Die Offenbarung Johannis/Kap. 8-9. Die ersten sechs Posaunen

« Kap. 7-8,1. Intermezzo und siebentes Siegel Wilhelm Bousset
Die Offenbarung Johannis
Kap. 10. Das Intermezzo. Einleitung »
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III. Die Sieben-Posaunen-Vision. Kap 8,2-11,19.
A. Die ersten sechs Posaunen. Kap. 8-9.
8,2-6. Die Vorbereitung. 8,2. καὶ εἶδον τοὺς ἑπτὰ ἀγγέλους, οἳ ἐνώπιον τοῦ θεοῦ ἑστήκασιν. Nicht sieben beliebige Engel sind gemeint, sondern wie der Artikel zeigt, die sieben bekannten Engel. Die Vorstellung von sieben höchsten Engeln findet sich bereits Tobit 12,15: ἐγώ εἰμι Ῥαφαὴλ, εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἁγίων ἀγγέλων, οἳ προσαναφέρουσιν τὰς προσευχὰς τῶν ἁγίων καὶ εἰσπορεύονται ἐνώπιον τῆς δόξης τοῦ ἁγίου. (Vgl. Lk 1,19 ἐγώ εἰμι Γαβριὴλ ὁ παρεστηκὼς ἐνώπιον τοῦ θεοῦ[1].) Die Namen der sieben Engel werden Hen 20 im griechischen Text aufgezählt. (Der äthiopische Text zählt nur sechs.)[2] Auch im Pastor Hermae ist die jüdische Lehre von den sieben Erzengeln einfach herüber genommen, wenn Christus, der hier etwa an Stelle Michaels tritt, so häufig umgeben von sechs Engeln (Jünglingen) erscheint. Visio III 4 οὗτοί εἰσιν οἱ ἅγιοι ἄγγελοι τοῦ θεοῦ οἱ πρῶτοι κτισθέντες, οἷς παρέδωκεν ὁ κύριος πᾶσαν τὴν κτίσιν αὐτοῦ. Similitudo IX 3. 12 u. ö. (Vgl. Clemens Alexandrinus, Stromat. VI 16, Potter 812: ἑπτὰ μέν εἰσιν οἱ τὴν μεγίστην δύναμιν ἔχοντες πρωτόγονοι ἀγγέλων ἄρχοντες). — Es ist nun im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die jüdische Sieben-Erzengellehre aus einer polytheistischen Religion stamme, in der man sieben höchste Gottheiten verehrte. In der spätbabylonischen Religion aber[292] haben jedenfalls die sieben planetarischen Gottheiten eine große Rolle gespielt. Dorther wird also — vielleicht unter Vermittelung der persischen Theologie in welcher Ahura Mazda umgeben von sechs (resp. sieben) Ameshas-Spentas erscheint, die jüdische Lehre stammen. So erklärt sich auch das Schwanken in der Angabe der Zahl der höchsten Engel. Bei der Herübernahme jenes polytheistischen Dogmas verfuhr man nämlich entweder so, daß man Gott als einen von den Sieben ansah und dann die übrigen sechs ihm völlig unterordnete, oder so, daß man sämtliche Sieben als die Untergebenen des über ihnen stehenden Gottes ausfaßte[3]. — Diese Herübernahme hat sich übrigens schon in verhältnismäßig früher Zeit vollzogen. Denn es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß auch die sechs linnengekleideten Männer im neunten Kapitel des Ezechiel, zu denen sich der siebente mit dem Schreibgerät gesellt, in diesen religionsgeschichtlichen Zusammenhang hineingehören[4]. — Nach alledem gehört die Lehre von den sieben Erzengeln[5] in dieselbe Reihe mit den Vorstellungen von den sieben Geistern vor Gottes Thron, den sieben Sternen, den sieben Augen Gottes (des Lammes), den sieben Fackeln vor Gottes Thron. In ihr liegt die dem jüdischen Geist am meisten entsprechende Umwandelung des babylonischen Polytheismus vor. Vgl. das zu 1,4 Bemerkte; Gunkel, Schöpfung u. Chaos 294-302; z. religionsgesch. Verst. d. N. T. 40-42; Bousset, Rel. d. Judentums 319f.; H. Zimmern, Keilinschriften u. d. alte Testament³ 625. — Für den Apok. freilich waren natürlich die sieben Engel etwas ganz andres als die sieben Geister; ihrer ursprünglichen Identität war er sich nicht mehr bewußt. καὶ ἐδόθησαν αὐτοῖς ἑπτὰ σάλπιγγες. Die Posaunen spielen häufig eine Rolle beim letzten Gericht. I Kor 15,52; I Th 4,16; Mt 24,31; IV Esr 6,23 (Hltzm.) Apok. Mosis (Βίος Ἀδάμ) Kap. 22: ἠκούσαμεν τοῦ ἀρχαγγέλου Μιχαὴλ σαλπίζοντος. Vgl. Bousset, Antichrist S. 166. 8,3. καὶ ἄλλος ἄγγελος (ein andrer, diesmal nicht näher bestimmter Engel) ἦλθεν καὶ ἐστάθη ἐπὶ τοῦ θυσιαστηρίου[6] (s. o. S. 166; er trat auf den Altar) ἔχων λιβανωτὸν χρυσοῦν. Mit dem Altar, der von dem im folgenden genannten θυσιαστήριον χρυσοῦν offenbar unterschieden wird, ist der große Brandopferaltar gemeint. (Über die beiden Altäre vgl. Ex 27,1-7 u. 30,1-10.) Es wäre auch ein unschönes Bild, wenn man sich den Engel auf dem kleinen Rauchopferaltar stehend denken müßte. Der Seher denkt sich also ohne weiteres eine vollständige Tempelszenerie im Himmel.[293] λιβανωτός bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch den Weihrauch. Hier aber an dieser Stelle kann mit λιβανωτός gar nichts anders als die Räucherpfanne gemeint sein, die dazu bestimmt war, die zum Räuchern notwendigen Kohlen vom Brandopferaltar zum Rauchopferaltar zu bringen (Sp.). Die sonst beliebte Erklärung „Räucherbüchse“ scheitert an V. 5[7]. Die zum Räuchern gebrauchte Kohlenpfanne scheint also den Namen λιβανωτός gehabt zu haben. Dieselbe heißt sonst in der LXX πυρεῖον (הַמַּחְתֺּה) Ex 27,3; 38,3. Sie ist allerdings nach Ex 38,3 von Kupfer, aber I Kön 7,50 kommt auch eine goldne Pfanne vor. καὶ ἐδόθη (beachte den Singular!) αὐτῷ θυμιάματα πολλά. Das Opfer vollzieht sich hier nicht nach Analogie des gewöhnlichen alttestamentlichen Kultus, da hier von derselben Person, welche die Kohlen geholt hat, auch das Rauchopfer dargebracht wird, so daß dies Opfer in Analogie mit dem des großen Versöhnungstages tritt (Sp. 325); vgl. Lev 16,12: καὶ λήμψεται (sc. Aaron) τὸ πυρεῖον πλῆρες ἀνθράκων πυρὸς ἀπὸ τοῦ θυσιαστηρίου τοῦ ἀπέναντι κυρίου καὶ πλήσει τὰς χεῖρας θυμιάματος – καὶ εἰσοίσει ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος. Num 16,46: λαβὲ τὸ πυρεῖον καὶ ἐπίθες ἐπ’ αὐτὸ πῦρ ἀπὸ τοῦ θυσιαστηρίου (Lev 10,1). Von einem Eingang ins Allerheiligste ist hier allerdings nicht die Rede. ἵνα δώσῃ[8] ταῖς προσευχαῖς τῶν ἁγίων πάντων ἐπὶ τὸ θυσιαστήριον τὸ χρυσοῦν τὸ ἐνώπιον τοῦ θρόνου. Tob 12,12: ἐγὼ προσήγαγον τὸ μνημόσυνον τῆς προσευχῆς ὑμῶν ἐνώπιον τοῦ ἁγίου (Hen 9,2ff.; 15,2; 40,6; 47,1f.; 104,1; vgl. schon Sach 1,12). In dem ταῖς προσευχαῖς liegt ein gut griechischer Dativ der Beziehung vor. Die Heiligen, deren Gebete[9] durch das Opfer des Engels unterstützt werden sollen, sind, weil „πάντες“ dabeisteht, die Gläubigen überhaupt, nicht die Märtyrer von 6,9ff. allein. Diese Unterstützung der Gebete der Gläubigen widerspricht der Versiegelung in 7,4ff. nicht, denn hier handelt es sich nicht um die Bewahrung der Gläubigen vor den Plagen, sondern um die baldige Herbeiführung des Endes und der Strafen für die ungläubige Welt (vgl. V. 5). Mit dem goldenen Altar, der vor Gott steht, ist der Rauchopferaltar gemeint, der Num 4,11 der goldne Altar genannt wird. Der Ausdruck soll der alttestamentlichen Ausdruckweise הַמִּזְבֵּחַ מִלִּפְנֵי יְהֹוָה (Lev 16,12; 4,7.18. I Kön 9,25; Ez 41,22) entsprechen. Weil der Apok. aber vorher in der großen Szene von Kap. 4 den Thron Gottes mit seiner Umgebung gezeichnet hat, so sagt er in der Erinnerung daran ἐνώπιον τοῦ θρόνου, ohne zu überlegen, daß er bei einer solchen Verbindung der beiden Szenerien einen unvorstellbaren Widerspruch hervorbringt. 9,13 steht dagegen τοῦ θυσιαστηρίου τοῦ χρυσοῦ τοῦ ἐνώπιον τοῦ θεοῦ und gleich in dem hier folgenden Vers (8,4) τοῦ ἀγγέλου ἐνώπιον τοῦ θεοῦ.

