallung“ etc. Von dem weiteren Anteil wollen wir nur das bringen, was diese Güteraufzählung von der des Kaufsbriefs unterscheidet oder was für kommende Umstände von einiger Bedeutung ist. Zum ersten Male ist hier die Taferne in Amendingen genannt und das Gut im Schottenholz, da der Gaiser draufsitzt (jetziger Geishof). Dem Eberhard fällt auch Gericht, Zwing und Bann in der ganzen Herrschaft zu.

2. Margaretha:

„Das Huse und gesäß mit sampt den Städeln z. M. zu, das neben unsres Vetters Hansen Settelins säl. Erben gesäße gelegen“, der Garten vor dem Kalchtor, der Brühl „in der oberen Brülern“, dann Güter in den 3 Orten Eisenburg, Amendingen und Schwaighausen.

3. Hans:

Grünenfurt („das Huß zum Grünenfurt genannt“), dann verschiedene Weiher zu Amendingen, den alten und den „nüwen“ Weiher in Schwaighausen, Holzgerechtsame etc.

Joß:

Haus und Gesäße am Kalk zu M., das der Mairin sel. gewesen (seine Schwiegermutter), den Garten am Kalktor an der Stadt Graben gelegen (während obiger Margarethens Garten von vnser lieben Anen der Kriegin säl. gewesen“ (d. i. ihrer Mutter), den „Kunnß in Schlegelsperg“, der heute noch gar freundlich zu seinem alten Herrengut herüberschaut, u. a., darunter auch einen Hof zu Heimertingen.

Geteilt wurden weiters tausend rheinische Gulden Heimsteuer, alles Silbergeschirr, alles „Bettgewant“, aller Hausrat und all fahrend hab „denn allain vßgenommen das gutt so vnsern Lieben Vater seliger in der gesellschaft an schulden und pfennigwerten zu seinem tail geworden souit desselben noch vorhanden ist“ – worin wir unzweifelhaft Trunkelsberg erblicken und die Käufer-Trilogie. Die noch lastenden 70 Haller „Vellzinß“ und 20 fl Zinsen, erstere an Hans (dem älteren, dem Stadtammann?), letztere an Heinrich Besserer, soll Inhaber der Burg „richten“.

„Item vnd als dann der obgenannt vnser lieber vater Joß Sätelin säliger ain Vneelich Kind mit namen Jößlin hinder [63]

Der Geishof im 20. Jahrhundert (Zu Seite 77). [T6] [T6b] Imm verlassen hat, das noch vnerzogen ist, darumb ist beredt, das Ich obgenannter Eberhart Sätelin oder min erben dasselb Kind biß das es zu sinen tagen kompt, über minen costen vn miner geschwistergit schaden füren vnd ziehen sollen." Dieser kleine Jößlin ist vielleicht jener Jedokus Sätelin de M., der nach Kptl. 245 am 23. April 1516 an der Universität Wien immatrikuliert wird, wenigstens ist sonst keiner dieses Namens zu finden. Obgenannter Erb-Johannes tritt später, wie bereits gesagt, als Geistlicher auf (Kptl. 212) und wurde am 10. Oktober 1476 in Heidelberg eingeschrieben. Er ist, wie sich später ergibt, der als Mitkäufer genannte Johannes und wohl zu unterscheiden von dem Johannes, B. z. M. und späteren Stadtammann und Käufer von Trunkelsberg, wodurch dieses an die Stadtlinie kommt. Die etwas rätselhafte Sache läßt sich nur so deuten, daß dieses Johannes Gattin früh stirbt und er, was zu keinen Zeiten vereinzelt dasteht, das geistliche Gewand nahm. Wenigstens spricht er in einer den Karthäusern gemachten Schenkung von seinen Nachkommen. Ein bald auftretender, sonst nicht zu bestimmender und immer zur Landlinie helfender Eberhard zählt jedenfalls dazu. Ein Gordian, von dem dann der künftige Stadtammann 1486 Trunkelsberg kauft, nicht der (A. T.) Hiegegen ist ein Gordian de Memmingen (Kpt. 170), der schon 1450 in Heidelberg studiert und am 27. VII. 52 zur Promotion als bacc. art. zugelassen wird, für uns unbestimmbar,

Die Teilung scheint zu aller Zufriedenheit ausgefallen zu sein. Leider aber starb Margaretha bald hernach mit Hinterlassung eines Kindes (Tochter). Nach dem schwäbischen Recht, das hierin grausam war, erbten wohl Oheime und Tanten, aber nicht Waisen (es handelt sich hier ausschließlich um die anscheinend noch nicht „perfekt“ gewordene Erbschaft ihrer Mutter, der Gattin des Spon, um das Eisenburgische Gut). M. hat deshalb 1487 die Wohltat des römischen Rechts eingeführt. Die 3 Brüder waren nun formell berechtigt, den Anteil Margarethens wieder unter sich zu zerstückeln und taten es auch; wenigstens war in der schon erwähnten „Registratura“ ein „Tailbrief, wie Hanß, Joß und Eberhart der Margaretha Sätelin guot getailt haben“, der aber leider nicht mehr vorhanden ist. Das geschah 1476. Spon, der sich um seines Kindes Anteil, wie natürlich, in Bewegung setzte, hat um diese Zeit den Staub Memmingens von den Füßen geschüttelt und sich nach Ulm begeben. Wir hören von 1477 an in den Großschen „Ratswahlen“ (Stb.) von den Spon nichts mehr. Auch ist es nur so verständlich, warum Ulm in dieser vertrackten Angelegenheit, die in mehreren Lesarten spielt (s. z. B. Scho. S. 39), eine so gewichtige Rolle zugeteilt [64] wurde. Spon hat auch jedenfalls einem guten Freund die Durchführung der Sache in die Hand gegeben. Dieser Freund heißt bei Ka und Scho Paul Wyler von Baisweil, G. A. II. nennt ihn den Edlen von Paulsweil, im Thedigungsbrief der Stadt Ulm steht Heinrich von Paulswill, (am Rande aber von andrer Hand Boßweil) – und wir heißen ihn wohl nicht mit Unrecht Heinrich von Baisweil, wie auch Dobel liest. Von ihm liegt (Sti. 43. 4) als Vidimus des Notars Symon v. 14. X. 77 ein Feindsbrief vor, „geben zu Yssenburg an Sant matheis tag deß hailiges Apostels tag Im 76 Jar“ und gerichtet an Eberhard, Hans und Joß Settelin: Ich, Heinrich von Baisweil („Baulswil“), laß dich Eberhard, Hans und Jos die Settelin alle drei wissen, daß ich Hansen, Ritter, und Anna, seiner Tochter, ein Ritt gedient habe wider dich, Eberhart Settelin. Nun setz ich mich weiter in des obgenannten Hansen, Ritter, u. seiner Tochter Fried und Unfried so lang, bis daß ihr alle drei mit Hansen, Ritter, und seiner Tochter einswerdet um seinen Zuspruch und seiner Tochter ahnenlich und mütterlich Erbe, das ihr alle drei inhabt mit Gewalt und ohne Recht. Und ob euch allen dreien weiter etwas schadens von mir widerfahre, es sei der Schaden genannt wie er wolle, nichts ausgenommen, so will ich meine Ehre mit diesem Brief gen euch bewahrt haben für mich und alle die, die ich auf euren Schaden bringen mag. Und ob ich meine Ehr’ weiter gen euch bewahren müste, so will ichs hie mit diesem Brief bewahrt haben. Des zu wahrer Urkund etc.

Die Baisweil sind in der Gegend nicht unbekannt. 1433 gab es eine Witwe Ursula des Ritters Heinrich von Baisweil, Bürgerin zu Memmingen. Vielleicht ist es die Witwe desselben Heinrich, der nach dem ältesten Gedenkbuch der Stadt (Sta. 266. 2) 1425 die Erlaubnis als Bürger in Memmingen zu wohnen erhält. Ihr Schwager Ulrich von Baisweil ist Bürger in Kempten (G. R. I. 266). Nach G. M. 28 stiftet ein Heinrich von Baisweil zu Memmingen mit seiner Ehefrau Ursula Egloffer den Spitaldürftigen ein Mahl mit Fleisch, Kraut, „ruckin Brot“, auch Speck, Bratwürsten u. a. Wir dürften also mit der Uebersetzung „Baisweil“ nicht übel geraten sein.

Die angefeindeten 3 Settelin haben sich um diesen Feindbrief nicht sonderlich gekümmert. Nun folgt aber auch 1477 (Ka. und G. J. haben schon 1471) an Sankt Matthäus Tag die Bescherung: In aller Frühe „bei neblechtem Wetter“ ward die Eisenburg von den Verbündeten eingenommen, während allem Anscheine nach die Setteline geruhsam in Memmingen saßen. Das der kurze Sachverhalt – an und für sich für damalige Um- und Zustände nichts besonders. Aber mit dieser Angelegenheit [65] verband sich noch eine hochpolitische wie ähnlich beim Ueberfall von Ustersbach: Die Herzöge von Bayern suchten ihre Zwecke mit denen Spons zu verbinden. Hierüber im 4. Abschnitt. Es sei nur noch erwähnt, daß Eberhard unter harten Bedingungen sein Schloß wieder bekam (G. A. 2. 66, Ra. G. J., Scho.)

Doch zog der Handel noch weiteres nach sich. Der Abt Wilhelm von Ottobeuren (J. 2.) muß mit den Praktikanten unter einer Haube gesteckt haben, während der edle und feste Ritter Paul Wölz von Hohenheim zu den Settelin stand. Er schickte um 1482 dem Abt von Ottobeuren, jetzt Nicklas, einen Fehdebrief und kündete ihm den kleinen Krieg an. In aller Eile traf dieser seine Anstalten und schickte dem Aechter von Hohenheim den Hans Unruh und den Jos. Schwarz samt vielen Bauern entgegen, welche unweit des Illerstromes wohnten. Diese nahmen den Ritter gefangen und erschlugen ihn. So fand die Fehde ein schnelles Ende. Nikolaus belohnte jeden der tapferen Männer aus einem aufgenommenen Kapital von 3300 fl, wofür er die Dörfer Sontheim, Attenhausen und Frechenrieden versetzte (Freitag post festum S. Othmari 1483).

Eberhard tritt, als 1488 der große schwäbische Bund der Städte und Stände behufs Wahrung des Landfriedens geschlossen wurde (ursprünglich wohl mehr gegen Albrecht von Bayern, der sich in Schwaben breit zu machen bestrebte, wovon wir ja noch zu kosten bekommen) und zwar auf Anstiften Friedrichs III., diesem bei. Er scheint bald hernach gestorben zu sein. Die „Zügel der Regierung“ führt nun lange sein tatkräftiges Weib Elisabeth Besserer, Tochter des Bürgermeisters Wilhelm Besserer von Ulm, und in manchen Amtshandlungen vertreten durch ihren Vogt Jos, den uns bekannten Totschläger.

Elisabeth Besserer.

Diese Elisabeth Settelin geb. Besserer darf nicht mit jener Elsbeth Sättelin verwechselt werden, welche 1482 als Ausrichterin und Pflegerin im Seelhause z. Memmingen von Anna Aeltrichin um 20 hl I hl Zins aus deren Haus kauft (Sti. 164. 4) und schon 1468 in Stritt gekommen war wegen der Güter, die ihr verstorbener Ehemann Jörg Mayer (nicht unser Majr vom Hahn!) von seinem Großvater Kunz Mayer unter der Bedingung ererbt hatte (Sti. 13. 1), daß bei Kinderlosigkeit selbe dem Spital zufallen sollen.

Der uns bekannte Priester Johannes Settelin, dem als solchen zu seinen weltlichen Händeln ein Vogt oder Trager beigegeben war, ergab am „hl. Balmtag“ 1482 zu seiner, seiner Eltern, Vorfahren und Nachkommen Seelenheil mit Rat, [66] Gunst und Wissen seines Tragers Ulrich Frey, B. z. M., dem Prior und Konvent des Gotteshauses Unser lieben Frauen Saal zu Buxheim, Karthäuser Ordens, dem er selbst als Priester und Profeß angehörte, seine 2 Höfe zu Schwaighausen etc. Der eine gab 7 M. Korn 5 hl., der andere 5 M. Korn 30 Schilling hl. (A. B. 229, Kptl. 213).

Im Herrschaftsgebiet selbst brachte das Jahr 1494 „Irrungen“, und zwar handelte es sich um den Zehent von Trunkelsberg und Amendingen. Zwei Parteien, Hans Settelin (der Stadtammann in spe und Besitzer v. Trunkelsberg) und Elisabeth Besserin, vertreten durch ihren Vogt Jodok und „Gerichtsherrn“ Eberhard Settelin (den wir nur als Sohn des Käufers Hans unterzubringen wissen, der schon 1473 die Urkunde einer Jahrtagsstiftung der Else Knölling in der Pfarrkirche zu Amendingen siegelte nach Sta. 362. 2) streiten wider Abt Heinrich von Roth.

Hans Settelin wird mit dem Abt durch „Mynnspruch“ des Andreas Aichelberger, Spitalmeister des hl. Geistspitals z. M., auf folgende Punkte einig:

1. soll nun für ewige Zeiten aus, von u. ab dem Gut Trunkelsberg der Großzehem in 10 Malter gutem, sauberem Korn und Getreide in Memminger Maß (und zwar 2 Teil winterigs und 1 Drittel sömmerigs) vor allen andern Zinsen und Gülten dem bezeichneten Konvent alljährlich bezahlt werden, unbehindert aller gemeiner Landschäden, es schlage, schaure, hagle oder komme Mäusefraß („fraißach“), auch ohne jeglicher Kosten und Schaden des Gotteshauses.

2. soll von Trunkelsberg, dem Mühlbrühl oberhalb Amendingen an der Ach und von dem Schottenbrühl kein Heunzehent gegeben werden.

3. der Kleinzehent zu Trunkelsberg soll an die Pfarrkirche Amendingen so lange nicht gereicht werden, als die Brüder Hans und Jörg Wurm, auch Anna Zinckhin „seiner“ ehelichen Hausfrau, denen je zum halben Teil das Gut Trunkelsberg auf ihr Leben gegeben ist, solches inhaben: sobald alles oder 1 Teil mit Tod abgeht, ist er zu reichen ohne Hansen Settelins, seiner Erben und Nachkommen, auch der armen Leut zu Trunkelsberg und männiglichs Irrung.

4. soll das Gut vermarkt werden; von allem Neubruch ist dann der Zehent zu leisten (A. T. auch Sti. 238. 4; Sta. 17. 1).

Nicht so glimpflich ging es unter Elisabeths Augen ab. Vorerst wurde der Bischof von Augsburg als Schiedsmann angerufen. Allein die Sache kam bis vor den Kaiser, welcher den Landrichter der Markgrafschaft Burgau, Jakob, Ritter von [67] Landau (Londow) und Ulrich von Riedheim zu Remhart, endlich Konrad von Roth zu Ichenhausen am 28. 7. 1494 dahin entscheiden ließ, daß einige Aecker und Gärten (unter Gärten verstand man eingezäunte, in nächster Nähe des Hauses befindliche Wiesen – und heißt sie heute noch so; während die übrige Weide Allgemein gut war (Allmende) vom Zehenten ausgenommen, andre hingegen demselben unterworfen wurden (H. R. 72. 75).

Frau Elisabeth Besserer schließt mit dem Spitalmeister Thomas Knod wegen ihrer beider „Armen Leut“ zu Schwaighausen und Holzgünz 1510 einen Vertrag wegen Trieb und Tratt, der dann 1512 noch ausgedehnt wird auf die „schöne wies“ und das „gemeine Hard“ (Sti. f. 41. 52; Sti. 61. 9).

Im gleichen Jahre brachen zwischen der Stadt- und der Landlinie der Settelin heftige Streitigkeiten aus, die zwar wieder einmal vermittelt wurden, aber dann doch 10 Jahre später zu einem Mord bezw. Totschlag innerhalb der Sippe führte. Die Sache kam so. Im Teilungsvertrag von 1475 waren die meisten Wasser zu Amendingen an Hans gefallen, von dem sie (durch Gordian) auf den Stadtammann Hans übergegangen sind. Dieser starb 1505. Ihn beerbt sein Sohn Christoph, wenigstens in diesem Teil seiner Güter. Die Eisenburger hingegen hatten die Gerichtsbarkeit über das Ganze. So entspann sich nun bezüglich des Erlassens von Geboten und Verboten, Bußen und Strafen über des Christoph Fischwässerungen zu Amendingen, auch bezüglich des Rechts zum Erdgraben zu Wehr und Bauung an diesen Wassern, eine sich immerfort steigernde Verdrießlichkeit zwischen beiden Linien. Wie kleinlich man damals vorging, beweist die Klage des Vogts Jos, die er gegen Barbara Nesin, Witwe in Amendingen, beim dortigen Gerichtsammann Erhart Fackler stellt, weil sie 1 bis 6 Krebse gefangen habe (Sti. 43. 4). Und im September desselben Jahres erschien Meister Hieronymus Gmeinder, Sägenschmied, B. z. M., vor dem Notar Johann Gerung, genannt Schmeltz, im Hause der Elisabeth Besserer und erklärte, er habe vor einiger Zeit zwischen Eisenburg und Amendingen im Bache gefischt. Da sei Othmar Settelin (für uns ebenfalls eine unbekannte Größe, was Familienzugehörigkeit betrifft, aber jedenfalls von der Stadtlinie) von M. gekommen und habe ihn gepfändet. Darauf habe der uns schon nicht mehr ganz fremde Eberhard Settelin von Eisenburg ihn gen Eisenburg geführt und in den Turm daselbst legen wollen, ihn aber auf seine Bitte hin entlassen mit dem Beding, sich in 8 Tagen wieder gen Eisenburg zu stellen. Innerhalb dieser 8 Tage sei er mit Eberhard Settelin im Gericht zu Amendingen um 1 hl. Strafe abgekommen und habe das von Othmar genommene [68] Pfand wieder erhalten. Gegen diese Aussage protestiert Jos (Sta. 17. 1) – wohl wegen Zuständigkeit? Christoph aber ließ sich diese Gerichtsbarkeit über seinen Wasserbesitz nicht gefallen. Doch gelang es diesmal noch Hansen Besserer, seßhaft zu Erbach, Samstag vor Mariä Himmelfahrt (18. 7. 1515) beide erhitzten Parteigemüter zu beruhigen. Doch glomm unter der Asche die Glut. Vorerst spielte er (Christoph) seiner Base einen Schabernack, der nicht geeignet war sie zu dämpfen: Er setzte ihr vor die Nase, d. h. hier vor ihre eigene Mühle in Amendingen eine neue Mühle, wozu er 1517 vom Rat die Einwilligung erhalten hatte, auf den Ackerplätzen oberhalb Amendingen, die er von Josen und Christian Scholl zum Erdgraben erkauft[1] hatte. Er mußte aber dem Rat versprechen, der Stadt Hölzer, die sie[2] ihm überantwortet, allwegen vor männiglich auf seiner Sägmühle um einen leidlichen Lohn zu schneiden (Sta. 17. 3)

Inzwischen leistet sich Jos einen zweiten Totschlag, am Aftermontag nach Lucia 1507 (15. 7.) Christel Halder von Rieden ist es, den er im Streit derart verwundet, daß er daran starb. Doch gelingt es dem Ritter Adam von Freundsberg, Hauptmann zu Mindelheim, die beteiligten Familien (Jos hatte noch Genossen) zu einem Vergleich zu bewegen, ehe größeres Unheil erwuchs. Man kam nach damaligem Brauch überein: Die Täter sollen dem Halder am Begräbnisorte ein „Besinknuß“ mit 70 Priestern – darunter 3 Aemter – abhalten lassen und dieser Feier bis auf den Gürtel entblößt, im Arm eine pfundige abgebrochene Kerze, mit entblößter Wehr und Rute, beiwohnen, sich darauflegen und für des Entleibten Seele bitten; ferner sollen Jos und Pauli Gruber, genannt Rätz, binnen Jahresfrist eine Wallfahrt nach Rom, Aachen und Einsiedeln unternehmen und hierüber Urkunde beibringen; zum „Gedächtnuß“ des Entleibten sollen sie ein 5 Schuh hohes Kreuz aus Rorschacher Stein setzen lassen. Des Entleibten Erben Häuser sollen sich die Täter entäußern und hinfüro in Badstuben, Schmieden, Steg und Wegen „waichershalb“ sein und in keinem Wirtshaus, darinnen sie ferners seien, sitzen. Bei Hochzeiten sollen die Täter gleichfalls den Erben des Entleibten auszuweichen schuldig sein. An Gerichts- und anderen Kosten endlich haben sie an die Erben nach Urteil des Adam v. Freundsberg, Konrad Mangolt zu Waldburg und Hansen Ammann von Diepeltshofen und Jörg, Truchseßen von Waldburg 265 fl zu bezahlen (Sti. 43. 4). Jos hat nun augenscheinlich nicht alle Bedingungen erfüllt, zum mindesten sich Mühen und Kosten des Wallfahrens geschenkt, wodurch Klagen der Familie Halder an den Rat der Stadt gedrungen sind. Und da es dieser mit der Sühne streng nahm, wie auch rechtens, beschloß [69] er die Ausweisung des Jos. Das war aber schneller beschlossen als ausgeführt, wie die Ratsprotokolle von 1519 beweisen:

4. März: Mit Josen Settelin zu schaffen, daß er heut aus der Stadt gang und sein Pfennig außerhalb zehre (zerre). Hans Keller soll mit den Frauen zu Eisenburg schaffen ihr Häusli hiezwischen und Ostern laut ihrer Verschreibung zu verkaufen suchen in eines Bürgers Hand. Deo gratias, denn der Böswicht macht nichts gutes allhie.


