Die Mutter unserer heutigen Scheidekunst

Textdaten
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Autor: Otto Linné Erdmann
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Titel: Die Mutter unserer heutigen Scheidekunst
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aus: Die Gartenlaube, Heft 31, 32, S. 486-488, 502-505
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[486]

Die Mutter unserer heutigen Scheidekunst.

Vortrag von Prof. Dr. O. L. Erdmann in Leipzig.

Am Golde hängt,
Nach Golde drängt
Doch Alles –

sagt Gretchen in Goethe’s Faust und spricht damit eine sehr alte Wahrheit aus. Zu keiner Zeit hat das Gold, welches die Erde liefert, dem Bedürfnisse, dem Golddurste der Menschen genügen wollen; je seltener es war, um desto größer die Sehnsucht nach dem Besitze desselben. Diese Sehnsucht erweckte in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung den Gedanken, das Gold, das die Natur so sparsam liefert, durch die Kunst zu schaffen. Man glaubte an die Möglichkeit, unedle Metalle in edle zu verwandeln, und die Kunst, auf diese Weise Gold und Silber zu erzeugen, sie erhielt, wenn auch später, den Namen Alchemie.

Der Glaube an diese Kunst beherrschte lange Zeit die ganze Menschheit. Fünfzehn Jahrhunderte hindurch haben die Menschen unermüdlich an der Lösung der Aufgabe, welche die Alchemie sich stellte, gearbeitet, aber – vergebens gearbeitet! Dennoch ist die Geschichte dieser Arbeiten nicht ohne hohes Interesse.

Obwohl von einer irrigen Voraussetzung ausgehend, ist doch die Alchemie, an welche viele der edelsten Geister, so Luther, Baco von Verulam, Kepler, Leibnitz, Spinoza geglaubt haben, die Mutter unserer heutigen Chemie geworden; ja die Alchemie war eben die Chemie selbst auf ihren ersten Entwickelungsstufen. Gar häufig wird die Behauptung ausgesprochen, die Chemie sei eine neue Wissenschaft. Dies ist durchaus unrichtig. Die ersten Anfänge derselben sind uralt. Unzählige Erfahrungen und Beobachtungen mußten gemacht, unzählige Versuche mußten angestellt sein, ehe die Menschen zur Erfindung der Weinbereitung, des Brodbackens, zur Ausscheidung der Metalle aus ihren Erzen, zu der Kunst, Zeuge zu färben u. s. w. gelangen konnten. Freilich war der Zweck jener Versuche zunächst nicht ein wissenschaftlicher, sondern ausschließlich die Erfüllung des Bedürfnisses, und der geistige Inhalt der Chemie jener frühen Zeit war gewiß sehr gering, aber erst mußte doch das Material für den Aufbau der Wissenschaft, mußten die Thatsachen herbeigeschafft werden, ehe Principien der Wissenschaft aus ihnen entwickelt werden konnten, denn überall ist es der Gang der Naturforschung und muß es sein, daß sie, ausgehend von Erfahrungen über das Einzelne, zu Betrachtungen über das Allgemeine sich erhebt.

Das heutige chemische System datirt von Lavoisier’s Zeit, es ist nicht viel über achtzig Jahre alt. Aber der Stoff, mit dessen Hülfe das System erbaut ist, ihn verdanken wir zum großen Theile der ungeheuern Arbeit der Alchemisten, und nur die Beschränktheit, welche sich mit selbstgefälligem Behagen daran erfreut,

„wie wir’s zuletzt so herrlich weit gebracht,“

kann die Bedeutung dieser Arbeit unterschätzen. Ehe man Pyramiden und Dome erbauen kann, muß im Steinbruche gearbeitet und muß in der Tiefe des Bodens das Fundament aus rohen Steinen gelegt werden.

Allerdings ist das Gold der Thatsachen, welches die Alchemisten zu Tage forderten, in den meisten Arbeiter, derselben mit Schlacken reichlich gemengt. Geistige Verirrungen aller Art knüpften sich an die alchemistischen Forschungen, die Schriften vieler Alchemisten sind voll mystischen Unsinns. Betrüger und habsüchtige Thoren tauchen auf unter den echten, vorn Forschertriebe beseelten Alchemisten; die Alchemie artet im Laufe der Zeit immer mehr aus, bis zuletzt die alte und doch nie zum Ziele gelangende Kunst der Verachtung und der Lächerlichkeit verfällt. Was aber echt war von ihren Früchten, das ist der neuen Wissenschaft, deren Licht nunmehr zu leuchten begann, der Chemie, zu Gute gekommen. Es ist einmal das Schicksal aller menschlichen Forschung, daß sie nur sehr selten, ja wohl nie sofort und auf geradem Wege ihr Ziel erreicht; nur auf Umwegen nähern wir uns allmählich der Wahrheit, und die größten Fortschritte der Wissenschaft bestehen im Wegräumen von Irrthümern, die einer vergangenen Zeit als Wahrheiten galten. Auch die Chemie hat diesen schweren Weg gehen, müssen, aber wahrlich die Irrthümer, in die sie in ihrer ersten Jugend verfiel, sind sehr erklärlich, wenn man sie nur – wie doch billig geschehen muß – vom Standpunkte der Zeit aus beurtheilt, in welcher sie begangen wurden.

Der Gedanke einer Metallverwandlung hatte damals durchaus nichts Widersinniges, ja er mußte sogar in einer Zeit, in welcher die Eigenschaften der Metalle nur sehr unvollkommen bekannt waren, ganz natürlich erscheinen.

