Die Seehunde des deutschen Meeres

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Titel: Die Seehunde des deutschen Meeres
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 459–461
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Seehunde des deutschen Meers.

Eine Badeerinnerung.

Der wochen-, ja monatelang auf das kleine ostfriesische Eiland Spiekeroog gebannte Curgast pflegt wohl oft und gern dem Treiben der Robben zuzuschauen, die sich dort häufig in den Fluthen der Nordsee herumtummeln. Besonders gut kann man hier zur Ebbezeit diese großen Flossensäugethiere beobachten, während deren sie, meist in Gruppen von sechs bis acht Stück auf der dem Badestrande gegenüber befindlichen Sandbank sich einen Ruheplatz suchen. Die Entfernung zwischen Strand und Sandbank beträgt nur etwa fünf- bis sechshundert Schritt, und so kann man von ersterem aus die dort ruhenden Thiere recht deutlich erkennen.

Sehr amüsant ist es zuzusehen, wenn die großen Burschen an einer steil abfallende Stelle der Platte (wie die durch Steine bewehrte Oberfläche einer Sandbank heißt) landen. Dunkel fast schwarz, entsteigt das Thier der grünen Fluth nachdem es sich vorher einigemale vorsichtig umgesehen; unbeholfen und schwerfällig den dicken Körper vorwärts schiebend, erklimmt es die steile Sandbank und legt sich dann oben behaglich nieder. Nun reckt und streckt es sich im Sonnenschein, häufig die Flossen seines „ersten Versuchs“ von Hinterfüßen auseinander spreizend und den Kopf bald in die Höhe bald niederwärts biegend; oder es rutscht wohl auch auf dem weichen feuchten Sande herum. Ist nur erst Einer gelandet so folgen seinem Beispiele bald andere, größere und kleinere, je nach dem Alter, bis eine ganze Herde beisammen ist, meist sechs bis acht, zuweilen aber auch bis zwanzig Stück. Das Wasser aus dem triefend nassen Körper läuft allmählich ab, die Sonnenstrahlen trocknen das Fell, und so verwandelt sich die anfangs dunkle Farbe des Thieres bald in ein helleres Grau, bis es endlich, und besonders ist dies bei recht alten Robben der Fall, weiß, ja im Sonnenschein fast silberglänzend erscheint.

Als ich zum ersten Mal eine solche Heerde dort erblickte, war ich anfangs im Zweifel, ob es nicht Kühe von der Insel seien, die auch vorzugsweise schwarz und weiß aussehen, bis mich der nähere Augenschein eines Besseren belehrte. Versucht man durch Geräusch oder drohende Bewegungen die Thiere hinwegzuscheuchen, so gelingt dies nicht so leicht – gar zu gern ruhen sie im warmen Sonnenschein auf dem weichen Sande der mühsam erklommenen Platte – sobald jedoch ein Boot heranrudert oder ein Schuß fällt, fliehen sie, anfangs, so lange sie auf ebenem Boden sich fortbewegen, ziemlich langsam vorwärtsrutschend, wie ein Mensch auf Knieen und Ellenbogen zugleich, dann aber sehr behend am steilen Ufer der Sandbank hinabgleitend und rasch untertauchend in der schützenden Fluth.

Erst nach minutenlanger Dauer und meist in ziemlicher Entfernung erscheint dann das Thier wieder an der Oberfläche des Wassers, um Athem zu schöpfen, gewöhnlich jedoch nur, um alsbald von Neuem zu verschwinden.

Bei diesen Manövern kam nur selten eines der schlauen und vorsichtigen Thiere dem von Spaziergängern belebten Strande zu nahe, sie schienen es recht gut zu wissen, daß mancher von diesen eine Flinte trug und eifrig darauf bedacht wart ihnen den Garaus zu machen. Als eifriger Jagdliebhaber wünschte auch ich nichts sehnlicher, als eines der fremdartigen Seeungeheuer zu erlegen, um das Fell als Trophäe mit heimzubringen und dann meine Großthaten den staunenden Jagdfreunden im heimatlichen Gebirge haarklein zu berichten, die ja zumeist nur ein Stückchen Seehundsfell auf den Schulränzchen ihrer Kinder gesehen hatten. Allein fruchtlos war mein Bemühen; so oft ich auch bei beginnender Ebbe mit scharf geladenem Gewehr am Strande auf und nieder wandelte, nie ertappte ich einen Seehund hier, immer lagen sie auf der unerreichbaren Sandbank, oder schwammen in deren Nähe herum.