9. März: Mir Josen Settelin ist geschaft, bei dieser Tageszeit die Stadt zu räumen, worauf er begehrt, ihn in 8 Tagen noch allhie zu lassen. Ist ihm zugelassen bis am Montags zu Nacht.

19. März: Josen Settelins halb ist auch mit Doctor Peutinger und Dr. Heinrich Neidharts Schreiber viel und mancherlei geredet und darauf auf diesmal beschlossen, ihm die 3 Knecht zu schicken und zu fragen: „Es sey ain ratz fug mit hie das er sich morn vor nachts auß der statt und unserem ettern gang und nitt wider herein on ain ratz erlauben“. „Viele Hunde sind des Hasen Tod“, wird nunmehr Jos, der auf alle Fälle noch mehr auf dem Kerbholz hatte, gedacht haben. Er ging – und wandte sich an das Kaiserliche Kammergericht zu Rottweil. Am Zinstag nach Michaeli (4. 10.) 1519 erscheint Wilhelm Wernher, Freiherr zu Zymbern, Herr zu Wildenhstein, anstatt und im Namen des Grafen Rudolf zu Gultz, Hofmeister zu Rottweil, und tut dem Bürgermeister und Rat d. St. kund und zu wissen, daß [3] Jos Settelin, weiland Vogt zu Eisenburg, bevollmächtigter Anwalt vor dem Hofgericht mit der Klage erschienen sei: Wiewol er, Kläger, vor Keiserlicher Majestät also löblich und hoch gefreit sei – sei er doch unverschuldeter Sachen gewaltiglich von seinen häuslichen Ehren z. M. ausgetrieben worden, er hoffe, daß die zu M. ihm darum einen Abtrag tun und fürohin ihn ihres Bürgerrechts und Zünften teilhaftig machen, mit Bestehung aller Kosten und Interressen oder daß er zu ihnen gerichtet werde mit Acht und Anleite wie Recht ist – und fordert Bürgermeister und Rat auf, sich hierüber vor dem Hochgericht zu verantworten. Leider sprechen sich die Urkunden über den weiteren Verlauf der Angelegenheit nicht aus. Doch reden spätere Aufzeichnungen des Christoph Settelin (Sti. 43. 8) davon, daß Jos sowohl in Rottweil als vor dem Kammergericht seine Sache verloren habe und zu den Kosten verurteilt worden sei.

Nach solchen Vorkommnissen können wir es Elisabethen nachfühlen, daß sie gern die Zügel der „Regentschaft“ in stärkere Hände legte. Nachdem sie zu ihrem städtischen Besitz schon 1496 (Sti. 13. 5) einen Garten zwischen Hansen Frey und Kaspar Mayrs Gärten gelegen um 38 fl erkauft hatte, siedelt sie sich [70] 1517 ganz in Memmingen an. Der Rat gestattet ihr (Sta. 272. 1) das Haus bei St. Martin, zwischen des von Stetter und Egloff, Stebenhabers sel. Witwe gelegenen Häusern zu erkaufen und lebenslänglich darin als Bürgerin zu wohnen. Sie hat für Steuer- und Reisergeld jährlich 2 fl und dazu das gewöhnliche Brunnen-, Bach- und Wachtgeld zu entrichten. Noch 1542 läßt sie in einer andern Gelegenheit von sich hören. Im selben Jahr aber findet sich dann bei Scho. 82 eine Bemerkung: „In diesem Jahr starb die Fraw von Ysenburg, wurde von Leusen gefressen“, welche sich (der bestimmte Artikel deutet auf eine bekannte Persönlichkeit) jedenfalls auf die Besserin bezieht und besagt, daß sie infolge längerer Liegenschaft und damaliger hygienischer und medizinischer Verhältnisse eines ebenso gräßlichen wie nicht ungewöhnlichen Todes verschied. die Bühne betritt nun ihr Schiegersohn

Sebastian von Berwang.

Er schnitt die Frage der Hoheitsrechte der Herrschaft Eisenburg kraftvoll an, wie an anderm Ort zu lesen. Aber hier müssen wir ihn leider als – Totschläger einführen; denn blutig beendet er den Hader der zwei Settelinschen Sippen.

Die Sache trug sich nach G. (F. v. S.) folgendermaßen zu (24. Juli 1522): Sebastian und der andere Schwiegersohn der Elisabeth, Hans Jungnauer waren „nächthin spat bei etlichen vom Adel hier (Memmingen) geweßt, haben zu viel getrunken, und am hinausreiten Steffel Sättelin uff Amendinger Weg, als ain plosen (bloßen, unbewaffneten) man, und sie mit Hamasch und wöhren verwaffnet gewesen, überritten und hart geschlagen und verwundet, ain sein knecht biß uff den tot beschädigt“, - „Das hat einen ersamen rat hoch verschmahet (Christoph Settelin war nämlich Stadtammann), die ganze nacht zusammengeweßt, hat bey hundert mannen hinaus uff die halt (Halde) geschickht, desgleichen in alle unsere und der unseren Dörffer und flecken geschickht und jedermänniglich in rüstung gepothen und allerthalben befolen, wo sie die von Isenburg und ire Diener betreten, das sie dieselben fahen und wo sie nit möchten, erschießen und uns hereinfüren solten. Am morgen früh umb 3 ure sein zu einem rat khomen Adam von Stein, Jörg von Bentznaw und meines gnädigen [71] herrn von Augsburg vogt, der Selicman (wahrscheinlich die Zechkumpane der beiden Eisenburger); sich vil gegen uns erpetten, gütlich darin zu handelen und uns einen erlichen bericht zu erlangen, denn wir seien ain Bund (d. i. Mitglieder des Schwäbischen Bundes) und des schuldig etc. Dis hat inen ain rat dank gesagt und den abschied geben. Sie sehen, das ain gemeind versammlet sey und an die wil man ir beger bringen und inen (dann) unerweislich antwort geben. Mit deßominder hat ain rat alle büchsen hiefür uff den markt füren und befolen die thore wieder zu öffnen doch niemand herein zu lassen noch hinaus. – Ain gemeind hat sich, auf fürhalten in der Sach beschehen, entschlossen das man hinaus ziehen und das schlos (Schloß) überab werffen und sie und die ire fahren und herein füren sol … Darauf ist beraten das man umbschlagen sol (bekanntmachen) das jedermann, mann, söne, knecht fürderlich eßen und uff 9 uren jeder in seiner zunfft sey, da sol man den halb tail hinausmustern – – – die vorgemelten vom adel und mit inen Hans Heintzel sind wieder an rat erschienen, haben gepetten man sol die ainung des bunds erwägen und nit darwider handle, denn die verainung verpet solch gegenthat … So wollen sie hinausreiten in der hoffnung das man das schlos in des bunds hant stelle und des bunds entschaid darin erwarte und sie das schlos räumen oder das sie sich in des bunds fangnuß gebe … Das haben wir nit wöllen annemben, sondern die gast (Gäste) söllichs an ain gemeindt auch selbst pringen lassen. Sollichs ist in ain rat erwogen und durch die Zunfftmeister an die gemeindt gepracht. Ein rat sehe gut an, das man mit aller Recht hinausziehe und dennacht erst die herren gütlich handeln lasse.“ Und so geschah es. Scho. H. berichtet weiter, daß Sebastian Berwang und sein Helfer „auf frischer Gethat“ in dem Haus Eisenburg von der Stadt Kriegsvolk regelrecht belagert wurde, daß sich Sebastian v. Berwang retirierte und dann die Sache schließlich durch Vermittlung der edlen und festen, ehrbaren Jörg von Benzenau zu Kemnath, Adam von Stein zu Ronsberg, Moritz von Altmannshofen und Weitzenhofen, Gaudenz von Rechberg zu Osterberg u. a. dahin verglichen wurde, daß Hans Jungnauer den Thedigungsherren von gemeinem Bunds wegen und den von Memmingen das Schloß übergeben müsse. Darauf haben wir die Thedigungsherren 2 Reisige und 2 Fußknechte und die Stadt ebensoviel in das Schloß gelegt. Jungnauer und seine 6 Knechte mußten schwören, daß sie sich auf Erfordern den Bundeshauptleuten stellten. Vorerst mußte Hans und 1 Knecht und 2 Mägde im Schloß bleiben und die 8 Knechte verpflegen, bis durch Tagsatzung zu Memmingen vor den Hauptleuten die Angelegenheit ausgemacht sei (Sankt [72] Jakob Abend 1522). – Ueber das ganze Begebnis sind natürlich mehrere Lesarten vorhanden. Schorer läßt den Stoffel selbst und zwei seiner Knechte auf den Tod verwundet werden, ebenso Gen. M. u. U. Letzterer gibt die Jagd als Streitursache an und läßt es bei einem Knecht bewenden. Auch die Jahrzahl 1523 spielt herein. Doch dürfte unsere augenscheinlich den Ratsbüchern entnommene Schilderung die zutreffende sein, womit auch, daß Christoph „nur“ hart verwundet wurde, stimmt, daß Schorer melden kann, der Ehrsame und Weise Christoph Sätelin, Stadtammann, sei 1523 gestorben und in templo Martini begraben (s. Grabmal dortselbst). Ueber das Endurteil ist freilich nichts bekannt; doch berichtet U., daß der Waffengang zu einem Prozeß führte, der 1534 zu Ungunsten der Stadt entschieden wurde. In den schon genannten späteren Aufzeichnungen Christophs auf Eisenburg (Sti. 43. 8) ist erwähnt, daß 1532 das Endurteil dahin gesprochen worden sei, daß das 1522 eingenommene Schloß wieder herausgegeben, des Berwangers Halbteil mit 1000 fl. bezahlt, diesem auch 200 fl, den Christen 72, den Juden 347 fl Schadenersatz gewährt werden mußte.

1527 wird dem Berwanger „derzeit Pfleger zu Woringen“, dem Jungnauer und dem Christoph Settelin (dem Sohn der Elisabeth) der Besitz der Herrschaft mit allen Rechten und Gerechtigkeiten und allen Verbriefungen dieser Rechte durch Friedrich III. und Maximilian I. (1457–1507), auch Wildbann und „Gejaidtrecht“, durch Karl V. bestätigt, de dato Regensburg 27. apprilis anno 1527, weshalb später Christoph (Sti. 43. 8) aus dieser Zeit von einem Trium Regium berichtet.

Der Bauernkrieg hat in der Herrschaft keinen Schaden angerichtet. Es lagerten je 3 Haufen zu Amendingen, Beningen und Berkheim. Doch wurden sie durch den gefürchteten anrückenden „Bauernjörg“ südwärts verdrängt, ehe sie größeres Unheil anstiften konnten, wie denn überhaupt die „Arme Leut“ infolge verhältnismäßiger Zufriedenheit und zugesagter Erleichterungen in unserer Gegend, im Stadt- und Herrschaftsgebiet sich zu Ausschreitungen nicht hinreißen ließen. Hiegegen gab es ihretwegen wie schon 1510 und 1533 zwischen dem Berwanger und dem damaligen Spitalmeister Mairlleck „Irrungen“. Es handelte sich um Zehenten, Rechte, Zinsen und Gülten zu Schwaighausen und „andern Orten“ (Sti. 42. 7). Der Schwäbische Bund entschied durch „Abschied“ vom 16. Dezember 1533 zu Augsburg, daß der Berwanger dem Spitalmeister die genannten Zinsen usw. folgen lassen solle, dieser aber verpflichtet sei, die armen Leut zu Schwaighausen durch einen ehrbaren Priester mit Meßhalten, Reichung der Sakramente und anderer christlicher Zeremonien [73] und Gebräuche zu versehen. Damit gab sich aber der Eisenburger nicht zufrieden und ließ durch Notar Symon, B. z. M., am 22. Dezember derselben Jahrs ein „Appellations-Instrument“ einreichen (Sta. 373. 3). P. Matthias Mairbeck, O. S. Spir., hatte aber inzwischen infolge der religiösen Wirrnisse, die unter anderm besonders durch des Dr. P. Gregor Reser, O. S. Ang., Umtriebe in Memmingen besonderen Unwillen gegen die Geistlichkeit im allgemeinen hervorgerufen hatten, (Kpt. 227–239)) die Stadt verlassen müssen und war in die zu seinem Patronate gehörige Pfarrei Breitenbrunn geflohen, von wo er, nebenbei bemerkt, gewaltsam nach Memmingen zurückgebracht wurde (1546). Sta. 373. 3 läßt ihn in Pfaffenhausen interimistisch wohnen. Zu alledem hatte sich 1533 der Schwäbische Bund aufgelöst. Es mußte deshalb gegen Mairbeck, der seine Rechte nicht aufgegeben hatte, am 15. 2. 1534 und wieder am 9. 3. erneut Protestation eingereicht werden, die dann endlich (Sta. 373. 5) am Donnerstag nach St. Thomas (23. 12.) 1535, d. d. Schmalkalden, von Johann Friedrich, Herzog von Sachsen und Philipp, Landgraf zu Hessen, dahin verbeschieden ward, daß Sebastian zu ersuchen sei (!), da er sich unterstanden, den Gültleuten zu Schwaighausen und Amendingen zu verbieten, daß sie ihre Gülten an das Spital bezahlen, er möge verschaffen und verfügen, daß dieselben denen von Memmingen die hinterstelligen und künftigen Gülten jährlich ohne Vorzug und Weigerung entrichten. Damit kam die Angelegenheit zur Ruhe. Die hier berührte und hereinspielende Frage der Reformation werden wir in anderem Zusammenhang bringen.

Nachdem Sebastian v. Berwang am Montag vor Himmelfahrt (29. 5.) 1536 den Mang Stählin zu Amendingen, den er wegen etlicher Lügen ins Gefängnis geworfen, gegen Urfehde aus demselben entlassen hatte, scheint er gestorben zu sein. Die Inschrift an der Kirche zu Amendingen besagt: Anno dm. 1536. starb . de . Edel . vnd . vest junker Sebastian v. BerWang zu Yseburg. fraw Anna Setteline sein ehelich gemahel off Lucie die. Es ist wirklich eine rätselhafte Inschrift. Uebrigens hieß sein „Gemahel“ nicht Anna, welche des von Freyburgs Ehefrau war, sondern Barbara, die in Prozessen viel genannt ist, welche wir aber als belanglos nicht anführen können.

Christoph Settelin,

einziger Sohn der Frau Elisabeth Besserer, vereinigt nun das bisher gemeinsam gehandhabte Zepter wieder, allerdings als letzter Settelin auf Eisenburg, in einer Hand, und zwar führt er es mannhaft. Er bringt die Verhandlungen, betr. die Landeshoheit

[74]

Text siehe Seite 73.

[75] in der Herrschaft, gegen die Landvogtei zu seinen Gunsten zum Abschluß. Hierüber später. Er macht dazu eine glanzvolle Eroberung, indem er teils durch Erbschaft, teils durch Kauf die Herrschaft Fellheim an sich bringt. Er war nach R. v. M. 69 mit Anna von Graneck vermählt. Das dürfte wieder einer der vielen Lesefehler sein. Denn Ferdinand von Settelin wie die Annales Biberacenses berichten übereinstimmend, und auch sonst ist dies wahrscheinlicher, von einer Anna Agnes Kraußin. Das genannte Ritterlehen war an ihn 1530, wenigstens teilweise, durch seine Mutter gekommen. Die vorgenannte Quelle weiß zu sagen, daß als ältester Vasall, in dessen Hände es war, Heinrich Besserer, Patrizier zu M., um 1466 bekannt ist. Nach dem „Urkundenband zur kommissionellen Untersuchung über das Ritterlehen Fellheim III“ (a. a. O.) wurde Christoph am 22. 6. 1536 mit „dem andern halben Teil an vier Fünfteilen an Gerichten, Zwingen und Bännen in dem Weiler Velheim, auch den andern dritten Teil an allen gelegenen Gütern und Gülten zu Velheim, ausgenommen zwei Höfe, die dem Abt zu Ochsenhausen, und einen Hof, den Frauen zu Gutenzell gehörig, belehnt“.

Am 20. 12. 1542 schenkt Christoph der Letzte seinem lieben Schwager Lutz von Freyburg, Inhaber von Grünenfurth, einen Brunnenfluß von der Riedhalde mit der Erlaubnis, eine geschlossene Brunnenstube zu machen und Deichel nach Grünenfurth zu legen. Dieser Schwager kauft dann auch 1545 vom Konvent zu Roth und „dem rechten regierenden Grund- und Gerichtsherrn von Eisenburg“ je den halben Teil alles Zehenten „zum Grünenfurth um“ je 21 hl., ferner um 55 fl von Michael Hummel in Amendingen 2 Jauchert Ackers im oberen Esch dortselbst (Sti. f. 37. 1; 50. 9; Sti. 18. 1). Hingegen gab es bald darauf zwischen beiden Schwägern große Differenzen, einmal wegen der Mühle zu Amendingen (1550 A. B.), dann wegen des Weinschenkens in Grünenfurth (Sti. 43. 4; 1543). Zu letzterem Punkt wird beschlossen, daß die Inhaber von Grünenfurth von allem Wein, den sie daselbst schenken, den Zoll in der Wage zu Memmingen zahlen sollen. Inzwischen stirbt Christoph; der Vogt von Ochsenhausen, Hans Konrad v. Bodmann, dann Hans Hartlieb gen. Wallsporn, Bürgermeister und Kaspar Besserer, des Rats, vertragen 1554 die Nachfolger Christophs, Macharius (Reichsvogt von Radolfzell), auch Mattherius bezeichnet, und Sebastian von Reichlin einerseits mit Lutz v. Freyburg zu Grünenfurth andrerseits dahin, daß gedachter Lutz, seine Erben und Nachkommen den Inhabern, Zugehörigen und Bewohnern von Grünenfurth wohl Wein ausschenken mögen und darinnen tun und handeln als wie in andrem ihrem Eigentum (Sti. 50. 2).