Die Metalle haben den eigenthümlichen Metallglanz, einige sind im Feuer unveränderlich, die edlen, andere verlieren ihren Glanz, z. B. Blei, Zinn; es sind die unedlen. Eine Anzahl von Körper mit Metallglanz ist spröde: die Halbmetalle, Antimon etc. Sehr ähnlich im Aeußern sind nun diesen letzteren der Bleiglanz und der Schwefelkies; ersterer gleicht in der Farbe dein Blei, letzterer dem Golde. Was wie Gold glänzt, das gilt ja noch heute, dem Sprüchworte zum Trotz, Vielen für Gold! Bleiglanz und Schwefelkies, wenn sie erhitzt werden, geben Schwefel ab. Aus dem Bleiglanze läßt sich, wenn dem Rückstände von der Erhitzung desselben an der Luft Kohle zugesetzt wird, Blei gewinnen. Das galt für eine Verwandlung, für eine Veredlung des Bleiglanzes zu Blei. Aus diesem Blei aber ließ sich auch etwas Silber gewinnen, aus dem Schwefelkiese etwas Gold. Das galt als Verwandlung. [487] Man schloß aus den beschriebenen Versuchen, mit Recht, Schwefel sei ein Bestandtheil des Bleiglanzes und des Schwefelkieses, und kam auf die Vermuthung, die bald zur festen Ueberzeugung wurde, Schwefel sei ein Bestandtheil aller Metalle; gelänge es nur aus dem Bleiglanze und dem Schwefelkiese mehr Schwefel auszutreiben, so würde man mehr Silber, mehr Gold daraus erhalten, und wenn es gelänge, aus den unedlen Metallen allen Schwefel auszutreiben, so würden sie zu edlen verwandelt werden. Das Quecksilber, Mercurius, verfliegt im Feuer, die Verkalkung der unedlen Metalle im Feuer, z. B. des Bleies etc., erklärte man sich daraus, daß Mercur aus den Metallen verflüchtigt werde. Mercur galt als ein zweiter Bestandtheil der Metalle, und während es beim Schwefel darauf ankam, ihn zu vertreiben, so galt es beim Mercur, die Entweichung desselben zu verhindern, ihn fest zu machen oder nach dem Kunstausdrucke ihn zu fixiren. Dieses Fixiren des Mercurs spielt eine große Rolle in der Alchemie. Ueberall fand man Beweise für die Möglichkeit einer Bildung, einer Umwandlung von Metallen. Lehm mit Kohle geglüht gab Eisen. Eisen in gewisse Wässer, die sogenannten Cementwässer in Ungarn, oder was dasselbe ist, in eine wässerige Auflösung von blauem Vitriol getaucht, verwandelt sich in Kupfer (Cementkupfer); Kupfer mit dem Pulver eines grauen Steines, des Galmei, und Kohle zusammengeglüht, giebt ein gelbes, goldähnliches Metall. Wir können uns gewiß nicht wundern, wenn solche und ähnliche Erscheinungen den Gedanken zur Gewißheit machten, daß durch Zuführung oder Wegnahme gewisser Stoffe die Umwandlung in Metalle erfolgen könne. Erst sehr viel später hat man erkannt, daß alle diese scheinbaren Umwandlungen nur auf Ausscheidungen von Metallen aus den angewendeten Materialien oder auf Bildung von chemischen Verbindungen der Metalle unter sich und aus anderen Stoffen beruhen.

Die ersten Anfänge der alchemistischen Bestrebungen fallen in eine sehr frühe Zeit. Mit Sicherheit können wir sagen, daß schon im vierten Jahrhunderte Alchemie getrieben wurde, und da griechische Schriftsteller dieser Zeit von ihr als von etwas Bekanntem sprechen, so mag sie Wohl viel älter sein. Ihren Ursprung hat sie, nach der übereinstimmenden Meinung der ältesten alchemistischen Schriftsteller, jedenfalls in Aegypten genommen und als ihren ersten Vorgänger erkennen die Alchemisten einstimmig einen Hermes Trismegistos an, von dem viel Wunderbares erzählt wird. Er soll ein ägyptischer König gewesen sein, aber die Regierungsgeschäfte scheinen ihn nicht sehr gedrückt zu haben, da er 25,000 Bände über die allgemeinen Principien geschrieben haben soll, nach anderen eben so glaubhaften Nachrichten sogar 36,525 Bände über alle Wissenschaften! Alexander der Große soll auf einem Zuge nach Aegypten das Grab des wunderbaren Mannes haben öffnen lassen, wobei man die bei den späteren Alchemisten hochberühmte tabula smaragdina, eine smaragdene Tafel, auffand, die eine Inschrift trug, worin der große Meister das Geheimniß der Alchemie niedergelegt haben soll. Diese kostbare Tafel existirt zwar nicht mehr, aber der Inhalt der Inschrift ist uns erhalten. Wie viel Wahres an der Geschichte dieser smaragdenen Tafel ist, wissen wir nicht, unsere Nachrichten über die Auffindung derselben stammen erst aus dem dreizehnten Jahrhunderte. Smaragd war das Material derselben schwerlich, da Smaragde von der Größe, daß man so lange Inschriften darauf schreiben könnte, wohl niemals existirt haben. Der uns überlieferte Text ist lateinisch, wahrscheinlich jedoch eine Uebersetzung aus dem Griechischen, wie mehrere darin vorkommende Gräcismen beweisen. Es ist sehr dunkel, und viele Commentare sind zur Erläuterung desselben geschrieben worden. Man könnte zweifeln, ob überhaupt von Alchemie darin die Rede sei, aber die Alchemisten aller Zeiten behaupten es und sind überzeugt, daß man den Text nur recht verstehen müsse, um darin das Geheimniß der Alchemie zu finden. Die dunkle Schreibart ist das Muster für alle Alchemisten geworden, ihre Schriften sind uns kaum verständlich. Jedenfalls ist die smaragdene Tafel eine der ältesten alchemistischen Urkunden, und so mag dieselbe als die Probe alchemistischen Styles in wortgetreuer Uebersetzung hier folgen:

„Es ist wahr, ohne Lüge und ganz gewiß: das Untere ist wie das Obere und das Obere ist wie das Untere, zur Vollbringung eines Wunderwerkes. Und so wie alle Dinge von Einem und seinem Gedanken kommen, so entstanden sie alle aus diesem einen Dinge, durch Anneigung (adaptio). Der Vater des Dinges ist die Sonne, der Mond ist seine Mutter. Der Wind hat es in seinem Bauche getragen und die Erde hat es ernährt. Es ist die Ursache aller Vollendung in der Welt. Seine Kraft ist völlig, wenn es zur Erde wird. Scheide die Erde vom Feuer und das Feine vom Groben gemächlich und kunstreich. Es steigt von der Erde zum Himmel empor, und es steigt wiederum zur Erde hinab und empfängt die Kraft des Oberen wie des Unteren. So hast du das Herrlichste der Welt, und alles Dunkel wird von dir weichen. Es ist das Allerstärkste, was alle Stoffe bewältigen, alle Körper durchdringen mag. So ist die Welt geschaffen durch solche Anneigungen. Darum nennt man mich Hermes den Dreimalgroßen, der drei Theile alles Wissens hat. Obiges ist das ganze Werk der Sonne.“

In dieser dunklen Schrift, die man als die Apokalypse der Alchemie bezeichnen kann, hat man bald diesen, bald jenen Sinn gefunden. Eine ziemlich nüchterne Ansicht aus neuerer Zeit deutet sie auf die Destillation, die vielleicht schon den ägyptischen Priestern bekannt war und sicher von den alexandrinischen Griechen geübt wurde, welche sie von den Aegyptern gelernt haben konnten. Allein früher fand man viel mehr darin, unter der Vollendung (telesmos) verstand man die Vollendung, d. h. die Veredlung, der Metalle, unter dem Allerstärksten aber, das alle Körper durchdringt, ein allgemeines Auflösungsmittel, den Alkahest der Araber. Dieses wurde eifrig gesucht von den Alchemisten; man suchte es durch Destillation zu gewinnen und gelangte dabei zur Entdeckung der Säuren. Das Werk der Sonne übersetzte man durch Bereitung des Goldes, denn Sonne, sol, hieß bei den Alchemisten das Gold, Mond, luna, aber das Silber.

Im achten Jahrhundert blühte die Alchemie vorzüglich bei den Arabern und von ihnen stammt der Name Alchemie, d. h. die Chemie, denn al ist nur der arabische Artikel. Die Araber brachten sie nach Spanien, von wo sie sich über alle europäischen Nationen verbreitete. Im Laufe der Zeit waren die alchemistischen Ansichten in ein gewisses System gebracht worden, welches um das zehnte bis eilfte Jahrhundert ziemlich abgeschlossen war.

Die Kunst der Alchemisten hieß bald die ägyptische, bald die hermetische, die spagirische oder auch wohl die heilige, die göttliche Kunst. Die Bezeichnungen Goldmacherkunst oder Goldmacherei werden erst in sehr später Zeit und mehr in tadelndem oder spöttischem Sinne gebraucht. Die sich mit der Kunst beschäftigten, hießen Alchemisten oder Philosophen. Die vollkommenen Meister, welche das Geheimniß wirklich erlangt hatten, wurden Adepten genannt. Daß es solche Glückliche gebe oder gegeben habe, war der allgemeine Glaube bis in sehr späte Zeit. Selbst der Verfasser einer 1832 erschienenen Geschichte der Alchemie – freilich kein Chemiker - ist noch der Ueberzeugung, daß es wenigstens fünf Adepten wirklich gegeben habe.

Die Lehren der Alchemie, wie sie in der späteren Blüthezeit derselben, im dreizehnten bis sechszehnten Jahrhunderte, sich ausgebildet hatten, lassen sich in drei Sätze zusammenfassen:

  1. Es ist möglich, aus Dingen, die kein Gold enthalten, durch Kunst Gold darzustellen. Das Mittel dazu ist ein Präparat der Kunst. Dieses wird genannt der Stein der Weisen, oder das große Elixir, das große Magisterium oder die rothe Tinctur.
  2. Es ist möglich, aus Körpern, welche kein Silber enthalten, durch Kunst Silber darzustellen. Das Mittel dazu ist der Stein zweiter Ordnung, das kleine Elixir, das kleine Magisterium oder die weiße Tinctur.

3. Dasselbe Präparat, welches die Metalle veredelt und das Gold erzeugt, ist zugleich eine wunderbare Arznei!

Hiernach verdient es der Stein der Weisen gewiß, daß wir uns etwas näher mit ihm bekannt machen. Er vermag alle Metelle in Gold zu verwandeln. Die Umwandlung (Transmutation) erfolgt gewöhnlich durch Aufwerfen auf das geschmolzene Metall – die Projection. Er kann in verschiedener Stärke bereitet werden. Ein Theil desselben, von der besten Qualität, soll mehrere Billionen Gewichtstheile unedles Metall in Gold verwandeln und dabei noch das Gewicht des Metalls vermehren, also Gold aus Nichts schaffen können. Raymundus Lullus sagt, er wolle das Meer in Gold verwandeln, wenn es Quecksilber wäre. Andere sind aber viel bescheidener; so versicherte James Price, der letzte anerkannte Adept in England, 1782, er habe eine Tinctur gehabt, die ihr dreißig bis sechszigfaches Gewicht Quecksilber in Gold verwandelte.

[488] Von den äußeren Eigenschaften des Steines der Weisen geben uns die Schriftsteller nach dem dreizehnten Jahrhunderte genaue Beschreibungen, die aber freilich unter einander nicht ganz übereinstimmen. Paracelsus im sechzehnten Jahrhundert sagt, er sei eine sehr fixe Substanz, in Masse lebhaft roth wie Rubin und durchsichtig wie Krystall, dabei biegsam wie Harz und doch zerbrechlich wie Glas; gepulvert gleiche er dem Safran. Van Helmont im siebenzehnten Jahrhundert beschreibt ihn nach eigener Anschauung als ein schweres Pulver von Safranfarbe, schimmernd wie nicht ganz feingestoßenes Glas.

Von dem Steine zweiter Ordnung weiß man sehr wenig; er soll ein weißes glänzendes Pulver sein.