[294] Es ist jedenfalls sicher, daß der Apok. sich 8,3ff. eine vollständige Tempelszenerie im Himmel denkt. Er unterscheidet zwischen einem θυσιαστήριον und einem θυσιαστήριον χρυσοῦν ἐνώπιον τοῦ θεοῦ. Er kennt also zwei Altäre, und 11,19; 14,17; 15,5f.8; 16,17 werden ausdrücklich Tempel und Allerheiligstes von ihm erwähnt. Nach dem hier geschilderten Opfervorgang ist es außerdem deutlich, daß mit dem ersten Altar der Brandopferaltar vor dem Heiligtum, mit dem zweiten der Rauchopferaltar im Heiligen gemeint ist, der auch Num 4,11 das Beiwort τὸ χρυσοῦν führt. Diese vollständige Tempelszenerie ist nun aber neben der Szenerie in Kap 4 nicht gut vorstellbar. Phantastisch sind jedenfalls die Versuche von Züll., Hgstb., Ebr. (Klief.), die beiden Schilderungen mit einander auszugleichen und in ein Bild einzutragen, dadurch, daß man die Szene in Kap. 5 in das Allerheiligste versetzt. Denn wie will man sich denken, daß der Seher Gott in dem noch verschlossenen Allerheiligsten (11,19; 15,8) sehen kann! (Vgl. Sp. 88. 89). Man könnte nun entweder annehmen, daß der Apok. die Bilder wechseln läßt, ohne dies ausdrücklich anzugeben. Möglich ist es auch, daß er sich überhaupt keine Gedanken über das Nebeneinander der verschiedenen Vorstellungen macht. Dafür spricht, daß er bereits 6,9ff. ein θυσιαστήριον (Brandopferaltar) im Himmel als etwas Selbstverständliches erwähnt. Jedenfalls aber hat er sich den vorauszusetzenden Tempel im Himmel und nicht auf Erden gedacht (gegen B. Weiß). Auch die Meinung Sp.s, daß hier in der ursprünglichen Vision I der Tempel auf Erden[10] gesehen sei, scheitert an V. 5. Überhaupt erscheint es mir nicht irgendwie notwendig, auf Grund des Wechsels in den szenischen Verhältnissen Kap. 4-6 und 8-9 von einander zu trennen. Auch J. Weiß, S. 73, sieht hier keine zur Quellenscheidung nötigende Schwierigkeit.

8,4. καὶ ἀνέβη ὁ καπνὸς τῶν θυμιαμάτων ταῖς προσευχαῖς τῶν ἁγίων (Dat. Commodi: der Rauch stieg auf zu Gunsten der Gebete der Heiligen) ἐκ χειρὸς τοῦ ἀγγέλου ἐνώπιον τοῦ θεοῦ. Das ist mit Rücksicht auf des Engels augenblickliche Stellung vor dem Räucheraltar gesagt. Wenn B. Weiß aus dem ἀνέβη schließen will, daß der Apok. sich die vorliegende Szene auf Erden gedacht habe, so muß dagegen die Frage erhoben werden, was denn im andern Fall für ein andres Prädikat bei ὁ καπνός erwartet werden könnte. 8,5. καὶ εἴληφεν (präsentisches Perfekt, B. Weiß) ὁ ἄγγελος τὸν λιβανωτόν. Jedenfalls ist hier der λιβανωτός als Kohlenpfanne gedacht. Die hier sich vollziehende Handlung gehört übrigens nicht mehr zur Opferhandlung, sondern ist ein Akzidenz derselben. Man darf daher nicht nach alttestamentlichen Parallelen suchen. καὶ ἐγέμισεν αὐτὸ ἐκ (s. o. S. 167) τοῦ πυρὸς τοῦ θυσιαστηρίου καὶ ἔβαλεν εἰς τὴν γῆν (s. o. S. 168). Wie immer in der Apk „auf die Erde“; hierdurch wird es sicher, daß der Standort des Engels im Himmel ist. In der parallelen Stelle Ez 10,2 streut der Engel vom irdischen Tempel aus die Kohlen[295] über die Stadt Jerusalem. Aber diese Vorstellung liegt hier eben nicht vor. Objekt des Werfens ist nicht das Räucherfaß, sondern (aus dem Vorhergehenden zu ergänzen) die Kohlen, mit denen es angefüllt war (Ez 10,2). καὶ ἐγένοντο βρονταὶ καὶ φωναὶ καὶ ἀστραπαὶ καὶ σεισμός[11]. Wie (11,19) 16,18 tritt hier anders als 4,5 als viertes Glied das Erdbeben hinzu. Diese Erscheinungen sind dann verständlich, wenn der Engel vom Himmel herunter die Kohlen gießt, aber nicht, wenn sie vom Tempel in Jerusalem aus geworfen werden. 8,5 ist gleichsam das Vorspiel zu den nun folgenden Posaunenplagen. 8,6. καὶ οἱ ἑπτὰ ἄγγελοι οἱ ἔχοντες τὰς ἑπτὰ σάλπιγγας ἡτοίμασαν αὐτοῦς (s.o.S. 165), ἵνα σαλπίσωσιν. Mit Recht hebt J. Weiß 73 den stimmungsvollen Charakter des kleinen Abschnittes hervor. 8,7-12. Die ersten vier Posaunen. 8,7. καὶ ὁ πρῶτος[12] ἐσάλπισεν· καὶ ἐγένετο χάλαζα καὶ πῦρ μεμιγμένα (ον)[13] ἐν (s. o. S. 167) αἵματι. Vgl. 15,2. Die Schilderung ist nach Analogie der vierten ägyptischen Plage entworfen. Auch dort ist von Hagel und Feuerregen die Rede (vgl. Ex 9,24: χάλαζα καὶ τὸ πῦρ φλογίζον ἐν τῇ χαλάζῃ. Ps LXX 17,13: χάλαζα καὶ ἄνθρακες πυρός. Sib. V. 377: π͂υρ γὰρ ἀπ ̓ οὐρανίων ... βρέξει ... πῦρ καὶ αἷμα. Daß Blut mit Feuer und Hagel untermischt erscheint, stammt vielleicht aus der ersten ägyptischen Plage Ex 7,19ff. καὶ ἐβλήθη εἰς τὴν γῆν (s.o.S. 168), καὶ τὸ τρίτον τῆς γῆς κατεκάη, καὶ τὸ τρίτον τῶν δένδρων κατεκάη, καὶ πᾶς χόρτος χλωρὸς κατεκάη. Zur Hervorhebung der Bäume vgl. 7,1.3; IV Esra 5,8. 8,8. καὶ ὁ δεύτερος ἄγγελος ἐσάλπισεν· καὶ ὡς ὄρος μέγα πυρὶ καιόμενον ἐβλήθη εἰς τὴν θάλασσαν· καὶ ἐγένετο τὸ τρίτον τῆς θαλάσσης αἷμα. Es ist nicht an einen Berg zu denken, der ins Meer stürzt, sondern eine feurige Masse an Größe einem Berg vergleichbar (ὡς) fällt vom Himmel herab ins Meer. Zu der Vorstellung von brennenden Bergen (Gestirnen) vgl. Hen 18,13f.; 21,3; 108,4. Was die Wirkung dieser Plage betrifft, so liegt hier offenbar eine Parallele zu der ersten ägyptischen Plage vor Ex 7,20ff. Undeutlich aber bleibt es, inwiefern hier Ursache und Wirkung zusammenhängen. Es scheinen hier verschiedene Vorstellungen vermischt zu sein (s. u. V. 10f.). 8,9. καὶ ἀπέθανεν τὸ τρίτον[14] τῶν κτισμάτων τῶν[15] ἐν τῇ θαλάσσῃ[16] τὰ ἔχοντα ψυχάς[17]. Der Nominativ schließt sich hier wie so oft in der Apk ganz konstruktionslos an. καὶ τὸ[296] τρίτον τῶν πλοίων διεφθάρησαν[18]. Die Plage betrifft also das Meer, sowohl die Geschöpfe, welche im Meer leben, als auch die auf dem Meere fahrenden Menschen. Der unregelmäßige Plural des Verbums rührt daher, daß es von τρίτον getrennt unmittelbar bei τῶν πλοίων steht. 8,10. καὶ ὁ τρίτος ἄγγελος ἐσάλπισεν· καὶ ἔπεσεν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀστὴρ μέγας καιόμενος ὡς λαμπάς. An einen zu seiner Bestrafung vom Himmel geworfenen Stern (Jes 14,12) ist nicht zu denken; übrigens ist natürlich ein wirklicher Stern und kein Meteor oder Komet gemeint. Zu beachten ist vielleicht, daß auch in der persischen Eschatologie die große Endkatastrophe mit dem Herabfallen des Sternes Gôkîhar (Bundehesh 30,18.31) eingeleitet wird. καὶ ἔπεσεν ἐπὶ τὸ τρίτον τῶν ποταμῶν καὶ ἐπὶ τὰς πηγὰς τῶν ὑδάτων. Man wird annehmen müssen, daß nach der Vorstellung des Apok. der Stern zersprühend nach allen Richtungen hin aus einander gestoben ist. Die dritte Plage trifft nun die übrigen Gewässer mit Ausnahme des Meeres. 8,11. καὶ τὸ ὄνομα τοῦ ἀστέρος λέγεται ὁ[19] (s. o. S. 175) ἄψινθος. Der Stern „Wermuth“ wird mit einem seiner Wirkung entsprechenden Namen bezeichnet. Das Maskulinum ist gewählt, weil ἀστήρ Maskulinum ist. καὶ ἐγένετο τὸ τρίτον τῶν ὑδάτων εἰς ἄψινθον. Demnach waren in 8,10 nicht alle Wasserquellen gemeint. καὶ πολλοὶ τῶν ἀνθρώπων ἀπέθανον ἐκ (Winer § 44 S. 344) τῶν ὑδάτων, ὅτι ἐπικράνθησαν (s. o. S. 165). Gegen diese Darstellung erhebt sich das Bedenken, daß der Wermut (vgl. Winer R. W. B. s. v.) kein tötliches Gift ist. Dstd. löst die Frage mit dem Hinweis auf die Übernatürlichkeit dieses Wermuts, aber weshalb ein übernatürlicher Wermut giftig sein soll, wenn es der natürliche nicht ist, ist nicht recht einzusehen. Übrigens wird der Wermut bereits Jer 9,14; 23,15 für Gift gehalten (לַעֲנָה in Parallele mit מֵי־רֹאש). Man mag also wohl von seiner Giftigkeit allgemeiner überzeugt gewesen sein. Vgl. IV Esr 5,9; et in dulcibus aquis salsae invenientur (Sp.), und wiederum die erste ägyptische Plage. 8,12. καὶ ὁ τέταρτος ἄγγελος ἐσάλπισεν· καὶ ἐπλήγη τὸ τρίτον τοῦ ἡλίου καὶ τὸ τρίτον τῆς σελήνης καὶ τὸ τρίτον τῶν ἀστέρων (Parallelen s. zu 6,12ff), ἵνα σκοτισθῇ τὸ τρίτον αὐτῶν „καὶ ἡ ἡμέρα μὴ φάνῃ[20] (oder φανῇ Schmiedel 13,12) τὸ τρίτον αὐτῆς“[21] καὶ ἡ νὺξ ὁμοίως. Eine seltsame naive Anschauung! Dadurch daß die Gestirne um ein Dritteil ihres Lichtinhalts geschädigt sind, ist der Tag um ein Dritteil seines Lichtes beraubt und ebenso die Nacht. Denn an die Intensität des Lichtes kann bei dem „μὴ φάνῃ τὸ τρίτον αὐτῆς“ nicht gedacht werden, sondern nur an die Zeitdauer. Die Gestirne werden etwa als Fackeln gedacht, die in einer bestimmten Zeit herunterbrennen vgl. Am 8,9. Beachte auch die Analogie zur vierten ägyptischen Plage.

