Die Krankheiten des Bieres

Textdaten
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Autor: Valerius
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Titel: Die Krankheiten des Bieres
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 80–83
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Krankheiten des Bieres.

Eine mikroskopische Brauerstudie.
Von Valerius.

Vor etwa zehn Jahren erschien in einer der bekanntesten Brauereien Londons ein Gelehrter und bat um Erlaubniß, die in dem Etablissement zur Biererzeugung benutzte Hefe untersuchen zu dürfen. Man kam diesem damals sonderbar erscheinenden Wunsche gern entgegen, und der aus Paris zugereiste Chemiker stellte in Gegenwart des Directors der Brauerei sein Mikroskop auf, um die Untersuchung an Ort und Stelle auszuführen. Zunächst wurde ihm ein wenig von der Hefe überreicht, welche zur Bereitung von Porter diente, und nach kurzem Blick in das Mikroskop erklärte der Fremde unumwunden, daß der mit dieser Hefe fabricirte Porter schon seit längerer Zeit viel zu wünschen übrig lasse. Die Leiter der Brauerei waren über dieses abfällige Urtheil nicht wenig erstaunt, gaben aber schließlich zu, daß der Vorwurf der Wahrheit entspreche und daß man erst am vorhergehenden Tage beschlossen habe, die fragliche Hefe nicht mehr zu benutzen. Hierauf wurden andere Hefesorten und verschiedene Biere mikroskopisch geprüft, und der Gelehrte, welcher dieselben gar nicht gekostet hatte und von jeder Biersorte nur einen Tropfen zur Untersuchung nahm, gab über die Beschaffenheit der fraglichen Getränke das treffendste Urtheil ab. Er sagte den erstaunten Brauern, dieses Bier sei gut, jenes aber so schlecht, daß es weggeschüttet werden müsse, dieses wiederum zeichne sich durch säuerlichen Geschmack aus, und jenes halte sich gar nicht auf Flaschen. Nachdem der Fremde die nöthigen Erklärungen über die Merkmale, an welchen man kranke Hefe und verdorbenes Bier unter dem Mikroskop zu erkennen vermöge, abgegeben hatte, wurde das Vertrauen der praktischen Fabrikanten immer stärker und die Unterhaltung freier und offener.

I. Hefe-Arten in ihrer Entwickelung.       II. Krankheitsfermente des Bieres.

Als er aber am nächsten Tage in der Brauerei wieder erschien, fand er die Herren bereits mit mikroskopischer Prüfung ihrer Rohstoffe etc. beschäftigt und erfuhr, daß man nunmehr beschlossen habe, zu allen Bieren frische Hefe zu verwenden.

Dieser Vorfall ereignete sich fast unmittelbar nach dem letzten deutsch-französischen Kriege, und L. Pasteur – dies ist der Name des Pariser Chemikers – war damals auf einem Rachezuge gegen Deutschland begriffen, da er sich vorgenommen hatte, in dem Brauereiwesen, dem unbestreitbar echt deutschen Gewerbe, eine neue Aera zu eröffnen. Die hohen Hoffnungen des genialen Mannes sind bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen, und auf ihre vollständige Befriedigung wird er wohl umsonst bis an das Ende seines für die Wissenschaft und Menschheit sehr verdienstvollen Lebens warten müssen, aber ohne praktischen Erfolg sind seine Bemühungen keineswegs geblieben; denn nicht durch seinen Deutschenhaß, wohl aber durch seine früheren meisterhaften Arbeiten über die Natur der Gährungserscheinungen war Pasteur, wie kein Anderer, dazu berufen, auf diesem Gebiete der Brauerkunst Licht und Klarheit zu verbreiten.

[81] Durch seine „Studien über das Bier“ hat er auch in Verbindung mit der Thätigkeit deutscher Gelehrter viel dazu beigetragen, daß heute das Mikroskop in mustergültigen Brauereien heimisch geworden ist und die Anwendung dieses nützlichen Instrumentes den Brauer oft vor empfindlichen Verlusten bewahrt.

Aber die wissenschaftlichen Aufschlüsse über die Ursachen der „Krankheiten des Bieres“ dürften nicht nur für das große Publicum, welches im deutschen Reiche jährlich gegen 38 Millionen Liter edlen Gerstensaftes zu trinken beliebt, interessant, sondern auch von praktischem Werthe für die Behandlung dieses Getränkes sein, sodaß wir unserm Leserkreise einen guten Dienst zu erweisen glauben, wenn wir das Thema hier ausführlicher besprechen.

