Die Petroleum-Bohrwerke in Oelheim

Textdaten
<<< >>>
Autor: Alfred Schütze
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Petroleum-Bohrwerke in Oelheim
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 634–635
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[634]

Die Petroleum-Bohrwerke in Oelheim.

Von Alfred Schütze.

Ein öder, unwirthlicher Landstrich durchzieht den nordwestliche Theil Deutschlands. Bald sind es tiefe. unergründliche Moore; bald treffen wir trockenen, unfruchtbaren Sandboden, und nur mit Mühe und harter Arbeit vermag hier der Mensch der widerwilligen Erde einen schmalen Ertrag abzugewinnen. Vereinzelt finden wir wohl kleine Fichtenwaldungen, doch die Bäume bleiben niedrig und verkrüppeln; sonst ist, so weit wir schauen, nirgends ein schattiger Platz zu erspähen. Die Sonne sendet ihre heißen Strahlen herab; kein Windzug regt sich, und lautlose Stille herrscht ringsum. So ist das Bild der Lüneburger Haide. Kommt der Hochsommer, dann wird der Anblick wohl freundlicher für den Wanderer, den der Zufall einmal von dem lauten Treiben der großen Welt weit ab geführt hat. hier hinein in die Einsamkeit. Dann legen [635] die langgestreckten Hügel, die in sanfter Wellenform das Land durchziehen, ein festlich Gewand an; denn dann blüht die Erika und bedeckt die ganze Haide mit einem Purpurmantel. Geschäftige Bienen summen von Kelch zu Kelch und tragen emsig den Honig zusammen – die einzige Gabe vielleicht, die das Haideland freiwillig bietet. Aber nach kurzer Frist ist auch dieser poetische Hauch entschwunden; still und trübe liegen die verlassenen Fluren wieder da.

Jetzt nun kommt plötzlich eine überraschende Kunde aus jener öden, übel berufenen Haide; menschliche Kraft und Ausdauer schicken sich dort an, dem unfruchtbaren Boden Schätze abzuringen, deren Dasein man allerdings schon lange vermuthete, deren ergiebige Hebung aber der jüngsten Zeit vorbehalten blieb.

In dieser unwirthbaren Gegend, welche einen Theil der nordwestlichen Petroleumzone Deutschlands bildet, liegt, fünfundreißig Kilometer von Hannover entfernt, an der Hannover-Braunschweigischen Eisenbahn das Städtchen Peine. Ein guter Weg, zum größeren Theil Chaussee, führt uns von dort aus in nördlicher Richtung nach dem etwa acht Kilometer entfernten Oelheim, einer neu gegründeten Ansiedelung, in deren Nähe in jüngster Zeit Bohrversuche auf Petroleum angestellt werden. Schlank gewachsene Birken beschatten die Fahrstraße; rechts und links haben wir saftige grüne Wiesen und wogende Getreidefelder zur Seite; aus dunklem Lande schauen die Häuser wohlhabender Dörfer hervor – nichts gemahnt daran, daß wir uns am Rande der unfruchtbarer Haide befinden. Plötzlich aber ändert sich das Bild; der Boden wird trocken und sandig; statt des Weizens und der Wiesengräser sehen wir Haidekraut, und an Stelle der Linden und Buchen finden wir niedriges Nadelholz.

Bald umgiebt uns die stille Einsamkeit der Haide; ringsum scheint alles Leben erstorben; nicht einmal ein Vogel durchkreist die Lüfte. Da schlagen Töne an unser Ohr; wir hören den Schlag des Hammers, das Getöse der Fallwerke, das Knarren der Winden und das gleichmäßige Stampfen der Dampfmaschinen. Nun haben wir die Höhe eines Hügels erreicht und sehen einen großen Complex von Bauten vor uns liegen. Da ragen schlanke, eiserne Thürme hoch empor; neben ihnen stehen Pyramiden aus Holz gefügt, niedrige Schuppen mit eisernen Schloten, aus denen dichter schwarzer Ranch zum Himmel steigt, und endlich kleine hölzerne Häuser, welche Comptoire, Wohnungen und Schenken enthalten. Das ist Oelheim, das vielbesprochene deutsche Petroleum-Dorado, das Ziel zahlreicher, von Neugier oder Gewinnsucht getriebener Fremdem.

Ein reges Leben bekundet sich schon jetzt in der jungen Ansiedelung. Ueberall begegnen uns Arbeiter, in dunkle, öldurchtränkte Kleider gehüllt, welche die Maschinen und Pumpen bedienen, an den Fässern zimmern oder die Frachtwagen beladen; emsig hilft eine Hand der anderen. Die hauptsächlichsten Werke liegen auf einem Plateau von etwa einem Quadratkilometer Umfang. Hier wurden die Bohrungen anfänglich nach amerikanischem System betrieben. das heißt, man errichtete Thürme von 23 Meter Höhe aus zerlegbarem Schmiede-Eisen und wandte dann die Seilbohrung mit sogenannter Rutschscheere an, indem man den Apparat entweder durch Dampfmaschinen oder durch Menschenkraft in Bewegung setzte. Später ging man dazu über, mit festem Gestänge und Fabian’schem Freifall zu bohren, wozu nur Holzthürme von 17 Meter Höhe erforderlich sind. Die Bohrlöcher wurde dann mit eisernen Röhren ausgefüttert; zuerst benutzte man geschweißte Röhren, nimmt jetzt aber als geeigneter genietete Eisenblechröhren von 3 Millimeter Wandstärke, welche oben einen Durchmesser von 40 Centimeter haben, der sich nach unten verhältnismäßig verjüngt.