[297] Die vier ersten Plagen haben nach einander Erde, Meer, Gewässer und Gestirne betroffen, es ist kein Zufall, daß im folgenden eine Plage aus dem Abgrund aufsteigt, so daß dann wieder die vier Regionen der Welt beisammen sind.

8,13. Der erste Adler-Ruf. καὶ εἶδον καὶ ἤκουσα (5,11; 6,1) ἑνὸς (9,13; 18,21; 19,17) ἀετοῦ[22] πετομένου ἐν μεσουρανήματι λέγοντος φωνῇ μεγάλῃ. Der Adler fliegt am Zenith (14,6; 19,17); μεσουρανεῖν bezeichnet nämlich das Stehen der Sonne in ihrer Mittagshöhe, μεσουράνημα ist dann das Wort, das diesen Standpunkt der Sonne bezeichnet. Der Adler ist hier als der gewaltige und furchtbare Vogel zum Träger des mächtigen Weherufs gewählt. Der Adler als Bote kommt auch in der Apok Bar 77,19ff vor. οὐαὶ οὐαὶ οὐαὶ τοὺς κατοικοῦντας[23] ἐπὶ τῆς γῆς (die Irregularität des Akk. ist gänzlich unerklärlich; anders B. Weiß) ἐκ (vgl. 8,11) τῶν λοιπῶν φωνῶν τῆς σάλπιγγος[24] (der Singular ist generell zu fassen; in der Übersetzung ist σάλπιγξ eng zu φωνῶν zu ziehen: Posaunenstöße) τῶν τριῶν[25] ἀγγέλων τῶν μελλόντων σαλπίζειν. Dieser Weheruf trennt die ersten vier Posaunen von den folgenden drei. Mit der Zählung der folgenden Weherufe kommt der Apok. allerdings ins Gedränge. Regelrecht notiert er 9,12 nach der fünften Posaune den Ablauf des ersten Wehes. Da er jedoch zwischen die sechste und siebente Posaune 10,1-11,13 einschiebt, so wird das Ende des zweiten Weherufes erst 11,14 notiert. Und da endlich die siebente Posaune kein eignes Wehe bringt, so wird das dritte Wehe überhaupt nicht erwähnt. Doch mag man es immerhin 12,12 finden. Achtet man nun noch darauf, daß die Schilderungen der fünften und sechsten Posaune einen vollkommen andern Stil zeigen als die sehr stereotyp gehaltenen der ersten vier, so drängt sich die Vermutung aus, daß der Apok. ein fremdes apokalyptisches Fragment von den drei Wehen hier nur zum Teil in seinem corpus apocalypticum verarbeitet habe. Der Symmetrie wegen hätte er dann — allerdings nicht zu gunsten der Straffheit der Komposition — aus den drei Wehen die sieben Posaunenplagen gemacht (vgl. J. Weiß 75f.). Ob das hier anzunehmende Fragment mit einem der übrigen in der Apk verarbeiteten in Beziehung gestanden habe, wird sich kaum ausmachen lassen.


9,1-12. Die fünfte Posaune. 9,1. καὶ ὁ πέμπτος ἄγγελος ἐσάλπισεν, καὶ εἶδον ἀστέρα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ πεπτωκότα εἰς τὴν γῆν. Der Stern ist hier als persönliches Wesen gedacht. Über die Personifikation der Gestirne und ihre Auffassung als Engel vgl. das zu 1,4 und 8,2 Bemerkte, ferner Religion d. Judentums 315. Wenn im folgenden dem auf die Erde fallenden Stern ein Schlüssel in die Hand gegeben wird, so wird sich der Apok. denselben wohl in menschlicher Gestalt vorgestellt haben. Ganz ähnlich sind die vom Himmel fallenden Sterne Hen 86,1ff.; 88,1 in Tiergestalt gedacht[298] (vgl 88,3; 90,21.24, ferner 18,16; 21). Wie der Apok. sich die Verwandlung gedacht hat und wann er dieselbe eintreten läßt, kann kaum gefragt, jedenfalls nicht beantwortet werden. — Nicht ganz deutlich ist es, ob der Stern vom Himmel gesandt, oder ob er herabgeworfen wird. Das erstere ist wahrscheinlich, da er doch im folgenden im Auftrag Gottes handelt. καὶ ἐδόθη αὐτῷ ἡ κλεὶς τοῦ φρέατος τῆς ἀβύσσου. ἄβυσσος (LXX) ist = תְּהוֹם, ursprünglich einfach die Tiefen der Erde Gen 1,2; 7,11; dann der Aufenthalt der Abgeschiedenen Ps LXX 70,21 (ἐκ τῶν ἀβύσσων τῆς γῆς πάλιν ἀνήγαγές με); Ps 107,26; Röm 10,7; endlich wie hier (11,17; 17,8) die Wohnstätte höllischer Geister. Auch Hen 10,4.12 werden die abgefallenen Engel vorläufig in finstern Löchern unter der Erde gefesselt (vgl. Gebet Manasse V. 13 μηδὲ καταδικάσῃς με ἐν τοῖς κατωτάτοις τῆς γῆς). Der Sitz des Satans wird freilich in einem gewissen Widerspruch mit dieser Vorstellung 12,8f. noch im Himmel gedacht. Zur Vorstellung von dem Wächter der Abyssus vgl. II Hen 42,1: „Ich sah jene, welche die Schlüssel bewahren und die Torwächter der Hölle sind, stehend wie große Schlangen und ihre Gesichter waren wie qualmende Lampen und ihre Augen schrecklich und ihre Zähne sehr scharf“. Die Vorstellung von der verschlossenen (versiegelten) unter der Erde befindlichen Abyssos, welche mit dieser durch einen Schacht (Brunnen φρέαρ) in Verbindung stehend gedacht wird, ist sehr interessant. Es liegt hier ein Stück jüdischer Volksvorstellung vor. Vgl. Gebet Manasse 3: ὁ πεδήσας τὴν θάλασσαν τῷ λόγῳ τοῦ προστάγματός σου, ὁ κλείσας τὴν ἄβυσσον καὶ σφραγισάμενος αὐτὴν τῷ φοβερῷ καὶ ἐνδόξῳ ὀνόματί σου (die Versiegelung erfolgt „durch“ den zauberkräftigen Namen Gottes). Nach der oben zu 2,17 angeführten Talmudparallele dachte man sich später die Öffnung zur Abyssus unter dem Grundstein des Tempels. Auch dort wird das Hervorströmen des Abyssos verhindert durch den Stein mit dem wirkungskräftigen Gottesnamen. Über die vermutlichen weiteren Zusammenhänge von der Vorstellung vgl. Gunkel, Schöpfung und Chaos 91-98, und die Ausführungen zu 20,4; zum „Brunnen“, der in die Abyssos führt vgl. das Märchen von der Frau Holle.


