Die Mysterien des Menschenschädels

Textdaten
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Autor: Gustav Scheve
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Titel: Die Mysterien des Menschenschädels
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 123–127
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Auflösung s. Namen der Männer, deren Schädelumrisse unsere Abbildung darstellt
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[125]

Menschenschädel.

[123]
Die Mysterien des Menschenschädels.[1]
Eine phrenologische Beurtheilung von Gustav Scheve.

Beim Baue einer Eisenbahn wird zufällig eine große Zahl alter Schädel ausgegraben. Diese, von den Arbeitern zusammengetragen, gleichen sich alle, jeder macht als Bild des Todes denselben Eindruck auf die Umstehenden. Wer möchte sagen, welcher Schädel einem Könige oder einem Bettler, einem guten oder einem bösen Menschen, einem Krieger oder einem Manne des Friedens angehörte? Unter den Anwesenden sind einige Naturforscher, welche über das Alter der Schädel ihre Ansicht äußern, männliche und weibliche unterscheiden etc. Kein Urtheil über den Geist, dem die Schädel als Hülle dienten, wird gehört. Da tritt ein Phrenolog hinzu. Einige Schädel fesseln vor andern seine Aufmerksamkeit. Er äußert gegen einen Freund, daß sich bei einem Schädel der Zug des Stolzes, bei einem andern der der Gutmüthigkeit, oder der Eitelkeit, oder des Muthes ausgesprochen finde. Die Arbeiter schütteln über den Herrn die Köpfe, die Gelehrten betrachten ihn kaum als einen Mann der „Wissenschaft“. Niemand hält das, was er sagt, für wahr.

Unter den Schädeln findet sich auch die bloße untere Hälfte eines solchen vor. Der Schädel ist in seinem größten Umfange durch eine Säge getheilt, und die obere Hälfte, die ganze Schädelwölbung, fehlt. Ein Arbeiter reicht dem Phrenologen lächelnd das Schädelstück dar. Sein Freund fragt ihn, ob sich auch hieraus etwas über den Charakter bestimmen lasse. Er erhält die Antwort, daß das phrenologische Urtheil immer nur auf der Vergleichung aller Gehirntheile unter sich beruhe, daß es daher hier nur ein äußerst mangelhaftes sein könnte. – Dies Beispiel möge dem Leser die Bedeutung und zugleich die Schwierigkeit des Problems veranschaulichen, um dessen Lösung mich vor Kurzem der Herausgeber der Gartenlaube ersuchte, als er mir auf einem Blatte die 20 Kopfumrisse der umstehenden Abbildung mit dem Wunsche zusandte, „diese Schädelumrisse einer Reihe von Männern phrenologisch beurtheilen und ihm dann gestatten zu wollen, den Befund meiner Untersuchung in seiner „Gartenlaube“ veröffentlichen zu dürfen.“

Das Urtheil nach unserer Umrißlinie gleicht nämlich dem nach jener unteren Schädelhälfte, ist aber noch um Vieles schwieriger und beschränkter. Denn dort, wo ich das Stück des Kopfes selbst vor mir habe, kenne ich genau die Stelle des Umrisses, hier aber weiß ich nicht, wo – ob etwas höher oder niedriger – der Umriß genommen ist. Ich habe also etwas als Grundlage für mein Urtheil, aber ich weiß nicht bestimmt, was ich habe, und habe somit nichts Wissenschaftliches. Ebenso schlimm ist es, daß ich hier nicht so, wie dort, die Stelle des Gehörgangs kenne. Der Gehörgang scheidet Vorderkopf und Hinterkopf, und seine Kenntniß ist durchaus nöthig für die Beurtheilung einiger unmittelbar oder mittelbar vor oder hinter ihm gelegener Organe. Die Aufgabe war also eine sehr mißliche, aber eben in ihrer Schwierigkeit lag auch ein so großer Reiz für mich, daß ich dem an mich gestellten Ansinnen willfahrte. Jedoch, nehmen wir die Umrisse zur Hand, suchen wir trotz aller Schwierigkeiten den todten Bildern Athem und Leben einzuhauchen.

(1. A.)