Wir wollen uns nun zunächst zu den historischen Beweisen für die Existenz des metallveredelnden Steines der Weisen wenden und dann zu seinen schätzbaren Eigenschaften.

Die gewichtigste Autorität für die Existenz des Steines der Weisen und die Wahrheit der Transmutation ist der als Arzt und Chemiker ausgezeichnete van Helmont, geb. 1577, ein Mann von der höchsten Gewissenhaftigkeit, dem die Wahrheit über Alles galt. Er war ein brabantischer Edelmann aus der Familie der Merode, aber er entsagte seinen Gütern und gab alle Vortheile seiner Geburt auf, um sein Leben nur guten Werken zu widmen; alles aus Ruhmsucht unternommene Studium aber hielt er für eitel. Seine Forschungen waren vorzüglich der Heilkunde, weniger der Alchemie zugewendet. Und dieser Mann beschreibt in mehreren seiner Schriften mit solcher Bestimmtheit die Transmutation von Quecksilber in Gold, daß es in der That fast ebenso schwer ist, an eine Täuschung bei dem ausgezeichneten Chemiker zu glauben, als an die Wahrheit der Erzählung. Van Helmont hat den Stein der Weisen nicht selbst dargestellt, aber er erhielt mehrmals von unbekannter Hand kleine Proben desselben. 1618 erhielt er ein Viertel Gran davon und verwandelte damit acht Unzen Quecksilber in reines Gold. Er war von diesem Erfolge so erbaut, daß er seinen eben geborenen Sohn Mercurius taufen ließ, und Franciscus Mercurius van Helmont wurde und blieb ein eifriger Alchemist bis an sein Ende 1699.

Dr. Helvetius, Leibarzt des Prinzen von Oranien im siebenzehnten Jahrhundert, ein berühmter Arzt, welcher im Rufe hoher Rechtlichkeit und Wahrheitsliebe starb, war ein Gegner der Alchemie. Plötzlich trat er 1667 als ihr eifrigster Vertheidiger auf. Ein Fremder hatte ihm ein Pröbchen des Steins der Weisen gegeben von der Größe eines halben Rübsamenkorns. In Gegenwart seiner Frau und seines Sohnes schmolz Helvetius dieses mit sechs Quentchen Blei – und das Blei wurde in das reinste Gold verwandelt, das Münzwardeine und Goldarbeiter als solches erkannten. Helvetius machte diesen Vorfall 1667 in einer eigenen Schrift bekannt, und Spinoza, gewiß kein Leichtgläubiger, nahm an der Sache den größten Antheil und sprach nach eingezogenen genauen Erkundigungen brieflich aus, daß diese Transmutation für ihn vollkommen überzeugend sei.

Solche Erzählungen bekehrten die Zweifler, bestärkten die Gläubigen und waren den Alchemisten Lichtpunkte in der Nacht ihres Strebens. Unzählige Geschichten hat man den mitgetheilten nachgebildet, wo angeblich Adepten vor vielen Menschen Blei in Gold verwandelten und dann spurlos verschwanden. Unbekannte spielen überhaupt, wie in den Criminalgeschichten, so auch in der Alchemie, eine große Rolle. Nur noch ein Beispiel davon. Ein Professor Martini zu Helmstädt († 1621) war ein Feind der Alchemie und bestritt die Gültigkeit der Beweise, welche für die Metallverwandlung angeführt wurden, in seinen Vorlesungen. Aber er wurde in merkwürdiger Weise zum Schweigen gebracht. Ein fremder Edelmann, der gerade hospitirte, unterbrach den Professor höflich und erbot sich aus Gründen der Erfahrung zu opponiren. Es wurde eine Kohlenpfanne, ein Tiegel und Blei herbeigeholt, und der Fremde verwandelte dieses Blei in Gold, das er dem erstaunten Professor mit den Worten hinreichte: solve mihi hunc syllogismum!

Als recht entscheidende Beweise für die Alchemie führen die Alchemisten die Münzen an, welche man aus alchemistischem Golde geschlagen hat. Sie sind so zahlreich, daß besondere Bücher darüber geschrieben worden sind. So erhielt Kaiser Ferdinand III. 1648 zu Prag von einem gewissen Richthausen einen Gran rothes Pulver, mit welchem der Kaiser eigenhändig dritthalb Pfund Quecksilber in Gold verwandelte. Daraus wurde eine große Medaille geschlagen, die sich noch 1797 in Wien befunden haben soll. Von einigen solchen Münzen hat man freilich später gefunden, daß sie unecht waren, so z. B. die Ducaten, die Kaiser Leopold I. 1675 aus angeblichem Golde schlagen ließ, das ihm ein Augustinermönch Seyler aus Zinn verfertigte, und welche die Inschrift tragen:

Aus Wenzel Seylers Pulvers Macht
Bin ich von Zinn zu Gold gemacht.

Solche historische Beweise begründeten denn auch bei den sonst etwas schwergläubigen Juristen die Ueberzeugung von der Existenz des Steines der Weisen. Sie widerstanden hier der Strömung der Zeit ebenso wenig wie beim Hexenglauben. Es ist eine juristische Streitfrage gewesen, ob alchemistisches Gold, das vom gewöhnlichen nicht unterschieden werden könne, letzterem vollkommen gleich gesetzt und dafür ausgegeben werden dürfe, weil es doch fraglich sei, ob es auch die geheimen Kräfte des natürlichen Goldes habe.

[502]
Der Stein der Weisen und die Leipziger Juristenfacultät. – Flamel’s Recept zum Stein der Weisen. – Die Lebenspanacee. – Fürstliche Alchemisten. – Die Rosenkreuzer und die alchemistische Gesellschaft zu Nürnberg. – Leibnitz, ein Mitglied derselben. – Die fürstlichen Hof- und Leibalchemisten. – Böttger in Dresden. – Semler und das Luftsalz. – Die hermetische Gesellschaft und der Verfasser der Jobsiade.