9,2. καὶ ἤνοιξεν τὸ φρέαρ τῆς ἀβύσσου[26]. καὶ ἀνέβη καπνὸς ἐκ τοῦ φρέατος ὡς καπνὸς καμίνου μεγάλης[27]. Ex 19,18: ἀνέβαινεν ὁ καπνὸς ὡσεὶ καπνὸς καμίνου. Gen 19,28: καὶ ἐσκοτίσθη[28] ὁ ἥλιος καὶ ὁ ἀὴρ ἐκ τοῦ καπνοῦ τοῦ φρέατος[29]. Joel 2,10: πρὸ προσώπου ... ὁ ἥλιος καὶ ἡ σελήνη συσκοτάσουσιν. Es handelt sich nicht um eine Sonnenfinsternis, sondern die Verfinsterung der Sonne geschieht durch den die Luft erfüllenden Rauch. Der Rauch steigt von dem Höllenfeuer aus, das sich in der nunmehr geöffneten Abyssos befindet. 9,3. καὶ ἐκ τοῦ καπνοῦ ἐξῆλθον ἀκρίδες εἰς τὴν γῆν. Es liegt hier weder die Vorstellung vor, daß der Rauch sich in einen Heuschreckenschwarm verwandelt, noch ist er einfach mit dem Heuschreckenschwarm zu identifizieren;[299] vielmehr steigen mit dem Höllenrauch die gespenstischen Heuschrecken empor. καὶ ἐδόθη αὐτοῖς[30] (die Heuschrecken sind als dämonische (persönliche) Mächte gedacht, die einen Befehl erhalten, daher die constructio ad sensum) ἐξουσία, ὡς ἔχουσιν ἐξουσίαν οἱ σκορπίοι τῆς γῆς. Die nähere Bezeichnung Skorpionen der „Erde“ ist hinzugefügt, weil die Heuschrecken Tiere des Abgrunds sind. 9,4. καὶ ἐρρέθη (s.o.S.162) αὐτοῖς, ἵνα μὴ ἀδικήσωσιν[31] (ουσιν) τὸν χόρτον τῆς γῆς οὐδὲ πᾶν χλῶρον οὐδὲ πᾶν δένδρον. Den Plagen, welche Land, Meer, Flüsse und die Gestirne betroffen haben, folgt nun eine solche, welche über die Menschen allein ergeht. εἰ μὴ τοὺς ἀνθρώπους[32], οἵτινες (das vollere Relativpronomen steht motivierend) οὐκ ἔχουσιν τὴν σφραγῖδα τοῦ θεοῦ[33] ἐπὶ τῶν μετώπων[34]. Die Bemerkung verbindet das vorliegende Stück mit 7,4-8. Dagegen ist hier, was man eigentlich erwarten sollte, von dem Loslassen der vier Winde (7,1-3) nicht die Rede, ein Beweis mehr, daß wir dort ein eingesprengtes Fragment haben. 9,5. καὶ ἐδόθη αὐτοῖς, ἵνα μὴ ἀποκτείνωσιν αὐτοὺς, ἀλλ’ ἵνα βασανισθήσονται[35] μῆνας πέντε. Die Zeit der Heuschrecken wird auf fünf Monate, d. h. auf die gewöhnliche Zeit, innerhalb derer die Heuschrecken zu erscheinen pflegen, beschränkt, nur daß sie hier die ganze Zeit hindurch bleiben. καὶ ὁ βασανισμὸς αὐτῶν ὡς βασανισμὸς σκορπίου, ὅταν παίσῃ[36] ἄνθρωπον. παίειν ist neben πατάσσειν Übersetzung von הִכָּה Num 22,28; II Sam 14,6. Das Tempus ist beachtenswert: wann er einen Menschen geschlagen haben wird. Winer § 42,5. 9,6. καὶ ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις ζητήσουσιν οἱ ἄνθρωποι τὸν θάνατον καὶ οὐ μὴ εὕρσωσιν[37] αὐτὸν. Der Schriftsteller fällt hier ganz aus der Rolle des Visionärs. καὶ ἐπιθυμήσουσιν ἀποθανεῖν καὶ φεύγει[38] ὁ θάνατος ἀπ’ αὐτῶν[39]. Hiob 3,21; ὁμείρονται τοῦ θανάτου καὶ οὐ τυγχάνουσιν. Jer 8,3.


9,7. καὶ τὰ ὁμοιώματα τῶν ἀκρίδων ὅμοια[40] ἵπποις ἡτοιμασμένοις εἰς πόλεμον. Die folgende Schilderung lehnt sich an die des Propheten Joel an, aber geht in der Zeichnung des dämonischen Charakters der Heuschrecken weit über diesen hinaus. ὁμοιώματα heißt nicht ihre Ähnlichkeiten, sondern nach seiner Ableitung ist ὁμοίωμα die Gleichgestalt (Ez 1,16; 10,21 Hebr. דְּמשוּת; Röm 1,23; 8,3; Phil 2,7 u. ö.), oder die Gestalt, insofern sie einer andern gleich ist; Hltzm.: „die Gestalten ... gleichen Rossen“.[300] Vgl. Joel 2,4: ὡς ὅρασις ἵππων ἡ ὅρασις αὐτῶν καὶ ὡς ἱππεῖς οὕτως καταδιώξονται. Die Gestalt der Heuschrecken soll in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit mit der des Pferdes haben (Winer R.W.B.), wenigstens mit einem gerüsteten Pferd, dessen Kopf aus dem Brustharnisch hervorsieht, wie der Kopf der Heuschrecken aus dem Thorax. καὶ ἐπὶ τὰς κεφαλὰς αὐτῶν ὡς στέφανοι ὅμοιοι χρυσῷ. Also nur „von goldigem Glanz“ (B. Weiß). Ausgeschlossen ist jede allegorisierende Deutung der στέφανοι, so z. B. auf Helme (nach Vlkm. die der heranziehenden Partherheere). de W., Züll., Dstd., Sp. verstehen darunter die ziemlich starke zackige Erhöhung auf der Mitte des Brustschildes der Heuschrecken, deren Farbe eine gelbgrünlich glänzende ist. καὶ τὰ πρόσωπα αὐτῶν ὡς πρόσωπα ἀνθρώπων. Der Heuschreckenkopf soll eine schwache Ähnlichkeit haben mit einem Menschenantlitz. Doch ist hier nicht daran allein zu denken. Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, daß hier Heuschrecken dämonischer Art geschildert sind. 9,8. καὶ εἶχον (beachte wie durch den Wechsel in der Satzbildung die Schilderung lebendiger wird) τρίχας ὡς τρίχας γυναικῶν. Haare so lang wie Weiberhaare. Wahrscheinlich ist es, daß der Apokalyptiker dabei an die langen Fühlhörner der Heuschrecken gedacht hat (Dstd., Sp.). de W. zitiert aus Niebuhrs Reise einen arabischen Spruch über die Heuschrecken: am Kopfe dem Roß, an der Brust dem Löwen, an den Füßen dem Kameel, am Leibe der Schlange, an den Fühlhörnern den Haaren der Jungfrau gleich. καὶ οἱ ὀδόντες αὐτῶν ὡς λεόντων ἦσαν. Joel 1,6: οἱ ὀδόντες αὐτοῦ ὀδόντες λέοντος. Das Attribut soll die verwüstende Gefräßigkeit der Heuschrecken bezeichnen. 9,9. καὶ εἶχον θώρακας ὡς θώρακας σιδηροῦς. Das Brustschild der Heuschrecken trägt in der Naturgeschichte den bezeichnenden Namen Thorax. Prim. hat die den Sinn treffende Übersetzung: habebant „pectora“ sicut loricas ferreas. καὶ ἡ φωνὴ τῶν πτερύγων αὐτῶν ὡς φωνὴ ἁρμάτων ἵππων πολλῶν τρεχόντων εἰς πόλεμον (Joel 2,5 ὡς φωνὴ ἁρμάτων vgl. Jer 47,3). „Wie das Geräusch von Wagen vieler Rosse, welche zum Kampf rennen“. Der Ausdruck ist sehr überladen. Man tut vielleicht gut mit sa. ἵππων als eine ungeschickte Glosse zu ἁρμάτων anzusehen. Der Abschreiber nahm an dem Ausdruck ἁρμάτων ... τρεχόντων Anstoß.


