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Psalm 2 Bearbeiten

[131]
Jerusalems Schmach und Pompejus’ Untergang.
Ein Psalm Salomos über Jerusalem[1].

2

1 In seinem Übermut stürzte der Sünder mit dem Widder[2] feste Mauern,
und du hindertest es nicht.
2 Fremde Heiden bestiegen deinen Altar,
betraten [ihn] übermütig in ihren Schuhen,
3 dafür, daß die Söhne Jerusalems das Heiligtum des Herrn entweihten,
die Opfer Gottes in Gottlosigkeit schändeten.
4 Darum sprach er: Thut sie weit weg von mir,
ich habe kein Gefallen an ihnen!
5 Ihre[3] herrliche Schönheit war nichts vor Gott,
entehrt aufs Äußerste.
6 Die Söhne und Töchter in schimpflicher Gefangenschaft,
im Verschluß[4] ihr Hals, bloßgestellt[5] unter den Heiden.

[132]

7 Nach ihren Sünden hat er ihnen gethan,
daß er sie preisgab in der Sieger Hände
8 (denn mitleidslos hat er sein Antlitz von ihnen abgewandt)
jung und alt und ihre Kinder zumal,
weil sie zumal Böses gethan und nicht hören wollten.
9 So ward denn der Himmel unwillig, und das Land spie sie aus;
denn kein Mensch that darin, was sie thaten.
10 Und das Land erkannte[6] alle deine gerechten Gerichte, o Gott!
11 Sie machten Jerusalems Söhne zum Gespött wegen der ’Hurerei‘[7] in ihr
jeder, der des Weges zog, konnte hinein am lichten Tag.
12 Sie trieben Scherz mit ihrer Gottlosigkeit;
so, wie sie selbst gethan hatten am lichten Tag,
so stellte man[8] ihre Frevel zur Schau.
13 Und Jerusalems Töchter wurden entehrt nach deinem Richterspruch,
dafür, daß sie sich selbst befleckt hatten in greulicher Unzucht —
14 im tiefsten Innern thut es mir weh!
————
15 Ich gebe[9] dir recht, o Gott, mit aufrichtigem Herzen;
denn in deinen Gerichten waltet deine Gerechtigkeit, o Gott!
16 Denn du hast den Sündern[10] nach ihren Thaten vergolten
und nach ihren gar üblen Sünden,
17 hast ihre Sünden an den Tag gebracht, damit dein Gericht offenbar werde,
hast ausgelöscht ihr Andenken von der Erde.
18 Gott ist ein gerechter Richter und huldigt[11] keiner Person[12].
————
19 Heiden nämlich haben Jerusalem verhöhnt und zertreten;
ihre Schönheit ward vom stolzen Thron herabgezogen.
20 Sie mußte das Sackgewand anlegen statt des Ehrenkleids,
einen Strick um ihr Haupt statt des Kranzes,
21 nahm ab das herrliche Diadem, das Gott ihr aufgesetzt hatte:
entehrt [lag] ihre Zier, ward weggeworfen zur Erde.
————
22 Ich aber sah es und bat den Herrn eindringlich und sagte:
Laß genug sein, Herr, daß deine Hand auf Jerusalem lastet im Andrang der Heiden!
23 Denn sie haben ihr Spiel getrieben und nicht geschont in Zorn und grimmem Wüten
und sie werden [ihm] den Garaus machen[13], wenn nicht du, Herr, sie in deinem Zorne schiltst
24 Denn nicht im Eifer [für dich] haben sie gehandelt, sondern in [ihres] Herzens Lust,
um ihren Grimm über uns auszugießen in Plünderung.

[133]