Ein österreichischer Jurist, v. Rain, deducirte 1680, daß die Zweifler an der Existenz des Steins der Weisen sich des Verbrechens der Majestätsbeleidigung schuldig machen, weil nämlich mehrere Kaiser selbst eifrige Alchemisten gewesen. Die Leipziger Juristenfacultät hat mehrmals in alchemistischen Angelegenheiten Recht gesprochen, und zwar mit voller Ueberzeugung von der Existenz des Steins der Weisen. Im Jahre 1580 fällte sie ein Urtheil gegen den Leibalchemisten des Kurfürsten August von Sachsen, Namens Beuther. Dieser sollte in Besitz von Beschreibungen gekommen sein, wie gewisse Particulartransmutationen, d. h. Verwandlungen nur eines gewissen Metalls in Gold, auszuführen wären, auch einigen Personen eidlich versprochen haben, ihnen das Geheimniß mitzutheilen. Er habe aber nicht Wort gehalten und seines Dienstes beim Kurfürsten nur nachlässig gewartet. Das Leipziger Urtheil besagte, Beuther sei der Kenntniß des Steins der Weisen für überwiesen zu erachten, er solle darum peinlich befragt werden; wegen seiner Untreue gegen den Kurfürsten sei er zur Staupe zu schlagen, wegen seines Meineides gegen seine Genossen habe er zwei Finger zu verlieren, und schließlich sei er zum Wohle des Landes, damit das Geheimniß nicht anderen Potentaten bekannt werde, gefangen zu halten.

Noch im Jahre 1725 gab die Leipziger Juristenfacultät ein Gutachten ab, bei welchem es sich um Silber, das in Gold verwandelt worden war, handelte. Eine Gräfin von Erbach hatte einem als Wilddieb verfolgten Flüchtlinge auf ihrem Schlosse Frankenstein Schutz gewährt. Zum Danke dafür verwandelte der Wilddieb, welcher ein Adept war, also die Wilddieberei wohl nur zum Vergnügen trieb, der Gräfin sämmtliches Silbergeschirr in Gold. Ihr Gemahl nahm die Hälfte davon in Anspruch, weil der Zuwachs des Werthes auf seinem Gebiete und in der Ehe erworben sei. Die Leipziger Rechtsgelehrten aber gaben ihm Unrecht: weil das streitige Object vor der Verwandlung als Eigenthum der Gräfin anerkannt worden sei, müsse es auch nach der Verwandlung ihr Eigenthum bleiben.

[503] Als Hauptbeweise für den Stein der Weisen und seine Wirkungen mußten natürlich bei den Alchemisten die ungeheuren Reichthümer gelten, über welche die Adepten nach glaubwürdigen oder auch nicht glaubwürdigen Erzählungen verfügten. Raymundus Lullus verfertigte im dreizehnten Jahrhundert dem Könige Eduard III. das Gold zu sechs Millionen Rosenobel. Ein armer Schreiber, Namens Flamel, lebte im vierzehnten Jahrhundert in Paris. Er erwarb eine alte Handschrift um geringen Preis, doch einundzwanzig Jahre lang bemühte er sich vergebens, sie zu entziffern. Endlich gelang ihm die Entzifferung mit Hülfe eines gelehrten spanischen Arztes. Es war der Text nichts Geringeres als das Recept zur Bereitung des Steins der Weisen. Welche Reichthümer Flamel nun gewonnen, ergiebt sich daraus, daß er vierzehn Hospitäler stiftete, drei Capellen erbauen und sieben Kirchen erneuern und reich dotiren konnte. Noch 1742 wurden von ihm gestiftete Almosen vertheilt.

Daß Kaiser Rudolph II. († 1512) fünfundachtzig Centner Gold und sechszig Centner Silber und Kurfürst August († 1586) siebenzehn Millionen Reichsthaler hinterließ, das wird von den Alchemisten ebenfalls der Beschäftigung der beiden hohen Herren mit der Alchemie zugeschrieben.

Der Stein der Weisen vermochte aber dem glücklichen Adepten auch höhere Güter als Gold und Silber zu gewähren. So wie der Stein der Weisen die unedlen Metalle veredelte, sie gewissermaßen heilte von ihren Unvollkommenheiten, so war er auch das wichtigste Heilmittel für kranke Menschen. Der Stein der Weisen heilte die hartnäckigsten Krankheiten, Gicht, Flechten etc. gründlich und in der kürzesten Zeit. Dies war eine ganz natürliche Anschauung in einer Zeit, in welcher gestoßene Perlen und Edelsteine, Bezoare und andere seltene Dinge als kostbare Arzneien galten. Hoch über allen diesen stand aber der Stein der Weisen, er war eine Panacee des Lebens. Raymundus Lullus im dreizehnten Jahrhundert versichert, er sei wieder ganz jung und munter geworden, als er sich im hohen Alter desselben bedient habe. Es scheint indessen diese Panacee nichts anderes als Weingeist gewesen zu sein, den man damals näher kennen lernte und von da an als aqua vitae bezeichnete, unser heutiges Aquavit!

Salomon Trismosin, von welchem Paracelsus 1520 in die Geheimnisse der hermetischen Kunst eingeweiht wurde, versichert, er habe sich im hohem Alter mit einem Gran des Steines plötzlich verjüngt, seine runzlige Haut sei wieder glatt und weiß, die Wange roth, das graue Haar wieder schwarz und der gekrümmte Rücken wieder gerade geworden. Frauen von siebenzig und neunzig Jahren habe er mittels des Steins der Weisen wieder jung und blühend gemacht, und es sei ihm ein Leichtes, sich mittels seiner Panacee so lange am Leben zu erhalten, um den jüngsten Tag mit ansehen zu können. Das hohe Alter der Patriachen wurde im siebenzehnten Jahrhundert sehr einfach dadurch erklärt, daß sie sich des Steins der Weisen bedient hätten. Es lagen aber auch historische Beweise aus viel näherer Zeit vor. Artephius, ein Alchemist des zwölften Jahrhunderts, legte sich ein Alter von tausend Jahren bei, und Niemand widersprach ihm. Alchemisten von einigen hundert Jahren waren im Abendlande wie im Morgenlande gar nicht selten.