Der Kopf 1., groß und bedeutend, ist sehr geeignet, den Leser in die Sache einzuführen. Unsere Umrißlinie, etwa da genommen, wo das Band des messenden Hutmachers den Kopf berührt, trifft (auf jeder Seite) zehn Organe. Vier von der Mitte der (oberen) Stirne bis zu den (vorderen) Schläfen einschließlich: Vergleichungsvermögen, Schlußvermögen (an der Stelle der bisweilen gefundenen Stirnhöcker), Sinn für Scherz, Idealität (an den Schläfen). Dann drei bis zur breitesten Stelle unseres Kopfes einschließlich: Erwerbssinn, Verheimlichungssinn, Thätigkeits- oder „Zerstörungssinn“ (gerade über dem Gehörgang). Zuletzt noch drei: Kampfsinn, Anhänglichkeit, Kinderliebe.[2]

Um zu erkennen, ob bei unserem Kopfe eines oder einige dieser Organe groß oder klein sind, müssen wir ihn mit der mittleren Kopfgestalt vergleichen. Diese ist für die Linie unseres Umrisses, – welche uns natürlich hier allein beschäftigt, – die Eiform, deren schmälere Seite den Vorderkopf, deren breitere den Hinterkopf bildet. (Etwa wie die Köpfe 5 und 20.) Ein erster Blick zeigt uns, daß unser Kopf bedeutend von der Eiform abweicht. Um diese Abweichung im Einzelnen kennen zu lernen, zeichnen wir mit einem Bleistift – am Besten nicht blos in Gedanken – die Eiform auf unseren Kopfumriß. In der Mitte der Stirne (bei Vergleichungsvermögen) beginnen wir einen über unseren Umriß etwas hinausreichenden Bogen und setzen diesen seitwärts innerhalb so fort, daß wir einen großen Theil von Schlußvermögen und Idealität abschneiden. Bei Erwerbssinn läuft der Bogen wieder außerhalb, um bald, bei Thätigkeitssinn, abermals [124] innerhalb fortzugehen, indem er hier die größte Breite des Kopfes abschneidet. Gleich hinter Thätigkeitssinn, von Kampfsinn bis Kindesliebe, läuft die Bleistiftlinie mit unserem Umrisse zusammen, da der ganze Hinterkopf ungefähr die Eigestalt hat.

Wir haben auf diese Weise erkannt, daß Schlußvermögen, Idealität und Thätigkeitssinn starke, Erwerbssinn ein schwacher Zug im Charakter des Hrn. A. ist. Diese Urtheile sind schon darum, weil sie so leicht zu finden sind, untrüglich, und wir können gleich hier unser keckes phrenologisches Wort aussprechen, daß, wenn ein einziges dieser Urtheile sich als irrig erwiese, damit die ganze Phrenologie (als Organenlehre) widerlegt wäre. Vorausgesetzt wird hierbei, wie sich versteht, daß das Gehirn des Hrn. A. ein gesundes ist, d. h. daß hier weder wirkliche Geisteskrankheit (Irrsinn), noch jene geistige Kränklichkeit vorliegt, welche z. B. mit einem zerrütteten Nervensystem, oder mit übermäßig vorwaltendem phlegmatischen Temperament verbunden zu sein pflegt. – Die gefundenen Urtheile bedürfen einer kurzen Erläuterung.

Die Stirne unseres Umrisses ist die breiteste von allen. Und das Vordergehirn ist nicht blos breit, sondern auch (vom Ohr oder von der Mitte des Kopfes an gerechnet) lang, so daß die Breite bei dieser Länge eine um so größere Bedeutung hat. Vor allem ist Schlußvermögen, die Gabe der Berechnung von Ursache und Wirkung, der überlegende praktische Verstand für ein folgerichtiges Handeln ein starker Zug des Hrn. A. Ebenso stark ist der Sinn für Ideales oder Schönes. Beide Züge sind Gegensätze, sie beschränken sich daher und schaffen die nöthige Harmonie. Hr. A. ist Verstandesmensch, aber nicht trockener Verstandesmensch, er ist Mann der Phantasie, doch nicht Enthusiast. Wenn der Kopfumriß nicht in so kleinem Maßstabe gegeben wäre, so würde ich wahrscheinlich auch den Sinn für Scherz (zusammen mit starker Denkkraft zugleich Talent des Witzes) als stark bezeichnen können. Durch die starke Fülle des Kopfes an der breitesten Stelle (über dem Gehörgang) ist Thätigkeitssinn als ein starker Zug bezeichnet, also die Kraft und die Fähigkeit, sehr thätig sein, aber eben damit zugleich die Kraft und die Fähigkeit, auflodern, heftig werden zu können.