[76] An der Pfarrkirche zu Amendingen ist zu finden: „Anno Domini 1553 auf den 12. tag des Monats septembris starb der edel vnnd vest Christoff Soethelin zu eyssenburg, dem gott genadig sey vnnd vnns allen. Amen.“ Die Bemerkung hiezu von in Dr. Schorers genealogischen Nachrichten (Bibliothek Illerfeld): „Aequinoctii die“ erinnert uns an die damals noch geltende Julianische Zeitrechnung. Gen. M. hat natürlich wieder das Jahr 1533 und gibt an, daß Christoph seinem Tochtermann Reichlin das Gut Eisenburg durch seine Erbtochter um 25 000 fl hinterläßt, wozu damals Amendingen, Trunkelsberg, Schwaighausen, auch Grünenfurth (?) und Unterhart gehörten. In Wirklichkeit verhielt sich der nicht ganz glatt verlaufene Erbfall nach R. v. M. so:

Macharius von Radolphzell, der eine Schwiegersohn des letzten Settelin auf Eisenburg, zeigt am 27. 1. 1554 von Eisenburg aus dem Lehenhof Kempten an, daß die von demselben zu Lehen rührenden Güter, Gülten etc. erbschaftsweise auf seines Schwagers Reichlin Hausfrau Anna Settelerin und deren Kinder gefallen seien und bittet deshalb, dieselbe damit zu belehnen, was am 25. 1. 1555 geschieht („Urkundenband“). In der Registratura finden sich nun 2 Kaufbriefe verzeichnet, Nr. 9–10 vom 3. bis 25. 10. 1555, an welchen Tagen Sebastian je den halben Teil von Eisenburg „erkauft“ habe. Das Rätsel löst sich durch folgenden Vertrag aus den mehrerwähnten Annales (vermittelt durch F. v. S. in G.):

Nach Ableben Christophs haben sich zwischen dessen Wittib und Tochtermännern unterschiedliche Traktate und Handlungen begeben, wie summariter hiernach folgt:

  1. Ist der Witib Frau Agnes Settelin, geb. Kraussin ein Leibgeding verordnet worden, daß sie nämlich in der Behausung zu Memmingen wohnen, jährlich 300 fl an Geld, 1 Fuder Wein, 3 Malter Roggen, 1 Malter Korn, 1 Malter Haber empfangen soll.
  2. Ist das Gut Eisenburg samt aller Zugehörd von den Unterhändlern im 1. Jahr nicht, dann per 18 000 fl ceßirt, aber hernach von Sebastian Reichlin per 25 000 fl angenommen und Macharius Vogt um den halben Anteil mit 12 500 fl hingewiesen worden.
  3. Das Dorf Fellheim war nicht in Teilung zu bringen, denn erstlich ward es von Sebastian mit Bewilligung seines Schwagers (soll wohl Schwiegervater heißen!) noch bei dessen Lebzeiten erbaut „und dann der Schwester solch dorff ihme aus besonders geneigtem Willen praelegirt und zum voraus verhofft hat.“ „Jedoch er (Sebastian) dessenwegen umb erhaltung besserer schwägerschafft den Miterben fl 3000 über gepflogene Unterhandlung
[T7]

Grabplatte an der Ostwand der Kirche zu Amendingen des Christoph Sättelin.

[T7b] [77] compensirt und quitt gemacht hat“ (in unserm Deutsch: Die Schwester von Sebastians Frau hat ihm „freiwillig“ Fellheim im voraus abgetreten, bezw. zugesprochen und er hat dafür 3000 fl „freiwillig“ dem Schwager überwiesen).

4. Ist zu wissen, daß Machariy Vogts Hausfrau ihres Vaters Todfall nicht erlebt, sondern die einzige hinterlassene Tochter Anna (b. Reichlin Agnes, also wohl Anna Agnes) „transmittiert“ hat, welche hernach im 17. Jahr ihres Alters mit Hans Gaudenz von Raittenau bei Bregenz verehelicht wurde.

5. Zeugen dieser Handlung waren: Hans Konrad von Bodmann zu Methingen, Christof von und zu Homburg, Klemens Reichlin zu Meldeck, Geh. Rath zu Ueberlingen, Jakob R. v. M., Bürgermeister zu Ravensburg (Bruder des Inhabers der Eisenburg und beide Söhne des Kilian R. v. M.) usw.


Sebastian Reichlin v. Meldegg.


Ein kleines Zwischenspiel gleich zu Beginn seiner Zeit: 1561 wird die Abgabe vom Geishof strittig. Am 14. Oktober erscheint im Namen der Augustiner z. M. der Notar Michael Hummel vor Schloß Eisenburg bei der Brücke und erklärt gegenüber dem Sebastian R. v. M. was folgt. Reichlin habe die vom Geishof od. Schottenholz zu entrichtenden Tratt- oder Herbsthühner als solche, wie sie nunmehr seit 60 Jahren alljährlich entrichtet wurden, nicht mehr annehmen wollen, weil sie für ein Vogtrecht über besagten Hof seien. Er wolle es nunmehr nochmal wagen und sie überantworten. Reichlin entgegnet, daß die Tratt im Geishof und dem Schottenholz und -Anger ihm gehöre. Auch habe der Prior der Augustiner ohne sein Vorwissen unbefugter Weise dahin eine Behausung gebaut. Sie sollen von solchem abstehen und allda einigen Rauch nicht weiter gebrauchen. Am 5. November übergibt Reichlins Notar Wolfgang Zeller dem Bürgermeister und Rat der Stadt eine Protestationsschrift, worin festgestellt wird, daß das Schottenholz und der Schottenanger seit unvordenklichen Zeiten unter aller Jurisdiktion, Oberkeit und Tratt des Schlosses Eisenburg gestanden sei. Vor hundert

[78] Jahren haben die Eigentümer von Eisenburg dem Schottenabt Thaddäus von St. Jakob zu Regensburg und dem Probst Schreiber zu St. Nikolaus, vor der Stadt Memmingen gelegen, auf deren Bitten hin auf ihr Lebtag vergönnt ihr eigen Vieh auf dem Schottenanger und im Schottenholz tratten, auch ein Viehhaus in besagtes Holz setzen zu lassen, wogegen jährlich 3 Hühner nach Eisenburg zu entrichten waren. Nun aber wollen die Augustiner diese Hühner als Herbsthühner erklären, sich das Eigentum über das Schottenholz anmassen, und haben statt des Viehhauses eine gemauerte Wohnung darin erbaut und diese trotz Aufforderung nicht geräumt. Gegen solches müsse er feierlich protestieren. – Die Sache sieht gefährlich aus. Doch ist die Fehde nicht mehr im Schwang. Man hat andere Besänftigungsmittelchen, und das Schenkbüchlein der Stadt verrät sie (Stb.): „In der Frauen Huß von Eißenburg hat man 10 Kanten Wein geschenkt und 4 in das Augustinerkloster dem Vogt von Otibeuren wegen des spans des Geißhof halb. Im Jenner 1564.“ Und so folgt denn im März 1566 (w. v. Sta. 363.7) der Vergleich: Die Augustiner zahlen dem Sebastian Reichlin von Meldegg für seine Ansprüche und Forderungen 250 fl, wofür der benannte Geishof aber ihr unbestrittenes Eigentum werde. Wollen sie denselben verkaufen, so haben sie ihn zuerst dem Rat der Stadt anzubieten; ebenso bleiben sie im Besitze des Gütleins zu Amendingen, haben aber 12 Pfennig Fallzins, die sie letztlich versäumten, an Eisenburg zu entrichten. Damit ist die welterschütternde Irrung und Verwirrung glücklich abgetan.

In U. u. Scho. H. findet sich im Jahre 1567 die gleichlautende Vormerkung, daß Sebastian v. Reichlin die Eisenburg neu aufgebaut habe, wobei Scho. H. ausdrücklich hervorhebt, daß er „welsche Maurer emplojiret“ habe. Dieser zweite Bau dürfte notwendig geworden sein, nicht bloß wegen mangelhafter Beschaffenheit des ersten infolge des Zahns der Zeit, der nun daran genagt, sondern wohl mehr noch wegen der Zeitgemäßheit. Wir können uns den ersten Bau nicht viel anders vorstellen, als ein turmähnliches Gebäude mit meterdicken Mauern, geschaffen mehr zu Trutz und Wehr als ritterlichem Minnedienst mit Vorwerk: „Vestin und Purg“, während der zweite Bau in Urbarien und reichsritterschaftlichen Matrikeln als Feste, Burg und Schloß auftritt, sogar mit landwirtschaftlichem Bauhof davor. Leider ist von beiden Anlagen, soweit bis jetzt bekannt, keine Ansicht vorhanden. Am 4. Aug. 1567 ist „heiratsabrede“ zwischen Reichlin und Wolf Dietrich Luwin, B. z. M., wegen „beider Kinder“ Christoph Eberhard und Justina, welche auch zum Ziele führt (Sta. 50.1).

[79] An der Pfarrkirche zu Amendingen findet sich folgende Grabschrift: Anno Domini 1575 uff den 15. Tag Augusti Starb die Edel und Tugendsame Fraw Anna Reichlin von Meldegg, ain geboren Setteline, die In Gott gantz Christenlich verschieden ist. – Ihr Gemahl ist ihr nach R. v. M. 1578 im Tode gefolgt. Nach F. v. S. verkauft er zwar 1580 die Eisenburg: allein dies kann schon deshalb nicht möglich sein, weil 1579, am 7. 2., seine 2 Söhne Christoph Eberhard und Philipp Gut und Tafern zu Amendingen an Thoman Vogler vergeben (Sti. 46.1), der Vater also gestorben sein muß. In der bezeichneten Quelle ist auch eine Abschrift eines in A. B. befindlichen Originalbestandbriefes, den sonderbarer Weise die Herrn vom Spital „als Inhabern der Herrschaft Eisenburg“ siegeln. Die Verwirrung wird vergrößert durch eine Notiz in A. M., wo unter einem Verzeichnis von verschiedenen Schloßbesitzern auch die Mitteilung eines Bürgermeisters Kaspar Kocher von Memmingen (den es nicht gegeben hat) enthalten ist: Eisenburg, des Geßlers, jetzt hatts des Hausbalds Ritters Wittib zu Boxberg inne! Den Namen Geßler werden wir ja gleich treffen; aber nicht als Inhaber. Es dürften um diese Zeit Verkaufsverhandlungen stattgefunden haben. Am 10. 2. 1580 stellt Christoph Eberhard (Sti. 21.4) gemeinsam mit seinem Bruder, am 1. März des gleichen Jahres allein einen Bestandbrief aus.


Christoph Eberhard v. Reichlin Meldegg.
Sebastian hatte außer den genannten 2 Söhnen noch 8 Töchter hinterlassen:

Felizitas, verehelicht mit Melchior Stebenhaber, † 16. 1. 1586;

Elisabeth (Christoph Gräter v. Stafflang); † 1584, nachdem sie am St. Martinstag eine Quittung über 400 fl empfangenes Heiratsgut ausgestellt;

Anna (Gordian Settelin v. Eisenbg.);

Susanna, ehelicht am 29. 4. 1588 den Rupprecht Ließ (Sieß) v. Dorndorf;

Agnes (Johann Ulrich v. Geßler), † 1. 7. 1590 zu Memmingen;

Martha (Tobias Hermann v. Guttenberg);

Euphrosine, hinterläßt, ledigen Standes, 1589 durch Testament ihrer Schwester Felizitas Tochter Sibylla 1500 fl, ihren Schwestern Susanna und Agnes je 1200 fl, ihrem Bruder Christoph Eberhard und ihren Schwestern Anna und Martha als Universalerben alles übrige;

Sibylla endlich aus 3. Ehe (?) scheidet 1. 4. 1599 zu Kaufbeuren aus dieser Welt und hinterläßt ihrem Schwager v. Geßler, ihrer Schwägerin Justina v. Lupin und ihrem Schwager Ließ 10000 fl. (Nach R. v. M.) Als Vormünder der beim Tode des Vaters noch unmündigen Anna Maria, Susanna, Agnes, Euphrosine und Martha werden vom K. Kammergericht Christoph Eberhard, Melchior Stebenhaber und Raphael Settelin eingesetzt (Sti. 41.2).

[80] Einige Posten der von den Vormündern vorgelegten Rechnungen (nach R. v. M. aus Sta.) dürften den Lesern nicht ganz uninteressant sein (1592):

29. Jenny für ein silbern Löffel zahlt 37 kr 3 hl
Item am Jahrmarckht einen Vederbelz kaufft 35 kr
Mehr vff denselbigen Tag kaufft ein Haarhauben 40 kr
Item mehr off d. Jahrmarckt kaufft ein hindlinns vnd ein taffetes par Zöpf (?) kosten 38 kr
26. July. Item Schwester Sibylla für einen hutt zahlt so ihr von
     Augsburg kommen thut sampt dem Botenlohn
2fl 30 kr
Uf den 7. Nov. Sibilla umb ein guldenes Hauben 8 fl 0– kr
den 23. November für ein Fazinetlein zalt 2 fl 30 kr
den 23. dto für Sibilla für ein Bareth zalt 6 fl 45 kr
Item für Sibilla für eine Zitter zalt 1 fl 0– kr
Item für Sibilla für eine Zitter zalt 08 kr usw.

Auch eine Reiserechnung des Notars Leonhard Geßler in diesen Vormundschaftsangelegenheiten soll hier Platz haben:

 Expens-Zedel

für die Edlen und Vösten Hans Ulrich Geßler und Konsorten, Alle Reychlinscher Laden Universal-Erben Anno 1604:

Mittwoch den 25. Aprilis dem Roß in Babenhausen 1/2 fürgling haber zahlt – fl 03 kr
z. Nattenausen z. Mittag verzörrt Ich u. dass Ross 3 fl 02 kr
im Lauingen sambt dem Roß über Nacht verzörrt 4 fl 0– kr
Donnerstag den 26. Apr. z. Aufhausen z. Mittag sambt d. Roß verzördt 2 fl. 08 kr
zu Dettingen über Nacht samt Roß verzördt 3 fl. 08 kr
Freytag den 27. dito z. Wassertridingen d. Roß ein Füerling haber zalt
     und Ich ein halbs genommen
0– fl 12 kr
z. Dettingen z. Mittag sambt Roß verzördt 0– fl 28 kr
Kaspar Burchen und Leonhard Steiner, beede Burger zu Dettingen, daß
     meinem von darauß gefüerten Gezeug zalt Jede 16 kr
0– fl 32 kr
Umb bier, brott, von ein Suppen zalt 0– fl 16 kr
zu Egling(en) über nacht sambt dem Roß verzördt 0– fl 31 kr
Sambstag zu Lauingen zur mittag mit sambt Roß 0– fl 32 kr
zu Neinburg (Neuburg a. Kammel) haber und ein halb Maß Wein 0– fl 10 kr
zu[WS 2] Nattenhausen über nacht sambt Roß 0– fl 32 kr
Sonntag 29. dito dem Roß zu Babenhausen 1/2 Fürl. h. und 1 kr heu 0– fl 04 kr
Seb. Rittmayer 5 tag Roßgeld zalt jeden tag 15 kr 1 fl 15 kr
sa 16 fl 53 kr

Soviel denn gebüettend günstige herrn vnd Junker 5 tag mein salarium belangt, Sezt dasselb zu E. V. Ehren genaygten gueten willen, die Sie denn selbst aller gebüer nach Recht gegen Mier zu verhalten wissen, und tue mich fürther zu allen Dinsten Befelch

 E. V. Ehren W.
vndthenig vnd gehorsamer 
Leonhard Geßler Notarius. 

[81] Am 4. Mai erklärt er sich mit 10 fl Salarium „gantz wol vergnügt und zufrieden“.

Damit sind wir aber den Begebenheiten weit voraus geeilt! Die Gebrüder Reichlin hatten gemäß Testament der Eltern Sebastian und Anna vom 6. Juni 1575 (R. v. M.) den ganzen Besitz derart zu teilen, daß Philipp Fellheim erhalte. Weiters war bestimmt, daß, wenn einer sein erblich angestanden Gut verkaufen oder sämtliches nicht besitzen noch behalten wolle, er solches dem andern Teil oder dessen Erben in gewissem Anschlag übergeben solle. Sollte einer diesen letzten Willen, der übrigens am 3.6.1578 im Beisein ehrlicher Freundschaft unter den Geschwistern noch bestätigt worden, brechen oder demselben zuwiderhandeln, so sei er seines ererbten Gutes entsetzt, beraubt, und dieses falle dem Gehorsamen zu. – Der Fall trat nur zu bald ein. Sei es, daß Christoph Eberhard mit den Legaten der Schwestern zu viel Mühe hatte oder aus anderem Grund; (s. auch Abschnitt 4). Am 1. August 1580 tritt er mit den Vormündern als Verkäufer der Herrschaft auf. (Sti 41.2.) Schloß, Feste, Burg und Berg Eisenburg mit allen Gütern und Rechten zu Amendingen usw. geht um 64.500 fl an die Stadt M. über. T. B., Ka. u. Gen. M. haben ähnliche Ziffern. Letztere weiß noch zu melden, daß die Herrschaft durch Kabale an Boos (Fugger) hätte kommen sollen: Melchior Stebenhaber sei durch wunderbare Ränke gezwungen worden, Eisenburg, nachdem es feil geworden, Herrn Jakob Fugger zum Kauf anzubieten, welch letzterer nur 60.000 fl geben wollte. Settelin, Stebenhaber und Christoph Eberhard seien derentwegen nach Augsburg und hätten jenen wohl zu einem höheren Angebot bewegen können, haben aber nicht sollen und wollen anhalten, alldieweil sie solches gemeiner Stadt viel besser anständig vermeinten. – Aber auf alle Fälle kam es zu einem argen Familienzwist. Auf Grund Testaments erhob Philipp sofort Protest gegen diesen Verkauf (R. v. M.) Seine Geschwister, deren Ehevögte und Vormünder hätten „ihm unwissend ohn alles vorgehend anbieten vnd interpellation, verscheinen, aignes frevels vnd gewalts zugefahren, vnd haben das Schloß Eisenburg sambt dessen zugehörigen güethern, wie mich glaublichen anlangt, der Stadt M. kauflichen hingeben“, ebenso eine in der Stadt liegende Behausung an Herrn Jakob Fugger. Um alles diese hätten sie ihn entsetzt, sowie auch um seinen Anteil von 1000 fl Holzgeld, welches die Untertanen von Eisenburg etliche Jahren noch reichen sollen. – Der Protest scheint ohne Erfolg geblieben zu sein, wenigstens wird nichts weiteres mehr berichtet. Übrigens gab es auch in der Geschwister-Verkaufsgenossenschaft eine Irrung, welche am [82] 1.3.1585 (Sta. 50.7) durch David Kienlin, Artium magister, Verkündiger des hl. Wortes Gottes zu M., und Superintendent, zwischen Hans von Freyburg, Junker zu Grünfurt, Melchior Stebenhaber und Raphael Settelin, beide Bürgermeister, als Vormünder der Anna Maria, Susanne, Agnese, Euphrosine und Martha einerseits und dem Christoph Eberhard andererseits verglichen wird. Daß es sich bei dieser Teilung des väterlichen und mütterlichen Erbgutes um anständige Summen handelte, zeigt Sti 41.2 gelegentlich einer Bekenntnis von Vormundschafts wegen vom 13. November 1588. Darin ist gesagt, daß die neuen Käufer von 1582 (die Herrschaft ist nämlich in diesem Jahre an die Spitalbedürftigen übergegangen) von der Kaufsumme 36.000 fl den „Vormundstöchtern“ „hinterstellig“ blieben, die dann in bestimmten Terminen zu je 6000 fl abgetragen werden müssen.

Unser Christoph Eberhard, geboren 1545, starb am 7.4.1595 wahrscheinlich zu M., da er in den letzten Urkunden immer als B. z. M. sich zeichnet. In der mit Justina v. Lupin geschlossenen Ehe (4.8.1567) zeugte er 5 Söhne und 5 Töchter und schließlich einen Postumus Christoph Eberhard. Letzterer verwundete, erst 19 Jahre alt, 1614 im Streite „aus zu viel genommenen Weinfruchten über eitlem Zorn und Eingeben des leidigen Satans mehrere Personen, wurde 1 Jahr inhaftiert, gab 1621 das Bürgerrecht in M. auf, zog in den Krieg und blieb verschollen“. (Sta. 50.12 und R. v. M.) Die Mutter all dieser Reichlin starb in Memmingen, während die Geschwister nach St. Gallen zogen, aus welcher Gegend die Familie ja auch herstammte (Meldeck). Da der einzige verheiratete Veit ohne Nachkommen starb, war mit ihm die Eberhard’sche Linie erloschen. Die Fellheimer Linie pflanzte sich durch Philipp und seinen Enkel Philipp Bernhard fort bis auf unsere Tage.