Indessen der Glaube an die verjüngenden und an die heilverheißenden Mittel des Steins der Weisen nahm doch wohl früher ab als der an die Metallveredlung und verschwand endlich ganz, besonders durch den Einfluß der ausgezeichneten Aerzte Stahl und Hoffmann im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts. –

Anfänglich waren es vorzüglich Geistliche, welche mit der Alchemie sich beschäftigten, insbesondere Klostergeistliche. Albertus Magnus, Roger Baco, Raym. Lullus waren sämmtlich Mönche verschiedener Orden. Die Beschäftigung mit der Alchemie galt ihnen als Gott wohlgefällig, und alle Alchemisten im dreizehnten bis zum fünfzehnten Jahrhunderte stimmen darin überein, daß die Bereitung der Tinctur auf göttlicher Beihülfe beruhe. Darum war es auch sündhaft, die Kunst Anderen zu lehren, welchen die göttliche Gnade mangelt und die des Besitzes unwürdig sind. Im vierzehnten Jahrhundert hatte sich das alchemistische Streben schon so verbreitet und verbanden sich damit schon so mannigfache Betrügereien, daß die geistliche und die weltliche Macht Bullen und Edicte gegen die Betreibung der Alchemie ergehen ließen. Aber vergebens! Im fünfzehnten Jahrhundert stieg die Zahl der Alchemisten aus allen Ständen, selbst Fürsten laborirten mit Eifer. Markgraf Johann von Brandenburg, dessen Residenz, die Plassenburg bei Culmbach, ein Sitz der Alchemie war, führt in der Geschichte seines Hauses den Namen des Alchemisten. Es gab um diese Zeit auch zahlreiche Abenteurer, die als „fahrende Alchemisten“ ihr Glück versuchten und sich für Adepten ausgaben, um auf Kosten Anderer eine Zeitlang zu laboriren. Sie beglaubigten sich bei den Gönnern der Kunst durch allerlei Experimente, meist durch Bereitung von etwas Gold, wobei natürlich Taschenspielerkünste das Beste thaten, durch welche die Betrüger goldhaltige Substanzen in den Tiegel zu bringen wußten.

Während früher die Alchemisten nur einsam arbeiteten, bildeten sich im siebenzehnten Jahrhundert sogar Gesellschaften zur Betreibung der Kunst, so die sogenannten Rosenkreuzer, unter deren Händen die Alchemie mit der Mystik sich verbündete, und die alchemistische Gesellschaft in Nürnberg, die noch 1700 bestand. Der berühmte Leibnitz gehörte ihr an und war sogar eine Zeitlang ihr Secretär!

Die Hindernisse, welche der Alchemie im vierzehnten Jahrhundert entgegentraten, wurden besonders dadurch überwunden, daß hohe Potentaten sie ihres Schutzes würdigten. Einer der merkwürdigsten Gönner der hermetischen Kunst war Heinrich VI. von England, welcher 1423 zur Regierung kam. In mehreren Decreten forderte er alle Edlen, Doctoren, Professoren und Geistlichen auf, die Alchemie ernstlich zu betreiben, damit man Mittel gewinne, die Staatsschulden zu bezahlen. Insbesondere, meinte der König, sollten sich die Geistlichen um die Erfindung des Steins der Weisen bemühen, und da sie ja Brod und Wein in Christi Leib und Blut verwandeln könnten, so werde es ihnen mit Gottes Hülfe wohl auch gelingen, eine Transsubstantiation der unedlen Metalle in Gold zu bewirken. Die Geistlichen, welche durch diese Aufforderung die Heiligkeit der Religion verletzt sehen mußten, folgten derselben jedoch nicht. Dagegen fanden sich andere industriöse Leute, welche Metall lieferten, das der König für Gold hielt – vielleicht auch nicht – das er aber prägen und als gute Münze verbreiten ließ. Er gab sogar einer Compagnie das Privilegium, Gold zu machen, und so wurde unter der Aegide der Majestät selbst die großartigste Falschmünzerei getrieben. Das falsche Gold suchte man vorzüglich in die Nachbarländer zu spielen; Schottland und Frankreich schützten ihre Grenzen gegen die Einführung desselben und arge Wirren im Verkehre waren die Folge. Um dieselbe Zeit finden wir auch eine Kaiserin, die übelberüchtigte Barbara, Gemahlin des Kaisers Sigismund, unter den Alchemisten. Ein Kunstgenosse lehrte ihr Silber aus Kupfer mit Arsenik zu bereiten und Gold durch Zusatz von Kupfer und Silber zu vermehren. Sie übte diese Künste fleißig, und die Producte ihrer Arbeit verkaufte die gute Landesmutter dem Volke als reines Gold und Silber.

Der größte unter den fürstlichen Alchemisten war Kaiser Rudolph II., welcher 1576 den deutschen Thron bestieg und meist in Prag residirte. Den deutschen Hermes Trismegistus nennen ihn die Adepten, deren Schutzherr er war. In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte er sich wesentlich nur mit Alchemie; seine Umgebung bestand aus Alchemisten, und sein Hofpoet besang die Alchemie und ihre Priester.

In Sachsen war besonders Kurfürst August ein Gönner der Alchemie. Er hatte in Dresden sein Laboratorium, vom Volke das Goldhaus genannt, und bekennt sich in noch erhaltenen Briefen selbst als Besitzer des großen Geheimnisses. Er sei bereits dahin gelangt, schreibt er an einen italienischen Alchemisten Namens Francisco Forense, daß er aus acht Unzen Silber drei Unzen reines Gold in Zeit von drei Tagen machen könne. Auch seine Gemahlin Anna hatte auf ihrem Schlosse in Annaburg ein schönes Laboratorium. August’s Nachfolger, Kurfürst Christian, war ebenfalls ein Beschützer der Alchemie.