25 Zögere nicht, Gott, ihnen auf [ihr] Haupt zu vergelten,
des Drachen Übermut in Schmach zu wandeln[14]!
––––
26 Es dauerte nicht lange, da stellte mir Gott seinen Übermut dar,
[ihn selbst] durchbohrt an den Bergen Ägyptens[15],
verachteter als der Geringste zu Land und zu Wasser,
27 seinen Leichnam umhergetrieben aus den Wogen in gewaltiger Brandung,
und niemand begrub ihn[16],
denn er gab ihn der Verachtung preis.
––––
28 Er hatte nicht bedacht, daß er ein Mensch war,
und hatte das Ende nicht bedacht,
29 hatte gemeint: Ich bin[17] der Herr von Land und Meer,
nicht erkannt, daß Gott groß ist,
stark in seiner gewaltigen Kraft.
30 Er ist König droben im Himmel
und richtet Könige und Reiche.
31 Er erhebt mich zur Herrlichkeit
und ’führt‘[18] die Hoffärtigen zum ewigen Verderben in Schmach,
weil sie ihn nicht erkannten.
––––
32 Nun denn, so seht, ihr Großen der Erde, aus des Herrn Gericht,
weil ein Großer König ist und ein Gerechter, der richtet den Erdboden!
33 Preiset Gott, die ihr den Herrn fürchtet in Einsicht,
denn des Herrn Erbarmen [äußert sich] gegen seine Verehrer beim Gericht,
34 daß er scheide zwischen Frommen und Gottlosen,
den Gottlosen ewig vergelte nach ihren Werken
35 und des Frommen sich erbarme gegenüber dem Drucke des Gottlosen
und dem Gottlosen vergelte, was er dem Frommen angethan.
36 Denn der Herr ist denen gnädig, die ihn in Geduld anrufen,
und handelt nach seinem Erbarmen an den ihm Ergebenen,
daß sie allezeit vor ihm stehen mögen in Kraft[19].
37 Gelobt sei der Herr in Ewigkeit angesichts seiner Knechte!