9,10. καὶ ἔχουσιν[41] οὐρὰς ὁμοίας σκορπίοις (verkürzte Vergleichung) καὶ κέντρα, καὶ ἐν ταῖς οὐραῖς αὐτῶν ἡ ἐξουσία αὐτῶν[42] ἀδικῆσαι[43] τοὺς ἀνθρώπους μῆνας πέντε. Die Schwänze der Heuschrecken sind also den Schwänzen von Skorpionen gleich, nicht diesen selbst. In dem Satze sind eigentlich zweierlei Gedanken zusammengetragen: 1) die Heuschrecken hatten in ihren Schwänzen die Kraft (zu schaden), 2) sie hatten die Vollmacht, fünf Monate zu schaden (V. 5).[301] 9,11.[44] ἔχουσιν ἐπ’ αὐτῶν βασιλέα[45] τὸν[46] ἄγγελον τῆς ἀβύσσου [ᾧ][47] ὄνομα αὐτῷ Ἑβραιστὶ (im NT. nur noch fünfmal im Evang. Joh.) Ἀβαδδών καὶ (?)[48] ἐν τῇ Ἑλληνικῇ ὄνομα ἔχει (ἔχει ὄνομα ℵ 36; dies die in der Apk durchaus übliche Wortstellung)) Ἀπολλύων. Das Asyndeton ist absichtlich zur Hervorhebung des Folgenden gesetzt. Der Engel des Abgrundes ist nicht mit dem Engel V. 1 zu identifizieren, es ist auch nicht der Satan gemeint, sondern der als Herrscher in der Abyssos gedachte Engel. Das hebräische אֲבַדּוֹן (LXX ἀπώλεια) bezeichnet etwa dasselbe wie die Abyssos und ist im alten Testament gleich שׁאוֹל. (Bei den Rabbinen der unterste Raum der Hölle.) Der Abaddon ist nun ähnlich, wie schon oben θάνατος und ᾅδης personifiziert. Eine solche Personifikation liegt schon Hiob 28,22 vor: „Abgrund und Tod sprechen“; vgl. Hiob 26,6. Die griechische Übersetzung Ἀπολλύων (s. LXX ἀπώλεια) ist Vielleicht (Grotius, Erbes 60 A.) eine Stichelei auf Apollo[49], dessen Namen auch sonst von ἀπολλύω abgeleitet wird, und dessen Attribut unter anderm die Heuschrecke ist. Vlt. IV 31 sieht in dem Apollyon-Abaddon den persischen Ahriman, der nach Bundehesh 3,26f. den Himmel angreifen wollte, von dort gestürzt wurde und sich dann ein Loch in die Erde bohrte (φρέαρ τῆς ἀβύσσου), um sich hier zu verbergen und als der Herr aller schädlichen Tiere, Skorpionen, Schlangen zu hausen.

Die Schilderung der dämonischen Heuschrecken lehnt sich an die des Propheten Joel an, aber sie ist nicht allein daher ableitbar. Geht schon die Beschreibung der Heuschreckenplage bei Joel ins Mythologische hinüber (Greßmann, Urspr. d. israel. jüd. Eschat. 187), so sind die hier geschilderten Heuschrecken mit der Gestalt der Rosse, den menschlichen Gesichtern, den Weiberhaaren und Löwenzähnen, mag auch hier und da die Phantasie sich an die natürliche Gestalt der Heuschrecken anlehnen, reine mythologische Fabelwesen, wie sie „die religiöse Phantasie des Orients“ vielfach gebildet hat. Sie steigen aus dem Höllenrauch; sie plagen und stechen ganz anders als gewöhnliche Heuschrecken die Menschen; ihre ἐξουσία liegt nicht in ihren Freßwerkzeugen, sondern in ihren skorpionartigen Schwänzen. Dazu vgl. Zimmern KAT³ 505; Gunkel, Schöpfung und Chaos 217f.; z. religionsgesch. Verst. d. NT. 52; Greßmann a. a. O. 188.


9,12. ἡ οὐαὶ ἡ μία ἀπῆλθεν, ἰδοὺ ἔρχεται[50] ἔτι δύο οὐαὶ μετὰ ταῦτα[51]. Eine Zwischenbemerkung des Sehers. Das Femininum ἡ οὐαί erklärt sich durch die dem οὐαί zugrunde liegende Vorstellung einer[302] θλῖψις. Der Plural des Verbums ist eine Unregelmäßigkeit, die sich auch durch den Hinweis darauf, daß das Verbum voransteht, nicht rechtfertigen läßt. Auch die von Winer § 58 4. A. beigebrachten Beispiele decken sie nicht. Nach B. Weiß schwebten die αὐαί dem Verfasser als Neutra vor; wenn er sie nur nicht ausdrücklich als Feminina behandelte!


9,13-21. Sechste Posaune. 9,13. καὶ ὁ ἕκτος ἄγγελος ἐσάλπισεν, καὶ ἤκουσα φωνὴν μίαν (8,13 s.o.S. 165) ἐκ τῶν τεσσάρων[52] κεράτων τοῦ θυσιαστηρίου τοῦ χρυσοῦ τοῦ ἐνώπιον τοῦ θεοῦ (vgl. 8,3). μίαν ist nicht im Gegensatz zu den vielen Stimmen unter dem Altar 6,9ff. zu verstehen, auch nicht im Gegensatz zu den vier Hörnern, sondern einfach als unbestimmter Artikel[53]. An die Märtyrer 6,9ff. ist überhaupt nicht zu denken, da hier nicht der Brandopferaltar, sondern der goldne Räucheraltar gemeint ist. Auch ist schwerlich anzunehmen, daß die Stimme von Gott ausgeht. Jedenfalls ist diese Annahme in der Parallelstelle 16,7 ausgeschlossen. Es ist der Altar selbst, der hier redend gedacht wird. Die Stimme geht von den vier Ecken — man sollte hier eher ἀπό als ἐκ erwarten — des goldenen Rauchopferaltars aus, vor dem die Gebete der Heiligen dargebracht waren. So erscheint denn die sechste Plage als die eigentliche Antwort auf die 8,3ff. dargebrachte Bitte; es ist die eigentliche Hauptplage, während die übrigen Plagen nur ein Vorspiel zu dieser sind. 9,14. λέγοντα[54] τῷ ἕκτῳ ἀγγέλῳ ὁ ἔχων (2,20 s.o.S. 160) τὴν σάλπιγγα (es ist bemerkenswert, daß der sechste Engel, noch außerdem daß er bläst, in die Handlung eingreift. Sp. streicht τῷ ἕκτῳ bis σάλπιγγα, aber ohne ersichtlichen Grund)· λῦσον τοὺς τέσσαρας ἀγγέλους τοὺς δεδεμένους ἐπὶ τῷ ποταμῷ (über ἐπὶ c. Dat. s. o. S. 166) τῷ μεγάλῳ Εὐφράτῃ. Vgl. Gen. 15,18; Dt. 1,7; Jos 1,4. Der bestimmte Artikel „die“ vier Engel ist beachtenswert. Aber er beweist nicht von vornherein, daß diese vier Engel mit den 7,1 erwähnten identisch sind[55], sondern läßt sich vielmehr auch aus der Annahme erklären, daß dem Apok. solche am Euphrat gebundenen Engel schon in der Tradition bekannt waren. Die Vierzahl der Engel entspricht jedenfalls den vier Teilen des von ihnen angeführten Heeres. 9,15. καὶ ἐλύθησαν οἱ τέσσαρες ἄγγελοι οἱ ἡτοιμασμένοι εἰς τὴν (zum Gebrauch des Artikels s. o. S. 175. Es soll durch die einmalige Setzung angedeutet werden, daß das ganze Folgende ein zusammengehöriger Begriff ist [vgl. 5,12].) ὥραν καὶ ἡμέραν[56] καὶ μῆνα καὶ ἐνιαυτόν, ἵνα ἀποκτείνωσιν τὸ τρίτον τῶν ἀνθρώπων. Den Engeln ist Tag und Stunde ihres Wirkens von Gott auf das genaueste nach jüdisch-apokalyptischer Anschauung vorweg bestimmt. Weshalb die Engel gebunden sind, und[303] wie sie gelöst werden, sagt der Engel nicht. Es ist dann fraglich, ob der folgende Finalsatz von ἐλύθησαν oder von ἡτοιμασμένοι abhängt. Doch ist das letztere das Näherliegende, auch 8,6 wird ἑτοιμάζω mit ἵνα konstruiert (Dstd.).