Wie das Bier erzeugt wird, darüber brauchen wir vor einem biertrinkenden Publicum uns nicht des Weiteren zu verbreiten. Jedermann weiß, wie die Würze aus Gerstenmalz bereitet wird und daß es die Hefe ist, welche die Gährung dieser zuckerhaltigen Flüssigkeit bewirkt. Jedermann weiß, daß die zu Millionen und Milliarden in einem Braugefäß vorhandenen Hefezellen die chemische Arbeit für uns verrichten, indem sie den Traubenzucker der Würze in Alkohol, den berauschenden Bestandtheil des Bieres, und in [82] Kohlensäure, das farblose, säuerlich schmeckende und durch das „kohlensaure Wasser“ populär gewordene Gas, zersetzen. Unsere Abbildung[1] (Nr. I) veranschaulicht uns in vierhundertfacher Vergrößerung reine Hefe-Arten, wie sie sich auf dem Wege der Knospung mit wunderbarer Schnelligkeit und in großen Mengen vermehren. Jedes dieser winzigen runden Gebilde ist ein Individuum, ein selbstständiges Wesen, welchem die Gelehrten den Namen Torula beigelegt und welches sie in die große Classe der Pilze eingereiht haben.

Dieses einzellige Wesen kann nun, entweder in Massen aufbewahrt oder einzeln mit anderen Staubtheilchen auf den Blättern und Früchten der Pflanzen liegend, lange Zeit hindurch in scheintodtem Ruhezustande verharren, erwacht aber zu einem schnell dahinfliegenden Leben, sobald es in zuckerhaltige Lösung gelangt, sobald wir es in den Most des Weines, in die Würze des Bieres oder in den Teig des Brodes hineinthun. Dann bewirkt es die Gährungserscheinungen in den genannten Flüssigkeiten sowie das Aufgehen des Teiges, und wenn der Most und die Würze gut sind und nur reine Hefe in ihnen als gewandter Chemiker schaltet und waltet, dann ist auch das Ergebniß ihrer Thätigkeit ein für den Menschen befriedigendes, ein reiner und gesunder Wein oder ein klares und wohlschmeckendes Bier.

Aber die winzige Bierhefe weiß auch von einer in der Natur gemeingültigen Thatsache zu erzählen, von dem schweren „Kampfe um’s Dasein“, der ja auch die mühevollen Werke der Völker und der einzelnen Menschen entweder verschlingt oder veredelt. Wie die um die Weltherrschaft streitenden Nationen, wie die großen Besitzer rauchender Fabrikschlote und die um ihr tägliches Brod schwer ringenden Tagelöhner, so hat auch die Hefe in ihrer dem gewöhnlichen Menschenauge unsichtbaren Welt gefährliche Concurrenten, welche sie manchmal erbarmungslos zu Grunde richten oder ihr sehr oft in’s Handwerk pfuschen. Es sind dies andere, gleichfalls mikroskopische Wesen, die auch in der Zuckerlösung ihr Fortkommen finden, bei ihrer Entwickelung aber aus dem Moste und der Bierwürze eine Flüssigkeit erzeugen, welche den Menschen im höchsten Grade anwidert; es sind dies die berüchtigten Fäulnißerreger und andere mikroskopische Pilzarten. Im gemeinen Staube ruhen ihre Verderben bringenden Keime, und durch den Wind aufgewirbelt, werden sie auf Geräthe, Rohstoffe u. dergl. der Brauereien übertragen, von denen sie in die Bierwürze gelangen, um in derselben ihre zerstörende Thätigkeit zu entfalten.

In diesem auf der untersten Stufe des organisirten Lebens tobenden Kampfe kann von der Macht der Intelligenz selbstverständlich keine Rede sein. Die Naturgeschichte weiß aus jenen Gebieten nichts von etwaigen Siegen zu berichten, welche kleine, gut geführte Heere gegen an Zahl überlegene Gegner errungen hätten. Nur die zur Entfaltung gelangende rohe Kraft giebt hier den Ausschlag.

Dieses Naturgesetz wußte der Bierbrauer schon seit undenklichen Zeiten, bevor die Wissenschaft es geahnt hatte, für sich auszunutzen. Nach vielen mißlungenen Versuchen fand er ein Verfahren, dessen Begründung er nicht zu geben verstand, dessen Ergebnisse aber ihn vollständig befriedigten.