Glücklicher als ich war ein junger Herr v. K., welcher ganz unverhofft einen jungen, am Strande ruhenden Seehund überraschte und den eilig fliehenden durch einen wohlgezielten Schuß tödtete. Hierdurch angefeuert verdoppelte auch ich meine Bemühungen, und schließlich nicht ohne Erfolg.

In besonders dazu ausgerüsteten Schiffen segeln alljährlich viele Robbenjäger, oder richtiger Robbenschläger, in die öden Regionen des arktische Eismeeres und machen dort, wo schaarenweis die Seehunde auf den Eisfeldern lagern, oft ungeheure Beute. So kehrte während meiner Anwesenheit auf Spiekeroog ein solcher Grönlandfahrer nach viermonatlicher Reise zurück, beladen mit viertausendvierhundert Robben und überdem vier todten und zwei lebenden Eisbären. Viele Spiekerooger Insulaner hatten solche Expeditionen mitgemacht und betrieben auch in den heimathlichen Gewässern der Nordsee eifrig den hier allerdings weit weniger lohnenden Seehundsfang.

Einen vorzüglichen Ruf als geübter Seehundsjäger besaß namentlich Kleyhauer jun., der Capitän der Schaluppe „Bismarck“. Da er während der Saison für gewöhnlich die Badegäste vom Dampfer „Roland“ nach der Insel abholte, außerdem sein Schiff häufig zu Vergnügungstouren in die Nachbarschaft benutzt ward, hielt es schwer, ihn zu einem mehrtägigen Jagdzuge zu bewegen. Endlich siegte wiederholtes Zureden, mehr noch sein eigener Jagdeifer, und bald hatten wir auch in der Person eines jungen Forsteleven aus Oldenburg noch einen Reisegefährten gefunden.

Mein gefälliger Wirth, der Capitän Sanders, gleichfalls ein berühmter Seehundsjäger, gab sich viele Mühe, um uns das „Huxen“ zu lehren, d. h. die Bewegungen der Seehunde nachzuahmen um dieselben anzulocken und zu täuschen. So mußten wir denn im Sande vor dem Wirthshause zur Belustigung der anderen Badegäste auf Knieen und Ellenbogen kriechen und rutschen, dabei den Kopf recke und drehen, die Beine aus- und übereinander spreizen etc. Ich entlief ihm aber bald aus der Schule, theils weil die ungewohnten Bewegungen sehr ermüdeten, namentlich aber, weil ich so wenig Geschick entwickelte, daß ich schier daran verzweifelte, daß mich je ein Seehund für seinesgleichen halten werde. Capitän Kleyhauer billigte dies; er meinte wir könnten nötigenfalls einen Jungen in einen Kartoffelsack stecken und diesen „huxen“ lassen, doch wolle er schon selbst die Seehunde anlocken; dagegen drang er entschieden darauf, daß wir uns mit einer Schifferkleidung versahen. weil die Thiere weit mehr Scheu vor einem gewöhnlichen Rock, als vor der Jacke eines Schiffers hätten.

Wie schon oft vereinigte auch der Abend vor unserer Abreise eine größere Gesellschaft in Sander’s Hotel zu Krabbensalat mit Wein, Spiel, Gesang und Tanz, da meldete der Fuhrmann, daß der Wagen unser harre, und diesmal versuchten die Damen vergebens, uns von der nach ihrer Ansicht so gefährlichen Fahrt auf der alte gebrechlichen Schaluppe zurückzuhalten. Mich reizte ganz besonders, wie eben jeden Jäger, die Gefahr, daher mußte man sich für diesmal begnügen, mit uns auf ein frohes Wiedersehen anzustoßen – und fort ging es durch Nacht [460] und Wind im hölzernen Wagen, auf holperigem Wege und dann über den sandigen Strand des Wattmeeres hin zum „Bismarck“.