Bei den Bohrungen ergab sich nun folgende geologische Formation: Bis zu einer Tiefe von 10 Meter finden wir feine Sande, mit Findlingen (rothem Granit und Flintsteinen) durchsetzt. Dann folgen 7 Meter blaugraue diluviale Thone und 3 Meter blauer Thon mit Kalksteinschichten. Von 20 bis 35 Meter treffen wir Mergelthon, von 35 bis 40 Meter festes Gestein mit Quarzeinlagerungen, von 40 bis 48 Meter harten Sandsteinfelsen mit Schwefelkies. Hier zeigen sich auch die ersten Oelspuren. Von 48 bis 54 Meter waren in sandigem Thon bereits ansehnliche Quantitäten Petroleum vorhanden. In weiterer Tiefe weichen die Formationen sehr von einander ab, meistens aber stoßen wir auf porösen Sandstein schwarzen und braunen Sand, sowie besonders eine Kiesschicht, welche im reichsten Maße ölhaltig ist und in Amerika als „pebbles“ bezeichnet wird.

Sechs verschiedene Unternehmungen beschäftige sich gegenwärtig in Oelheim mit der Petroleumproduction. Davon sind zwei, eine deutsche und eine englische Gesellschaft, erst neu gebildet; ein Privatunternehmer Arnemann ans Hamburg hat ein Loch zu bohren angefangen, während ein Ingenieur Kleissen aus Bremen schon seit längerer Zeit arbeitet; er stieß vier Bohrlöcher, von denen zwei noch unvollendet, eins in Pumpbetrieb und eins außer Betrieb gesetzt sind. Die bedeutendsten Unternehmungen gehören aber der deutschen Petroleum-Bohrgesellschaft und der neugegründeten Oelheimer Actiengesellschaft, welche bekanntlich die dem Privatunternehmer A. M. Mohr gehörenden Werke übernahm. Die deutsche Petroleum-Bohrgesellschaft hat bisher zwanzig Bohrlöcher gestoßen, von denen gegenwärtig acht in Betrieb stehen, fünf noch in der Ausführung begriffen und stehen als verunglückt, beziehungsweise unbrauchbar zu betrachten sind. Außerdem besitzt die Gesellschaft ein Sammelbassin, welches 360,000 Liter (6000 Centner) Petroleum zu fassen vermag, eine Maschinen-Reparaturwerkstatt und einen großen Wasserthurm, der besonders zur Bekämpfung etwaiger Feuersgefahr dienen soll. Das gewonnene Petroleum wird vermittelst einer kräftigen Dampfpumpe in einer zehn Kilometer langen Röhrenleitung nach Peine direct in eine der Gesellschaft gehörige Raffinerie übergeführt. Die tägliche Production auf diesen Werken schwankt zwischen 55 und 60 Barrels.

Das meiste Interesse nehmen die Bohrungen auf dem ehemals Mohr'schen Terrain (vergl. Abbildung S. 633) in Anspruch; denn dort wurde, wie man behauptet, in den letzten Tagen des Juli die große sogenannte „Springquelle“ erschlossen und durch diese Nachricht zuerst die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die Unternehmungen in Oelheim hingelenkt. Mohr hat bisher vier Bohrlöcher angelegt; davon hat das erste eine Tiefe von 90 Metern: das zweite ist 70 Meter tief, das dritte 69 Meter und das vierte 68 Meter. Mit dem dritten Bohrloche wurde die Springquelle erschlossen, welche man deshalb so benannte, weil im Anfange die unterirdischen Gase einen so starken Druck ausübten, daß das mit Wasser vermengte Petroleum in einem dicken Strahle oben aus der Röhre herausgetrieben wurde.[1]

Die aus diesem Bohrloch (vergl. Abbildung S. 633) gewonnene Flüssigkeit wird zunächst in ein großes Bassin geleitest in welchem das schwerere Wasser hinabsinkt und durch eine Oeffnung am Boden des Bassins abfließt, während das leichte Oel oben schwimmt und einem anderen Behälter zugeführt wird. Vom Wasser befreit zeigt das Oel nun eine glänzende grüne Farbe und geht, um sich von etwaigen Erdtheilen zu befreien noch in ein drittes Bassin, aus welchem es vermittelst einer Handpumpe in die Fässer gefüllt und dann zur Raffinerie nach Hemelingen bei Bremen befördert wird.

Schließlich mag noch ein Wort über den Betrieb der Bohrwerke gesagt werden. Die Bohrungen selbst erfordern eine Mannschaft von einem Bohrmeister, einem Schlosser und sieben Arbeitern; dagegen besteht das Betriebspersonal für die Pumpe an jedem Werk nur aus zwei Mann. Als Antrieb der Pumpe genügen zwei Pferdekräfte, sodaß eine kleine Locomobile leicht zwei nicht zu entfernt von einander liegende Pumpen bewegen kann.

Hiermit können wir unsere Mittheilungen über die Unternehmungen in Oelheim schließen. Allerdings befindet sich die junge Industrie, welche sich dort entwickelt, noch auf den ersten Stufe des Werdens, aber die Forschungsversuche sind gelungen, und die Möglichkeit weiterer Erfolge ist keineswegs ausgeschlossen



  1. Ueber die Menge und die Beschaffenheit des Petroleums, welches aus diesem Bohrloch Nr. 3 der Oelheimer Actiengesellschaft gewonnen wird, sind zwar vielfache Angaben in die Oeffentlichkeit gedrungen; die Glaubwürdigkeit derselben ist jedoch von den verschiedensten Seiten so scharf angegriffen worden, daß wir dieselben mit Stillschweigen übergehen müssen. Hoffentlich wird bald eine Sachverständigen-Commission die sich nach Oelheim begeben soll, in das Dunkel, welches leider über dieser wichtigen Frage schwebt, das erwünschte Licht bringen.
    D. Red.