Die Fürsten hielten um die Zeit des dreißigjährigen Krieges und nachher, zur Verbesserung ihrer Finanzen, häufig besondere Leibalchemisten; ihre Stellung war aber im Allgemeinen eine sehr schwierige, da man mehr von ihnen verlangte, als sie leisten konnten. Entweder waren sie, nach ihrer eigenen Versicherung, mit der Erfindung des Steins der Weisen noch nicht ganz fertig, dann jagte man sie gewöhnlich bald fort, oder sie machten Gold, dann liefen sie Gefahr, je nach den Umständen entweder gehängt oder – gefoltert, wenigstens lebenslänglich eingesperrt zu werden; ersteres, wenn sie es ungeschickt gemacht, zur Strafe für die Betrügerei, letzteres, wenn sie den Betrug [504] geschickt ausgeführt und getäuscht hatten, um ihnen ihr Geheimniß zu entreißen und dasselbe für den Hof zu benützen!

Die Geschichte der Alchemie ist voll von Abscheulichkeiten, welche getäuschter und unbefriedigter Golddurst der Mächtigen verübt hat und die wir in vielen Fällen kaum mit der Rohheit der Zeit entschuldigen können. So ließ ein Herzog von Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1575 eine Alchemistin, Schlüter’s Ilse genannt, in einem eisernen Stuhle verbrennen, weil sie ihm Gold zu machen versprochen hatte, aber des Betrugs überwiesen wurde.

Sehr üblich war es, alchemistische Betrüger in einem mit Flittergold beklebten Kleide an einem gleicherweise vergoldeten Galgen aufzuhängen. Einer, Wilhelm v. Krohnemann, der darin excellirte, daß er Quecksilber fest zu machen oder zu fixiren wußte, wurde zu Culmbach gehängt, und an den Galgen war mit einem dieses Instituts würdigen Humor folgende Inschrift angebracht:

Ich war zwar, wie Mercur wird fix gemacht, bedacht,
Doch hat sich’s umgekehrt und ich bin fix gemacht.

Sehr übel erging es in Sachsen einem gewissen Setonius Scotus, der als Besitzer des Steins der Weisen galt, denn er hatte auf seinen Reisen mehrfach Gold in Gegenwart von Zeugen gemacht, und als er nach Sachsen kam, ließ er durch seinen Diener vor Kurfürst Christian zu Crossen Blei in Gold verwandeln. Das war sein Unglück. Der Kurfürst ließ Seton verhaften und nach Dresden bringen. Hier wurde er gefoltert durch alle Grade, um ihm sein Geheimniß zu entreißen, bis man sich überzeugte, daß weiteres Foltern ihn tödten würde. Da aber Alles vergebens gewesen war, wurde er zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilt und diese ihm möglichst qualvoll gemacht, damit man von ihm ein Geständniß erpressen könne. Es gelang ihm zwar, mit Hülfe eines andern Alchemisten sich durch die Flucht zu retten, er starb aber bald an den Folgen der erlittenen Mißhandlungen.

Glücklicher war der bekannte Böttger, der als Apothekerlehrling in Berlin in den Ruf gekommen war, ein Adept zu sein, denn er hatte angeblich von einem Griechen, Lascaris, etwas vom Stein der Weisen erhalten, auch Transmutationen ausgeführt und sich für den Erfinder der Tinctur ausgegeben. König Friedrich I. von Preußen gab Befehl, sich des Adepten zu versichern. Böttger floh aber noch zur rechten Zeit über die sächsische Grenze nach Wittenberg. Der König von Preußen verlangte seine Auslieferung, die sächsische Regierung – der König war gerade in Warschau – verweigerte sie und verstärkte die Besatzung von Wittenberg für den Fall einer Ueberrumpelung durch die Preußen. Der Generalgouverneur von Sachsen, Fürst von Fürstenberg, ließ aber zu noch mehrerer Sicherheit den wichtigen Mann nach Dresden bringen und überzeugte sich hier selbst, daß derselbe Gold machen könne! Böttger wurde in den Adelstand erhoben, vom König August II. auf das Gnädigste behandelt und mit eigenhändigen Schreiben, die im herablassendsten Tone abgefaßt sind, beehrt, dabei aber doch strenge überwacht, um ihm sein Geheimniß abzulauschen, zuletzt auch zu mehrerer Sicherheit auf den Königstein gesetzt. Um ihn aber williger zu machen, brachte man ihn bald wieder nach Dresden zurück. Freiheit und Belohnung wurden ihm versprochen, wenn er den Stein der Weisen machen lehre. Der leichtsinnige Mann schloß auch wirklich 1704 einen besondern Contract darüber mit dem Könige ab. Er wurde nunmehr als ein kostbares Besitzthum der Krone betrachtet und bei eintretender Kriegsgefahr, als Sachsen von einer feindlichen Invasion bedroht wurde, mit den Landesschätzen wieder auf den Königstein gebracht. 1707 aber war das Goldmachen noch immer nicht zu Stande gekommen, der König verlor die Geduld und drohte mit seinem Zorne. Böttger wäre dem Schicksale vieler seiner Vorgänger schwerlich entgangen, wenn er nicht so glücklich gewesen wäre, bei seinen Operationen die Porcellanbereitung zu erfinden, auf die er schon lange hingearbeitet hatte. Auf diese Erfindung hin wagte er es, dem Könige zu gestehen, daß er nie die Kunst, Gold zu machen, besessen habe. In Betracht des Werthes der Erfindung, die er gemacht, wurde ihm verziehen und er, obwohl fortwährend überwacht, bekanntlich mit der Einrichtung der hochberühmten sächsischen Porcellanmanufactur zuerst in Dresden, dann in Meißen betraut, als deren Director er 1719 starb.