Das Schiff lag, da eben Ebbe war, fast ganz auf dem Trocknen; Kleyhauer und sein Matrose brachten unser Gepäck an Bord, erstaunt über dessen Menge, da sie nicht halb so viel brauchten, wenn sie nach Amerika führen. Alsdann zeigten sie uns das in der Kajüte zu unserem Empfange bereitete Gastbett: eine harte, schmale Bank, belegt mit einem Stück Segeltuch; als Kopfkissen diente ein zusammengerolltes Tau, als Zudecke unsere Kleider. Dicht über unseren Häuptern in den Schiffsbalken staken in traulichem Verein Messer, Gabeln, Kämme, Zangen, an den Planken links daneben hingen die geladenen Flinten, zur Rechten stand der scharfkantige Ofen – Alles so dicht gedrängt beisammen, daß man bei jeder stärkeren Bewegung Gefahr lief, sich erheblich zu verletzen. Trotzdem schliefen wir bald fest, wenig verwöhnt durch die harten Seegrasmatratzen auf der Insel und gehörig ermüdet durch die lange Wagenfahrt in der scharfen Seeluft. Erst am lichten Morgen erwachten wir durch den heiseren eigenthümlichen Gesang des Matrosen, den dieser beim Aufwinden des Ankers anstimmte.

Auf der Seehundsjagd.

Wir eilten auf’s Deck, wurden aber hier von einem heftigen Wind und kalten Regen so übel willkommen geheißen, daß wir sehr bald wieder in die Kajüte flüchteten, während der Capitän sich mit dem größten Gleichmuth dem Unwetter und den von Zeit zu Zeit über Bord stürzenden Wellen aussetzte und lächelnd meinte: „Der uns naß gemacht hat, macht uns auch wieder trocken.“ Allein auch in der Kajüte war der Aufenthalt durchaus kein angenehmer. Hier herrschte ein unausstehlicher Theergeruch, der Wind hatte ziemlich freien Zutritt und blies namentlich fortwährend den Qualm aus dem Ofen in das kleine Behältniß. In Folge des Unwetters, der schlechten Kajütenluft und des starken Schaukelns des Schiffes begannen bereits die Vorboten der Seekrankheit sich bei uns einzustellen, da belebte der Ruf des Capitäns „Dort!“ auf’s Neue unseren schon sinkenden Muth.

Wir befanden uns östlich von der Insel Wangeroog und sahen in der bezeichneten Richtung, kaum eine halbe Seemeile entfernt, fünf Seehunde beisammen, die eben im Begriff waren, auf einer Sandbank zu landen. Noch war die Platte auf ihrer ganzen Oberfläche mit Wasser bedeckt, doch bereits hatten sich Hunderte von großen Möven auf ihr niedergelassen, unbeweglich des Augenblicks harrend, wo die zurückweichende Fluth ihnen gestattete, ihre Beute zu ergreifen – dagegen plätscherten die Seehunde lustig in der Brandung am Rande der Sandbank, auch sie erwarteten sehnlichst das Trockenwerden der Platte, nicht beutegierig, wie die Raubmöven, sondern um den vom Fischen und Schwimmen ermüdeten Körper zu pflegen und auszuruhen. Das Boot ward ausgesetzt, doch mußte uns Kleyhauer noch eine große Strecke auf seinem Rücken durch das zu seichte Wasser tragen. Bei unserer Ankunft erhoben sich in dichten Wolken die Möven, die Seeschwalben flatterten uns um den Kopf, verwundert über so ungewöhnlichen Besuch, die Robben flüchteten scheu in’s Meer.

Nachdem das Wasser sich vollends verlaufen hatte, lagerten wir uns, je zwanzig Schritte von einander entfernt, an der zum Landen für die Seehunde bequemsten Stelle am Rande der Sandbank. Anfangs war hier die Lage auf Knieen und Ellenbogen nicht so schlecht, je mehr sich aber das Wasser aus dem Sande versickerte, um so lockerer ward dieser und um so tiefer sanken wir ein, ohne einen festen Halt zu gewinnen. Ein feiner kalter Regen durchnäßte uns, trotz der wollenen Schifferkleidung, bis auf die Haut; dicht vor uns brandeten die Wellen der noch immer unruhigen See, und so durchschauerten uns auf’s Neue Anwandelungen der Seekrankheit, namentlich schwankte Alles vor unseren Augen auf und nieder.