Drei Jungfrauen, Töchter des Sebastian, hatten 1580 200 fl gestiftet, um armen Kindern der Stadt im[4] Kindshaus zu seiner Zeit „mit Gebachnem[5] eine Guttat zu tun“ (G. M.)

Das von 1580 bezw. 81 bis 1601 währende Interregnum der Stadt war ohne besondere Vorkommnisse, die hierher spielten. Ein wichtiger Entscheid ist an anderm Ort vorgetragen.

Als Kuriosität möge hier Platz haben, was v. St. G. 266 über die Entdeckung des Seeweges nach Indien (1583) und deren Wirkung in Augsburg schreibt: Allein um diese Zeit ereignete sich ein betrübter Zufall(!), welcher viele Augsburger Häuser ins Verderben gestürzt hat, nämlich der Verfall der [83] Handlung. Hierüber kamen die größten und reichsten Häuser ins Verderben, in welches sie auch andere, welche ihnen ihr Vermögen anvertraut hatten, mit hineinzogen. – – –


3. Die Juden in Eisenburger Herrschaft.

Allbekannt aus U dürfte folgende Bemerkung sein: „Damals (1580) wohnten in Eisenburg und Amadingen viele Juden, und diese waren den Bürgern durch ihre Wucherei sehr beschwerlich und schädlich. Da ließ man keinen in die Stadt ohne einen Führer, dem sie für die Stunde einen Kreuzer zahlen mußten“. Es ist deshalb am Platze, hierüber das Nähere zu erzählen. Die eingehende Studie „Die Juden in Memmingen“ von Dr. Miedel (Dr.M) könnte zwar dieses Kapitel als überflüssig erscheinen lassen, doch glauben wir der Vollständigkeit halber nicht darauf verzichten zu können und auch einiges ergänzen zu müssen. Nach einer im 4. Abschnitt näher zu erörternden Urkunde straft der Berwanger schon 1496 Christen wie Juden.

Nach Dr. M. S. 17 treten die Juden urkundlich 1522 in der Herrschaft auf, zu einer Zeit, da ihnen der Eintritt in die Städte verwehrt ist. „Darum sitzen sie vor den Mauern.“ Die kleinen Herren hatten entweder mehr menschliches Mitgefühl oder Geschäftseinsicht, oder es war ihnen das Schutzgeld der Juden eine willkommene Gabe. Dem Amendinger Müller wird am 16. März genannten Jahres auf seine Anfrage von seiten des Rats die Antwort (er hatte angefragt, ob er für die Juden mahlen solle): Es sei ihm in seinen Willen gesetzt (S. 17 a.a.O.). Das Verbot des Verkehrs mit den Juden war aber in einer solch gewerbtätigen Stadt wie Memmingen nicht aufrecht zu erhalten. Zwar schickte man 1529 zwei Knechte nach Grönenbach, Amendingen und Schwaighausen um verkünden zu lassen, daß man jeden „einlegen“ werde, der sich in der Stadt blicken lasse; allein die Juden richteten gegen solch übertriebene Maßnahmen ein Gesuch an den Rat und der hatte auch ein Einsehen und verbeschied es am 17.3.1531: Sie seien mit Fug nit in der Stadt, doch welcher durchgahn oder ettwas hynnen zu kauffen hat, der mag vnder das Thor gan, nach aim Rathsknecht schicken, derselb soll dann mit ihm gahn vmb sein Belohnung, vnd so er durchgangen oder sein Ding khaufft, mit dem Knecht vß der Statt gahn vnd ain gelbß Ringlin tragen (d. i. ein Abzeichen auf der Kleidung gemäß Synodalbeschluß der Kirche aus der Mitte des 15. Jahrhunderts); vnd so sy vnsern burgern nichs vff gelegene Güetter leihen, so woll man sy durchziehen lassen“. Auf weitere Verkehrsbeschränkungen [84] wandten sich die Juden an ihren Schutzherrn, unsern wohlbekannten Berwanger, auf dessen Schreiben aber ihnen am 26.6.1534 die Antwort wird: „man laß bey dem beleiben, wie vor antwort worden“. Doch ging es hier nach dem Sprichwort: Kommst du nicht zu mir, so gehe ich zu dir – und die Memminger Bürger fanden den Weg nach Amendingen wohl und es kamen gar manche „hinter die Juden“, auch hinter solche, die weit weg wohnten. So gab es 1538 eine Klagesache des Gerstlin, Juden zu Münsterhausen, vertreten durch seinen Bruder Jos von Eysenburg, gegen Ursula Satlerin Konraden Biechelins, Goldschmied, eheliche Hausfrau vor dem „Frey Landgericht in Ober- und Niederschwaben auf Leutkirchner Heid und in der Gepürs“, in welcher der Landrichter Burkhard Kreutwein aus Befehl-Bewilligung weiland Jörgen, Erbtruchsessen, Freiherr zu Waldburg, Landvogts in Ober- und Niederschwaben, hinterlassenen Söhne Vormünder dem Bürgermeister, Rat und Gericht der Stadt M. gebietet, die von erstgenanntem Juden bezeichneten Zeugen zu vernehmen (Sta. 20.2). Auch die „Judenfreiheit“ vom 14. Juli 1541 (d. i. das vom Kaiser verliehene Recht, keine Juden in der Stadt aufnehmen zu müssen) hatte keinen Erfolg. Aus ihrer Bekanntmachung durch Wolfgang Zeller in den umliegenden Orten erfahren wir, daß in Amendingen am 5. Januar 1542 Jakob, Leo und ihr beider Tochtermann Moße, am 6. Januar in Eisenburg Joß und in Schwaighausen Mair wohnten. 1543 klagte dieser Moser (Mosse) von Amendingen gegen einen Bauern in Oberroth und wird durch Urteilsbrief des Landgerichts auf der Heide abgewiesen. Der Leo von Amendingen wird darin und auch an andern Orten als „Meister“ bezeichnet, was die Vermutung auftauchen ließ, daß in Amendingen eine Schule seitens der Judenschaft gehalten wurde. Entgegen dem vielfachem Verbot des Geschäftsverkehrs mit „gelegenen Gütern“ erläßt der Freilandrichter auf Leutkircher Heide am Freitag nach Lätare 1549 (5.4.) einen Urteilsspruch dahingehend, daß „Jos Jud zu Ysenburg“ berechtigt sei, die Güter des Hans Karrer zu Goßmannshofen zu seinen Handen zu nehmen, zu nutzen und zu nießen (Sta. 127.4). Im gleichen Fach ist auch ein „Schadlosbrief“ von 1551 des gleichen Juden inbetreff bezeichneter Güter, in welchem auch die Brüder Jakob und Hierß in Schwaighausen genannt sind. Auch 1554 wird ein Hans Erman, gen. Schneider, zu Maurwengen auf Klage des Jakob, Jud in Amendingen, in die sogenannte Acht erklärt und am 1. November des Jahres mit Gunst und Wissen des Klägers daraus entlassen. Landrichter war damals Kaspar Klöckler, ein Mann, dem wir auch [85] sonst viel in Bezug auf das Wesen dieses sonderbaren Überbleibsels aus dem alten Gaugericht aus Urzeiten verdanken (s. U.B.). Unter Sebastian Reichlin beginnt anscheinend die Abwanderung der Juden, vielleicht nach Fellheim. Wenigstens nimmt 1564, 27.3., eine Barbara, des Martin Mair Witwe zu Amendingen, ein Haus und Gütlein um 50 fl in Bestand, das vordem Leo Jud innegehabt, und zwar zu rechtem und ewigem Erblehen (Sti. 46.1) und nach Dr. M. S. 23 ein Jörg Stauber aus Eisenburg ein solches zu Schwaighausen um 43 fl, das vormals des Joß und dessen Tochtermann Salomo (Salma), der schon 1554 auftritt (Sti. 51.4). Auch 1580 wird von obengenanntem Gütlein zu Amendingen gelegentlich einer Neuvergebung durch die Brüder Reichlin (Sti. 46.1) noch bemerkt, daß es ehedem dem Leo Jud gehörte. – Inzwischen liegen nun schwere Klagen gegen der Juden Geschäftsgebaren und schwere Verschärfungen des Verkehrsverbots mit ihnen. Am 30. Juli 1571 erschien sogar der kaiserliche Notar Georg Neser von Leupolz, der Ratsherr Hans Remboldt Funckh, der Advokat Dr. Ulrich Wolffhart und der Stadtschreiber Lukas Möst auf eindringliche Klagen gegen die Amendinger Juden Jakob, gen. Oculi, sein Weib Magdalena, Salomon den Doktor samt Weib, des Hirsch Sohn Nüberlin, die fortgesetzt dem Verbot zum Trotz Geld auf Pfänder geliehen hatten, auf Schloß Eisenburg und reichten eine schriftliche Protestation gegen deren Wucherzinsen ein. Die Pfänder wurden auf Grund kaiserlichen Freiheitsbriefes als verwirkt erklärt, die Herrschaft sei verpflichtet, der Stadt behilflich zu sein, die jüdischen Freiheiten hätten keine Geltung usw. Wenn Herr Reichlin nicht für Herausgabe der Pfänder sorge, käme es zu einem Rechtsstreit, bei dem die Herrschaft zu 40 Mark Geld verurteilt werden könne. Reichlin behielt sich Bedenkzeit vor – und es kam wirklich zum Prozeß vor dem Kammergericht, vor welches Kaiser Karl am 1.7.1573 die Juden von Amendingen laden ließ und welches dieselben zu 12 Mark Geldes und Herausgabe der Pfänder verurteilte. Allein sie gaben dem Urteil „kein volg“, und bis es zu erneuter Verhandlung kam, trat – eine Hungersnot ein, mit „grausamer Hauptkrankheit“ und „Viehsterbent“, was die Leute noch mehr als gewöhnlich „hinter die Juden“ trieb. Die allgemeine Verschuldung veranlaßte den Magistrat zu genauen Erkundigungen über die Judenschuldner 1573, wobei sich ergab, daß 2 Schuster, 3 Schneider, 4 Gerber, je 6 Kramer und Metzger, 7 Merzler, 8 Schmiede, 47 Weber, und nur bei den Bäckern keiner, im Schuldbuch meist der Amendinger Juden stand. 16 hatten sich „schon mit den Juden vertragen“. Als [86] Gläubiger werden genannt der Oculi-Jud, unterhalb dem Wirtshaus, Doktor Salomon, Nieberlin, Viktor, Hirsch, Gumprecht, der alte Jud, der Jud im untern Haus, der lange Jud bei der Mühle, Magdalena. Viele kannten nicht einmal „ihren Juden“. 45 fl ist die Höchstschuld. Als Pfänder dienten alle denkbaren und undenkbaren Dinge, deren köstliche Aufzählung siehe Dr. M. S. 35. Infolge des sehr erschwerten Erwerbs müssen sich die Juden auch Geschäften zuwenden, die im Wort „ehrlich“ nicht inbegriffen sind, besonders auch der Hehlerei (s.a.a.O. S. 37), was natürlich hinwiederum ihre Lage nicht verbesserte und wohl dazu beitrug, daß Reichlin mehreren die Schutzbriefe entzog und selbe hiedurch zur Auswanderung veranlaßt wurden. Im Urbar von 1580 (Sti. 43.1) sind folgende Juden als in Eisenburger Herrschaft wohnend aufgezählt: Hierß, Jakob, Liebermann, Meyrlin, Salomon, Schloma, Doktor Salomon, die je 15 fl „Sitzgeld“ zu entrichten haben. Gütlein haben Hierß und Okuli-Jud. „Mehr gibt jedes Baar Ehevolk-Juden jährlich eine gemeste Gannß“. 1581 (Dr. M. S. 37) wird berichtet, daß Doktor Salomon und Mayrlin bis St. Jörgentag von Amendingen wegziehen müssen. Damit, sagt Dr. Miedel, war der Höhepunkt der Strenge überschritten. Das merken wir auch daran, daß trotz des Kaufes der Eisenburger Herrschaft durch die Stadt und damit erlangter Möglichkeit der Ausweisung auch späterhin noch Amendinger Juden genannt werden. Es sind jedenfalls nach Zell und anderen Orten nur jene unfreiwillig verzogen, denen der Boden in Amendingen unter der Herrschaft der Stadt zu heiß wurde. Im Urbar von 1601 aber ist in der Herrschaft Eisenburg kein Jude mehr aufgeführt. In der „Kaufs-Abred“ vom 13.11.1601 ist eigens bestimmt: Juden darf der Käufer (Neubronner) in die Herrschaft nicht mehr aufnehmen.


4. Der Kampf um die Hoheitsrechte in Eisenburger Herrschaft.

Im 1. Teil S. 14 u. 25.[6] u. ff. wiesen wir darauf hin, daß im gegenwärtigen Zeitabschnitte heftiger Kampf um die Hoheitsrechte in der Herrschaft entbrenne, und zwar hauptsächlich um das Jagdrecht und um die hohe Gerichtsbarkeit, beide Rechte durch Zerfall der alten Gaugrafschaft Marstetten strittig geworden, das eine gegen den bayerischen Herzogsnachbar, das andere gegen die ursprünglich kaiserliche Landvogtei, die in unserm Zeitraume längst zu einer österreichischen sich umgewandelt hat.

[87] a) der Kampf um das Jagdrecht und um das Booser Hart.

Im 16. Jahrhundert bildete, wie noch lange nachher, das Hauptvergnügen der Memminger Fischerei, Jagd und Lerchenfang. Besonders aber führte die Jagd zu manchen Händeln und Streitigkeiten mit den Angrenzern. So heißt es im Jahre 1520, daß sie ein Ärgernis war der Frau Stebenhaber von Eisenburg. So ist zu lesen bei U. 131. Abgesehen davon, daß Unold hier wie auch in seiner G. M. eine seiner vielen Verwirrung stiftenden Verwechslungen hat, da es statt Stebenhaber Elisabeth Besserer heißen sollte, ist die Tatsache richtig: Es gab viel Ärgernis der nächsten Nachbarn. Schon 1501 wehrte sich Frau Elisabeth gegen die große Zunft, die bis „am Eisenburg“ ihr Jagdgebiet ausdehnte. Und als ihr Schwiegersohn Berwanger 1527 sich die Gerichtsbarkeit auf dem Jagdgebiete anmaßte (Sti. 43.8) protestiert hiegegen vor dem kaiserlichen Notar Johannes Symon Hans Wißmiller und Jürg Triesch im Namen der Stadt, wobei am 1.1.1531 (Sta. 285.1) in dem von Symon dem Berwanger überreichten Instrumentum protestationis eigens darauf hingewiesen wird, daß allweg rings um Eisenburg, im Graben, an das Schloß hinangehetzt, gejagt und alles Weidwerk getrieben worden sei.

Solche und ähnliche „Irrungen“ wird es unter Jägern immer geben. Anders aber, wenn ein Großer in den Kirschenkorb langt, und wenn die Kirsche ein Gebiet ist wie das uns bekannte Booser Freihart! Da geht es nicht ohne Beulen. Und der Große ist Bayern.

Die Herzöge von Bayern hatten im östlichen Schwaben, d. i. also im heutigen bayerischen Kreis Schwaben, durch Erbschaft und Kauf eine derartige Macht an sich gebracht, daß sie sich schon einige Gewaltstreiche darin erlauben konnten. Sowohl Bayern-München, vertreten durch Albrecht IV. (1467–1508), als auch Bayern-Landshut, vertreten durch Ludwig IX. (1450–1479) und dessen Sohn und Nachfolger Georg (1479–1503) suchten sich hierin den Rang abzulaufen, soweit unser Gebiet in Frage kommt. Albrecht scheint sich begnügt zu haben, darin offene Häuser zu erringen, d. h. sich das Öffnungsrecht in einzelnen Burgen zu sichern, wonach es ihm erlaubt war, im Bedarfsfalle dieselben als Stütz- und Zufluchtspunkte zu benützen. Eine solche offene Burg ward ihm auch die Eisenburg. Das erregte nun das Mißfallen seiner Vetter von Landshut umsomehr, als es diese darauf abgesehen hatten, das Booser Hart, „in dem und auf dem Eisenburg lag“, als ihren Forst zu erklären, wonach niemanden mehr die Jagd darin zugestanden wäre. Zu einem solchen tiefeingreifenden Tun glaubten sie sich [88] deshalb berechtigt, weil ihnen der östliche Teil der ehemaligen Gaugrafschaft Marstetten zugefallen war (das Gebiet um Weißenhorn, woselbst sie auch sofort ein Landgericht errichteten und dasselbe nach Marstetten benannten). Gegen diese Beeinträchtigung alterworbener Rechte wehrten sich nicht bloß die „Pirsgenossen“ insgesamt, sondern in erster Linie die Herren von Eisenburg, denen gleichsam das Direktorium auf dem Booser Freihart zustand, das sich 2 Meilen um ihren Sitz erstreckte. Gegen die Eisenburger richtete sich deshalb auch der erste Vorstoß des Landshuters, der in dem zurückgesetzten Hans Spon und dessen Freund Heinrich von Baisweil willige Werkzeuge fand. Mit Recht ahnte man deshalb schon 1477 bei der ersten Erstürmung der Eisenburg den Bayernherzog als Anstifter (Schw. H.). Der in Abschrift in A. N. (Sammelband Regierung 3039) befindliche Thedigungsbrief der Stadt Ulm von 1477 gibt unzweifelhafte Auskunft. Darnach hat Eberhard Settelin gegen das Verbot des Pfalzgrafen Ludwig, Herzogs in Nieder- und Oberbayern, in dessen Forst und Wildbann „poßer hard“ Rotwild und „Reher“ zu jagen sich freventlich unterstanden, auch das Schloß Eysenburg, das in dem Landgericht Marstetten gelegen, ohne sein Gnaden Willen dem x Albrecht IV. von Bayern vor einer Anzahl Jahre widerrechtlich geöffnet, seine Gnaden (d. h. so schreibt die Stadt Ulm von Ludwig) nicht darin aufgenommen und also verachtet; darum dann seine Gnaden gegen ihn etwas ungnädig geworden sei und das Schloß in seine Gewalt gebracht habe. Ebenso habe Settelin wegen etlich Erbteils, so einem Hansen „Reuthers“, seiner Gnaden Diener, Kind von seinem Ahnherrn, dem alten Josen Seligen, zugefallen, unbillig gehandelt. Und so sei fürstliche Gnaden gegen die 3 Settelin spännig geworden, und untertänige Stadt Ulm habe sich nunmehr bemüht gütlich zu vergleichen und folgendes zustande gebracht:

1. soll Eberhard dem Ludwig zu Lehen machen sein Schloß etc.;
2. soll er demselben zu wichtigen Zeiten darin Öffnung geben;
3. soll Eberhard gegen Albrecht allen getreuen Fleiß ankehren, dessen „Öffnung“ abzustellen und den Brief hierüber herauszubringen;
4. soll dagegen Herzog Ludwig dem Eberhard das genannte Schloß mit Leuten, fahrender Habe usw. wieder herausgeben; Heinrich von Paulswill (Boßweil), der das Schloß an seiner Gnaden statt innegehabt, soll seinen Feinds- und Bewahrungsbrief ebenfalls wieder heraustun und dazu Hansen Settelins seinen Schwarzschimmel

[89]

und soll dessen Knechte ohne Entgelt der Gefangenschaft entlassen, ebenso Geld usw. wieder alles verabfolgen;
5. soll Eberhard nie mehr in bezeichnetem Forst jagen und hetzen ohne seiner Gnaden Wissen und Willen;
6. soll Eberhard bezw. die 3 Settelin in 3 Jahren des Hansen Ritters Kind 300 rh. Gulden geben und was Hans, Ritter, an seinem Heiratsgut noch fordern zu dürfen vermeint, das soll der Rat zu Ulm sprechen und beide Parteien sollen es anerkennen;
7. der Herzog selbst fordert für seinen Liebesdienst an Kosten und Handlungen 1300 fl usw.