Gegen die genannten Sinne steht Erwerbssinn weit zurück. Hr. A. ist das Gegentheil jener Geschäftsmänner, deren ganzer Sinn mit Ausschluß aller andern Geistesthätigkeit auf Erwerb gerichtet ist. Ist er Kaufmann, so fühlt er sich in seinem Berufe nicht glücklich und sucht und findet neben demselben andersartige Geistesbeschäftigungen. Den praktischen Verstand, ein guter Kaufmann zu sein, richtig zu speculiren, hätte Hr. A. (durch das Schlußvermögen); nur die Verwendung dieses Verstandes im bloßen Dienste des Erwerbes wäre nicht seine Sache.

Vergleichungsvermögen, welches bei Hrn. A. schon durch die Länge des Vordergehirns als ziemlich stark oder stark erscheint, haben wir etwas schwächer als Schlußvermögen gefunden. Aber so geringe Unterschiede berechtigen uns zu keinem phrenologischen Urtheil.

(2. B.)

Bei dem Umrisse 2. wird unsere Bleistiftlinie die Spitze in der Mitte der Stirne (bei Vergleichungsvermögen) abschneiden, dann (bei Schlußvermögen und Idealität) ein wenig über den Umriß hinausreichen, weiter an der vordern Hälfte des Seitenkopfes (bei Erwerbssinn und Verheimlichungssinn) ebensoviel von dem Umriß abschneiden, als sie an der hinteren Hälfte (bei Vorsicht) hinzusetzt. Von dem Organ der Vorsicht habe ich oben bei dem Kopfe 1. nicht gesprochen. Unsere Umrißlinie kann außer den dort genannten zehn Organen noch ein elftes, Vorsicht, berühren, zwischen Thätigkeitssinn und Kampfsinn, aber über diesen beiden, so daß die drei Organe ein Dreieck bilden, mit der Spitze (Vorsicht) nach oben. Ist die Umrißlinie etwas tiefer genommen, so berührt sie mehr Thätigkeitssinn und Kampfsinn, etwas höher, mehr Vorsicht. Hier scheint mir die Umrißlinie auch Vorsicht zu berühren.

Während bei dem Umrisse 1. Vergleichungsvermögen etwas schwächer erscheint, als Schlußvermögen, so ist bei 2. Vergleichungsvermögen viel stärker, als Schlußvermögen. Ebenso ist Idealität bei 1. viel stärker, als bei 2., wogegen Erwerbssinn, welcher bei 1. schwach ist, bei 2. stark erscheint. Verheimlichungssinn, die Stelle vor Thätigkeitssinn (wo wir uns diesen mit der Ohröffnung ungefähr denken müssen) erscheint bei 2. stark, wogegen die Stelle hinter Thätigkeitssinn (Vorsicht) schwächer ist.

Bei Hrn. B. ist Vergleichungsvermögen, das allgemeine Lerntalent oder die Gabe des Fassens, Begreifens, Urtheilens, weit stärker, als Schlußvermögen, der politische, berechnende, praktische Verstand für’s Handeln. Diese Behauptung ist insofern etwas gewagt, als das schwächere Schlußvermögen von dem starken Verheimlichungssinn, welcher (instinctartige) Klugheit giebt, sehr unterstützt wird, also dadurch stärker erscheinen könnte, als es ist. Auch könnte Schlußvermögen noch durch einen starken Gegenstandssinn unterstützt werden, durch welchen im Verein mit starkem Vergleichungsvermögen ein objectiver, klarer Blick in die Dinge entsteht, was die Fähigkeit, folgerichtig zu handeln, bedeutend steigert. Andererseits ist Schlußvermögen hier nur wenig von der schwächeren Vorsicht unterstützt. Doch wird Vorsicht unterstützt von Verheimlichungssinn und oft damit verwechselt. Hr. B. wird in seinen Handlungen vorsichtig sein, wo die Vorsicht im Schweigen besteht; wo aber Verschwiegenheit oder Offenheit nicht in Frage kommt, wird die Vorsicht oft nicht stark genug sein. Dies letztere Urtheil würde aber nicht gelten, im Falle Selbstgefühl sehr schwach wäre, weil dadurch die Vorsicht gesteigert würde. (Wie viele Wenn und Aber! Diese drängen sich uns nicht blos darum auf, weil wir nur ein Charakterbruchstück vor uns haben, sondern Hr. B. gehört wohl überhaupt zu den etwas schwer zu verstehenden Menschen.) Ist Hr. B. (von Natur) mehr Gelehrter oder mehr praktischer Geschäftsmann? Er kann Beides sein. Als Gelehrter ist er kein Ideologe, kein Utopist, sondern praktisch, lebensklug, auf Erwerb bedacht (vielleicht nicht allzu sparsam). Als praktischer Geschäftsmann kann er sich leicht durch Kenntnisse auszeichnen.

