Textdaten
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Autor: Charles Baudelaire
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Titel: Die Leuchttürme
Untertitel:
aus: Die Blumen des Bösen. S. 20-22
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1901
Verlag: Bondi
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: Stefan George
Originaltitel: Les Phares
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Les Fleurs du Mal
Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus: Trübsinn und Vergeisterung
Paralleldarstellung de/fr: http://de.wikisource.org/wiki/Die_Leuchttürme?match=fr
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[20]
VI
DIE LEUCHTTÜRME


Rubens · der müssigkeit garten · fluss von vergessen
Und pfühl frischen fleisches · für unsre liebe wol leer ·
Doch von einem leben so strömend und drängend besessen
Wie luft in dem himmel und wie das meer in dem meer.

5
Leonardo da Vinci · ein spiegel tief und dunkel

Wo reizende engel mit ihrem süss-lächelnden mund
Und voll von geheimnis erscheinen im abendgefunkel
Der gletscher und fichten · des heimatlands hintergrund.

[21] Rembrandt · trauriges siechhaus voll murmelnder stimmen

10
Und mit einem grossen kruzifix nur geschmückt ·

Wo beten und weinen über dem unrat schwimmen –
Und jählings von einem winterstrahle durchzückt.

Michelangel · nebelwelt wo die giganten hämmern
Und märtyrer dulden · wo sich in die höhe streckt

15
Aus seinem grab ein mächtig gespenst das im dämmern

Sein schweisstuch zerreisst indem es die finger reckt.

Der wettkämpfer wüten · das schamlose treiben der faunen:
Du der die schönheit bei pöbel und schurken fand ·
Du stolzen sinnes doch schwach und mit giftigen launen ·

20
Puget · du trauriger fürst in der sträflinge land.


Watteau - ein fasching wo viele erlauchte herzen
Wie schmetterlinge irren mit zuckendem glanz ·
Ein frischer und leichter zierrat erhellt von den kerzen
Die tollheit giessen in diesen wirbelnden tanz.

25
Goja · ein nachtmahr von unergründeten dingen ·

Von leichen die man an hexensabbaten sott ·
Wo weiber vorm Spiegel und nackte mädchen sich schwingen
Die strümpfe sich bindend den lüsternen geistern zum spott.

[22] Delacroix · blut-see wo böse engel sich scharen ·

30
Darüber die schatten der stets grünen fichten ziehn ·

Wo unter dem traurigen himmel fremde fanfaren
Wie ein erstickter seufzer von Weber fliehn. –

Dies alles an flüchen an lästerungen an träumen
Verzückungen klagen thränen und lobliedern trifft

35
Sich wie ein echo aus tausend verschlungenen räumen ·

Es ist für die menschen ein göttlich berauschendes gift ·

Es ist ein laut den tausend schildwachen schreien ·
Ein losungswort das von tausenden lippen schwirrt ·
Es ist ein leuchtturm der flammt über tausend basteien ·

40
Ein ruf von jägern im dickicht des waldes verirrt.


Dies ist es o Gott! was bei all deinen herrlichkeiten
An unsre würde uns den glauben erwirbt:
Der glühende seufzer der hinrollt von zeiten zu zeiten
Und der am rande deiner ewigkeit stirbt.