Der Lehensbrief lautet (Sta. 17.17):

copia Lehensbrief um das Schloß Eisenburg sammt Zugehör,
copiavon Herzog Georg in Ober- und Niederbayern
copiadem Eberhart Setelin zu Eisenburg erteilt
copia ao 1481.

Wir usw. bekennen mit dem Briefe, daß wir unsern getreuen (!) Eberharten Setelin anhüt dato (von heute an) das Schloß Eisenburg mit samt dem Berg und die nachbenannten Stücken und Güter mit ihr allen und jeder Zugehörenden darzugehörig nemlich den Bauhof vom Schloß hindan auf dem Perg gelegen, den Jobs Vogler innhatt;

Item das Gut vor dem Schloß, das Hans Port, genannt Ordner, besitzt,

0em dd G0 unter dem Berg, darauf der Schneider sitzt,

0em dd G0 zunächst dabei, darauf die Bleuberin Wittib sitzt,

0em dd G0 darauf der Schmid zu Schwaigkhausen sitzt,

0em die Holzmarken, so zu dem Schloß und den obgenannten Gütern allen und insonder gehören,

sonderlich die Gericht, Zwing, Pennen vnd Obrigkeit zu Amendingen-Schwaighausen vnd mit den Zwingen, Pennen, Vogtey und Oberkeiten auf den Gütern zu Trunkelsberg zu Lehen verliehen haben, so von uns und unsern Erben zu Lehen gent, verleihen den auch die hiemit wissentlich, in Kraft des Briefs, was wir Im dann davon leihen sollen und mögen, doch uns und einem jeden an unsern und ihren Rechten unthedlich. Darauf uns auch der genannt Setelin mit Hand gebunden Treue gelobt hat, getreu und gewar zu sein, unsern Frumben zu fördern und Schaden zu wenden, auch andrer unser Lehen, wo er die verschwiegen erfahre, uns zu offenbaren und sonst in allen Sachen zu tun und sich zu halten wie er uns als seinem Lehenherrn pflichtig und schuldig ist, treulich ohn gefährde.
Mit Urkund des Briefs unter unserm anhangenden Sekrete. Geben zu Landshut am Montag nach Sankt Sebastianstag des Heil Martrer nach Christi unsers Lieben Herren Geburde vierzehenhundert und in dem ain und achtzigstem Jahr.

Wie man sieht, hat seine Gnaden ein gar mächtiges Sünden-Strafregister aufgerollt, um die Eisenburger klein zu kriegen und seinen Zweck zu erreichen. Aber auch sonst wandten die Bayern gar sonderbare Mittel an, um die Liebe und Achtung [90] für den neuen Herrn in diesem Gebiete zu erwerben. So meldet H. R. II. 60, daß im Jahre 1479 die Beisitzenden[7] des Landgerichts Maur-(Mar-)stetten in Weißenhorn gar arge Feinde des Klerus waren; Ludwig von Hasperg, Georg von Binswang, Ulrich von Hasperg, Wilhelm Fetzer und Johann von Aich. Letzterer, auch Hänslin von der Aich genannt, drang im letztgenannten Jahre gewaltsam im Pfarrhof zu Amendingen ein und mißhandelte den Pfarrer daselbst, P. Johann Funckelin, Kanonikus des Klosters Roth, tötlich (virilia abscidit), so daß der alte Herr am 8. Dezember d. J. unter größten Schmerzen seinen Geist aufgeben mußte, während der Mörder erst nach einigen Jahren im Kloster Kirchheim bei Nördlingen erstochen wurde. Derselbe Ludwig von Habsberg, Weißenhorner Pfleger des Landgerichts, mußte auch 1486 auf Befehl Georg des Reichen von Landshut in gewaltsamer Weise die Oberhoheit über Ottobeuren, wo die Bischöfe von Augsburg die volle Landeshoheit behaupteten, ergreifen (G. A. II. 69).

Als Eberhard wieder im Besitze seines Schloßes Eisenburg war, hat er sich anscheinend wenig um das Jagdverbot gekümmert. Er wurde hiebei von den übrigen Pirsgenossen unterstützt, die gegen den Bayernherzog, nunmehr Georg, die Hilfe des Kaisers anriefen. Der kaiserliche Majestätsbrief, betr. „die Stritt der Statt und deren Bundesgenossen mit Herzog Jörg von Bayern, datum Dinkelsbil Ao 1489, 16. Juny“ (G) untersagt u. a. dem Herzog das Recht des Verbots der freien Birsch, da „von altersher nie kein Forst sondern allweg freys Pürsch“ darauf gewesen sei. Herzog Georg habe dies abzustellen und nicht zu gebrauchen, bis ein Schiedsgericht, bestehend aus dem Bischof von Eichstädt und dem Grafen Eberhard dem Älteren von Württemberg die Sache untersucht habe, ob dem Herzog ein Rechtstitel zur Seite stehe.

Es sei hier zugleich auch vorgebracht, daß die Errichtung des Landgerichts zu Weißenhorn und die Anmaßung des Geleitsrechts zwischen Ulm – Memmingen, zu dessen Ausübung Herzog Jörg 1484 nach Amendingen und Gerlenhofen je einen Geleitsmann gesetzt hatte (Ki.), die anfangs zwar nicht beachtet, nach 2 Jahren aber allgemein gebraucht wurden, demselben Schiedsgericht zur Spruchfassung überwiesen wurden. Der Spruch selbst ist nun dem Bearbeiter nicht bekannt geworden, wohl aber ist dessen Wirkung allgemein ersichtlich. Die Birschgenossen erhielten 1502 (G.A. II. 125) „die kaiserliche Freiheit“ sich jährlich zu „Birschtagen“ zu versammeln und Beschlüsse zu fassen, die innerhalb des Gebietes öffentliche Rechtskraft besaßen. Auch vom Geleitrecht und dem Landgericht Marstetten

[T8]

Siegelabdruck der Handwerkerinnung Amendingen
(im Besitze des Schloßherrn).

[T9]

Urkunde der Lehensentlassung von 1504
(im Besitze des Schloßherrn).

[91] zu Weißenhorn ist in unserm Gebiet keine Rede mehr.

Ein Birschtag wurde sofort an Jakobi 1502 veranstaltet. Nach A. B. C. beteiligten sich daran: Eberhard Jungnauer[WS 3], Vogt von Schöneck, im Namen des Bischofs von Augsburg, die Äbte von Ottobeuren und Ochsenhausen, Georg von Rechberg auf Kronburg, Albrecht von Rechberg zu Aichhain, Hans von Rechberg zu Brandenburg, Adolf Freundsberg zu Mindelheim, Jörg und Veit Rechberg zu Staufeneck als Verwalter der Herrschaft Babenhausen, Bürgermeister und Rat der Stadt M., Jakob Edelstett zu Heimertingen, Joß Settelin, Vogt der Witwe Eberhards. Die Anstößer wollen allein nur „Hierz“, kein Wild oder Kalb und nur zwischen St. Gallen- und St. Andreastag, die Rehe zwischen St. Andreas und Fastnacht, und sonst keine andere Zeit im Jahre jagen. 1511 wird Stoffel Settelin und Joß als Vogt und Teilhaber an dem Birschtag genannt gelegentlich Aufstellung einer Jagdordnung.

So war nun durch kaiserliches Eingreifen in dieser Hinsicht der Friede gesichert. Nach des streitbaren Jörgen Tod tat Albrecht, nicht mit Unrecht der Weise genannt, der nunmehr Bayern wieder in einer Hand vereinigte, noch ein übriges und entließ im Jahre 1504 die Inhaberin von Eisenburg, Elisabeth Besserer, gegen 1300 fl der Lehenschaft und machte Eisenburg wieder zu dem, was es vorher gewesen, „ein frey adelich Rittergut“. In G. M. und[WS 4] Gr. Ber. sind einige Irrtümer enthalten. Aber der Lehensentlassungsbrief ist noch im Original und wunderschöner Erhaltung im Besitze des gegenwärtigen Schloßinhabers und beseitigt alle Zweifel:

(Außen: Wie Eisenburg wied auß Lehen vnd auß Öffnung entlassen ist. No. 10. 1504.)
Lehensentlassung 1504.
Von Gottes Gnaden Wir Albrecht etc. bekennen für uns und all unser Erben und Nachkommen und thun kund öffenlich mit dem Briefe: Als nach des Hochgeborenen Fürsten, unsres Vetters Herzog Jörgen .. Tod die Lehenschaft und Öffnung des Schloß Eisenburg bei M. gelegen, so Elisabeth Besserin weiland Eberharden Sätelins gelassenen Witib jetzt inhat, an uns als nächstgesippten Lebenserben gefallen ist, also haben wir auf der gemeldten Sätelin unterthänige Bitte, auch in Ansehung des genannten ihres Hauswirths seligen, unseres alten Dieners willig gehorsam Dienst das berührte Schloß Eisenburg von solcher Lehenschaft und Öffnung gar und gänzlich zu ewigen Zeiten gefreit, freien begeben und verziehen und des hiemit wissenlich in Kraft des Briefs, also daß die gemeldte Sätelin all ihr Erben und Nachkommen nunfüro ewiglich mit berührtem Schloß Eisenburg und allem dem, so von uns Lehen gewest ist, frei handeln, tun und lassen mögen wie mit anderem ihrem eigenen Gut ohn unser, all unser Erben und Nachkommen Einred und Widerspreche; Sie, ihr Erben, Nachkommen und Inhaber berührtem Schlosses sollen

[92]

auch, das nun füro von uns, unsern Erben und Nachkommen nicht zu Lehen zu nehmen und zu empfahen und darzu keine Öffnung darin mer schuldig sein in einer Weis und auf das soll der Brief und Verschreibung durch vorgenannten Eberhard Sätelin weiland dem Hochgebornen Fürsten unserm lieben Vetter Herzog Ludwig so löblicher Gedächtnis um vorberührte Lehenschaft und Öffnung gegeben, den wir noch nicht beihändig haben, unwertig, tot, ab und kraftlos sein, und die vorgenannten Sätelin ihr Erben und Nachkommen, Inhaber des Schloß Eisenburg nicht mehr binden in einig Weise, alles treulich ohn Gefährde, und des zu wahrer Urkund haben wir der vorgenannten Sätelin diesen brief mit unserem anhangenden Sekret Insiegel besiegelten geben am Freitag nach unser lieben Frauen tag Assumptionis des Jahres als man zählet … tausend fünfhundert und im vierten Jahr.

Das Booser Hart spielt noch lange als „freie Birsch um Memmingen“ eine Rolle. Übrigens ist wohl Baumanns Meinung von dessen geschichtlicher Entstehung irrig (s. 1. Teil dieser Geschichte); doch dürfte das hier Gesagte für unsere Zwecke genügen. Eine aktenmäßige Darlegung ist im Schwäbischen Erzähler und in den Memminger Geschichtsblättern von 1914 zu finden.


b) Der Kampf um die Hoheitsrechte
innerhalb des von diesem 2. Teil umfaßten Zeitraumes.

Das ist ein Stück schwäbischer Geschichte überhaupt. Und die heute noch nicht ganz geklärten schwäbischen Zustände machen es notwendig hier etwas weiter auszuholen. Die an und für sich wohlberechtigte Zuteilung des heutigen bayerischen Schwabens zu Bayern trägt einen großen Teil der Schuld, daß ein Durchschnittsschwabe überhaupt nichts von der Geschichte seines Stammes weiß und was beklagenswerter ist, daß der großzügigen Forschung, infolge der Ungeklärtheit der politischen Umstände der Hunderte kleiner Hoheitsgebiete, noch unübersteigliche Hindernisse im Weg liegen. Man betrachte sich Schröders Karte (Schr.)[8]! Ein Vogel Stieglitz, Thüringen an Buntheit weit überflügelnd. Dabei gibt diese Karte, infolge des dazu gewählten weiten Maßstabes des Hoheitsbegriffes sogar noch ein verhältnismäßig einfaches Bild. Wie konnte so was sich entwickeln? Daß Konradins Haupt in den Sand rollte. Mangels Nachkommenschaft erlosch die schwäbische Herzogswürde und das Heer der kleinen Großen und großen Kleinen wurde reichsunmittelbar, bezw. errang sich mit oder ohne Kampf diese Würde einer gewissen Unabhängigkeit. Freilich lag dem ersten habsburgischen Kaiser gar sehr am Herzen, in der Verwaltung die alten Herzogs-, in der Rechtsprechung die alten Gaugrafenrechte durch einen über das Schwabenland gesetzten Landvogt [93] dem Reiche zu erhalten bezw. zurückzuerobern. Aber was war diese beamtete Person gegen einen Herzog! Tatsächlich führte der Landvogt ein beschauliches Dasein, bis unter der schlafmützigen Majestät eines Friedrich III. ein gewaltiger Aufstrom niederer Schichten in höhere erfolgen konnte. Da glaubte auch die Landvogtei die Zeit als gekommen, noch zu retten, was möglich. Zeitlich fällt diese Periode zusammen mit dem Aussterben des alten Geschlechts der Isenburg, weshalb die plötzliche Rührsamkeit der Landvogtei gegen das eben neu geadelte Geschlecht der Settelin auf Eisenburg doppelt auffallend ist, aber auch fast selbstverständlich erscheint.

Noch ein drittes kam hinzu, die Landvogtei zu wecken: Sie, die bisher von den Kaisern meist verpfändet worden war, kam 1486 (U. B.) an das Haus Österreich und verblieb dort bis zu ihrer Auflösung 1806. Da Österreich selbst in Schwaben „Großgrundbesitzer“ war, hatte die Landvogtei von da an ein ganz anderes Gewicht, und noch mehr, wenn der jeweilige Kaiser aus Habsburgischem Stamme war, was ja von nun an meist die Regel bildete. Auch das Richteramt war längst von den Vogteigeschäften getrennt worden (1348), sodaß sich der Landvogt ganz den politischen Zu- und Umständen widmen konnte. Dem Landvogt unterstanden die sonst von den Wandlungen der Landvogtei unberührten kaiserlichen Gerichte, das Landgericht für Schwaben, das freie kaiserliche Landgericht „auf Leutkircher Heid und in der Gepirs“, das kaiserliche Hofgericht zu Rottweil – was die Ernennung der Personen betrifft. Ein Ableger des Leutkircher Landgerichts war das Landvogteigericht zu Tontenhofen, später Gebrazhofen, von welch letzterem wir noch hören werden, mit einem Gerichtsammann an der Spitze. Sitz des Oberamtes war Altdorf (später Weingarten genannt), während der Landvogt selbst meist in Ravensburg residierte. Malstätten des Landgerichts waren außer Leutkirch selbst, von wo aber der Sitz infolge Geleitbruches durch Leutkircher 1512 nach Isny verlegt wurde, Wangen, Ravensburg und Lindau, welch letztere im 16. Jahrhundert ebenfalls nach Altdorf bezw. Weingarten kam. Auch der Name änderte sich unter Karl V. in Landgericht Schwaben, dessen Zuständigkeitsgebiet bis hinunter an die Donau bei Scheer, über Illereichen hinüber an den Lech, hinauf ins Tannheimer Tal und über den Bregenzer Wald an den Bodensee reichte (nach U. B.).

Um sich in diesem gewaltigen Gebiet gegen den mitlaufenden Gerichtszwang des Landgerichts zu schützen, schufen sich die schwäbischen Kreisstände verschiedene Mittel: entweder schlossen [94] sie direkte Verträge mit dem Gericht selbst behufs Abgrenzung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, oder sie erwirkten vom Kaiser sog. Privilegia de non evocando, andere wieder taten sich zu Austrägelgerichten in Bündnisse zusammen mit aus Mitgliedern gewähltem Gericht zum Austrag (daher der Name) ihrer Sachen (so fanden wir schon den Georgenschild, den Schwäbischen Bund). Allein das Landgericht kümmerte sich nicht immer darum, behielt sich immer mehr Ehehaftfälle vor (Ehehaft = Band, Recht, Ordnung), die die Kaiser vielfach bestätigten. Und da letztere andererseits, um sich Anerkennung und Unterstützung zu verschaffen, mit Privilegien an die Stände geradezu um sich warfen, entstand in Schwaben eine ganz verzweifelt Lage, ein periodus fatalis, wie ihn Wegelin im Gr. B. treffend nennt. So mußten 1741 2 Reichsvikariatsbeschlüsse ergehen, welche nicht mehr und nicht weniger besagten, als daß die Stände dem Landgericht nicht mehr zu gehorchen hätten, solange dessen Übergriffe nicht aufhörten (nach U. B.). Ebenso erging es mit den Zuständigkeiten des Landvogts selbst – wir werden davon noch zu kosten bekommen.

Was nun die Hoheitsrechte selbst anlangt, so sind hier 2 Hauptgruppen zu unterscheiden, die wir nie aus den Augen verlieren dürfen: (nach G. A. und Schr.)

Grundhoheitsrechte wurden meist als selbstverständliches Annex (Anhängsel, Bestandteil) des Besitzes an Grundboden betrachtet und wurden deshalb, zugleich mit dessen Verkauf bezw. Kauf verbrieft und selten bestritten. Als wichtigste gelten Zivilgerichtsbarkeit und niedere Polizei: also Frevel in bürgerlichen Sachen, Fronhofgerechtsame und deren strafrechtliche Verfolgung, Zwing und bann, d. i. zu befehlen und zu verbieten, gerichtliche Urteile zu vollstrecken, die Ehehafte, worunter man die Taferne, die Badstube, die Backküche, die Schmiede, die Mühle, die Ziegelhütte, den Hirtenstab (d. i. das Recht der Anstellung des Gemeindehirten und die Aufsicht über die Gemeindeweide), das Pfandhaus, das bei keinem Dorfgericht fehlte; die Gerechtsame dazu verlieh der Inhaber meist auf Zins und die Belehnten waren gefreit, daß alle Untertanen nur bei ihnen ihren Bedarf decken bezw. befriedigen durften. Zum privaten Recht gehörten auch neben der Fronhofgerichtsbarkeit, worunter man die Verhältnisse zwischen Lehensherrn und Leibeigenen, die Streitigkeiten der im Bezirk ansässigen Glieder der Fronhofgenossenschaft unter einander um Erb und Eigen, und geringfügige Frevel inbegriff, die die Lehensherrlichkeit berührenden Sachen.

[95] Anders die Landeshoheit. Die sie berührenden Rechte, die ursprünglich überhaupt Kronrechte waren, sind insonderheit Waffen- und Steuerrecht (nach welchen beiden Schröder seine Karte entwarf, um in dem unentwirrbaren schwäbischen Rechts- und Hoheitsknäuel überhaupt einen giltigen Maßstab zu haben), Münzrecht, hohe Gerichtsbarkeit, Geleitrecht (Überwachung von Handel und Wandel, Beaufsichtigung der Straßen), Kirchenhoheit, Judenschutz u. ä. Diese gingen nicht ohne spezielle Begabung von der Reichshoheit an die niedern Gebietshoheiten über, und zwar jedes für sich je nach Verlautbarung.