(3. C.)

Die Bleistiftlinie läßt uns hier einen merklichen Unterschied der beiden Linien hauptsächlich bei dem hier schwachen Erwerbssinn erkennen.

3. gleicht mehr 1. als 2., nur daß bei 1. Schlußvermögen und Idealität stärker sind. Auch 3. ist jedenfalls (von Natur) nicht Geschäftsmann, sondern weit mehr Mann des Wissens. Vergleichungsvermögen ist hier nicht nur stärker, als Schlußvermögen und Erwerbssinn, sondern es ist auch überhaupt (im Vergleich zum ganzen Kopf) stark, weil das Vordergehirn (von der muthmaßlichen Ohrstelle an gemessen) entschieden lang ist. Um kurz 3. mit 1. zu vergleichen, würden wir sagen, daß, während Hr. A. das Talent oder den berechnenden Verstand hätte, Geschäftsmann zu sein, aber keine Neigung für diesen Beruf, Hr. C. weder großes Talent, noch Neigung für denselben hat.

(4. D.)

Die Bleistiftlinie hat hier von der Breite des Mittelkopfes einen Theil abzuschneiden, um damit den Vorderkopf, die Stirn breiter und voller zu machen.

Die mangelnde Kenntniß des Gehörgangs macht mir diesen Kopf schwer verständlich und mein Urtheil sehr unsicher. Nehme ich den Gehörgang da an, wo er mir am wahrscheinlichsten ist, ungefähr in der Mitte des Kopfes, so wäre die Stirn sehr klein (sehr kurz bei der Schmalheit) gegen den Hinterkopf, die Denkkräfte und Idealität viel schwächer, als Thätigkeitssinn und Kampfsinn. Herr D. würde dann weniger ein Mann der ruhigen Einsicht und Ueberlegung sein, der gerne Gründe anhört und sich ihnen fügt, sondern mehr ein Mann des raschen, etwas barschen Handelns, geneigt zu zürnen und zu streiten. Er würde dadurch im Umgang nicht immer rücksichtsvoll genug, nicht immer liebenswürdig erscheinen, man würde oft mehr Geduld mit ihm haben müssen, als er geneigt wäre, mit Andern zu haben. Dabei würde er wahrscheinlich sehr thätig in seinem Berufe sein, sehr gut mit seinen Denkkräften arbeiten und, wenn das Gehirn an sich groß ist, Tüchtiges leisten. Was ich eben von der auflodernden Kraft oder der bisweilen mangelhaften Liebenswürdigkeit des Hrn. D. gesagt, könnte als zu gewagt erscheinen, weil ich ja von Wohlwollen, Verehrung etc. nichts weiß. In der That könnte Herr D. sehr gut und wohlwollend, sehr ehrerbietig sein; aber dennoch bliebe ich bei meinem Urtheil stehen, daß abwechselnd mit diesen Zügen auch die von mir genannten bei ihm hervortreten würden. Der Mensch ist ja aus Widersprüchen zusammengesetzt. Neu ist nur, daß diese bisher unerklärten Widersprüche durch unsere Wissenschaft ihre Erklärung finden.

(5. E.)
Abgesehen von der Unregelmäßigkeit an der Stirn, über welche ich bei der starken Verkleinerung keine Vermuthung zu fassen

[125] wage, fällt die Eiform hier ziemlich mit unserem Umrisse zusammen. Keines unserer Organe erscheint als sehr stark oder sehr schwach; doch könnte das eine oder das andere durch sehr starke uns nicht bekannte Sinne besonders unterstützt werden.

Die rechte und die linke Seite eines Kopfes sind natürlich niemals ganz gleich. Hier ist die Ungleichheit eine ziemlich bedeutende. In allen solchen Fällen dürfen wir uns ein Urtheil über die Stärke der betreffenden Organe nicht erlauben.