Der Bierbrauer kochte die Würze und tödtete durch die Hitze, freilich ohne es zu wissen, die in derselben etwa vorhandenen Keime schädlicher, fäulnißerzeugender Wesen; instinctiv, könnte man fast sagen, kühlte er diese Würze hierauf möglichst rasch ab und beschleunigte die alkoholische Gährung, indem er in die abgekochte Flüssigkeit eine bedeutende Menge Hefe hineinthat und also das Eindringen schädlicher Organismen in größeren Mengen verhütete. Der winzigen Schaar der Fäulnißerreger, welche ihm die Würze verderben würden, setzte er eine Armee gesunder Hefezellen entgegen. Wenn aber nach längerem Gebrauche seine Hefe verunreinigt wurde und ihm schlechtes Bier lieferte, dann griff er zu dem bei seinem Stande geheiligten Brauche des Hefenwechsels; er warf seine untaugliche Hefe fort und entnahm frische und bessere von seinen Nachbarn.

Der Weinbauer, welcher ein der Brauerei verwandtes Gewerbe betreibt, indem er aus dem Safte der Rebe den feurigen Wein, ein gleichfalls durch Gährung entstandenes alkoholhaltiges Getränk, bereitet, braucht nicht zu allen diesen Vorsichtsmaßregeln seine Zuflucht zu nehmen. Zwar arbeitet auch für ihn die Hefe, aber der Most ist, dank seinem Gehalte an Weinsteinsäure, ein für die Entwickelung der Fäulnißerreger durchaus ungeeignetes Mittel und wie geschaffen für das beste Gedeihen der Hefe. Hier hat die Natur selbst die schützenden Grenzen gewissermaßen gezogen, und darum braucht der Weinfabrikant keine Hefe in seinen Most zu thun; denn schon die winzigen Mengen derselben, welche auf den Schalen der Weinbeeren vorhanden sind, genügen zur Hervorbringung der nöthigen Gährung.

Wohl würde auch die Bierwürze, sich selbst überlassen, nach einiger Zeit, ohne besonderes Hinzuthun von Hefe, in Gährung übergehen. Aber da ihre Zusammensetzung, verschieden von derjenigen des Weinmostes, auch die Entwickelung anderer Gährungserreger begünstigt, so würde aus dieser, sagen wir, freiwilligen Gährung im hundertsten Falle das hervorgehen, was wir Bier nennen; in der Regel würde aus der besten Würze eine saure oder faulige, ungenießbare Flüssigkeit entstehen.

Ohne seinen Feind von Angesicht zu kennen, schob ihm endlich der Bierbrauer noch in unserem Jahrhundert einen ferneren schwer zu durchbrechenden Riegel vor. Unsere Leser wissen, daß vor wenigen Jahrzehnten in dem biergesegneten Baiern eine bis dahin unbekannte Art von Bierbrauen erfunden wurde, die Herstellung der untergährigen oder sogenannten Lagerbiere. Früher bereitete man das Bier überall in der Weise, daß die Würze nach dem erfolgten Sieden auf etwa +20° C. abgekühlt und dann mit Hefe versetzt wurde. Unter der Einwirkung dieser nicht unbedeutenden Wärme geht die Gährung stürmisch vor sich; rasch vermehren sich die knospenden Zellen und entwickeln auf einmal bedeutende Mengen Kohlensäure, welche aus der Würze in kleinen Blasen in die Höhe steigt und die Hefe an die Oberfläche des Gefäßes mit sich fortreißt. Man nennt das also bereitete Bier obergähriges, und bekanntlich kann diese Sorte, ohne zu verderben, nicht lange aufbewahrt bleiben, sondern muß sofort dem Consum übergeben werden.[2]

Bei der neuen Bereitungsart wird dagegen die Würze mit Hülfe besonderer Eiskühler rasch bis auf +5° C. abgekühlt und erst dann die Hefe hineingethan. Die Kälte gestattet den Hefezellen nur ein verhältnißmäßig dürftiges Leben. Langsam geht die Gährung von Statten; spärlicher ist die Entwickelung der Kohlensäure, die in diesen geringen Mengen die Hefe nicht in die Höhe zu heben vermag und dieselbe sich auf dem Boden des Gefäßes ansammeln läßt.

Man nennt daher das auf diese Weise erzeugte Bier untergähriges, und dieses kann in kühler Temperatur als Lagerbier monatelang aufbewahrt bleiben und auf Eisenbahnen in Fässern und in Flaschen meilenweit verschickt werden, ohne besonderen Schaden zu erleiden.

Vergeblich hätte man den Erfinder dieser Braumethode darnach gefragt, warum sein untergähriges Bier sich widerstandsfähiger erweise, als das obergährige. Heute antwortet hierauf die Wissenschaft: In der kühlen oder gar kalten Temperatur von +5° C. sterben die Keime der Fäulnißerreger in der Regel ab, während die Hefe ihre Lebensfähigkeit noch beibehält. Das untergährige Bier ist daher freier von den gefährlichen Keimen, welche bei der Nachgährung das Bier sonst zu verändern und ungenießbar zu machen pflegen.