Diese kleine Episode ist ungemein dunkel und hat die verschiedensten Erklärungsversuche herausgefordert. Bedenken erregten vor allem, daß die Engel eigentlich mit den nun im folgenden geschilderten Reiterscharen herzlich wenig zu tun haben. Iselin, Theol. Zeitschr. aus der Schweiz 1887, I 64, machte deshalb auf eine merkwürdige Parallele in der von Baethgen aus der syrischen Handschrift Sachau N. 131. Z.A.T.W. 1886, 193ff. veröffentlichten syrischen Esraapok. Kap. 6 aufmerksam. „Und eine Stimme wurde gehört: gelöst werden sollen diese vier Könige, welche gefesselt sind am großen Fluß Euphrat, die ein Drittel der Menschen vernichten werden. Und sie wurden gelöst, und es war ein großes Toben“. Daraus schloß Iselin, daß in einem anzunehmenden hebräischen Original der Apk מְלָכׅים, gestanden habe, während der griechische Übersetzer מַלְאָכׅים gelesen habe (vgl. LXX II Sam 11,1; I Chron 20,1). Doch ist schon die Annahme eines hebräischen Originals der Apk bei unsrer Gesamtauffassung derselben eine höchst prekäre (gegen Iselin vgl. Sp. 98). Sp. 99 vermutet, daß hier statt ἀγγέλοις: ἀγέλαις zu lesen sei (vgl. die von ἀγέλη abgeleiteten Wendungen II Makk 3,18; 14,14.23). Aber es gibt doch keinen rechten Sinn, wenn hier von ungeheuren gefesselten Scharen die Rede ist. Sp. verbindet dann noch mit dieser Hypothese eine andre. Auch das ἡτοιμασμένοι — ἐνιαυτόν sei vom Redaktor erst eingetragen, und es sei von diesem nicht gemeint, daß die Engel auf Zeit und Stunde bereitet wären, denn dagegen spreche das Voranstehen des kleineren Zeitteils ὥρα (warum?)[57]. Vielmehr sei ἡτοιμασμένοι mit „bestimmt“ zu übersetzen, die Engel seien Zeitenengel und das Lösen der Engel bedeute das Aufhören der Zeit, darauf weise 10,6f. χρόνος οὐκέτι ἔσται hin (s. dagegen den Kommentar zu dieser Stelle). Diese letzten Kombinationen Sp.s sind sämtlich grundlos, Sp. legt selbst auf sie keinen großen Wert (103).

Doch liegt diesen Versuchen von Iselin und Sp. etwas Berechtigtes zugrunde. Eine gewisse Inkongruenz zwischen V. 13 und 14 und dem Folgenden liegt vor, und die abrupte Art der Schilderung fällt hier wie z. B. 7,1ff. auf. Zwei Beobachtungen drängen sich außerdem auf. Einmal ist schon oben bemerkt, daß der Apok. durch den bestimmten Artikel die vier Engel als bekannt voraussetzt, und ferner liegt doch offenbar eine Parallele mit 7,1ff. vor, wenn auch die vier Engel hier und dort im Sinne des Apok. nicht identisch sind. Das drängt uns zur folgenden Annahme. Den Ausführungen Apk 9,13f. wird jedenfalls eine ältere Tradition zugrunde gelegen haben, in der von den vier verderblichen (Wind-)Engeln die Rede war, die in der letzten Zeit über die Erde losbrechen würden. Diese Tradition liegt in ihrer ursprünglichen Gestalt 7,1ff. (s. dort die übrigen Parallelen) ja bereits im Sacharja vor. 9,13f. ist eine spätere Variante derselben. Die Variation dieser[304] Überlieferung, derzufolge die vier Engel gefesselt[58] am Euphrat erscheinen, wird nun ihre geschichtliche Veranlassung gehabt haben, und diese können wir wohl nirgends anders finden, als in dem Auftreten der Parther. In den Zeiten, in denen man fortwährend in der Erwartung des Heranbrausens der verderblichen Partherheere von Osten lebte, lag es nahe, jene vier verderblichen Engel, die einst über die Erde dahinfahren sollten, als Führer der Parther zu denken; so bekommen diese ihren Standort am Euphrat. Diese Kombination hat übrigens ebenfalls bereits unserm Apok. vorgelegen. Sie ist bereits in den Bilderreden des Henochbuchs vorhanden. Kap. 56,5: „In jenen Tagen werden „die“ Engel sich versammeln und ihre Häupter gegen Osten richten nach den Parthern und Medern hin, um eine Bewegung unter den Königen (dort) anzurichten, daß ein Geist der Aufregung über sie kommt“ (folgt die Beschreibung des Einfalls der Parther in das heilige Land). Hier haben wir eine direkte Parallele zu unsrer Stelle und es wird eine gemeinsame Quelle sein, aus der Henoch und Apk schöpfen. Über die hier demgemäß anzunehmende Beziehung der Weissagung auf die Partherheere wird dann weiter unten gehandelt werden.


9,16. καὶ ὁ ἀριθμὸς τῶν στρατευμάτων [τοῦ ἱππικοῦ[59]] [δισ-]μυριάδες[60] μυριάδων· ἤκουσα τὸν ἀριθμὸν αὐτῶν. Hier wie in 7,4 zeigt sich die reflektierende Art des apokalyptischen Schriftstellers, der jedesmal genau bemerkt, wie er die Kenntnis dieser großen Zahlen erhalten hat. Die Zahl des „Reiterheeres“ ist übrigens ungeheuer (200 resp. 100 Millionen).


9,17. καὶ οὕτως[61] εἶδον τοὺς ἵππους ἐν τῇ ὁράσει καὶ τοὺς καθημένους ἐπ’ αὐτῶν· ἔχοντας θώρακας πυρίνους καὶ ὑακινθίνους καὶ θειώδεις. Daß der Seher selbst von seinem Gesicht, ὅρασις, spricht, kommt nur hier in der Apk vor; bei Daniel häufig (vgl. 8,1; 9,21 u. ö.). Fraglich ist es, ob diese Schilderung nur auf die Reiter oder auf Roß und Reiter zu beziehen ist. Das erstere erscheint als das wahrscheinlichere. Die Reiter hatten feuerfarbige und hyacinthenfarbige und schwefelgelbe Panzer. Da im folgenden (s. u.) πῦρ dem πύρινος, θεῖον dem θειώδης entspricht, so gibt καπνός die Vorstellung, die sich der Apok. von der Hyacinthenfarbe[62] (= Farbe des Rauches) machte. Es ist ferner fraglich, ob alle Panzer diese verschiedenen Farben haben, oder ob die einen so und die andern anders gefärbt waren. Merkwürdig ist nun immerhin, daß der Apok. von nun an nur noch die Rosse und nicht die Reiter schildert. Die Partherheere erscheinen dem Seher als wilde Rossescharen, der Reiter als zu seinem Roß gehörig. καὶ αἱ κεφαλαὶ τῶν ἵππων ὡς κεφαλαὶ λεόντων καὶ [305] ἐκ τῶν στομάτων αὐτῶν ἐκπορεύεται πῦρ καὶ καπνὸς καὶ θεῖον. Vgl. die Schilderung Hiob 41,11f.: ἐκ στόματος αὐτοῦ ἐκπορεύονται λαμπάδες καιόμεναι ... ἐκ μυκτήρων αὐτοῦ ἐκπορεύεται καπνὸς καμίνου. „Feuer, Rauch und Schwefel“ entspricht den verschiedenen Panzern der Reiter im vorigen Verse. Sichtlich sind hier zwei ganz verschiedene Vorstellungen mit einander kombiniert. Hier in diesem Vers liegt die (ältere) mythologische Vorstellung vor: Aus den Mäulern der gespenstischen löwenköpfigen Reiter bricht Feuer, Rauch und Schwefel hervor. Der Schwefel charakterisiert sie besonders als höllische Erscheinung; s. zu 14,10. Im Vorhergehenden ist die Vorstellung rationalisiert und auf die verschiedenfarbigen Panzer irdischer Reiter gedeutet. Auch das vorliegende Bild hat also schon eine gewisse Geschichte hinter sich (Gunkel, z. religionsgesch. Verst. d. N. T. S. 32f.).


