Die Selbsthilfe im deutschen Eisenbahndienste
[644] Die Selbsthilfe im deutschen Eisenbahndienste. Wie segensreich gut geleitete fachliche Genossenschaften auf allen Gebieten des Erwerbslebens zu wirken vermögen, darüber dürfte heute nur eine Meinung herrschen. Bis herab zu den einfachsten Berufsklassen ist die Erkenntniß davon gedrungen, und wir sehen alle sich rühren und regen. Nur der ausgedehnte Stand der deutschen Eisenbahnbeamten steht noch ziemlich abseits. Abgesehen von den Lokomotivführern, scheinen die übrigen Eisenbahnbeamten noch nicht hinreichend Mittel und Wege gefunden zu haben, sich in größerem Umfange der Segnungen gemeinsamen Strebens nach wirthschaftlicher Hebung und fachlicher Fortbildung theilhaftig zu mach. Daß gerade die Lokomotivführer hierin weiter vor sind, lag in den zwingenden Verhältnissen. Ihr gefahrvoller Dienst und die damit zusammenhängende hohe Verantwortlichkeit, sowie ihre frühere dürftige Besoldung und nicht zum mindesten ihre gleichartigere Dienstleistung führten sie bald zu größeren Vereinigungen, von denen der „Verein deutscher Lokomotivführer“ gegenwärtig über 7000 Mitglieder zählt. Die Einnahmen des Vereins dienten zur Bestreitung der Kosten für Rechtsschutz, für Unterhaltung der Vereinsbibliothek, für den Besuch von Versammlungen und für den Versand der „Zeitschrift für Lokomotivführer“. Namentlich dieser vor zwanzig Jahren von C. D. Maaß begründeten und von ihm mit gutem Geschick bis heute fortgeführten Zeitschrift hat der Verein, welcher durch seine nebenbei bestehende Unterstützungskasse bereits 700 000 Mark an Pensionäre und Hinterlassene von Mitgliedern auszahlte, sein großes Ansehen zu danken.
Läßt sich nun auch von den übrigen deutschen Eisenbahnbeamten nicht Gleiches berichten, so beginnt sich doch erfreulicher Weise auch bei diesen, nachdem durch die Verstaatlichung eine größere Einheitlichkeit herbeigeführt worden, das genossenschaftliche Streben zu regen. Bereits seit Anfang dieses Jahres erscheint im Verlage von Eduard Strauch in Leipzig die „Algemeine Deutsche Eisenbahn-Zeitung“, welche sich neben der Popularisirung der Eisenbahnwissenschaft im Sinne des geistvollen Förderers des Eisenbahnwesens, Max Maria von Weber’s, die Vertretung der Interessen des gesammten deutschen Eisenbahnbedienstetenstandes zur Aufgabe gestellt hat. In ihrem Bestreben, den Beamten auf der kleinen Station vor Vereinsamung, sowie den im aufreibenden Getriebe der großen Station befindlichen vor Abstumpfung bewahren und durch praktische Vorschläge aus der Mitte der Beamten selbst Vereinfachung und Erleichterung des so komplicirten Eisenbahnbetriebes herbeiführen zu helfen, wird diese Zeitung gar manches Gute zu leisten im Stande sein. Der vor Kurzem entstandene „Verein preußischer Betriebsbeamter“ ernannte dieselbe zu seinem Organ und ergreift damit das zweckmäßigste Mittel, sich die nämlichen Vortheile wie der „Verein deutscher Lokomotivführer“ zu verschaffen, besonders wenn er die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen sollte, sich über kurz oder lang zu einem Deutschen Eisenbahnbeamtenverein zu erweitern.