Die Schneewegschaffung in Berlin

Textdaten
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Titel: Die Schneewegschaffung in Berlin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 133, 147
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[133]

Schneewegschaffung in Berlin. Originalzeichnung von E. Henseler.

[147] Die Schneewegschaffung in Berlin. (Mit Illustration auf S. 133.) Berlin im Schnee – ein hübsches Ausstattungsstück von eigenem Reiz, zumal wenn sich die Residenz an einem schönen Wintermorgen in diesem weißen, aber kalten Daunenkleide präsentirt. Hei, wie werden da schnell vor Schulanfang die heißesten Kämpfe geliefert, wie mancher Schneeball fliegt aus sicherem Versteck dem harmlosen Passanten an den Kopf, wie rasch verkündet lustiges Schellengeläut, daß nun auch die Schlitten in der Kaiserstadt zu ihrem seltenen Recht gelangen! Und als Gegensatz zu dieser fröhlichen Seite der Medaille: wie viele ärgerliche Ausrufe werden laut, hier von den dienstbaren Hausgeistern, welche flink die Bürgersteige fegen müssen, dort von den Kutschern, deren Pferde unversehens zu Fall kommen, da von den Fahrgästen der Pferdebahnen, denn trotz des sogleich angelegten Vorspanns und der von den frühesten Morgenstunden an arbeitenden Salzstreumaschinen geht es nur langsam und unpünktlich vorwärts. Lange freilich dauert die Herrlichkeit nicht an, der Magistrat einer wohllöblichen Haupt- und Residenzstadt läßt sich von niemand, am wenigsten von einer Frau, selbst wenn sie Holle heißt, in sein Sauberkeitsgefühl pfuschen, und so wird im Umdrehen ein erbarmungsloser Vernichtungskrieg gegen die auf den Straßen und Plätzen liegenden Schneemassen eröffnet. Sind dieselben sehr umfangreich, so rückt alsbald ein Heer von etwa zweitausend Arbeitern ins Treffen und beginnt mit Schaufeln, Hacken und Besen zur selben Stunde von zwanzig Centren aus – in so viele Sektionen ist Berlin zum Zweck der Straßenreinigung getheilt – den Kampf. Als begleitender Train erscheinen etwa tausend Wagen, die unaufhörlich hin- und herfahren und von denen jeder durchschnittlich täglich bis acht Fuhren erledigt.

Ausstattungsstücke verursachen aber viele Kosten, das merkt recht deutlich der Magistrat, und je mehr der Himmel an Schnee ausschüttet, desto schmaler und hohlwangiger wird der Stadtsäckel. Die Arbeiter erhalten pro Person und pro Tag zwei Mark, jede Fuhre wird mit einer Mark fünfundsiebzig Pfennig bezahlt – werden also die eben genannten Kräfte in vollem Umfang in Anspruch genommen, so ergiebt dies allein bereits an einem Tage 18 000 Mark, zu denen sich noch mancherlei Unkosten, wie Neubeschaffung von Geräthen, Schmiedearbeiten, Reparaturen an den Wagen etc. gesellen, so daß ein tüchtiger Schneefall der Stadt an einem Tage 20 000 Mark kosten kann. Im Jahresetat des Magistrats sind allein für diese Fälle 125- bis 170 000 Mark ausgesetzt, welche Summe aber in schneereichen Wintern (z. B. im vergangenen, wo die Kosten der Schneeabfuhren 454 000 Mark betrugen; die Gesammtausgaben für die Straßenreinigung Berlins stellten sich in jenem Etatsjahre auf 2 094 000 Mark!) bedeutend überschritten wird.