Dem Schiffer gegenüber ließen wir uns davon nichts merken, wir harrten geduldig aus, bis die Seehunde sich zeigten. Endlich erschien weit draußen im Meere ein Kopf, äugte einen Moment nach uns herüber und verschwand alsbald, ebenso ein zweiter, dritter. Bald darauf tauchten sie in größerer Nähe empor, doch vergebens hofften wir, daß sie ganz herankommen würden, sie [461] hielten sich nur längere Zeit in einer Entfernung von circa zweihundert Schritt, wobei wir sie sehr genau beobachten konnten, und gingen dann weg nach einer anderen inzwischen emporgekommenen Sandbank. Es waren zwei alte und drei jüngere Thiere; da der Wind etwas ungünstig war, mochten die Alten Unrath gewittert und die ganze Gesellschaft mit fortgenommen haben.

Bereits im Begriff, die Jagd aufzugeben, sahen wir aus der Ferne einen einzelnen Seehund straff auf unsern Platz lossteuern. Er tauchte unter und kam dann in einer Entfernung von nur etwa sechszig Schritt von uns wieder zum Vorschein, den Vorderkopf nach mir gerichtet. Trotz der strengen Regel, nur auf zehn Schritte Distanz und nur von der Seite oder von hinten her auf den Kopf zu schießen, hatte ich leise das Gewehr erhoben – Kleyhauer huxte – und rasch tauchte das Thier abermals unter.

„Aufgepaßt, Doctor! Der kommt nah genug!“ rief jener mir zu, und mit angehaltenem Athem, das Gewehr schußfertig auf die Oberfläche des Wassers gerichtet, harrte ich, bis das Thier wieder emporkäme.

Da plötzlich erschien es nur fünf Schritte vor mir auf dem Wasserspiegel, die großen, dunklen Augen auf meinen Jagdgefährten, der weiter links lag, geheftet – uns beiden gleich schußgerecht, und auch dieser erhob sein Gewehr.

So kurze Zeit auch seit dem letzten Untertauchen des Thieres verstrichen, so war die Anspannung für meine bereits seekranken Nerven doch zu groß; vergebens suchte ich meine Ellenbogen fest auf den lockeren Sand zu stützen, dieser gab nach, mir zitterten die Arme und mit ihnen das Gewehr; vor meinen Augen dunkelte es, dann flammte es grün und gelb und feuerfarben, die Wogen schwankten auf und nieder und, wie in Nebel gehüllt, tanzte auf den purpurn und golden glitzernden Wellen der Seehundskopf mit den großen, strahlenden Augen – mich hatte das Seehundsfieber gepackt. Dennoch raffte ich noch einmal alle Kraft zusammen und gab Feuer. Ein freudiger Ruf Kleyhauer’s zeigte, daß ich getroffen; mit einer Behendigkeit, wie sie sonst die Schiffer nur auf ihren Brettern zeigen, eilte er zur Stelle und zog mit langem Haken das regungslos glatt obenauf treibende Thier an’s Ufer. Hier ward dasselbe kunstgerecht hingelegt, als ob es ruhe, um andere anzulocken, während wir einen Spaziergang nach dem auf der Platte zur Rettung Schiffbrüchiger angebrachten Kaab machten. Es zeigten sich jedoch keine Seehunde wieder in der Nähe, und der unaufhörliche Regen, so wie allmählich wieder eintretende Fluth nöthigten uns bald zur Rückkehr auf den „Bismarck“.

Trockene Kleider, ein einfaches Mahl von Sandkartoffeln mit ostfriesischer Butter und hinterher ein vortrefflicher Kaffee restaurirten uns bald. Das stolze Bewußtsein, daß die Ehre des heutigen Tages gerettet sei, hob unsere Stimmung, und vergnügt segelten wir längs der grünumdeichten Küste von Butjadingerland hin, während der Capitän uns von seinen Fahrten nach Grönland erzählte. Gegen Abend gingen wir bei Eversand am Ausgange der Wesermündung vor Anker.

