Die Rettung
Mutter, o sei mir gegrüßt, du süße Mutter! für diesmal
Siehst du mich wieder, doch bald war ich verlohren für dich.
Emusig sucht ich nach Kräutern zu deiner Genesung am Felsen,
Weißt du? wo über das Meer furchtbar die Klippe sich neigt.
Ohne bedächtliche Furcht auf den gefährlichen Rand,
Und, noch denk’ ich mit Schaudern daran, wie schnell mir die Füße
Glitten, und wie ich hinabstürzt’ in die tosende Flut.
Hülflos strebt’ ich empor und schrie nach Hülfe, doch hörte
Endlich erblickt ich nahend ein Schiff, ein glänzender Jüngling
Riß sich hervor und sprang schnell wie ein Blitz in die Flut,
Holte mich ein, und erhob mich mit übergewaltiger Stärke
An den entferneten Strand trug er der Schwimmende mich.
Göttergestalt, denn es war sicher kein sterblicher Mann,
Wie er vor mir knieete mit zärtlicher Sorgfalt! dann kamen
Seine Gefährten, er ging zögernd zum Schiffe zurück.
Lang noch blickt er nach mir, auch ich, bis das weißlichte Seegel
Und dann flog ich zu dir, noch pocht mir von Schrecken der Busen!
Meine Mutter, bei dir such’ ich Erhohlung und Ruh.
Komm an mein Herz, du Geliebte, und laß den Göttern uns danken,
Die dich mit segnender Huld also vom Tode befreit!
Daß nicht den einzigen Trost grausam der Fluß mir verschlang!
Ach ich sollte der Rettung mich freun, und es stürzen mir Thränen
Ueber die Wangen? warum glühen die Wangen mir so?
Beste Mutter, warum? es sind wohl Thränen der Freude?
Thränen der Freude mein Kind? nein Thränen der sehnenden Liebe
sind es! du weinest daß so früh dir dein Retter verschwand.
Aber weine nur nicht, komm schildre mir lieber die schöne
Bildung, es sei nun ein Gott oder ein sterblicher Mann.
Hättest du selbst ihn gesehn, wie er vom Tode mich riß,
Wie er dann vor mir kniete! noch seh ich die wallenden Locken,
Sehe den rührenden Blick den er im Scheiden mir gab.
Aber es war ja ein Gott, wie könnt’ ich, wie dürft’ ich ihn lieben?
Welche Qualen du selber dir schaffst! so schafft sich die Liebe
Immer vergebliche Pein, kämpfend mit Hoffnung und Furcht.
Sage, vermochte denn nur der Götter dich einer zu retten?
Ist es nicht möglicher noch, daß es ein Sterblicher war?
Oft was entfernet uns schien, bringt uns ein Augenblick nah.
Nichts zwar wollt ich dir sagen, wofern nicht Erfahrung mich lehrte,
Wie sich im Leben so leicht zweifelnde Liebe betrügt;
Aber es traf ja auch mich mit deinem Vater ein gleiches
Laß, so bitt’ ich, mich doch die wundervolle Geschichte
Hören! die Rede ja fließt süß dir vom Munde hinweg,
Und du sprichst mir so tröstlich, o liebe Mutter! wie glücklich,
Daß dich Erfahrene mir freundlich der Himmel geschenkt!
Gern ja ruft man das Bild schönerer Zeiten zurück.
Jungfrau war ich wie du, und blühend im Reitze der Jugend
Als ich die Heerde des weidet’ im einsamen Thal.
Einsmals hatt’ ich mich kühl am Rauschen der Quelle gelagert,
Denke mein Grausen dir selbst! ich war verlassen im öden
Unbewohnten Gebürg, nirgend ein menschlicher Tritt,
Und nun auf einmal die Schreckengestalt, ich wollt ihm entfliehen
Aber vergebens, er kam schneller der Fliehenden nach.
Eilt’ und dem nahenden Bär muthig entgegen sich warf.
Lange währte der Kampf, da stürzte mein Retter zur Erde
Und den entsetzlichen Blick hielt ich nicht länger mehr aus.
Alles ward finster um mich, und ohne Gefühl und Besinnung
Als ich erwachte da war der schöne Kämpfer verschwunden.
Häufig mit Blute befleckt, lag der getödtete Bär.
Neben ihm flattert ein Stück vom Obergewande des Jünglings,
Und in der Seite des Thiers steckte sein glänzendes Schwert.
Aber er selbst wär’ hinab, glaubt ich, zum Orkus gesandt.
Schmerzvoll irrt ich umher, und strebte den Leichnam zu finden,
Aber ich fand im Gebürg, fand in der Waldung ihn nicht.
Nun verließ ich die Gegend und kehrte nach Hause, doch ward ich
Also vergingen drei Monde, da kam ein Fremder zum Hause
Meines Vaters und ward freundlich empfangen von ihm.
Wir erkannten einander soglcich, er sah mich erröthen
Und bekannte, wie nur Liebe hieher ihn geführt.
Sinken sah, auch das Thier tödtlich getroffen erlag;
Daß ein Jäger ihn fand, zur Hütt’ ihn trug und die Wunden
Pflegt’ und als er genaß eilte mich wiederzusehn. –
Sieh, wie so wunderbar oft das Schicksal die Herzen verbindet,
Also das Leben der Menschen, es zeigt sich beständig in neuen
Wechselgestalten, und stets folget dem Jammer das Glück.
Darum beruhige dich und traue den himmlischen Göttern!
Immer ja haben sie sich liebender Treue gefreut.
Sandten, die führen gewiß auch den Geliebten dir zu.