(6. F.)

Die Eiform bietet auch mit diesem Umrisse – abgesehen von der Ungleichheit der rechten und linken Seite – nur geringe Unterschiede dar: sie schneidet an der Mitte der Stirn (Vergleichungsvermögen) etwas ab, und setzt an der Seite des Vorderkopfs (Erwerbssinn), auch links, etwas zu. Vergleichungsvermögen ist stärker als Erwerbssinn, auch als Schlußvermögen, Idealität ist nicht schwach, Herr F. ist mehr Mann des Wissens, als praktischer Geschäftsmann.

(7. G.)

Große Aehnlichkeit mit 1. Doch sind bei 1. Idealität, Thätigkeitssinn, auch wohl Kampfsinn noch stärker, treten daher wohl noch energischer auf, als bei 7. Ferner ist bei 7. Vergleichungsvermögen und Schlußvermögen ungefähr gleich stark, während bei 1. Schlußvermögen etwas stärker erscheint. Jedenfalls sind aber diese kleinen Unterschiede beider Köpfe für uns kaum von Bedeutung, denn was bei 1. stärker ist, könnte bei 7. durch Anderes, uns nicht Bekanntes, mehr unterstützt werden.

(8. H.)

Man wäre fast versucht, den Kopf umzudrehen, den Vorderkopf zum Hinterkopf zu machen. Die Stirn wäre dann ziemlich regelmäßig gewölbt und der Vorderkopf, wie er soll, schmäler, als der Hinterkopf. Unsere Bleistiftlinie hat daher viel an dem Kopf zu ändern; sie muß die flache Stirn mehr auswölben und die größere Breite des Vorderkopfes abschneiden und dem Hinterkopf zusetzen.

Schlußvermögen, berechnender Verstand, ist bei Herrn H. stärker, als Vergleichungsvermögen, Talent für wissenschaftliche Auffassungen. Erwerbssinn und Verheimlichungssinn sind beide stark; Vorsicht ist schwächer, aber sehr von Schlußvermögen und Verheimlichungssinn unterstützt. Idealität ist schwächer, als Erwerbssinn.

Das Vordergehirn scheint nur kurz, also Vergleichungsvermögen nicht blos gegen Schlußvermögen, sondern überhaupt ziemlich schwach zu sein; allein weil ich leider den Gehörgang nicht kenne, so kann ich mich hier täuschen. Jedenfalls ist Herr H. mehr kluger und praktisch berechnender Geschäftsmann, als Mann des Wissens.

Ich setze hier und sonst dem Geschäftsmann den Mann der Wissenschaft, nicht den Künstler entgegen; dies nur, weil die Sinne, welche die verschiedenen Künstlertalente begründen, unserer Beurtheilung entzogen sind. Wenn z. B. bei Herrn H. Gegenstandssinn, Gestaltsinn, Farbensinn etc. sehr stark wären, so könnte er ein tüchtiger Maler sein, aber doch würde mein Urtheil, daß bei ihm auch Schlußvermögen und Erwerbssinn stark sind, Geltung behalten.

[126]
(9. I.)

Die Bleistiftlinie zeigt uns den Kopf in der Mitte und nach hinten zu etwas schmal.

Die gewölbte und ziemlich breite Stirne wage ich ohne Kenntniß des Gehörganges auch lang zu nennen, so daß die Hauptstärke dieses Kopfes in der Stirn liegt. Besonders stark ist Vergleichungsvermögen, schwächer Vorsicht; auch Thätigkeits- oder Zerstörungssinn ist nicht vorragend. Wir haben hier jedenfalls einen Mann des wissenschaftlichen Talentes vor uns.

(10. K.)

Die Bleistiftlinie schneidet bei Idealität etwas ab und setzt bei Erwerbssinn etwas zu. Die Linie weiter zu führen, verbietet die Unregelmäßigkeit des Seitenkopfes.

Das breite und wohl auch lange Vordergehirn zeigt uns Hrn. K. als einen Mann der Wissenschaft und der Phantasie; vergleichungsweise schwächer ist Vorsicht.

(11. L.)