Als deshalb 1806 das heilige römische Reich deutscher Nation in Trümmer ging, war die Territorialbildung noch nicht so weit fortgeschritten, daß jedes Hoheitsgebiet auch schon die volle Landeshoheit besaß. Und als die Landeshoheit im gesamten an den neuen Bayernstaat überging, mußten über jede „Herrschaft“ ganze Aktenbände angelegt werden, um deren Verhältnisse nur einigermaßen zu klären, wenigstens in ihrer geschichtlichen Entwicklung, womit beileibe nicht gesagt sein soll, daß sie hiedurch immer glashell geworden wären. – Von obgenannten hohen Rechten handelte es sich bei Übertragung solcher an kleinere Herren meist um die hohe Gerichtsbarkeit. Geleits- und Münzrecht kamen, ihrer Natur nach, kaum in Betracht. Kirchenhoheit und Judenschutz wurden in unserer Zeit schon als selbstverständliche Attribute des Grundherrn betrachtet; doch brachte die Reformation hier einigen Wandel, wie wir sehen werden, schärfere Anspannung durch den Größeren. Zur hohen Gerichtsbarkeit rechneten die 4 todeswürdigen Verbrechen (Wändel) des Mordes, des Raubes, des Brandes, der Notzucht, auch größere Diebstähle, Münzfälschung, Ketzerei, Sodomie, Urteil über persönliche Freiheit und freies Eigen (Blutbann, Wildbann). – Wie man sieht, war die Zuständigkeit oft schwer zu bestimmen. Der sonderbare Allgäuer Brauch, daß ein verziehender Untertan seinem bisherigen Grundherrn gerichtsbar und steuerpflichtig blieb, machte die Sache nicht durchsichtiger und leichter durchführbar. Doch behalf man sich hiegegen später durch gegenseitige Verträge. – Was dann das von Schröder als Wesenskonstitutivum der Landeshoheit deklarierte Steuer- und Waffenrecht betrifft, um überhaupt noch einen Maßstab für dieselbe zu besitzen, so schlossen sich die kleineren Hoheiten in sogenannten Ritterkantonen zusammen, die durch ihre Direktorien in Einhebung der Steuern und Aushebung der Mannschaften handelten.

Wie machte sich nun all dies am Ort?

[96] 1. Bezüglich des Steuer- und Waffenrechts wurde in der Herrschaft Eisenburg gemeinsam mit den übrigen reichsunmittelbaren Rittern (d. i. Freiherren, die im Reichstag weder Sitz noch Stimme hatten) vorgegangen. Diese Ritterschaft schloß sich gegen die gefahrdrohenden territorialen Tendenzen der Fürsten zum wirksamen Schutz ihrer Gerechtsame zum landschaftlichen Verband der Reichsritterschaft, Verband Schwaben, zusammen. Diese, die fränkische und die rheinische bildete je einen Kreis, welche 3 Kreise sich 1577 zum reichsritterschaftlichen[WS 5] Corpus vereinten. Am lebhaftesten pulsierte das Leben in den Kantonen. Eisenburg gehörte zum Kanton Donau. Jeder Kanton hatte eine Kanzlei mit einem Direktor, einem Archiv, und hielt Ritterkonvente ab. „Die einzelnen Mitglieder der Korporation … übten die volle Zivilgerichtsbarkeit und sehr häufig kraft kaiserlicher Belehnung die Kriminalhoheit über ihre Untertanen aus. Von Reichssteuern und Stellung von Militär war die Reichsritterschaft befreit; sie stand auch gänzlich und mit allen ihren unmittelbaren Gütern außerhalb des Reichskreisverbandes. Früher hatten die Ritter persönlich dem Kaiser Heeresfolge geleistet, nachmals entrichteten sie an den Kaiser Chariativsubsidien, die des Kaisers größte Einnahme aus dem Reich bildeten“ (Schr.). – Nun ist in einem Promemoria des Sta. 17.17 bemerkt, daß die Herren von Eisenburg 1413 sich an die freie Reichsritterschaft in Schwaben angeschlossen hätten – womit aber nur der Georgenschild gemeint sein kann. Denn die Ritterkantone bildeten sich erst um 1560 (G. A. 304 III). Eisenburg gehörte seit 1563 hinzu und verblieb darin bis zur Übernahme der Landeshoheit in Schwaben durch Bayern 1805 am 31. 12. Die zum Kaiser gehenden Chariativsubsidien wurden von den Kantonen direkt von den ritterschaftlichen Untertanen erhoben, weshalb nach Art der Urbarien Verzeichnisse bis ins einzelnste Grundstück und seiner Gült angelegt wurden. Eine solche Aufnahme ist in A. M. vorhanden, aber ohne Tag. Jedenfalls stammt sie aus der Zeit unmittelbar nach dem dreißigjährigen Krieg, wo das zerstörte Schloß 1653 zum dritten Mal wieder erbaut worden war, da es in der betreffenden Matrikel heißt: „Ein adenlicher freier siz Vnd von niemand lehen und hat Kai. freiheit für Todschleger, andrer freiheit fehig … Sonst ist Schloß Eysenburg zum merere thail von newem erbauen sambt dem Pauhoff als Hauß, stadl, stallung, zwaien Pfisterin, Kronschüttinen, Hew- und Stroleginen“ usw. Der Gesamtansatz betrug 16000 fl, Amendingen 10952 fl, Schwaighausen 8792 fl, gesamte Herrschaft aber 65963 fl (also ungefähr dem Verkaufspreis [97] von 1580 entsprechend). – In dem Beschrieb zur Hoheitsübernahme durch Bayern von 1805 (A. N.) werden seine gegen Türkenhilfe zu leistenden Dienste nur noch mit 32000 fl bewertet. Es hatte nämlich nach Übernahme des Gutes durch die Stadt, nachdem Kaiser Rudolf am 9. 2. 1598 eine scharfe Mahnung zur endlichen Besteuerung nach der reichsritterschaftlichen Matrikel hatte ergehen lassen, am 1./11. März 1599 (die Gregorianische Zeitrechnung nahm die Stadt erst 1700 an) ein Vergleich zwischen Stadt- und Ritterschaftlichen Viertel an der Donau stattgefunden dahin zielend, daß erstere nur dann beizusteuern habe, wenn die Ritterschaft gegen den Erbfeind zieht und daß das Gut Eisenburg aller ritterschaftlichen Gnaden und Freiheiten sich zu erfreuen haben solle. (Sta. 50.10.)


2. Münz- und Geleitrecht kamen nicht in Betracht. Der Judenschutz ward anscheinend still zugestanden.

3. Dagegen bildete die hohe Gerichtsbarkeit das eigentliche Kampfobjekt.

G. A. II. 121 sagt, daß die hohe Jurisdiktion über Eisenburg um 1450 an die vorderösterreichische Landvogtei gekommen sei, welche sofort (nach Zerfall der Grafschaft Marstetten) ihr Amt „um Münchsroth und Memmingen“ gebildet habe. Es ist dieser vom ersten bis zum letzten Wort irrige Satz dem Gr. B. entnommen. Denn fürs erste gab es damals noch keine solche Landvogtei, sondern eine kaiserliche, und dann hatte Eisenburg auf alle Fälle nie die hohe Jurisdiktion besessen, weshalb sie auch nicht an das Landgericht Memmingen (wie es richtig heißen soll), das einige Zeit bestand und dann einging, übergehen konnte. Gr. B. führt weiter aus, daß Eisenburg allzeit ein freies adeliges Rittergut, eine ansehnliche Dynastia imperii gewesen sei und daß sie mit allen Gerichten, Zwingen, Bännen und aller Obrigkeit von den Herzögen zu Bayern zu Lehen rühre, im Jahre 1504 aber der Lehenschaft entlassen worden sei. Darum sei es auch gewiß, daß die Landvögte niemals darin, solange die Herrschaft von ihren Dynasten und Rittern besessen worden sei, weder die niedere noch die hohe Jurisdiktion noch irgend eine Obrigkeit ausgeübt hätten. Was die vorübergehende bayerische Lehenschaft berührt, so haben wir diesen Irrtum, der auch in G. M. übergegangen ist, bereits richtig gestellt. Das andere nun, daß die Landvögte nie in Eisenburg eine Obrigkeit ausgeübt hätten, ist ja an und für sich insofern richtig, als wir nie davon hören. Sollte ein schwerer Fall vorgekommen sein, so wird ihn Memmingen abgeurteilt haben, wie wir ja sahen, daß die Herren von Isenburg selbst vor Memmingen zu Recht kamen. Denn sie besaßen die hohe Jura nicht. Sie mußte erst erworben werden!

[98] Die Angelegenheit brachte der Berwanger in Fluß. Derselbe erlaubte sich 1496 (Sti. 43.4) seine Untertanen für alle Frevel zu strafen, seien sie Christen oder Juden, und zwar bis zu 30 Pfd. Heller, was ihm im gleichen Jahre die Landvogtei verbietet, da er keine hohe Gerichtsbarkeit habe. Über diese Frage entspinnt sich nun ein fast ununterbrochener Schriftwechsel bis zum Jahre 1570, den wir also nur auszugsweise und nur in seinen Knotenpunkten in diesem Rahmen wiedergeben können. Die „Inhabere“ von Eisenburg betonen darin immerfort, daß die hohe Jura je und allezeit in der Herrschaft ausgeübt worden sei, besonders seit 1504 (s. v. zum Gr. B.), daß Eisenburg dazu im Booser Freihart liege, worin ein Landvogt überhaupt nie etwas zu sagen gehabt habe. In einer Beschwernis an den Kaiser von 1544, dessen Ursachen im Verlaufe noch vorgetragen werden, bringt zwar Christoph einige Beispiele, die allerdings recht zweifelhafter Natur sind: So sei vor 40 und mehr Jahren (also um 1500) ein Konrad Kleber, der des Schnegenmayrle zu Schwaighausen Haus und Stadel verbrannt habe, nach Memmingen gebracht und dort auf sein Bekenntnis hin mit dem Feuer gerichtet worden. Auch sei im Jahre 12 (= 1512) ein Christoph Feiglin, der denen von Memmingen auf dem Steuerhaus oder Kammergut gestohlen, in das Schloß Eisenburg gebracht, von den Inhabern verurteilt und dann in das nächste Halsgericht nach Memmingen zum Vollzuge des Urteils geführt worden. Doch hatte das einen Haken und geschah nicht ganz freiwillig. Denn in mehrberührter Registratura lag ein Brief verzeichnet, Nr. 7, vidinirte (beglaubigte) Abschrift „wailand Kayser Maximilian als Erst außgegangene Poenal mandats wider die Inhaber Eisenburg, dar Inne Inen bei zeen Marck lötigs golds befolchen, den Ch. Feiglin gewessener Meminger Steür Einnemer Einem Erbaren Rhat daselbsten zur gebürend straff zu antworten oder wo er pünktlich nicht geantwort mögen Ine die von Memmingen der Freyung vngehindert drauß mit gewalt selber nemmen, gefancklich In die Statt füren vnd nach art der Rechten straffen“. Also diese Beispiele wirken nicht besonders überzeugend vom Bestand der Eisenburger hohen Jura. – Am 9.12.1521 (Sti. 43.8) läßt der Berwanger sämtliche Hintersassen und Gerichtsangehörige der Herrschaft schwören und bestätigen, daß sie zwar vieler Todschläg gedenken, so in dieser Herrschaft geschehen, aber nie gesehen und gehört hätten, daß ein Landvogt etwas Gerechtigkeit in ihren Zwingen und Bännen gebraucht oder sich unterfangen hätte, daselbst einige Frevel zu strafen und zu büßen. (Wiederholt 1527.) Aber der Berwanger wird überall abgeschlagen. Inzwischen stirbt [99] er und Christoph kommt ans Steuerruder. Da scheint nun ein schwerer Fall in Fellheim vorgekommen zu sein. Elisabeth Besserer läßt ihn in einem Schreiben an den Rat 1541 (Sti. 17.3) des näheren ausführen. Die Hauptsache ist: In Fellheim habe sich ein verruchter bäurischer Aufruhr zugetragen. (Bauernkrieg.) Ein Michel Vischer habe sich der Huldigung durch Wegzug entschlagen und sei nachher ohne ihr Wissen wieder dorthin gezogen und habe sich dort eine neue Behausung erbaut. Sie habe ihn gefänglich einziehen lassen. Auf ihn fiel der Argwohn der Brandstiftung dortselbst, welchen er sich durch verschiedene Reden zugezogen habe, so durch die (4.): Wenn es zu Fellheim aufhöre zu brennen, so werde es in Pleß anheben, was auch geschah. Als es ihm ihr Tochtermann, der Jungnauer, in den Turm sagen ließ, habe er erwidert, er hätte vermeint, es solle das Feuer nicht in Endres, des alten Wirts Sohn Haus, sondern in Hansen Ruffen Haus aufgehen – was wiederum bald geschah. Als dieser Vischer im Turm zu Eisenburg lag, habe er sich krank gestellt und der Beichte und des Sakraments begehrt. Als er aber daselbst eine kleine Steinbüchse gefunden, habe er sofort anfangen aufzugraben – und nachher alles geleugnet und „sich mancherlei Augenschalkheit über die Massen angenommen“. Auch in Weilbach habe er dem Betzfried Spiegel 2 Städel verbrennt usw. usw. Aber die Hauptsache: Die alte Frau möchte haben, die Weisen vom Rat möchten darnach trachten, daß die Eisenburgischen Malefikanten wie bisher in Memmingen abgehandelt werden. Es sei denen von Eisenburg schon geraten worden, selbst ein Hochgericht zu erlangen. Dadurch würden aber die täglichen Spänn und Irrungen zwischen Memmingen und Eisenburg noch vermehrt, was sie verhindern wolle. Und nun kritzelt sie selbst, kaum leserlich, unten an den Rand des Schriftstücks: „Dise Copia ist übergeben im Rat Montag nach Bartholomä a. XLI. sol man aufheben vnd wan künftig Inhab Eyssenburg wellen hochgerichtliche oberkeit aufrichten, damit wid abtreiben In anzeigung dassy keine hochgericht nit haben. Dise Copie aufheb“. Allein diese Fürsorge war für Christoph nicht maßgebend. Er erlangt von Kaiser Karl V. den in der Registratura folgendermaßen aufgezählten Brief: Nr. 8. Ain Freyheit yber den Bluetpann zur Ysenburg vnd Galgen vf zurichten, auch ain Mühlin zu bawen etc. vßgebracht zue Speyr am 15. tag May anno 1544 (Sti. 43.8). Damit war endlich das lange, heißbegehrte Sehnen der Settelin gestillt: als kaiserliches Lehen das Recht, ein Hals- und Hochgericht, Stock[9] und Galgen aufzurichten [100] und zu halten und den Bann über das Blut zu richten (auch eine neue Mühle zu Amendingen auf des Schlosses Grund und Boden zu bauen). – Doch das Unheil schreitet schnell!

Nicht lange konnte sich Christoph Sättelin dieses schwer errungenen Sieges über Verwandtschaft, Stadt und Landvogtei erfreuen. In einer Nacht des gleichen Jahres fielen die Landvögtischen (nach U.) in 5 Memminger Orte ein, nahmen in jedem 1 oder 2 Personen gefangen mit fort und hieben dann das neue Hochgericht zu Eisenburg (nach dem Volksmund auf dem schönbewaldeten Hügel südlich der Ortschaft, Eichenrain, aber auch Galgenholz benannt) um. Die erstere Angelegenheit gegen Memmingen wurde in Kempten kommissionell verhandelt. Sie war aus Irrungen wegen der Grenze entstanden. Die Abgeordneten behaupteten, daß die Iller die Grenze zwischen ihrem Gebiet und der kaiserlichen Landvogtei bilde und daß Memmingen als ganz reichsunmittelbar (den Blutbann hatte es nach G. B. 1438 als kaiserliches Privilegium erhalten) mit der Landvogtei in keiner Hinsicht mehr zu schaffen habe. „Es blieb aber alles beim alten“ sagt der Chronist. Die Angelegenheit des Eisenburgers aber gab zu zwei Beschwerden Anlaß. Fürs erste war Christoph erzürnt, daß ihm in jener unseligen Nacht die Stadt nicht beigesprungen sei, obwohl er ihr Bürger war und Sturm schlagen ließ, „so sindt doch niemand zugeloffen.“ Ward ihm die Antwort (nach F. v. S. in G., anscheinend nach Ratsprotokollen): „Weilen er einem erbaren ratt, da er den Galgen vfrichten wollen, solchs nit antzaigt und uff solchs des Landvogtz einfall ainen erbaren ratt und iem dadurch zu nachthail raichen möcht, so khind im ain rat darinnen nit raten anders, daß er den Galgen gleich allso sein und fürder bleiben laß; soll sonst bei den Nachparn beschehen, daß wo Sturmb angeschlagen, daß sie nie mög die geschworne ainung auf Sturmb anschlagen und zu lauffen.“ Die Stadt war auf solche hochgerichtliche Konkurrenz nie gut zu sprechen, wie ein Vorfall in Fellheim beweist, wonach R. v. M. B. der Fellheimer Herr Philipp Bernhard, dem die Schweden im 30jährigen Kriege ebenfalls das Hochgericht zerstört hatten, 1654 den Rat freundnachbarlich ersucht, ihm Zimmerleute zu schicken. Er wurde aber abgewiesen mit dem Bescheid, daß es nicht Herkommens sei, daß deswegen Meister und Gesellen auf das Land hinausgeschickt würden solche Arbeit zu verrichten.

Christoph Sättelin aber gab am 20.4.1545 (der erwähnte Beschluß gegen sein Ersuchen und seine Anklage war am 13. ds. [101] gefaßt worden) wegen sotaner Unfreundlichkeit sein Bürgerrecht in der Stadt auf.

Gegen das böswillige Unterfangen der Landvögtischen wendete er sich beschwerdeführend zuerst an den Landvogt Jakob von Landau, Kaiserlicher Rat zu Nellenburg, der ihm wenigstens noch freundschaftlich gestimmt war und ihn unter der Anrede „Lieber Freund Stoffel“ am 29.1.1550 benachrichtigt (Sti. 43.8), daß er gehört habe, wie er (Christoph) vor der Kommission (jedenfalls in Kempten) so weitschweifig gewesen sei, daß aber das Landgericht nicht bloß bis an die Iller, sondern bis in die Herrschaft Mindelheim reiche, daß übrigens zwischen Landgericht und Landvogtei ein Unterschied sei. Christoph solle sich in seinen weiteren Beschwerden vor Weitschweifigkeit wohl hüten und sich allein auf drei Artikel versteifen, die ihm allein dienlich seien: daß er im Booser Hart liege, worin kein Landvogt zu richten und zu strafen habe, daß der Gebrauch der hohen Obrigkeit für ihn spreche (je mehr solcher Fälle er wisse, desto besser sei es für ihn) und daß Eisenburg von je ein freier Edelmannssitz gewesen sei. – So bewappnet geht Christoph nun an den Kaiser. Doch sind seine schon angeführten Fälle krimineller Gerichtsbarkeit nicht gar zu sehr überzeugender Natur – und der Kaiser sagt nichts. Christoph stirbt 1553. Der Schwiegersohn Reichlin führt, was dem „alt verlebt Mann“ (wie sich Christoph im letzten Schreiben selbst nannte) nicht gegeben war, die Angelegenheit an die richtige Adresse: Der Landvogt von Schwaben hatte längst die Fühlung mit dem Kaiser verloren und war österreichisch geworden, seine nächsthöhere Instanz die Kanzlei der vorderösterreichischen Lande in Innsbruck. Reichlin richtet sich dorthin in einem mächtigen Schreiben vom 7.10.1556: Die Landvogtei habe sich immer darauf berufen, daß der Herrschaft Eisenburg jeglicher Titel zur Ausübung des Blutbanns mangle, daß sogar einer des Geschlechts selbst vor den Landvogt Johann Jakob Landau zu Landau und Waal wegen eines Totschlags Recht gesucht und demselben eine Silberschale verehrt habe (gemeint ist jedenfalls Jos der Totschläger von 1517). Da müsse er doch daran erinnern, daß ja dieser Settelin garnicht Inhaber des Schlosses gewesen sei, sondern eine alte Frau, die Witwe Eberhards, daß auch diese Schale nicht wegen des Totschlags, der durch Vermittlung abgewandelt, sondern anderer Sachen wegen geschenkt worden sei. Man möge nur den damaligen Landvogt darüber vernehmen! Es solle überhaupt nachgewiesen werden, ob der Landvogt mehr Fälle in Herrschaft Eisenburg gebüßt und gestraft habe. Er bitte um eine unparteiische Kommission. [102] Hiegegen protestiert wieder der nunmehrige Landvogt Baron Ilsung. Er sei verpflichtet, die Rechte seiner Durchlaucht des Erzherzogs ungeschmälert zu erhalten; ihm (dem Reichlin) stehe gar kein Recht malefizischer Obrigkeit und kein Titel derselben zur Seite. Eisenburg sei nie als eine Herrschaft gehalten worden. (1568 Sti. 43.7) Nach langem hin und her tritt endlich eine Kommission zusammen, bestehend aus Georg von Freundsberg, Freiherr zu Mindelheim, Herr zu St. Petersberg und Störtzing und Hans Christoph Fehlin von Frickenhausen zu Illertissen als Kommissarien des Erzherzogs Ferdinand von Österreich zur Beilegung der „Irrung“ zwischen der Landvogtei Schwaben und Sebastian Reichlin von Meldegg zu Eisenburg wegen der hohen Ober-Herrlichkeit in dem Schloß Eisenburg und den dazugehörigen Flecken. Genannte Kommission verträgt die beiden Parteien dahin: Die hohe Ober-Herrlichkeit zu Amendingen und Schwaighausen soll der Landvogtei allein zustehen, dagegen sollen die Inhaber des Schlosses Eisenburg die hohe wie auch die niedere Obrigkeit im Schlosse Eisenburg und den darzu gehörigen Weilern zu Trunkelsberg und Auf dem Wald (Unterhart), zu Amendingen und Schwaighausen nur die niedere (Strafe bis zu 20 Pfd. fl) haben. Das war am – 4. April 1570 (Sti. 43.8). Und so viel denn auch der Vertrag vom 12. September 1570 d. d. Innsbruck aus, d. h. es war einfach eine Kundgebung jenes Erzherzogs an Sebastian Reichlin, in welcher Erzherzog Ferdinand sich die hohe Obrigkeit in Amendingen und Schwaighausen vorbehielt, den Inhabern von Eisenburg solche nur im Schloß, dessen Vorhof, dem Weiler, dann den zwei Höfen zu Trunkelsberg und den drei Sölden auf dem Wald zugab, ebenso die niederen Gerichte daselbst, die nie strittig gewesen seien; auch soll Eisenburg als freiadeliger Sitz anerkannt werden; schließlich soll den Inhabern Eisenburgs auch die niedern Gerichte zu Amendingen und Schwaighausen zugestanden werden, aber nur für jene Fälle, die nicht höher als mit 20 Pfd. Pfennig Strafe bewertet werden. Weil sich aber aus diesem „Particul“ Mißverständnisse ergeben können, ist verabredet, daß in solchen Fällen jeder Teil zwei unparteiische Personen setze, und können sie sich nicht vereinigen, sollen sie einen Obmann zuziehen. – Da in diesem Vertrag der Reichlinsche Ort Fellheim nicht einbezogen war, so gab es hiewegen erneute Anstöße, die in ähnlicher Weise beigelegt wurden.