Auf diese Weise war es dem Bierbrauer gelungen, sich im Großen und Ganzen seiner unsichtbaren Feinde zu erwehren und vor ihren verwüstenden Einfällen sein Gebiet zu schützen. Aber er kannte nicht alle ihre Schliche und Wege, auf welchen sie in die Kufen, Fässer und Flaschen einzudringen wissen. Gelehrte waren es, die diese Feinde demaskirten und noch viele andere ihrer verborgenen Schandthaten an’s Tageslicht brachten. Aber die Wissenschaft mit ihrer Erklärung spielte hier nicht die Rolle eines hinkenden Boten, der dem praktischen Brauer mit seiner Nachricht nichts nutzte, sondern die eines guten Rathgebers, der ihn noch vor manchem Schaden zu bewahren im Stande ist.

Seitdem es nämlich festgestellt worden, daß jene mikroskopischen Wesen in der Mehrzahl der Fälle die nachtheiligen Veränderungen des Bieres während seiner Zubereitung und während seiner Aufbewahrung [83] in Fässern oder Flaschen hervorrufen, ist der Bierbrauer in die Lage versetzt, das Vorhandensein dieser Pilze zu entdecken, bevor sie ihm schaden können.

Er braucht heutzutage nicht mehr zu warten, bis seine Kunden über den Geschmack des von ihm gelieferten Bieres gerechte Klagen erheben, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß seine Hefe zur Bierbereitung nicht mehr tauglich sei. Er braucht nicht mehr zum Wechseln der Hefe durch die bittere Erfahrung genöthigt zu werden, daß das von ihm gebraute Getränk noch in den Kufen sauer oder wohl gar faulig geworden ist und sich nur zum Wegschütten eigne. Er braucht heutzutage nur die Hefe vor ihrer Benutzung einer genauen mikroskopischen Prüfung zu unterwerfen, um sich zu vergewissern, ob sie rein oder mit Krankheitsfermenten vermengt ist, ob sie gutes oder schlechtes Bier liefern wird. Das ist aber sogar dann, wenn wir annehmen, daß auch die mikroskopische Untersuchung den Brauer manchmal täuscht, ein bedeutender Vortheil; denn praktische Bierbrauer haben uns erklärt, daß sie unter den gewöhnlichen Umständen, ohne vorhergehende Prüfung der Hefe, manchmal etwa den fünften Theil des von ihnen fabricirten Bieres nicht absetzen konnten, sondern ihn als mißlungenes Gebräu einfach vernichten mußten.

Die Kenntniß der Ursachen dieser Krankheiten des Bieres wird aber auch denjenigen, der gewerbsmäßig Bier auf Flaschen abzieht, und denjenigen, der es zu seinem eigenen täglichen Gebrauche thut, wohl veranlassen, in seinen Hantirungen mit peinlicher Sorgfalt vorzugehen. Da die Krankheitserzeuger überall vorhanden sind und in Bierresten der entleerten Flaschen in großen Mengen gefunden werden, so ergiebt sich zunächst die Nothwendigkeit, diese Flaschen auf das Sorgfältigste auszuspülen, sie womöglich zunächst mit siedendem Wasser zu reinigen, bevor sie von Neuem mit Bier gefüllt werden. Dieselben Vorsichtsmaßregeln sind selbstverständlich auch beim Korkverschluß zu beobachten; denn das beste Bier kann durch einen unreinen Stöpsel mit den Krankheitserregern angesteckt und dadurch verdorben werden. Wer diese Reinlichkeitsmaßregel unterläßt, der schädigt sich selbst; der Flaschenbierhändler läuft alsdann die Gefahr, wenn er auch sein Bier von der solidesten und renommirtesten Brauerei in vorzüglichster Qualität bezieht, seinen Kunden ein Getränk in’s Haus zu liefern, welches nach längerer Zeit auf Flaschen schlecht wird; er läuft hierdurch Gefahr, seine Kundschaft und mit ihr auch sein Geld einzubüßen.

Doch genug dieser praktischen Winke! Es kann nicht unseres Amtes sein, die sich aus der Kenntniß der Ursachen der Biererkrankung ergebenden Schlüsse in ihrer ganzen Vielseitigkeit zu ziehen. Der Brauer und Bierhändler, welche sich in erster Linie für dieselben zu interessiren haben, finden sie in den neuesten Handbüchern und Fachzeitschriften in genügender Weise erörtert. Uns sei es nur noch gestattet, die wichtigsten dieser berüchtigten Bierverderber, über welche die Trinker sich schon, ohne sie zu kennen, so oft bei einem Glase Bieres geärgert haben, hier flüchtig den Lesern der „Gartenlaube“ vorzustellen. Auf unserer Abbildung (Nr. II) finden wir sie in geschmackvoller Weise zu einem interessanten Tableau zusammengestellt.