Während der Nacht leider wieder von einem tüchtigen Sturm geschüttelt, nahmen wir am folgenden Morgen unsern Cours nach „Hundehaufen“, einer Platte, auf der, wie schon der Name sagt, die Seehunde in Haufen anzutreffen sein sollen. Richtig zählten wir auch acht Stück beisammen, darunter mehrere Junge. Unser Forsteleve ward zuerst hinüber getragen, weil er heute womöglich zuerst schießen sollte; ein junges Thier blieb auch, dreist genug, in geringer Entfernung von ihm ruhig auf der Oberfläche, unklugerweise schoß er jedoch mit dem Büchsenrohre seines Doppelzeuges und ich sah noch vom Rücken Kleyhauer’s aus die Kugel zwei Zoll hinter dem Kopfe des Thieres auf’s Wasser aufschlagen. Da der Wind günstig war, so näherten sich auch, nachdem wir uns gelagert hatten, bald die verscheuchten Thiere wieder; die Wogen gingen aber so hoch, daß wir mehrmals fehlten, bis endlich ein junger, sehr hübsch weiß und schwarz gefleckter Seehund aus großer Nähe von meinem Oldenburger Jagdgefährten erlegt ward, worüber dieser sich „riesig gefreute“. Daß das Vorbeischießen sehr leicht ist, konnte ich mir später, nachdem die Thiere abgehäutet waren, sehr wohl erklären: der Schädel ist ringsum mit einer sehr dicken Fettschicht bekleidet, die den Kopf so groß erscheinen läßt, bietet aber von der einen oder andern Seite nur eine etwa handtellergroße Fläche dem Schützen als Zielscheibe. Trotzdem gelang es mir am dritten Tage, wo wir abermals in der Nähe von Wangeroog jagten, mit einem Dreyse’schen Zündnadelgewehr einen Seehund auf wenigstens neunzig Schritt Entfernung zu treffen – augenblicklich ließ er den Kopf sinken und trieb platt oben auf, während ein breiter Wasserstreifen blutig roth sich färbte. Als der eilig herangeruderte Kleyhauer das Thier am Haken emporzog, zitterten nur noch die Zehen ein wenig von den letzten entfliehenden Lebensgeistern. Die Seehunde sind ungemein weich und verenden fast augenblicklich, wenn auch nur ein einziges Schrotkorn an der richtigen Stille trifft.

Von der Platte aus, wo wir uns jetzt befanden, konnte man zur Ebbezeit Spiekeroog zu Fuße erreichen, während wir noch mehrere Stunden hätten warten müssen, bis die Fluth so hoch gestiegen, daß wir zu Schiffe heimkehren konnten. Wir entschieden uns für das Erstere und langten nach anderthalbstündigem Waten durch den Sand ohne allen Schutz vor den heute so brennenden Sonnenstrahlen glücklich auf der Insel an, herzlich froh, endlich einmal wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Der anfangs so anhaltende Regen, der scharfe Wind, der Qualm in der Kajüte und endlich die grellen Sonnenstrahlen hatten uns Gesicht und Hände so verwettert und gebräunt, daß wir aussahen, als ob wir wenigstens in Island gewesen wären; verwundert schauten uns die Herren, fahl mit Entsetzen die Damen an, und Alles lauschte gespannt der Erzählung unserer Reiseabenteuer. Frohlockend ward Kleyhauer begrüßt, als er gegen Abend mit den drei zu beiden Seiten des Wagens herabhängenden Seehunden vorfuhr. Mit spitzem Finger betasteten die Damen scheu die glatten, dicken Thiere.

Am folgenden Morgen hatte Kleyhauer die Robben abgehäutet und das Fett ausgebraten; wir verschmähten ein von ihm uns offerirtes Lendenbeefsteak, obwohl der frisch ausgelassene Thran so appetitlich duftete, wie frisches Schweineschmalz. Dagegen nahmen wir die Felle an uns zum bleibenden Andenken an die mühseligen Jagdabenteuer in der Nordsee und an den freundlichen Aufenthalt auf der seehundsplattenumsäumten Insel Spiekeroog.