Die Schädelpyramide zu Jerbi in Nordafrika

CCXXIV. Die Leuchtenburg Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band (1838) von Joseph Meyer
CCXXV. Die Schädelpyramide zu Jerbi in Nordafrika
CCXXVI. Wien; die Ferdinandsbrücke
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DIE SCHAEDEL-PYRAMIDE
bei Tebah in Africa

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CCXXV. Die Schädelpyramide zu Jerbi in Nordafrika.




Schrecken ergreift dich beim Anblick des Fluthen-umgürteten Denkmals?
     Freilich! wir hüllen’s in Nacht; Rohheit, sie stellt es an’s Licht.

Aber die Sache bleibt darum doch die nämliche! Unsere Kriege waren nicht schrecklicher, wenn man auf den Schlachtfeldern der Erschlagenen, statt sie Zehntausendweise in Gruben aufzuschichten und zu verscharren, – eine [104] Aussaat für die Knochenmehl- und Runkelzuckerfabrikanten, – solche Schädelpyramiden aufrichtete. Dies wurde unser Gefühl vielleicht weniger beleidigen, als jenes, abgesehen davon, daß dergleichen Denkmäler, gälten sie z. B. Siegen und Kämpfen für den Erwerb, oder die Erhaltung großer Nationalgüter, für Unabhängigkeit und Freiheit, ganz andere Wirkungen hervorbringen würden, als Monumente aus Erz und Stein, mit Symbolen und Inschriften, die Künstler erfinden und Gelehrte machen, aber das Volk nicht versteht. –

Die Veranlassung zu dem abgebildeten Schauergegenstand war eine That von großem, geschichtlichen Interesse. Spanien machte nämlich im Jahre 1561 den erneuerten Versuch, in Nordafrika festen Fuß zu fassen und die Barbareskenstaaten umzustürzen. Es schickte ein mächtiges Heer und eine zahlreiche Flotte dahin, und Tripolis sollte die erste Eroberung seyn. Aber die Mauren schlugen das Christenheer in offener Feldschlacht, und zwangen es, sein Heil auf der Flotte zu suchen. Rachsüchtig landeten nun die Spanier auf der nahen Insel Jerbi, sengten und brennten, raubten und mordeten, und überließen sich den größten Ausschweifungen. Verzweiflung gab der unglücklichen Bevölkerung die Kraft und den Muth von Heroen. In der dunkeln, nur von dem Brande ihrer Dörfer und Wohnungen erleuchteten Nacht, rotteten sich die dem Gemetzel entronnenen Männer in einem Gehölze zusammen und schwuren bei Gott und dem Propheten, Rache zu üben an ihren Feinden bis zum Tode. Dann brachen sie los auf die zucht- und ordnungslosen, mit Plündern und Verwüsten beschäftigten Haufen der Spanier, und richteten ein furchtbares Blutbad unter ihnen an. Panischer Schrecken ergriff die Feinde, – sie glaubten an einen nächtlichen Ueberfall der Tripolitaner. – Alles floh nach den Schiffen: aber bei dem Gedränge ertranken Viele von Denen, die das Racheschwerdt nicht erreichte. Als die Tripolitaner von diesen Vorgängen Kunde erhielten, jagte ihre Flotte der spanischen nach und vollendete das Werk der Zerstörung. Von der ganzen, mehre hundert Segel starken christlichen Flotte entkamen nur fünf kleine Schiffe, um die Trauernachricht in die Heimath zu tragen. Dreizehntausend Spanier lagen erschlagen an Jerbi’s Küste und Allah, dem Retter zu Ehren, der den Armen der Insulaner Wunderkraft verliehen hatte, errichteten die Sieger aus den Schädeln der Feinde dies schauerliche Denkmal.