Da die geringen Unterschiede dieses Umrisses gegen den Umriß 7. in der natürlichen Größe nicht Zolle, sondern nur einige Linien betragen und daher möglicherweise nicht durch den Unterschied in der Größe der Gehirntheile, sondern durch die Unregelmäßigkeiten in der Dicke der Hirnschale verursacht sein könnten, so schließen sie jedes phrenologische Urtheil über sie gänzlich aus.

Natürlich könnte auch bei der vollständigsten Gleichheit unserer Linie der beiden Kopf- und Gehirnumrisse der Charakter der beiden Männer durch andere uns nicht bekannte Züge der allerverschiedenste sein. Daher ist es auch bei allen vorliegenden Beurtheilungen ein beengendes Gefühl für mich, daß ich schlechthin nicht weiß, wie viel oder wie wenig Bedeutung das, was ich über einen Charakter sage, für ihn hat. Meine Urtheile können anderen Zügen gegenüber so unbedeutend sein, daß ich sie bei einer ganzen phrenologischen Beurtheilung vielleicht nicht der Erwähnung werth gehalten hätte und daß der Betreffende selbst, der vielleicht viel wichtigere und bestimmtere Seiten seines Charakters kennt, Mühe hat, sich die Frage zu beantworten, ob meine Urtheile begründet seien oder nicht.

(12. M.)

Die Bleistiftlinie schneidet hier viel von Vergleichungsvermögen ab und setzt viel bei Vorsicht zu.

Vergleichungsvermögen ist das größte Organ dieses Umrisses; Schlußvermögen und besonders Vorsicht ist schwächer. Herr M. ist viel mehr ein Mann von Talent und Geist, als ein Mann des politisch berechnenden Handelns, ja er hat bisweilen Ursache, sich selbst darüber zu wundern, wie er trotz großen Scharfsinns und richtiger Einsicht in die Dinge und Verhältnisse doch oft die Folgen seiner Schritte nicht berechnet, etwas zu rasch und unbedacht handelt.

(13. N.)

Die Bleistiftlinie setzt etwas bei Schlußvermögen und noch viel mehr bei Idealität zu, schneidet dann bei Erwerbssinn, Verheimlichungssinn und Thätigkeitssinn etwas ab, um es bei Anhänglichkeit zuzusetzen.

Wo ist hier der Gehörgang? Idealität ist sehr schwach, Erwerbssinn, Verheimlichungssinn, Thätigkeitssinn sind stark. Wir haben hier keinen Mann von idealer Geistesrichtung, sondern einen Mann praktischen Strebens und Wirkens vor uns. – Ist der Kopf so klein gegen die übrigen, wie er hier erscheint? Möglich wäre es, besonders wenn er sehr hoch ist. Herr M. könnte dann immer bei kräftigem Temperament durch Einsicht und Thätigkeit etwas Tüchtiges leisten. Allein jedenfalls würde er nicht imponiren, sich Andern im Ganzen nicht überlegen zeigen.

(14. O.)

Von der Unregelmäßigkeit der rechten und linken Seite abgesehen, ist unser Umriß ziemlich eiförmig; die Bleistiftlinie schneidet bei Thätigkeitssinn ein wenig ab und setzt es bei Vorsicht zu.

(15. P.)

Die Bleistiftlinie hat hier der Seitenstirn eine weit größere Fülle zu geben und von der großen Breite des Mittel- und Hinterkopfs viel abzuschneiden.

Vergleichungsvermögen stark, Idealität merklich schwächer, Erwerbssinn und Verheimlichungssinn ziemlich stark, Thätigkeitssinn sehr stark, Kampfsinn stark. Herr P. hat bei ziemlich großem vielleicht auch wissenschaftlichem Talent und praktischer Richtung eine sehr große Thätigkeitskraft. Wenn er ein Ziel in’s Auge gefaßt hat, so schaut er nicht viel rechts und links, zersplittert sich nicht (wenn nicht etwa Einheitssinn sehr schwach ist), sondern setzt alle und zwar eine sehr große und unermüdliche Kraft ein, um das Ziel zu erreichen. Herr P. muß viel zu thun haben, seine Kraft im Berufsleben ausbrauchen, sonst stellt sich innere Unruhe, Unzufriedenheit und Launenhaftigkeit, Anlage zum Jähzorn, zur Streitsucht ein. Ist dabei das Wohlwollen sehr schwach, so ist Hr. P. schroff, hart, grausam; ist es sehr stark, so ist mit dem Zug des Aufloderns und Bösewerdens die größte Herzensgüte verbunden.

