Die Markthallen in Berlin

Textdaten
<<< >>>
Autor: August Trinius
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Markthallen in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 389, 392
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Einzug der Berliner Märkte in die ersten Markthallen der ab 1884 errichteten Serienbauten
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[389]

Die neuen Markthallen in Berlin.
Originalzeichnung von E. Hosang.

[392] Die Markthallen in Berlin. (Mit Illustration S. 389.) Wer in den letzten Apriltagen die Berliner Wochenmärkte durchwandelte, dem ist gewiß nicht der elegische Zug entgangen, welcher über den Bücklings-, Käse-, Gemüse- und Fleischstständen lagerte und melancholisch über die Fischbottiche wehte. Ein Jeder fühlte, daß es zum Abschiednehmen ging. Bisher hatte man im freundlichen Neben- und Durcheinander gehandelt, geliebt, übertheuert und sich wohl auch die Augen ausgekratzt – das war nun fast Alles dahin. Und hielt der Nachbar auch Einzug in der neuen Markthalle, fortan stand man doch räumlich getrennt, Bückling neben Bückling, Kohlkopf neben Kohlkopf. Und wo Kunstbutter ausgeboten werden sollte, mußte dies eine Tafel bezeichnen, reifes Obst von dem unreifen scharf getrennt und gekennzeichnet werden.

Doch es erträgt sich Alles. Anfang Mai hat Berlin seine vier ersten herrlichen Markthallen dem öffentlichen Verkehre übergeben. Mit Ausschluß weniger Mittagsstunden laden die hohen Eingangspforten vom frühen Morgen bis zur Abendstunde die Hausfrauen zum Einkaufe ihrer Bedürfnisse für Küche und Keller ein. Wenn Glockenzeichen und das Aufhissen einer Fahne das Zeichen zur Eröffnung allmorgendlich geben, hat sich bereits während einiger Stunden der Engroshandel abgewickelt.

Von den ersten vier Markthallen: I. in der Neuen Friedrichstraße, II. in der Linden-Friedrichstraße, III. in der Zimmerstraße, IV. in der Dorotheenstraße, ist die erste als die Centralmarkthalle nicht nur die größte, sondern auch vielleicht die stattlichste. So recht im Herzen des alten Berlin gelegen; hart neben dem Bahnhof Alexanderplatz, der Westen und Osten verbindenden Stadtbahn; mitten in einem Netze durch einander kreuzender Pferdebahnen; flankirt von der im Entstehen begriffenen Kaiser Wilhelmstraße als Fortsetzung von „Unter den Linden“, lehnt sie sich zugleich dicht an das Panorama von Sedan, das die Erinnerung jenes glorreichen Tages verherrlicht, von dem aus die Entstehung des Deutschen Reiches und der Aufschwung Berlins zur Welt- und Reichshauptstadt zu rechnen ist.

Ein neues Leben ist seitdem gleichsam für den Marktverkehr erblüht. Wenn auch so manche poetischen Erscheinungen dem Auge verloren gingen, wie sie unstreitig dem bunten, regellosen Marktgewühl eigen waren, was dafür an Ordnung, Sauberkeit, Eleganz und – Bequemlichkeit eingetauscht ist, überwiegt alle poetischen Bedenken. Und eine auf die Ersparniß ihrer Wirthschaftskasse emsig bedachte Hausfrau wäre auch wohl die letzte, welche solche Bedenken überhaupt hegte.

Wie leicht fluthet jetzt der Verkehr in diesen schönen Hallen auf und nieder, durch deren Glasdach der Sonne Licht sich goldig bricht, in welche das Läuten der Pferdebahnen, der schrille Pfiff der Lokomotive, Wagengerassel, das unnennbare Tongewirr einer Weltstadt hereintönt! Mit welchem Wohlgefallen schweift das Auge über die in peinlichster Schlachtordnung aufmarschirten Händler und Verkäuferinnen in der schmucken Umgebung ihrer Verkaufsstände! Wie nimmt sich Alles jetzt noch einmal so einladend aus! Selbst unter den Damen der Halle erscheint jetzt so manche, herausgeschält aus ihren bisherigen Tüchern, befreit von der weit beschattenden strohernen Schaube, liebenswürdiger und liebenswerther. Im Einklang mit der architektonisch künstlerischen Umgebung scheint auch das Wort auf ihren Lippen milderen Sitten sich zu beugen. Der alte Berliner Witz ist ja leider seinem Ende nahe, vielleicht daß auch die Grobheit des Berliner Hökerthums denselben Weg geht. Nur der Heimgang des Ersteren dürfte auf aufrichtiges Bedauern Anspruch erheben können. Und man sehe sich die Fische lustig rudernd in den eleganten Bassins an: der Herrgott verbot ihnen das lebendige Wort, aber auf ihren Gesichtern steht jetzt eine Lebensfreude geschrieben, als dächten sie nimmer an Köchin und Küchenmesser. Es ist Alles so anders ringsum geworden! Nur das mit Kaffee, Schrippen und sogenanntem Kuchen von Stand zu Stand schlurrende alte Weib, das einzige, welchem es auch hier wieder gestattet wurde, ihre unheimlichen Kreise zu schlagen, erinnert noch an die Marktplätze und ihr harmloses, buntes Treiben.

Noch blüht ja der Marktverkehr auf einer Reihe von öffentlichen Plätzen, aber auch seine Tage sind gezählt. Wenn die geplante Anzahl stattlicher Markthallen in allen Theilen der Riesenstadt vollendet sein wird, dann wird das Grabgeläute des letzten Markttages den Beginn einer neuen Aera unseres öffentlichen Handelsverkehrs künden. Dann wird das „Märkische Provinzial-Museum“ seine Pforten weit aufthun, um die letzte fliegende Marktbude, das letzte Marktkostüm wie einen Katalog sämmtlicher Schmeichelworte Berliner Hökerinnen seinen Sammlungen einzuverleiben, als eine denkwürdige Erinnerung für kommende Geschlechter, wie einst das alte Berlin auf seinen öffentlichen Marktplätzen in Handel und Wandel sich den Zeitgenossen offenbarte. A. Trinius.