9,18. ἀπὸ τῶν τριῶν πληγῶν τούτων ἀπεκτάνθησαν (vgl. 8,9 s. o. S. 164) τὸ τρίτον τῶν ἀνθρώπων (8,8.11.12) ἐκ[63] τοῦ πυρὸς καὶ[64] τοῦ καπνοῦ καὶ τοῦ θείου τοῦ ἐκπορευομένου ἐκ τῶν στομάτων αὐτῶν. V. 18 ist von Pr. fortgelassen und ist im Zusammenhang völlig entbehrlich. 9,19. ἡ γὰρ (s.o.S. 172) ἐξουσία τῶν ἵππων ἐν τῷ στόματι αὐτῶν ἐστιν καὶ ἐν ταῖς οὐραῖς αὐτῶν (s. die Variante in V.10, vielleicht ist dort nach diesem Vers verbessert). αἱ γὰρ οὐραὶ αὐτῶν ὅμοιαι ὄφεσιν[65] ἔχουσαι[66] κεφαλὰς, καὶ ἐν αὐταῖς (1,5 s.o.S. 167) ἀδικοῦσιν. Die Schwänze der Pferde sind also Schlangen gleich und haben eigne Köpfe. Die verschiedensten Deutungen sind hier versucht. Bengel denkt an das Schießen der Türken beim Rückwärtsfliehen, Vlkm. an das Ausschlagen der Pferde, andre ziehen die Fabeln der Alten von dem Ungeheuer ἀμφίσβαινα heran; Grotius denkt gar an einen hinter dem Reiter aufsitzenden Fußsoldaten. Sp. (340) verweist auf die Sitte der Parther, die Schwanzhaare der Rosse gegen das Ende zusammenzubinden (Riehm II, 1181), Holtzmann vergleicht die Giganten auf dem pergamenischen Zeusaltar, die statt der Beine Schlangen haben. Der Seher wandle hier auf den Wegen späterer griechischer Kunst (vgl. Manchot, die Heiligen 44). Man darf hier aber überhaupt nicht in dieser Weise deuten; vielmehr tritt hier nur die mythologische Art der Schilderung besonders deutlich hervor. — Und so ist endlich auch über das ganze Bild zu urteilen. Gewiß, der Apok. will in diesem Abschnitt das Hervorstürmen der parthischen Reiterscharen am Ende der Zeiten schildern. Aber er benutzt dabei eine alte mythologische Schilderung höllischer Reiterscharen und hat diese nicht überall umgearbeitet, so daß die alten Vorstellungen deutlich hindurchschimmern. Mit Recht zieht Völter IV 33 übrigens die Schilderung dämonischer, beim Weltende auftauchender Reiterscharen in der späten persischen Apokalypse Bahman Nast II 24ff. zum Vergleich heran. Auf einen bestimmten in der Geschichte gegebenen Einfall der Parther darf[306] man nicht deuten, und nur der eine konkrete Zug ἐπὶ τῷ ποταμῷ ... Εὐφράτῃ erlaubt eine historische Deutung.


9,20. καὶ οἱ λοιποὶ τῶν ἀνθρώπων, οἳ οὐκ ἀπεκτάνθησαν ἐν ταῖς πληγαῖς ταύταις, οὐδὲ (οὔτε)[67] μετενόησαν ἐκ τῶν ἔργων τῶν χειρῶν αὐτῶν (d. h. nicht von ihrem sittlichen Wandel, sondern von den durch ihre Hände gemachten Götzen). Trotz der grammatischen Schwierigkeit muß natürlich mit οὐδέ der Hauptsatz begonnen werden: Die übrigen Menschen, welche ..., kehrten auch nicht um von ihrer „Hände Werk“. ἵνα μὴ προσκυνήσουσιν[68] (ἵνα steht mit dem Indik., weil es gänzlich alle Finalbedeutung abgestreift hat und fast mit ὥστε oder dem Inf. Vertauscht werden kann) τὰ δαιμόνια καὶ τὰ εἴδωλα τὰ χρυσᾶ καὶ τὰ ἀργυρᾶ καὶ τὰ χαλκᾶ[69] καὶ τὰ λίθινα καὶ τὰ ξύλινα, ἃ οὔτε βλέπειν (s.o.S. 169) δύνανται[70] οὔτε ἀκούειν οὔτε περιπατεῖν. Vgl. Dan 5,4 (Theod.): τοὺς θεοὺς τοὺς χρυσοῦς καὶ ἀργυροῦς καὶ χαλκοῦς καὶ σιδηροῦς καὶ ξυλίνους καὶ λιθίνους. 5,23 (Theod.) ebenso; fügt noch hinzu: οἳ οὐ βλέπουσιν καὶ οἳ οὐκ ἀκούουσιν καὶ οὐ γινώσκουσιν. Hier wie 1,7 und 1,13 scheint der Apok. von einer der des Theod. ähnlichen Übersetzung abhängig zu sein. LXX hat einen ganz andern Text. Dt 4,28; Mich 5,12; Ps 115,4-7; 135,15-17. Hen 99,7: „Bilder von Gold und Silber und Holz und Ton — unreine Geister und Dämonen.“ Sib. V 80ff. Der Unterschied, der oben zwischen den Dämonen (den Göttern der Heiden selbst nach jüdischer Anschauung Ps 106,37; I Kor 10,20) und leblosen Götzenbildern gemacht wird, ist bemerkenswert; s. darüber Bousset, Rel. d. Judentums 172f. 9,21. καὶ οὐ μετενόησαν (16,11.21) ἐκ τῶν φόνων αὐτῶν οὔτε (s.o.S. 172) ἐκ τῶν φαρμακιῶν[71] αὐτῶν οὔτε ἐκ τῆς πορνείας αὐτῶν οὔτε ἐκ τῶν κλεμμάτων αὐτῶν. Ez 43,9: καὶ νῦν ἀπωσάσθωσαν τὴν πορνείαν αὐτῶν καὶ τοὺς φόνους τῶν ἡγουμένων αὐτῶν; zu φαρμακεία vgl. Jes 47,9.12 und Mal 3,5. Das καὶ οὐ μετενόησαν schließt sich an das μετενόησαν V. 20 an. Das fünfte bis siebente Gebot liegt dieser Aufzählung (Vgl. Mt 5,21.27; 15,19; 19,18) in der Zuordnung des hebräischen Textes im Unterschied von der wahrscheinlich in der LXX ursprünglichen, nach welcher das sechste vor dem fünften Gebot steht (so Mk 7,21f.(?); 10,19; Lk 18,20; Rö 13,9), zugrunde. φαρμακεία ist ursprünglich Zauberei. Aber es ist immerhin seltsam, daß die Zauberei — eine Sünde gegen Gott — hier mitten unter Mord, Hurerei und Diebstahl steht. Ebr. versteht daher unter φαρμακεία verführende Bezauberung, so daß dann ein Korrelatbegriff zu πορνεία herauskäme (sa. liest übrigens μοιχειῶν). Diese Auslegung hat sehr viel für sich, besonders wenn man nur 18,23 mit 17,2 und 18,3 vergleicht (Sp. 341). Ew. übersetzt direkt mit Liebeszauber. Man könnte übrigens auch noch (hinter ἐκ τῶν φόνων) an Giftmischerei denken.

[307] J. Weiß 78 hebt hervor, daß weder hier noch 9,4 von der Sünde der Anbetung des Tieres die Rede ist. Das ist in der Tat ein Beweis mehr dafür, daß der Apok. in Kap. 9 wesentlich herübergenommenes Gut weitergibt (doch nicht wie Weiß will ein Indizium für die Beurteilung der von ihm angenommenen Urapokalypse).

Es ist bemerkenswert, daß von den Plagen — bei der fünften sowohl wie bei der sechsten ist das ausdrücklich vermerkt — nur die Ungläubigen betroffen werden (Sp.). Die ganze Posaunenvision steht noch unter der Stimmung von 7,4-8 (Versiegelung der Gläubigen) und 8,3-5 (Unterstützung des Rachegebets der Gläubigen durch den Engel). Es ist aber nicht einzusehen, weshalb dieser Gegensatz auf jüdischen Ursprung deuten sollte und nicht ebenso gut auf christliche Herkunft des Stückes. Spezifisch Christliches bieten die Kap. 8 und 9 ja nicht, aber deshalb sind sie noch nicht jüdisch. (Weiteres über diese Kap. s. am Schluß von Kap. 11, in der Besprechung der Sieben-Posaunen-Vision als eines Ganzen.)