Daß dieser Ausgang der Angelegenheit – „der so lange kreisende Berg gebar ein Mäuslein“ – das Herrengeschlecht auf Eisenburg nicht befriedigte, braucht wohl kaum in Erwähnung gebracht zu werden, besonders da in der erzherzoglichen [103] Kundgebung auch vermerkt war, daß Sebastian in niedergerichtlichen Fällen ebenfalls nicht höher als bis 20 Pfd. Pfennige zu strafen befugt sei. Das hin und her begann wieder von neuem. Auch die Landvogtei fühlte sich unbefriedigt. So liegt vom Landvogteiverwalter Paul von Apperzhofen in Sti. 43.8 ein Bericht über den Zustand der Herrschaft Eisenburg vor, der in mehr als einer Hinsicht gewürdigt zu werden verdient. Darin heißt es u. a.: Eisenburg sei nie eine Herrschaft gewesen; es seien weder Herrlichkeiten noch Titel da. Die Inhaber waren immer Memminger Bürger, das sei unwiedersprochen geblieben bis der Berwanger kam. Er und Nachfolger hätten gemeint, aus einem Brief von einem, den sie Herr Heinrich von Eisenburg nennen, hohe Obrigkeit erzwingen zu können. In diesem Brief stehe aber nichts davon, und was darin, sei alles dem niederen Gerichtszwang anhängig. Und wenn der Brief jetzt so gedeutet würde, so sei das unkräftig, wasmassen zwei Parteien der dritten an gebührender Gerechtigkeit ohne derselben Vorwissen nichts zu vergeben haben. Auch die zwei Untertanen-Eidesleistungen zu Amendingen vom 9.12.1521 und 1.7.1527 seien[WS 6] parteiisch und darum ungiltig. Es sei männiglich bekannt, daß Landvogt in Eisenburg immerfort malefizisch gehandelt und solche Malefikanten gefänglich nach Altdorf geführt habe. Der Landvogteiverwalter macht sogar den Eisenburgern den Vorwurf, der kaiserliche Brief betr. Blutbann von 1544 sei erschlichen, weil sie vorgegeben hätten, das Hochgericht sei niemanden nachteilig. Und da im Brief stehe, die Belehnung sei andern Rechten unvorgreiflich, so habe Landvogt Hans Wilhelm von Laubenberg mit Recht dasselbe umhauen lassen. Landvogt habe auch hohe Obrigkeit nicht allein bis ans Booser Hart, sondern auch unterhalb Eisenburg zu Ungerhausen und darüber inner 10 Jahren, seit er Verwalter sei, unwidersprochen. Die Einfälle der Landvogtei seien immer, wie sichs gebührt, öffentlich geschehen (!). Daß schließlich im kommissionellen Bericht über Fellheim nichts geschrieben worden, habe seinen Grund darin, weil dieses Dorf nicht zu Eisenburg (d. i. dem Herrschaftsbezirk), sondern sonst dem Reichlin zugehörig sei. Hier habe Landvogtei unwidersprechlich Hochgerichtsbarkeit, darüber hinaus, auch herein und darneben, und obgleich das Dorf ganz oder zum Teil dem Stift Kempten eigentümlich und die Reichlin damit belehnt worden seien.

Noch 1572, am 18.7., tut Ferdinand dem Sebastian gnädigst kund und zu wissen, daß, wenn letzterer der hohen Obrigkeit halber wider Baron Ilsung um eine unparteiische Kommission zu rechtlichem Austrag der Sachen den Erzherzog ersuchen [104] wolle, er ihm eine solche verordnen wolle. – Inzwischen stirbt wieder einer, und der Erbe, wohl längst der unendlichen, nahezu ein Jahrhundert währenden Stritt um vermeintlich angestammte Rechte müde, verkauft das Schloß an die Stadt. Dieser war die Landvogtei an und für sich nicht grün. In Scho.[10] H. findet sich der merkwürdige Satz: „Die Landvogtey hatte auf solche ein Aug (d. h. auf die Herrschaft Eisenburg, die sie ebenfalls hatte erwerben wollen, womit aber Memmingen unter schweren Druck gekommen wäre, besonders seine Landschaft) und da Sie nicht reussiren konnte, wurde der Stadt undigne Tort (unwürdige Quälerei) angetan“. Hiezu hatten die Landvögte jedenfalls genügend Zeit zur Verfügung, und wir werden von derartigen Torturen noch hören. Die Stadt „forcht sich nit“. Es standen ihr auch andere Mittel zu Gebote als den Herren von Eisenburg, und so trieb sie denn die Angelegenheit soweit, als es unter den damaligen Umständen möglich war. So erblickte denn der wichtige Vertrag von 1586 das Licht der Welt.

Der Ruhm, ihn nach Tunlichkeit zustande gebracht zu haben, gebührt nach Fam.-Ch. „Gall Hager, berühmten Icto (Iurisconsulto) und Erzherzoglichen Regiments-Rath zu Ynsprugg“, der zum Lohne dafür Katharina Stebenhaberin zur Lebensgenossin erhält. Er hatte schon die „Strittigkeiten“ Sebastians, dann Eberhards, schließlich jene der Stadt gegen Baron Ilsung, dann den landvögtischen Beamten in Weingarten „auf sich gehabt“ und endlich 1585 den Vertrag getroffen. Dieser selbst, gegeben zu „Innsprugg“ den 6. November 1586, lautet in der Hauptsache: Weiland seine (Erzherzog Ferdinands) Voreltern hätten des Heiligen Römischen Reichs Landvogtei in Ober- und Niederschwaben mit allen Gewaltsamen an sich gebracht und in kraft dieser Inhabung ihre verordneten Landvögte die hochgerichtliche Oberkeit in Schloß Eisenburg und den dazugehörigen Dörfern, Weilern und Einöden gebraucht. Hiegegen habe sich nun Bürgermeister und Rat der Stadt beschwert, wie ehebevor schon Sebastian Reichlin und dessen Erben, wodurch mit den Landvögten Streitigkeiten erwachsen seien. Um nun weitere Mühen, Kosten und Schäden zu verhüten, bewilligt Ferdinand in Gnaden denen von Memmingen gütlich und willig, auch ihren Nachfolger-Inhabern von Eisenburg, daß selbe so lang berührte Landvogtei in der Erzherzoge von Österreich Händen bleibt, alle und jede hohe Obrigkeit samt derselben anhängigen Bußen und Strafen in gedachtem Schloß Eisenburg, auch desselbigen Vorhof und Berg, desgleich um den Berg gelegenen [105] Häusern, und um dieselbigen in dem Bezirk herum, wie der mit 12 unterschiedlichen Steinen verabmarkt worden ist, sodann auch in den Dörfern Amendingen und Schwaighausen und dem Weiler „Drunkelsberg“, innerhalb der Ettern, wie solche samt ihren eingefangenen und umzäunten Gärten und Ehehaftsteinen, benanntes Amendingen mit samt der Sägmühle mit 9, Schwaighausen mit 23 und Trunkelsberg mit 12 Steinen ummarkt worden ist (welche Marksteine künftighin durch unsern Landvogt und die von Memmingen jedesmalen ersetzt und erneuert werden müssen) – haben, nießen, sich derselben ruhig freuen und gebrauchen sollen und mögen. Einige kleine Ausnahmefälle in diesem im ganzen nach Sachlage sehr günstigen Vertrag lassen sich natürlich nicht vermeiden. Einen Hauptpunkt müssen wir für das folgende Kapitel aufbewahren. Sonst wäre noch zu erwähnen, daß die Inhaber von Eisenburg nirgends an obberührten Orten als allein beim Schloß Eisenburg und in dessen abgemarkten Bezirk hochgerichtliche Zeichen errichten dürfen. Auch hatte Memmingen für diese Bewilligung und „Nachgebung“ jährlich der Landvogtei am St. Martinstag 100 fl in Münz, jeden Gulden zu 15 Batzen oder 60 Kreuzer zu bezahlen. (A.B., Sti. 43, G.A. III. 269, A.T.)

Zur Bestreitung der jedenfalls bedeutenden Kosten schrieb Memmingen 1589 eine Vermögenssteuer von 2 fl vom Hundert aus, die sowohl von Christen als Juden als „Anlage“ zu entrichten war. (U., Scho.[11]H.) Schon nach dem Vertrag selbst (1586) hatte die Stadt an ihre lieben Untertanen kundgemacht (Sti. 43.10), wie schön sie es nun hätten, wie sie von der vorgängigen höchsten Gefahr, in der sie wegen der Streifereien der Landvogtei stets geschwebt, befreit seien, wie das alles aber auch unendlich Müh und Arbeit und hohe Kosten verursacht habe, zu denen sie nun füglich beisteuern müßten. Und so sei es nun der ernstliche Befehl des Rats, daß jeder Untertan und Hintersasse bei seinem Eid treulich anzeige, was sein Vermögen, liegends und fahrends, an Vieh, Roß, Geschiff, Geschirr, Barschaft, Hausrat, Korn, Getreid, Samen auf dem Feld und gemeinlich allem andern Beweglichen und Unbeweglichen. –

Damit war vorerst Ruhe eingekehrt. Die Vermarkung ist in Sti. 43.8 für Eisenburg wie folgt:

Die 12 Marken hoher Obrigkeit um Eisenburg sind:
No. 01 auf dem Weiherwuhr im Tobel hinter und unter dem Schloß
No. 02 von hier am Tobel-Rain hinauf an der Wiese am Holz
No. 03 folgend oberhalb des Tobelbrunnens am Eck bei Hans Veiters Garten

[106]

No. 04 von da hinter dem alten Ziegelofen am Eichholz hinter dem Bauofen (Bauhofer?)
No. 05 bei einer Mergelgrub
No. 06 folgend mitten auf dem Vogtmahd bei einer Birkenstauden
No. 07 demnach den Zaun oder herum bis zum untersten Eck an Hans Nägelins Garten
No. 08 folgend am Zaun oder zu unterst am Eck Michael Wucherers Garten
No. 09 von da herüber am Eck bei Jakob Gaugers Garten
No. 10 herum bis an dem Eck bei des Jägers Garten
No. 11 von da herüber bis an das End da Hansen Zuckterigels Garten aufhört gleich bei
No. 11 dem Weg so vom Grünenfurt gen Eisenburg geht
No. 12 folgend herüber an die Burghalden auf Jakob Schneiders Acker auf der Höhe.
No. 11 Von solchem zeigt er wiederum hinüber durch die Burghalde bis zu obbesagten
No. 11 ersten Mark im Tobel auf dem Weiherwuhr.

Ein Landvogtei-Ammann hatte die vogteilichen Rechte wahrzunehmen. Nach der Instruktion desselben von 1651 (Sti. 44.2) waren im untern Amt um Münchrot und Memmingen betr. hochgerichtlicher Obrigkeit zur Landvogtei zuständig (welcher Bezirk von der Rot bis an die Iller und von dieser bis an die Günz reichte): Dorf Niederzell, Weiler Weitenbühl, Kloster und Dorf Gutenzell, Schloß und Dorf Beuren, Weiler Deisenhausen, Weiler Haßberg, Dorf Egelsee, Zollhaus an der Illerbrück, Kloster und Dorf Buxheim, Weiler Westerhart, Schloß und Dorf Ungerhausen, Dorf Holzgünz, Schlößlein Grünenfurth, Schloß und Dorf Erkheim, desgleichen Heimertingen und Fellheim; allerorten auf den Landstraßen um Memmingen, dann außerhalb Etters und Steinheim, Berg, Volkratshofen, Dickenreishausen, Hitzenhofen, Hart, Bremen, Bronnen, Buxach und Boos; endlich außerhalb Etters bei dem Schloß Eisenburg mit zugehörigen Dörfern und Weilern Amendingen, Schwaighausen und Trunkelsberg – hier muß es jedoch innerhalb Etters bei der alten röm.-kath. Religion sein Verbleiben haben. In diesem Gebiet hat der Ammann auf der hohen Obrigkeit Fälle fein fleißig achtzugeben und Herrn Landvogt gräfl. Exzellenz die strafbaren Personen zu melden und nicht weniger nachzuforschen, was in der Stadt und dem Spital Memmingen zugehörigen Dörfern dem alten Herkommen zuwider Strafbarliches verläuft, besonders auch in Verachtung und Brechung der katholischen Feiertage außerhalb Etters, endlich ob im Herrschaftsbezirk Eisenburg der katholischen[WS 7] Religion entgegen was gehandelt und vorgenommen wurde, in specie, ob sich der Enden keiner der widerigen Religion beigetan oder seßhaft aufhalten möchte. – Die Malefizfälle im besonderen sind:

[107] Zauberei, Kirchenbrecher, Blutschande, Notzucht, Ehebruch, Räuberei, Mord, Mordbrand, Brandlegung, Weglagerer, Abpassen auf den Straßen, Vergiftung, Meineid, Jungfrauen und Witwen Entführen, mit 2 Weibern sich verloben oder verheiraten, Sodomiterei, Pflüge und Mühln berauben, Diebe behausen und beherbergen, Hehlerei, abschneiden und verderben menschlicher Glieder, Berauben toter Körper, Injurieren, Schelten und Schmähen, sonderlich die Obrigkeit oder andere hohe Personen, falsche Brief machen, Brieffälschen, Siegelfälschen und falsche Siegel und Petschaften brauchen, Falschmünzerei, wissentlich falsche Münzen ausgeben, dazu raten und helfen, Münzen beschneiden, falsche Gewichte und Maße machen oder gebrauchen, eines Wappen oder Zeichen verderben, etwas zweien betrüglich verkaufen, Türen und Fenster freventlich beschädigen, ausschlagen und einwerfen, das Ziehen von Messern und Waffen, Male zerhauen und auswerfen, Teiche (Deichel?) abstechen, abgraben oder darzuhelfen und raten, Schmähbriefe erdichten, anschlagen, offenbaren, Körperverletzung mit zu besorgenden tödlichem Ausgang. – (Nebenbei bemerkt erhielt der Ammann für diese Mühe ein Drittel der Strafen als Entlohnung, auch einen Hof zu Epfingen zur Nutznießung.)


4. Die Kirchenhoheit und die Reformation.

Erstere bekam, wenigstens in unserem Gebiet, erst Bedeutung und Wert durch letztere, was ich so verstanden wissen möchte, daß erst infolge der Glaubensspaltung dieses Hoheitsrecht ausgedehnte praktische Bedeutung erhielt, weswegen wir auch im Herrschaftsgebiet erst nach dem Augsburger Religionsfrieden von besonderen Vorkommnissen u. a. hören. Im übrigen sei folgendes aufgeführt. Nach G.A. war das Leben der Geistlichen im 15. und 16. Jahrhundert gut und ehrenhaft mit Ausnahme jener von Isny und Memmingen. In puncot sexti war man dazumal weniger peinlich als heute. Doch kehrt schon um 1500 in allen Anstellungsdekreten (s. a. Kptl. O.I.) die Anforderungsformel (z. B. Sti. 134.6): „Es muß sich der neue Pfarrer verpflichten, u. a. keine Konkubine auf die Pfarr bei ihm zu haben“ immer wieder. Nach der Reformation war in dieser Hinsicht die schlimmste Zeit (G.A.), da wegen Mangel an Geistlichen an deren geistige und moralische Eigenschaften keine zu hohen Anforderungen gestellt werden durften, bis das erste Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts mit neuem Nachwuchs dauernde Besserung brachte. – So wird in mehreren Quellen der Pfarrer von Amendingen Gall. Möslin als frommer und gottesfürchtiger Priester bezeichnet, der 42 Jahre in Amendingen segensreich gewirkt habe. (G.I., H.R.) Diesen Attributen tat [108] es keinen Eintrag, daß er eine natürliche Tochter, Susanna Möslin, hinterläßt, welche durch ihre Trager Adam Göppel und Hans Leichtlin 1574 ein Reichlinsches Erblehen, Haus samt Garten zu Amendingen, an Sebastian Weringen Hof und die Kirchhofmauer stoßend, in Bestand nimmt. (Sta. 18.2, St.M.) Im Urbar von 1580 ist Susanna Möslin als Inhaberin eines Gütleins noch verzeichnet. – Dies nebenbei. Zur Sache selbst wird uns interessieren, daß schon 1524 (R.), als eine der Elisabetherinnen nach der anderen den Schleier ablegt und der Rat nichts dagegen zu raten weiß und deshalb die Verträge zwischen Priorin und Konvent und den Austretenden bezüglich des von diesen eingebrachten Vermögens genehmigt, auch eine Settelin dabei ist: „Wie nun die Settlerin auss dem closster kommen und sich vertragen mit der Priorin und convent, das laß ain rat geschehen“ (R. Prot. 16.11.1524). Es ist jedenfalls jene Anna Settelin, die am Donnerstag nach Matthäi (26.9.1510) der Klosterfrauen von St. Elsbeth Mitschwester wird. (Sta. 369.2). – Als Simprecht Schenk 1529 dem Rat empfahl, das Messelesen in den Dörfern zu verbieten, wagte dieser nicht, wahrscheinlich aus Furcht vor Weiterungen, bes. der Landvogtei, so scharf vorzugehen und empfahl dem Spitalmeister in seinen Dorfkirchen zu Volkratshofen und Holzgünz zu machen, was er vor Gott verantworten könne.