Selbst die fromme Kaiserin Maria Theresia ließ einen angeblichen Adepten Namens Sehfeld verhaften und unbarmherzig geißeln, um ihm sein Geheimniß abzupressen, und da es nicht gelang, ihn auf die Festung Temesvar bringen.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte die Alchemie sich ausgelebt. Aus der Alchemie war im Laufe der Zeit die Chemie hervorgegangen und hatte sich selbständig zu entwickeln begonnen. Die natürliche Folge dieser Entwickelung war die Aufklärung der alchemistischen Irrthümer. Nur Dilettanten, unbekannt mit den Fortschritten der Chemie, arbeiteten noch als Alchemisten fort. Unter ihnen war der Professor der Theologie Dr. Semler in Halle, ein würdiger Mann und berühmter akademischer Lehrer. Was ihm bei seinen alchemistischen Bestrebungen begegnete, sei als die letzte Alchemistengeschichte kurz erzählt. Im Jahre 1786 beschäftigte sich Semler mit einem von dem Baron von Hirschen als Universalarznei empfohlenen sogenannten „Luftsalz“. Semler schrieb über dieses Luftsalz drei Abhandlungen „von hermetischer Arznei“ und ging noch weiter als der Erfinder, denn er erklärte, daß man vermöge des Luftsalzes auch Gold machen könne und zwar ohne Tiegel und Kohlen in warmgehaltenen Gläsern. Der Widerspruch der Chemiker, welche die Sache prüften, war vergebens und regte Semler nur zur Heftigkeit auf. Endlich gab er doch an den ausgezeichneten Chemiker Klaproth in Berlin eine Masse zur Prüfung, welche, wie er sagte, den Samen des Goldes enthalte. Die Untersuchung zeigte, daß diese Masse schon mit Blattgold gemengt sei, das sich durch Wasser auswaschen ließ. Der Rest gab kein Gold. Semler meinte, Klaproth müsse es mit der Behandlung versehen haben; bei ihm würde die Ausbeute immer größer. „Ich bin schon viel weiter,“ schrieb er. „Zwei Gläser tragen Gold. Alle fünf oder sechs Tage nehme ich es ab, immer zwölf bis fünfzehn Gran. Drei andere Gläser sind schon wieder auf dem Wege, das Gold blüht unten durch. Freilich kostet mich bis jetzt jeder Gran Gold drei bis vier Thaler, weil ich die Vortheile noch nicht weiß,“ Von diesem philosophischen Golde schickte Semler zur Probe Blätter von zwei bis drei Zoll Breite und Länge an Klaproth. Die Prüfung geschah in Gegenwart von Ministern und andern hochgestellten Personen, die auf den Ausgang gespannt waren. Es ergab sich, daß die Blätter jetzt aus unechtem Blattgold, aus Tombak bestanden! Man hatte Semler einen, freilich gutgemeinten, Betrug gespielt. Er hatte das Warmhalten der Gläser einer armen Soldatenfamilie übertragen, welcher er in dem Gartenhause, das ihm als Laboratorium diente, freie Wohnung gab. Als nun der Soldat bemerkte, wie sehr die kleinen Goldblättchen seinen Gönner erfreuten, so that er von Zeit zu Zeit Blattgold in die Gläser. Als er aber zur Revue abgehen mußte, instruirte er seine Frau, und diese kam auf den Gedanken, um die Sache wohlfeiler zu haben und dem Herrn durch größere Blätter noch mehr Freude zu machen, unechtes Blattgold zu kaufen und in die Gläser zu werfen!

Wie viele Verehrer die Alchemie noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Deutschland hatte, beweist die sogenannte hermetische Gesellschaft, welche 1796 öffentlich im Reichsanzeiger die Genossen der Kunst aufforderte, mit ihr in Correspondenz zu treten. Zahlreiche Briefe gingen an sie ein, von pensionirten Officieren, die sogleich besiegelte Ehrenwortscheine mitschickten, daß sie das Geheimniß des Steins der Weisen nicht verrathen wollten, von Schneidern und Schuhmachern, von Leibärzten deutscher Fürsten, Geheimen Räthen, Schullehrern, Apothekern, Uhrmachern, Organisten, kurz von Leuten jeglichen Standes. Alle hatten laborirt, aber Alle nichts herausgebracht und baten um Anleitung, wie man das große Elixir bereite. Natürlich glaubten Alle an eine große hermetische Gesellschaft von grundgelehrten Alchemisten. Seitdem ist das Archiv dieser Gesellschaft zugänglich geworden und es hat sich ergeben, daß sie nur zwei Mitglieder hatte, zwei Aerzte in Westphalen, und der eine von ihnen war – Dr. Kortüm, der Verfasser der Jobsiade! Auf den Briefen findet sich meist die Randbemerkung: „Palliativisch beantwortet.“

Wir sind am Schlusse der Geschichte der Alchemie. Unbefangene Prüfung derselben führt zu dem Resultat, daß niemals Gold gemacht worden ist. Das Goldmachen gelang nur so lange, als man an das Goldmachen glaubte. In den meisten Fällen täuschten sich die Gläubigen selbst, in vielen andern wurden sie getäuscht. Es sind uns zahlreiche Geschichten bekannt, wie das Gold von den Betrügern in hohlen Rührstäben, in Kohlen, die mit Goldlösung getränkt, durch abgerichtete Kinder, welche in Kisten des Laboratoriums versteckt waren u. s. w., in den Tiegel gebracht wurde.

[505] Ob man je dahin gelangen wird, Gold zu machen? Niemand vermag die Frage zu beantworten. Da aber der Zweifel allezeit in der Entwickelung der Wissenschaften sich als der beste Freund der Wahrheit bewährt hat, so möge man es den Chemikern nicht verargen, wenn sie so lange wie möglich daran zweifeln werden.

Sollte aber die Zeit kommen, wo man das Gold beliebig zu machen im Stande wäre, so wäre mit einem solchen goldenen Zeitalter den Menschen wenig genutzt, denn das Gold würde gar bald aufhören, Gegenstand der Wünsche zu sein. Immer aber würde der Menschheit die Sehnsucht bleiben nach dem goldenen Zeitalter des Friedens und der Humanität. – Möchte lieber dieses der Welt erscheinen!