(16. Q.)

Die Bleistiftlinie hat hier von der Breite des vordersten Viertheils des Kopfes viel wegzunehmen, um es der Breite des hintersten Dritttheils hinzuzusetzen.

Nach meinem phrenologischen Gefühl bin ich versucht, diesen Kopf liebenswürdig zu nennen. Unter allen unseren Köpfen ist diese Stirne die breiteste gegen die übrigen Kopftheile des Umrisses. Vergleichungsvermögen, Schlußvermögen, Idealität (vielleicht auch Sinn für Scherz) sind stark gegen Erwerbssinn, Verheimlichungssinn, Thätigkeitssinn, Kampfsinn. Herr Q. ist ein Mann, der Geist und Phantasie besitzt, der nicht habsüchtig oder geizig, nicht verschlossenen Charakters, nicht streitsüchtig ist, nicht zu Gewaltthat oder zu Zornausbrüchen hinneigt, bei welchem vielmehr in kleinen und großen Dingen die ruhige Einsicht die Herrschaft über die niederen Beweggründe unserer Handlungen behauptet. Andrerseits ist zu vermuthen, daß Herr Q. seine großen Geistesgaben nicht ganz so gut verwerthet, als mancher Andere es thun würde. Geist und Phantasie sind stärker, als Thatkraft; vielleicht auch zersplittert er sich etwas (es sei denn daß Einheitssinn sehr stark ist); auch der Muth, das Vorgehen gegen Hindernisse und Schwierigkeiten, dürfte wohl bisweilen etwas fehlen. Wir sehen, daß die beiden Köpfe 15 und 16 wie in der Gestalt des Umrisses, so im Charakter unter die größten Gegensätze in unsrer kleinen Versammlung gehören. Das günstige Vorurtheil, welches ich nach meinem wissenschaftlichen Gefühl für diesen Kopf gefaßt, ist natürlich bei unsrer Unkenntniß so vieler Züge vor dem wissenschaftlichen Verstand nicht gerechtfertigt.

(17. R.)

Der Umriß ist ziemlich harmonisch, etwa wie 5; doch ist die Stirne länger. Herr R. ist ein Mann des Wissens. Was ist die Unregelmäßigkeit an der Stirn?

(18. S.)

Was die Bleistiftlinie hier an dem hintersten Viertheil des Kopfes in der Breite wegnimmt, setzt sie an dem vordersten Dritttheil zu.

Das Vordergehirn ist noch länger und etwas schmäler, als bei dem vorigen Umriß. Sehr groß ist der Kampfsinn. (Der Kopf behält die volle Breite, die er über dem Gehörgang hat, bis zu etwa zwei Zoll wagrecht rückwärts.) Herr S. ist ein Mann des Muthes, des Kämpfens und Streitens, er ist sehr weit entfernt, in wichtigen und unwichtigen Dingen die Ueberzeugung seines Geistes, die Wünsche seines Herzens für Ruhe und Frieden zu verkaufen. Die Art des Muthes oder des Kämpfens hängt dagegen von Anderem ab.

(19. T.)

Aehnlich dem Umrisse 11 und 7. Herr T. ist kein Mann des Erwerbes.

(20. U.)

Noch einmal ein fast eiförmiger Kopf. Die Bleistiftlinie schneidet an der breitesten Stelle, bei Vorsicht, etwas ab, um es eine Stelle weiter zurück, bei Kampfsinn, anzusetzen. Herr U. ist vorsichtig, sorglich, friedliebend, kein Mann des Kämpfens. Wahrscheinlich ist hier auch Kinderliebe stark, was ich bereits auch bei einigen andern Köpfen hätte äußern können. Aber das Urtheil ist wegen der hier häufigen Ungleichheiten des Schädelknochens nach dem bloßen, zumal so kleinen Umrisse, allzu unsicher. Aehnliches gilt von Anhänglichkeit bei einigen Köpfen. Anhänglichkeit scheint mir z. B. stark bei 3. 11. 15, etwas schwach bei 13; bei 16 scheint mir Anhänglichkeit stark neben ziemlich schwachem Kampfsinn.

Trotz aller Schwierigkeiten der mir gewordenen Aufgabe kann ich, weil die Phrenologie in ihren Wahrheiten so durchaus klar und bestimmt ist, die folgenden Urtheile mit Sicherheit aussprechen.