Die Frage der Kirchenhoheit selbst ward, wie gesagt, erst nach dem Augsburger Religionsfrieden brennend. (1555.) So verlangten Holzgünz und Schwaighausen 1564 (G.A. III. 363) protestantischen Gottesdienst. Wie das die Landvogtei zu verhindern wußte, sehen wir aus T.B. und Joh. Gg. Schelhorn, Reformationshistorie (S. 258) 19.8.1565: Als Herr Pfarrer Primus Traber, Prediger zu St. Elisabethen, auf dem Wege nach Holzgünz begriffen war, allda das Wort Gottes zu predigen, wurde er von fünf Reitern und acht wohlbewaffneten Fußgängern gefangen und geschlossen nach Weingarten geführt. Nach drei Tagen erhielt er seine Freiheit wieder, mußte sich aber durch einen Eid verbinden, bis zum Austrag der Sache nicht mehr daselbst zu predigen. Die Landvogtei berief sich in solchen Fällen auf das Recht der Landstraße (Geleitsrecht). Bisher war aber die Sache noch dunkel und zaghaft. Die Herren selbst genossen ja durch den Anschluß an die Reichsritterschaft für ihre Person und auf ihren unmittelbaren Gütern in Religionssachen die gleichen Gerechtsame wie die Reichsstände (Schr.) Ob aber für sie auch der Grundsatz galt: cujus regio, ejus religio, d. i. wer das Land hat, hat auch die Religion der Untertanen zu bestimmen, – war zweifelhaft. Hier sprang nun die [109] Landvogtei durch ihre Verträge von 1570 und 1586 ein, indem sie, sehnlichste Wünsche der Sippe der Settelin Schritt für Schritt erfüllend und wichtige Kronrechte preisgebend (hohe Gerichtsbarkeit), mit dem Blutbann die Religion verquickte. Schon die Kommission von 1570 arbeitet auf dieser Grundlage: Die Untertanen müssen in der alten katholischen Religion belassen werden, was der „Vertrag“ vom gleichen Jahr mit den Worten ausdrückt, daß er, Sebastian, an den Orten, wo ihm die hohe Obrigkeit zusteht, eine Änderung in der alten wahren katholischen Religion vorzunehmen nicht Macht haben solle. – Inzwischen kommt die Herrschaft an Memmingen (1580). Die reichsfreie Stadt erkennt das Jus circa sacra ex Principiis Protestantium (Gr.B. 122) als wesentliches Stück und Kennzeichen der Territorial-Obrigkeit und habe deshalb nach dem Exempel anderer Reichsstände in ihren und ihres Spitals Dorfschaften, besonders in der Herrschaft Eisenburg dieses Recht derart exerciret, daß restantibus Actis von 600 Seelen allein noch 150 der Katholischen Religion zugethan verblieben. Die Vogtei habe der Stadt dernwegen niemalen etwas in den Weg gelegt (siehe undigne Tort, Abfangen von Geistlichen auf den Landstraßen); doch habe die Stadt später zur Verhütung von Verdrießlichkeiten dieses Reservatum aufgegeben.

Wir dürfen gleich sagen anno 1586. Wie sich in diesem Vertrag die Vogtei beziehungsweise das Erzhaus herabgibt und weitgehende Rechte opfert, die es vorher und bis jetzt sogar gegen Kaiserlichen Verleihbrief (1544) behauptet hatte, so mußte selbstverständlich auch die Stadt sehr entgegenkommen – und gibt das Religionsreservat preis: Es hat in der Herrschaft Eisenburg bei der alten römisch-katholischen Religion zu verbleiben, es darf keine andere allhie exerziert, geübt und von männiglich samt derselben Satz und Ordnungen gehalten werden. Die pfarrlichen Rechte allda müssen wie bisher unweigerlich erfolgen und gereicht werden. Unsere Landvögte haben das Recht, hierüber bei jeder sich begebenden Gelegenheit zu wachen und im Fall der Notdurft einzugreifen. Alles was die Religion betrifft ist dem Erzhause vorbehalten. Aus Gnaden nur wird bewilligt, daß, sollte einer gegenwärtig (1586) der Augsburgischen Konfession anhangen, er die nächsten acht Jahre die Kirchen, Predigten, auch Nachtmahle zu Memmingen oder andern Orten derselben Religion besuchen dürfe, daß derselbe innerhalb dieser Frist nicht bestraft oder fürgenommen werden dürfe. Nach diesen acht Jahren [110] aber hat derselbe zur katholischen Religion bei Androhung von Strafe zurückzukehren. Diese, die Strafe nämlich, fürzunehmen, ist den Landvögten unbenommen, und sie dürfen hieran von denen von Memmingen nicht gehindert werden.

Nach dieser achtjährigen Gnadenfrist, die immerhin sich von anderen „Bekehrungen“ vorteilhaft unterscheidet, mußten alle der „neuen Religion“ Anhangenden wieder zur katholischen Kirche zurückkehren. Die H. R. II. 230 berichtet hiezu: Es sei fleißig vorgearbeitet worden im Amendinger Gebiet, es von der Spreu schädlicher Gelehrsamkeit wieder zu reinigen, durch welche die von dem Advokaten des Altdorfer Provinzialgerichts den Memmingern auf acht Jahre überlassene Oberherrschaft Gelegenheit gegeben hatte. (Die mit der Landvogtei vereinbarte Gnadenfrist wird also hier, im Rath, nicht günstig beurteilt.) Daß jenes zu seinen früheren Herren zurückkam, dazu beseitigten sowohl der Abt Balthasar wie der Rether Kanonikus P. Gallus Möslin, damals Pfarrer in Amendingen, in diesem (1595) und den folgenden Jahren alle Schwierigkeit, sodaß sie die Irrenden in den Schafstall der katholischen Kirche zurückbrachten. Daher hat der Verfasser der „Verteidigung gegen das Urtel zweier Theologen über die Einverleibung der dem Reich wieder zu überlassenden Jesuitenklöster“ der Wahrheit gedient, wenn er schrieb: Amendingen und Sinningen sind volkreiche und stark bewohnte Gebiete in Schwaben, und diese sind von diesen Vätern und Prälaten von der Ketzerei, der sie verfallen waren, wieder der Kirche Gottes zugeführt worden, sodaß sie, wenn sie auch jetzt noch ketzerische Herren haben, dennoch Gott als ihren Vater und die römische Kirche als ihre Mutter anerkennen.

Soweit H. R. Bemerkt sei noch, daß die Landvogtei außerhalb der Etter sich begnügte, die katholische Kirchenordnung aufrecht zu erhalten, indem sie z. B. 1595 die Steinheimer zwang, an katholischen Feiertagen auf dem Felde sich der Arbeit zu enthalten.

Damit verlassen wir diese Kämpfe, aber nur, um sie im nächsten Zeitraum wieder aufzunehmen. Einstweilen tritt Waffenruhe ein: Das nunmehr mit gegenseitigen Opfern Erreichte muß sich erst an den neuen Ereignissen erproben – bis eine neue Zeit wieder neue Forderungen erhebt. Zu dem Vertrag von 1586 hereinspielende „Religions- u. a. Vexas“ werden wir ebenfalls als Vorspiele zu dem wichtigen Vertrag von 1749 im 3. Teil bringen.

[111]
5. Die Setteline auf Trunkelsberg.

Es ist nicht angängig, daß wir die vielfach in die Landlinie hereinspielende Stadtlinie der Settelin völlig bei Seite lassen. Wenn sie auch mit der Herrschaft Eisenburg nichts zu tun hat, so ist sie doch durch ihr Gut Trunkelsberg im Herrschaftsgebiet und unter deren Gerichtsbarkeit ansässig. Auch spinnen so viele Fäden hin und wieder weit in die nächste Periode hinein, daß es notwendig erscheint, sie zu verfolgen, die die Eisenburger Linie um ein Jahrhundert überdauert.

Die Stadtlinie der Settelin war in hohem Ansehen, bis des Bürgermeisters Gordian Settelin Sohn Georg Christoph der Herrlichkeit ein Ende machte. Das „Schenkbüchlein“ führt ihn folgendermaßen ein: „1609, Montags den zwölfften Juny hat Her Gordian Sätlins zum Trunkhelsperg, des Geheimen Raths allhie ehelicher Sohn, Hochzeit mit der Edlen und Tugendsamen Jungkfrawen Reginä, Her Wolff Dietrich Weickhmans von Ulm Erentochter, darbei der Jungkfraw Hochzeiterin Eltern, Herr Bürgermeister Krafft von Ulm und sonst viel Jungkher und Frawenzimmer gewesen auf der Burgerstuben allhie, Stattlich gehalten, 30 Kanten Wein und 4 Züberlein Visch verehren lassen“. So festlich diese Ehe eingeleitet wurde, einen so trübseligen Ausgang nahm sie trotz langer Dauer und großer Kinderzahl. Es müssen hier äußere Umstände die Grundursache gebildet haben: Der schreckliche 30jährige Krieg, für das Land noch schrecklicher als für Memmingen selbst, denn das Land war schutzlos den Horden preisgegeben. Und dieser Settelin hauste bei Beginn des Verfalls meist in Trunkelsberg.

Vorerst stand er noch in Würden: 1623 ist er Geheimer, 1629 „des Gerichts“.

Im letztgenannten Jahre beginnt aber schon die Verpfändung von Gründen. Tatsächlich hatte ja Memmingen schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts des 30jährigen Krieges böse Zeiten durchzukosten. Georg Christoph verpfändet für 100 fl fürgeliehenen Geld 21/2 Jauchert Priel hinter dem „Bergerbad“ zwischen den Geishofer Feldern und Schalken von „Volckertshofen Prielen“ gelegen. Ähnlich im nächsten Jahr. Am 25. März 1639 beginnen die Klagen vor dem Rat. Dort wird referiert, daß Settelins Hausfrau geklagt habe, wie übel sie von Mann und Kindern traktiert werde, daß sie fast leibs und lebens nicht beim Sohn sicher sei. 1641: Wegen des alten Settelins ärgerlich Hausen wird allerhand angebracht und beschlossen, dem Herrn Hans von Freiburg anzuzeigen, wenn man ordentlich klage, werde man der Sache recht tun, (d. h. [112] wohl, wenn die richtige Form eingehalten wird, vielleicht von Tragern, Vormündern usw., wird der Rat die Sache in die Hand nehmen). Der junge Settelin, dessen Erziehung anscheinend viel zu wünschen übrig läßt, wird dem Herrn Rektor übergeben, der für die Woche einen Reichstaler Kostgeld erhält. Nach Anzeige (1642) „daß der Knab sich sehr wohl anlasse, welches gern vernommen wird, soll Er (Rektor) dem Knaben Jedes essen ein 8 theil bier geben und sonders verrechnen.“ Vater Settelin wird vergantet. Seine Kinder erhalten Trager. Der Rat muß sich nun ganz des Jungen annehmen und dem Herrn Rectori im Juli 1642 wieder 30 Gulden aus dem Armenkasten vorschießen. Im Dezember selbigen Jahres soll Jung-Settelin zum „Nachtmahl“. Er ist eines Kleids bedürftig. „Sollen ain Mandel und kleid ihme bezahlt werden, so 20 fl belauft; und dan strümpe und ain baar schuh. Solches muß der Almosencasten erlegen und notiren“. 1643: Wieder 20 Taler. Im November d. J. soll der Junge rechnen und schreiben lernen. „Man will aber der sachen nachdenkhen.“ 1644: „sollen hembder, Krägen, strimpf erkaufft und aufnotirt werden. Der Junge soll zum ‚Modisten‘ gehen, rechnen, schreiben lehrnen, noch beim Rectore in Cost bleiben“. – Alt-Settelin verlangt im September d. J. daß man seinen Sohn heimlasse und wiederholt seine Bitte am 26.2.1645. Der Rat beschließt aber, dies nicht zu tun, „Dann Er nichts gutes zu Trunckhelsperg sehe und lehrnte, und alle angeordnete disciplin vergebens wehre: Alles wurde dafür gehalten, es sei ihm auszureden und abzuschlagen. Seie nicht gegen Gott zu verantworten“. Hiebei wurde auch vorgebracht: „Herr Rector habe gestern Ihnen Herrn Tragern (Lutz Hans von Freiburg, Hans Dr. Jenisch, Lt Jenisch, Rector, Lupin, Schrifelin, Pfarrer Laminit) anzeigt, der Knab wolle nicht mehr ihnen folgen, gehe nur mitt Bixen, Wehren und dergleichen umb, wolle bei seinen Vater Lieber sein, sei also die gute Hoffnung vergebens, die man gehabt habe. Gehe hinder die teutsche Schul, und sei die Clag sehr groß seinethalben. – Auch zu versuchen ob Er in die Frembd bracht werde …“

Nun wird auch noch das Stadthaus der Settelin hinfällig; war es schon 1642. Die Werkleute berichten dem Rat, daß ein Sims auf zwei bis drei Klafter dem Einsturz drohe; das ganze Haus zergehe und zerfalle. Settelin klagt natürlich, daß er die Mittel nicht habe. Der Rat beschließt: 1. das Haus zu reparieren, obwohl es dem Steuerhaus schwer falle, und die Unkosten aufzuzeichnen und sich aus dem Haus bezahlt zu machen; 2. Settelin solle sein Leut diskret traktieren, sonst müßte die [113] Obrigkeit ihr Amt tun; man[WS 8]habe schon gehört, was Ungebühr er verübt. Das Geschrei gehe, als[WS 9] wenn er mit der Magd verdächtig lebe. Soll das Licht gewahrsam tragen, daß er nicht in Jammer und[WS 10]Not kommen.“ – –

Und so gehen die Schmerzen durch eine Reihe von Protokollen, bis endlich zu allem äußern und innern Elend noch die Elemente das Ihre darzutun: Am 19. Januar 1645 richtete ein gewaltiger Sturm merklichen Ruin und Schaden an der Wohnbehausung an, derart, daß man Gott noch danken muß, daß kein Menschenleben dabei vernichtet worden. Alt-Settelin bekennt sich „in einem triebseligen und elenden Zustand“, weshalb er dem Rat sein Lehenhaus in der Stadt anbietet, da seine Schuldigkeit an das Steuerhaus von 1630–1635 allein auf 1776 fl 49 kr 4 hl angewachsen sei. Er bittet „ihm zu vätterlichen Gnaden“ u. Gunst wohlbefohlen sein zu lassen“. Der Kauf wird vollzogen.[12] – Aber auch Trunkelsberg ist nicht mehr zu halten. Aus 1650 liegt ein Kaufkontrakt vor (Sta. 327.3) zwischen Georg Christoph und Johann Wachter um das Gut Trunkelsberg. An Wachter geht auch der schon vor 3 Jahren „transponirte“ Hof zu Tr. über. 1651 findet sich im Fischausschickzettel der Stadt (G) noch Georg Christoph als Stadtbediensteter mit einem Karpfen an 3. letzter Stelle. Im gleichen Jahr wird an Wachter noch ein Hof zu Tr. um 2200 fl verkauft, der ebenfalls von Settelin transponiert worden war. 1655 verstummen alle Nachrichten um ihn, sodaß er in diesem Jahr seines „trübseligen und elenden Zustandes“ erlöst worden sein dürfte – für immer.

Es tritt nun sein Sohn Gordion auf, welcher sich mit seinem Schwager Johann Widemann von Aichstetten und Barbara seiner Schwester über der väterlichen Verlassenschaft dergestalt abgefunden und verglichen, daß er sie gegen Erledigung von 425 fl von allem An- und Zuspruch auslöst, davon er ihnen 200 fl bar und das übrige jährlich mit 25 fl auf Johannis zu entrichten verpflichtet. (Sta. f. 24. 291). Ferner verkauft Gordian an Herrn v. Wachter: 21/2 Jauchert Garten (a. a. O. 294), ebenso 12 Jauchert stehend Holz um 320 fl bar. Er soll aber 1656 der Stiftung 329 fl ersetzen, was er nicht kann „deshalb Collatur“ und noch einen Garten ihr überläßt (Gen.M.) und – den Wanderstab ergreift. –

Ferdinand von Settelin hat durch direkte Anfragen und Nachforschungen erkundet, daß er selbst von dem letzten Sohn [114] des Gg. Christoph, Georg Michael, geb. 13.12.1619 abstamme[13], welcher Michael jedenfalls derjenige Jung-Settelin ist, dessen Lob und Leid wir vernahmen. Die Nachkommen desselben sind 1771 in Mähren, 1835 in Rumänien – als deutsche Pioniere. R.I.P!

Die andern Söhne des Gg. Christoph zogen sich ins Fürstenbergische, Hohenzollernsche etc., wo sie als Forst- und Rentenmeister, Kassenvögte zusagende Stellungen und ehrliches Brod fanden (Hewen, Heiligenberg, Königsegg, Scheer, Aulendorf). Das Pfarramt Dinkelsbühl machte für F. v. S. ausfindig, daß sich am 8.2.1715 Karoline Salome Settelin, Tochter des Wolfgang Christoph Settelin, Rat- und Forstmeister der Fürsten Simmering-Zollern mit Vogt Max Ferdinand Ensle zu Essingen bei Aalen verlobte. – 1893 lebte zu Überlingen Fräulein Ill, deren Mutter Kreszenz von Settelin, Tochter des Rittmeisters Karl Joh. Nep. v. Settelin zu Trunkelsberg, gestorben 6.7.1845 in Mengen, war. Letzterer hinterließ[WS 11] bei seinem Tode einen Frankenthaler und Schulden.

In H.R.I. 126 tritt um 1600 ein Sprachkundiger und Amtmann des Klosters Roth auf und im „Schenkbüchlein“ 1602 ein Georgen dies Namens, des Rats zu Kempten, dem als Gast des Bonrieder z. M. 6 Kanten Wein verehrt werden. Diese Settelin dürften jedenfalls andern Linien entstammen, wie auch die Biberacher mit den bisher betrachteten nur den Namen gemein haben. Dort war 1694 ein Franz v. S. katholischer Bürgermeister. 1730 gab es dort wegen dessen so rasch erworbenen Reichtums Aufruhr. Derselbe vergrößerte die von seinem Bruder Johann Georg gemachte Stiftung zu wohltätigen Zwecken der Familie derart, daß ihr Grundstock im Jahre 1881 (als F. v. S. persönlich dortselbst Erkundigungen einzog) 43 000 fl betrug. Im schwäbischen Merkur erschien dazumal der letzte Aufruf[WS 12] an studierende Setteline der Biberacher Linie behufs Zuteilung von Stipendien – doch fand er keinen Widerhall. – Die Biberacher Kirche mag sich gern der Setteline erinnern. –


  1. „verkauft“, lies „erkauft“ – siehe Korrektur Seite 249
  2. „sich“ lies: „sie“ – siehe Korrektur Seite 249
  3. streiche „es“ – siehe Korrektur Seite 249
  4. „ein Kindshaus“ lies „im Kindshaus“ – siehe Korrektur Seite 249
  5. „Gebahnem“ lies „Gebachnem“– siehe Korrektur Seite 249
  6. S. 45 lies: S. 14 u. 25. – siehe Korrektur Seite 249
  7. Vorbeisitzenden lies Beisitzenden – siehe Korrektur Seite 249
  8. (Schw) lies: (Schr.) – siehe Korrektur Seite 249
  9. statt Hofgericht lies Hochgericht, statt Steck lies Stock. – siehe Korrektur Seite 249
  10. statt Schw- lies Scho. – siehe Korrektur Seite 249
  11. statt Schw- lies Scho, – siehe Korrektur Seite 249
  12. Settelinhaus ist heute der Familie v. Stoll-Wespach gehörig; siehe „Führer“)
  13. setze nach 1619: abstamme – siehe Korrektur Seite 249

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Qelle
  2. Vorlage: zn
  3. Vorlage: Jungnautr
  4. Vorlage: nnd
  5. Vorlage: reichsritterschaftlicheu
  6. Vorlage: seinen
  7. Vorlage: katholichen
  8. Vorlage: mau
  9. Vorlage: al8
  10. Vorlage: nnd
  11. Vorlage: hinterileß
  12. Vorlage: Auftuf