  1. Ein heidnischer Feind hat Jerusalem belagert und erobert; seine Krieger sind in ihren Kriegsschuhen bis zum Brandopferaltar vorgedrungen. Das ist die Strafe der Gottlosigkeit derer von Jerusalem selbst (V. 3.13; vgl. 1,8), bes. der vornehmen und üppigen (sadduzäischen) Priester (vgl. Opfer V. 3; Ansehen der Person V. 18). Jüdische Jünglinge und Jungfrauen werden gefangen weggeschleppt (V. 6), die Töchter Jerusalems entehrt (13). Aber dem Übermut des heidnischen Ungetüms folgt die Strafe auf dem Fuße. In Ägypten wird es erschlagen, sein Leichnam geschändet (V. 25 ff.). — Damit ist Anlaß und Zeit des Psalms von selbst gegeben. V. 26 ff. malen mit historischer Treue das Schicksal des Pompejus nach der Schlacht bei Pharsalus. Der heidnische Eroberer ist somit ebenfalls Pompejus, der nach Jos. Ant. XIV, 4,2 ff. im Jahre 63 v. Chr. den Tempelberg erstürmte und nach Ant. XIV, 4,4. Bell. Jud. I, 7,6 u. a. ins Heiligtum eindrang. Noch schlimmer als das, was Pompejus damit that, schien dem Verf. (V. 2), daß seine Soldaten den Brandopferaltar entweihten. — Der Ps. ist bald nach 48 v. Chr. gedichtet.
  2. Vgl. Jos. Ant. XIV, 4,2, wonach μηχαναὶ καὶ ὄργανα ἐκ Τύρου κομισθέντα, sowie πετροβόλοι dabei gebraucht wurden.
  3. Lies mit v. Gebh. αὐτῆς (vgl. V. 19); Wellhausen, Phar. u. Sadd. 133, tritt für αὐτοῦ ein, aber schwerlich mit zureichenden Gründen.
  4. ἐν σφραγῖδι kann (Wellh.) schwerlich heißen: im Ringe. σφρ. bedeutet Siegel und Siegelring, dann weiterhin auch (vgl. Hohesl. 8,6) Armring, aber als Schmuck, nicht als Fessel. Brandmal am Halse (Hilgf.) kann ebenfalls schwerlich die Bed. von ἐν σ. ὁ. τρ. sein. Man fasse σφρ. entweder in übertragener Bed. = Versiegelung, Verschluß, oder man denke an die im b. T. Sabb. 28a bezeugte Sitte, Halsband oder Kleid des Sklaven mit einem Siegel (Stempel) zu versehen.
  5. ἐν ἐπισήμῳ bedeutet 17,30 nach den meisten Erklärern am hervorragenden Orte (sc. τόπῳ), in der Hauptstadt = Rom (vgl. ἀνὴρ ἐπίσ.) Allein weder hier noch dort empfiehlt sich diese Deutung besonders. — Verlockend wäre die Möglichkeit, ἐπίσ. nach Gen. 30,42 = מְקֻשָּׁרִים‎, aber in der Bed. „gefesselt“ zu nehmen. Dann lautete V. 6b: „im Verschluß ihr Hals, gefesselt unter den H.“ Aber man erwartete mindestens ἐπίσημοι für ἐν ἐπισ. — So bleibt nur ἐπίσημον „Kennzeichen, Brandmal“. Denn „Schaustück“ (Wellh.) heißt das Wort nicht. — ἐν ἐπισ. ist dann entweder parallel mit ἐν αἰχμ. 6a (also „gebrandmarkt“) oder wohl besser (wegen 17,30) adverbiell „kenntlich, offenbar, bloßgestellt“. Hebr. etwa נׂכַח לַגּוׁׂיִם‎.
  6. Das Fut. erklärt sich lediglich aus hebr. Impf. וַתֵּדַע. Es handelt sich um Vergangenes; vgl. 8,8 und Wellh. 134.
  7. ἀντὶ πορνῶν = תחת (ה)זׂנוׂת, d. h. „um der Huren willen“, klingt recht hart. Man erwartet ein Abstraktum: „um der Hurerei willen.“ Demnach wird jedenfalls im hebr. Text ת' (ה)זְנוּת, viell. aber auch im griech. ἀ. πορνειῶν anzunehmen sein.
  8. Subjekt sind hier und in V. 11a die heidnischen Feinde. In 12a hingegen sind die von Jerusalem Subjekt. Was die Leute von Jerus. gethan hatten, wird ihnen von den Feinden vergolten (vgl. noch V. 13). Übrigens ist die Abteilung der Stichen hier sehr umstritten.
  9. Als Präsens im Sinne der hebr. Vorlage zu fassen; vgl. Anm. 1. — Zur Sache s. bei 17,10.
  10. Hier die Juden.
  11. Als Präsens im Sinne der hebr. Vorlage zu fassen; vgl. Anm. 1. — Zur Sache s. bei 17,10.
  12. „sieht die Person an“ = יִשָּׂא פָנׅים ist für θαυμάζειν πρόσωπον zu schwach. Der Ausdruck ist nach Hiob 32,21 f. gebildet und entspricht dem hebr. כנּה פ.
  13. V 23b kann nicht nach dem griech. Text, sondern nur nach dem hebr. Original übersetzt werden. συντελεσθήσονται = „sie werden vollendet werden“ giebt keinen Sinn; — όμεθα zu lesen ist willkürlich. Vielmehr erklärt sich der griech. Text aus der Doppelsinnigkeit des hebr. יכלו, das sowohl יׅכְלוּ = συντελεσθήσονται als יְכַלּוּ = συντελοῦσιν gelesen werden konnte. Ähnlich wird in V. 31 in κοιμίζων oder besser κομ. מוֹרׅיד stecken.
  14. Hier liegt derselbe Fall vor wie in Anm. 13 S. 132 (s. dort). Die Lesart τοῦ εἰπεῖν darf nicht in εἴκειν oder τρέπειν (Hilgf.) geändert werden. Vielmehr ist, wie Wellh. (Phar. u. Sadd. 133) erkannt hat, למר als Grundlage anzunehmen. Dasselbe konnte (fälschlich) לַמׂר = לֵאמׂר gelesen werden, während es als לְהֺמׅר = לָמׅר gedacht war.
  15. Vgl. Dio Cass. 42,3-5. In der That ist Pompejus auf seiner Flucht vor Cäsar beim ὄρος Κάσιον (mons Casius) in der Nähe von Pelusium ermordet worden. Er blieb eine Zeitlang unbestattet liegen.
  16. Vgl. Dio Cass. 42,3-5. In der That ist Pompejus auf seiner Flucht vor Cäsar beim ὄρος Κάσιον (mons Casius) in der Nähe von Pelusium ermordet worden. Er blieb eine Zeitlang unbestattet liegen.
  17. Vgl. S. 132 Anm. 9
  18. Hier liegt derselbe Fall vor wie in Anm. 13 S. 132 (s. dort). Die Lesart τοῦ εἰπεῖν darf nicht in εἴκειν oder τρέπειν (Hilgf.) geändert werden. Vielmehr ist, wie Wellh. (Phar. u. Sadd. 133) erkannt hat, למר als Grundlage anzunehmen. Dasselbe konnte (fälschlich) לַמׂר = לֵאמׂר gelesen werden, während es als לְהֺמׅר = לָמׅר gedacht war.
  19. d. h. unterstützt ihr Thun und ihre Bestrebungen.
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