  1. Vgl. Hen 90,21f.; 81,5; 87 (Ausg. v. Flemming 109); (71,3); Test. Levi Kap. 8.
  2. Sechs höchste Engel auch im Targum Ps-Jonathan zu Dt 34,6 und Pirke des R. Eliezer Kap. 4. — Die Namen der Engel werden in der jüdischen Überlieferung sehr verschieden angegeben: Gfrörer I 361f. Weber I 169. Lueken, Michael 36f. Einigermaßen fest stehen nur vier von ihnen: Michael, Gabriel, Raphael, Uriel (an seiner Stelle bereits Hen 40 Phanuel). Die Lehre von vier höchsten Engeln scheint im Judentum älter zu sein als die Annahme von sieben Erzengeln.
  3. So schwankt die Zählung der Ameshas-Spentas auch in der persischen Religion. Tiele, Gesch. d. Rel. im Altertum, übers. v. Gehrich II 140.
  4. Vgl. Gunkel, Archiv f. Religionswissensch. I 294-300. G. identifiziert hier in geistvoller Weise den siebenten Engel mit dem Schreibgerät mit dem babylonischen Gotte Nabu (Merkur).
  5. Besonders deutlich tritt die Beziehung der Erzengel (die hier nicht mehr als sieben Einzelwesen sondern als sieben Scharen [Legionen] aufgefaßt werden) zu den Gestirnen II Hen 19,2 hervor: „Diese machen die Ordnungen und lehren den Gang der Sterne.“ Zusammenstellung der sieben Erzengel in späterer Tradition mit den sieben Planeten Weber 169, Lueken, Michael 56, und den sieben Himmeln, Bousset, Arch. f. Religionswissensch. IV 268f.
  6. το θυσιαστηριον AP An.¹³.
  7. Anders urteilt Hirscht 69, der aber den Hauptpunkt übersieht, daß nämlich in die Räucherbüchse doch keine Kohlen hineingetan werden können. Wenn H. behauptet, daß der λιβανωτός zunächst zur Aufnahme der θυμιάματα bestimmt sei, so steht das V. 5 eben einfach nicht da.
  8. Dieser spätere Konj. Aor. ist mit PQ Rel. zu halten, δωσει lesen ℵAC An.¹²⁴ 95.
  9. 5,8 ist die Vorstellung anders, dort sind die Gebete das aufsteigende Rauchwerk selbst. Doch ist das kein Grund, hier oder dort zu streichen.
  10. Nach Sp. ist daher das ἐνώπιον τοῦ θρόνου erst durch R. eingebracht für ein ursprüngliches ἐνώπιον τοῦ θεοῦ.
  11. P An. Tic. ~ φωναι - βρονται, um αστραπαι und βρονται zusammenzubringen. Aus demselben Grunde A 16. 38. c s² βρ. - αστρ. - φων. 4,15; 11,19; 16,18 ist die Reihenfolge αστραπαι - φωναι - βρονται.
  12. + αγγελος An. g vg. c a ae. Pr.
  13. μεμίγμενα A Q Rel. g vg. Pr.; - ον ℵP An.(¹) 38 al. Tic. (mechanische Korrektur).
  14. + μερος ℵAn.⁴ vg. Pr.
  15. AP An.⁴ 38. 51; > Q Rel. (gegen den Sprachgebrauch der Apk, wohl einfacher Schreibfehler).
  16. > των εν τη θαλασση An.¹ am. harl. (cle. fu. dem. lipss. tol. nach τα εχοντα ψυχας; Pr. tertia pars piscium).
  17. ψυχην ℵ c ae. ( το εχον ψυχην).
  18. AP; An.¹²³; Q Rel. διεφθαρη.
  19. >ℵ An.¹ al (Studien 24).
  20. φαινη P An.
  21. AP; An.³ g vg.; An.⁴ s¹ ( Mischlesart zwischen diesem und dem gewöhnlichen Text) a: και ουκ εφαινεν η ημερα το τριτον αυτης; Q Rel. ~ και το τριτον αυτης ( - ων Min., so muß auch c gelesen haben, bei dem dann das κ. το τριτ. αυτ. per Homoiotel. ausgefallen) μη φανη (η) ημερα. - Noch freier ae. und Pr.
  22. P An. a Vict. verbessern αγγελου. Pr. unus ut aquilam, also ενος ως αετου, eine auf den ersten Blick plausible Lesart, die aber doch wohl auf Korrektur beruhen dürfte.
  23. τοις κατοικουσιν AP An.¹²³⁵.
  24. > sa.
  25. > sa.
  26. και - αβυσσου AP An.¹²³⁵ f g cle. fu. lipss. dem. s² Tic. Pr.; > ℵ Q Rel. am. harl. tol. c s¹ ae. a. Ausfall per Homoiotel.
  27. AP An.¹² al. f vg. c a ae. Tic. Pr.; καιομενης Q Rel. s²; (s¹ g Min. μεγ. καιομ.).
  28. εσκοτωθη A.
  29. εκ - φρεατος >ℵ f Pr.
  30. Q; V. 4 ℵQ 14. 92; V. 5 ℵA An.¹ c; alle übr. αυταις.
  31. αδικησουσιν A 36, vielleicht ein Schreibfehler, da der Indik. hier kaum dem Sprachgebrauch der Apk entspricht.
  32. An.³ g vg. + μονους.
  33. > του θεου An.¹² harl. a.
  34. AP An.¹² g am. harl. tol.; + αυτων Q Rel. f fu. dem. lipss. s¹² a ae. Pr.
  35. Q Rel. βασανισθωσιν (s. o. S. 171).
  36. πληξη An.³, das gewöhnlichere Wort.
  37. AP An.²³⁴ (s. o. S. 171); alle übr. ευρησουσιν (ωσιν).
  38. AP An.¹; ℵ φυγη; Q Rel. f g vg. s¹ Pr. φευξεται (Konformation nach dem Vorhergehenden).
  39. ο θανατος απ αυτων ℵAP An.¹² f g vg. s.¹² Pr.; απ’ αυτων ο θανατος Q Rel. a (die Stellung ο θαν. απ’ αυτων ist die in der Apk gebräuchliche).
  40. ℵ ομοιοι.
  41. ειχον 38 vg. f Pr.
  42. AP An.¹(⁴) g vg c Pr.; εξουσιαν εχουσιν Q Rel. s². - An. harl. s¹ Tic. verbessern και κεντρα εν ταις ουραις αυτων και η εξουσια αυτων (εξουσιαν εχουσι); andre Zeugen (s. Tisch.) führen die Verbesserung nur halb ein (g am. tol. a ae.).
  43. AP An.¹²⁴ al.; του αδικησαι Q Rel.
  44. A al. (c ειχον); P An. s¹² a ae. verbessern in και εχουσιν; f g vg. Pr. Tic. et habebant; Q Rel. εχουσαι.
  45. επ αυτων βασιλεα (ℵ)AP An.¹² 14. 92 f g vg. c s¹ Pr. Tic.; ~ Q Rel s² a.
  46. (A) P An.¹²⁵ al.; > τον Q Rel.
  47. ω ℵ (18. s¹ vg.); alle übr. > (s. o. S. 160).
  48. AP An.¹ al. s¹ ae.; εν δε τη Q Rel. vg. s² Pr. (fu. Tic. haben weder και noch δε); das in der Apk ungemein seltene δε mag doch wohl erst durch einen Abschreiber in den Text gekommen sein.
  49. liest wirklich Apollon (Hirscht 73 A. 1).
  50. ερχονται PQ An. (die Übers. haben fast alle ερχονται).
  51. μετα ταυτα ziehen zu diesem Satz AP An.¹²⁴ g vg. s² Tic.; die übr. zum folgenden Satz (Pr. > μετα ταυτα).
  52. c A An.² g am. fu. harl. lips.⁵ tol. c s¹²; > τεσσαρων (τεσσαρων fiel vor κερατων leicht aus).
  53. Hirscht vergleicht εἷς ἅγιος Da (Theod.) 8,13 und cod. A I Sam 1,1.
  54. A, die andern Zeugen korrigieren in λεγοντος – λεγουσαν.
  55. Jene vier Engel hatten ja einen ganz andern Standort und sind nicht gebunden.
  56. και ημεραν AP 6. 17. 18. 26. 33. 35. 36. 37. 40. 41. 42. 80. 81. 161 g vg. Pr. Tic.; και την ημεραν 10. 28. 38. 49. 91. 96; και εις την ημεραν Q Rel; ℵ 1 >.
  57. Slav. Henoch 33,2 und 65,7 ist die Idee von dem Aufhören der Zeit ausgesprochen, dort stehen gerade die Jahre voran.
  58. Dieser Zug mag älter sein, er paßt vorzüglich zu den vier Windengeln.
  59. APQ An.¹²(⁵) 14. 92. Rel. του ιππου (wohl nur Schreibfehler), g exercitus equitatus, vg. equestris exercitus, Pr. militantium equitum. Sehr bemerkenswert ist es, daß sa. und Tic. (vgl. Haußleiter) ιππικου (ιππου) ganz fortlassen. Dstd. hält ἱππικοῦ für eine Verbesserung des ungebräuchlichen τοῦ ἵππου (statt τῆς ἵππου).
  60. AP An.¹ 11. 31 Tic. vg. Cypr.; δυο μυριαδες ℵ An.²; μυδιαδες Q Rel. g? a; Pr. octoginta milia; μυριαδας ℵ ; μυριας [μυριαδος] sa.
  61. > 38. a Tic. Pr. ( > ουτως - ορασει).
  62. Pr. liest hier spineas: ακανθινους; vgl. Nestle, Einführung in d. N. T.² 264.
  63. ACP An.¹²³; απο Q Rel.; g vg de igne (Pr. >).
  64. P An. s¹² a an beiden Stellen + εκ, das erste Mal auch C g cle. lips.⁴.
  65. ACP An.¹²³ 14. 92; οφεων Q Rel., falsche Korrektur.
  66. P εχουσαις, C εχουσιν.
  67. ουδε ℵQ 14. 38. 92; ουτε AP An.¹; neque g vg. s¹² c Pr. Cypr.; ου C Rel. ist sicher Korrektur.
  68. AC, die übrigen ωσιν.
  69. > και τα χαλκα Min. 30.
  70. δυνανται ℵACPQ An.²⁴(⁵); δυναται Q² Rel.
  71. APQ (An.) φαρμακιων; φαρμακων ℵ (falsche Angabe bei Tisch.) C Rel.
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Die Offenbarung Johannis
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