Die Pariser Straßen-Astronomen

Textdaten
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Titel: Die Pariser Straßen-Astronomen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 463–464
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[463] Die Pariser Straßen-Astronomen. Es giebt in Paris vier Individuen, die den gestirnten Himmel ausbeuten, um sich auf der Erde schlecht und recht fortbringen zu können. Der Eine pflanzt sein Teleskop auf dem Concordienplatz, der Zweite auf dem Vendomeplatz, der Dritte auf dem Bastilleplatz und endlich der Vierte auf dem Pont-neuf dicht an der Reiterstatue Heinrich’s des Vierten auf. Der Gelehrteste unter ihnen ist der Astronom auf dem Vendomeplatz. Ein verfehlter Kopernicus, ist er im Innersten zerknirscht darüber, daß er nicht, wie Leverrier, Director des Observatoriums ist und im Senate Sitz und Stimme hat. Er kennt das Firmament sehr genau und weiß mit vieler Geschicklickkeit die Sonne, den Mond und die Planeten auf dem Asphalt des schönen Platzes zu zeichnen. Dabei vergißt er nicht die Größe, die Dauer der Umwälzung eines jeden Sternes um sich selbst und die Entfernung desselben von der Sonne unter die Figuren zu schreiben. Der heiterste und gesprächigste unter ihnen ist der Astronom auf dem Pont-neuf. Er war früher Schreiner und wohnte auf der Höhe von Montmartre. Das Glück kehrte seiner Hobelbank beständig den Rücken zu, und es schien ihm auch, als ob er seinen Beruf verfehlt hätte, als ob er zu etwas Besseren, bestimmt worden wäre. Eines Abends nun, als er, aus der Weinschenke nach Hause kehrend, ein gewaltiges Meteor wie eine glühende Bombe den Horizont durchfliegen sah, entschloß er sich, der Schreinerei zu entsagen und sich der Sternkunde zu widmen. Schon am folgenden Morgen verkaufte er seine Hobelbank, seine [464] Hobel, seine Sägen und seinen Holzvorrath, und mit dem Erlös seiner Siebensachen schaffte er sich ein Teleskop an und stellte dasselbe hinter das eherne Pferd, auf welchem der eherne König Heinrich der Vierte sitzt. Aber ach! das Glück, das ihm in der Tischlerwerkstatt so abhold war, hat ihm auch in seiner astronomischen Laufbahn nicht lächeln wollen, und seine Hoffnung, wenigstens einen einzigen, wenn auch ganz kleinen Planeten zu entdecken, ist bis jetzt noch nicht in Erfüllung gegangen.

Die Pariser Straßen-Astronomen verdienen höchstens vier bis fünf Franken an einem Abend; denn die Pariser Bevölkerung hat so viele andere Ausgaben, daß sie keine drei Sous wagen will, um die ausgebrannten Vulcane und ausgetrockneten Seen im Monde, oder die vier Trabanten des Jupiter kennen zu lernen. Der Himmel selbst macht auch gar zu häufig diesen Astronomen einen Strich durch die Rechnung; denn bei schlechter Witterung, die nicht selten gerade dann eintritt, wenn der arme Teufel sein Instrument aufgestellt hat, verdient er keinen rothen Heller und muß sein Teleskop und das Gestell unverrichteter Dinge wieder nach Hause schleppen. Nur wenn eine Sonnen- oder Mondfinsternis bei heiterer Witterung stattfindet, oder wenn sich ein Komet sehen läßt, wird die Einnahme etwas beträchtlich. Allein solche Erscheinungen sind leider selten, und so gehört die Pariser Straßen-Astronomie zu den brodlosen Künsten. Ein Teleskop kostet tausend bis zwölfhundert Franken, und es bringt jährlich ungefähr so viel ein wie es kostet. Das ist auch die Ursache, warum die Zahl der Pariser Straßen-Astronomen so gering ist. Dieselben müssen, beiläufig gesagt, von der Polizei Präfectur zur Aufstellung ihrer Instrumente autorisirt sein. Das ist indeß eine Gunst, welche nur auf besondere Empfehlung erlangt wird.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß die gelehrten Mitglieder des französischen Instituts mit einer gewissen Verachtung auf die Straßen-Astronomen herabsehen; es ist aber auch gewiß, daß diese vor den Gelehrten des Observatoriums keine sonderliche Hochachtung hegen. Der Astronom auf dem Pout-neuf nennt Leverrier einen Farceur und zuckt lächelnd die Achsel, wenn er von Babinet spricht. „Alles in diesem Leben kommt auf Zufall an,“ sagte er mir einst, indem er aus seiner kurzen Thonpfeife die Wolken seines Caporals dampfen ließ; „Alles kommt auf Zufall an; allein der Zufall ist dumm, sonst säße ich im Institut, Herr Leverrier aber, wenn er Schreiner geworden wäre, stünde gewiß noch an der Hobelbank.“