[127] Vergleichungsvermögen ist (wenn der Umriß überhaupt über die obere Stirne genommen ist) groß in 2. 6. 9. 12. 15. 18; schwächer als Schlußvermögen in 8.

Schlußvermögen ist groß in 1, in 8 gegen Vergleichungsvermögen; in 16 zusammen mit Vergleichungsvermögen; klein gegen Vergleichungsvermögen in 2. 6. 12. 13. 15.

Idealität ist groß in 1, gegen Erwerbssinn in 7. 10. 11. 16. 19; klein in 4. 13.

Erwerbssinn ist (wenn die Umrißlinie, wie über die obere Stirne, so über die Höhe des Seitenkopfes läuft) groß in 2. 8; mittelmäßig oder schwach in 1. 3. 6. 7. 10. 11. 16. 19. (Die Linie niedriger laufend gedacht, würde statt Erwerbssinn Kunst- oder Bausinn treffen.)

Thätigkeitssinn ist groß in 1. 15, viel kleiner oder mittelmäßig in 9. 12. 16, wenn in den drei letzten Fällen die Umrißlinie nicht etwa sehr entfernt über dem Gehörgang läuft, und sich nicht über letzterem doch die starke Auswölbung wie bei 1 und 15 findet.

Kampfsinn ist groß in 18, mittelmäßig in 16 und, wenn die Linie ganz genau ist, in 20. – Zum Schlusse aber erlaube ich mir, an die Herren, von deren Köpfen die Umrisse vor uns liegen, eine ergebene Bitte zu richten. Nachdem ich über die Umrisse mit der größten Mühe nur so wenige und meistentheils unsichere Urtheile aussprechen konnte, so würden mich die Herren zu vielem Danke verpflichten, wenn sie mir freundlichst gestatten wollten, ihre Köpfe zu untersuchen und von ihnen ohne Mühe viel vollständigere und bessere, weit wissenschaftlichere Charakterbilder zu zeichnen.

  1. Bei einem neulichen Besuche in einer der größten deutschen Hutmanufacturen theilte uns der freundliche Besitzer derselben eine Reihe von Schädelumrissen theils berühmter, theils in weiten Kreisen bekannter und vielgenannter Männer mit, deren Kopfformen als die von stehenden Kunden des Etablissements für eventuelle Hutbedürfnisse aufbewahrt werden. Wir waren frappirt über die hier und da wahrhaft wundersamen und grotesken Gestalten, Ausbauchungen, Ecken und Knüllen, welche der menschliche Schädel bilden kann, und baten um die Erlaubniß, einige der merkwürdigsten und charakteristischsten dieser durch genaue Maßnahme gefundenen Kopfformen – soweit sich an dieselben die Namen bekannter Persönlichkeiten knüpfen – gewissermaßen als ein phrenologischcs Problem in der Gartenlaube veröffentlichen zu dürfen. Dies geschieht denn hiermit. Zugleich lassen wir die Beurtheilung eines geistvollen Phrenologen folgen, dem wir die Schädelcontouren zur Begutachtung einsandten, ohne ihm die Männer zu nennen, deren Köpfe sie umzeichnen. Zur Vergleichung seiner phrenologischen Aussprüche mit der öffentlichen Meinung, wie sie Bedeutung, Wirksamkeit und Erfolge dieser Männer festgestellt haben, geben wir die Namen derselben am Schlusse unserer Nummer, werden uns aber erlauben, bei dem einen und dem andern ein Fragezeichen beizusetzen.
    D. Red. 
  2. Statt Sinn der Kinderliebe oder Organ des Sinnes der Kinderliebe. Ich habe mir überall diese Abkürzungen erlaubt. Für den Leser, welchem die Phrenologie unbekannt ist, nenne ich hier noch die hauptsächlichsten der übrigen Sinne. Organe an der unteren Stirn: Gegenstandssinn, Gestalt- oder Formensinn, Farbensinn, Zahlensinn, Thatsachensinn, Ortssinn, Ton- oder Musiksinn, Kunst- oder Bausinn, Sprach- oder Wortsinn. Organe auf dem Oberkopfe: Wohlwollen, Nachahmung, Sinn für Neues oder Wunderbares, Verehrung, Hoffnung, Festigkeit, Gewissenhaftigkeit, Selbstgefühl, Beifallsliebe, Einheitssinn oder Concentrationsgabe.