In der mit Nr. 1 bezeichneten Abtheilung begegnen wir zunächst denjenigen Gährungserzeugern, welche das bekannte „Umschlagen“ des Bieres hervorrufen. Es sind dies kleine Stäbchen, die bald einzeln, bald in Gliederketten auftreten und deren Durchmesser ein Tausendstel eines Millimeters beträgt.

Neben diesen Gebilden erblicken wir unter Nr. 2 eine Probe sauer gewordenen Bieres. Mitten unter den Hefezellen ruhen hier die sogenannten Milchsäurefermente, stäbchenartige Organismen, die an ihren Rändern leicht eingeschnürt erscheinen, sich selten zu Ketten von zwei bis drei Gliedern zusammenreihen und nur wenig größer sind als ihre vorher erwähnten Geschwister. Weiter unten ist (Nr. 3) eine Probe fauligen Bieres abgebildet. In ihr wimmeln kleine Organismen, die Vibrionen, welche je nach den Schwankungen der Temperatur sich rascher oder langsamer bewegen. Sie sind in der Regel lebende Zeugen einer bei der Bierfabrikation oder Flaschenfüllung begangenen unverzeihlichen Nachlässigkeit. Wo man derartiges faules Bier findet, dort kann man auch mit Recht sagen: Herr „Biermann“, Ihre Arbeit war faul. Die unter Nr. 4 vorgeführten Organismen, die wie Perlenschnuren aussehen, sind für das zähe Bier charakteristisch, während neben ihnen (Nr. 5) die Erzeuger der Essigsäure, welche dem Biere einen nach Essig riechenden, säuerlichen Geschmack verleihen, sich breit machen.

Die vielgestaltigen Gebilde, die wir unter Nr. 6 antreffen, sind gottlob! keine Krankheitserzeuger; es sind dies feste Niederschläge verschiedener Farbstoffe etc., die fast in jedem Biere zu finden sind und als unschuldige Substanzen kaum unsere Beachtung verdienen. Dafür beschießt die Reihe (Nr. 7) ein Bierverderber ersten Ranges, ein kleiner unbenamster Pilz, aus runden Kügelchen bestehend. Er verleiht dem Gerstensafte nicht nur einen sauren Geschmack, der an den der grünen Aepfel ganz deutlich erinnert, sondern auch noch einen Geruch, der in seiner Widerlichkeit unbeschreibbar ist.

Wir wollen jedoch gegen diese saubere Schmarotzergesellschaft, über welche wir soeben eine Rundschau abgehalten haben, nicht ungerecht sein. An schlechtem Biere, das da oft in der Welt gebraut und leider – auch getrunken wird, haben sie wohl den Löwenantheil, aber noch lange nicht lastet die gesammte Schuld auf ihnen. Sie erzeugen nur krankes, widerlich schmeckendes Naß, welches die Menschen nicht trinken wollen.

Leider aber haben sich hier und dort in das angesehene und für die Volkswohlfahrt wichtige Brauergewerbe viel schlimmere Feinde des Bieres eingeschlichen, jene Nahrungsmittelverfälscher, die unter dem wohlklingenden Namen Surrogate alles mögliche und oft giftiges Zeug zum Bierbrauen verwenden. Gefährlicher sind sie, als jene Myriaden von Pilzen; denn die von gewissenlosen Menschen verwendeten gesundheitsschädlichen Stoffe widern unsere Sinne nicht an, sondern kitzeln vielmehr durch tückischen Wohlgeschmack unsern Gaumen und laden zum Genusse des Giftes ein. Dem ehrlichen deutschen Braugewerbe wünschen wir von Herzen, daß es bald und gründlich auch von diesem Schmarotzerthum befreit werden möge.

Es ist aber wohl zu beachten, daß einige dieser schädlichen Surrogate die Eigenschaft besitzen, die Entwickelung der Krankheitserzeuger in der Bierwürze zu hemmen. Daher griff auch mancher Brauer, der die Tragweite ihrer Gesundheitsschädlichkeit nicht kannte, durch den guten Erfolg der Fabrikation verleitet, zu diesen verwerflichen Mitteln. Er braucht sie heute nicht mehr, da der ganze Vorgang der Gährung klar vor seinen Augen liegt und er die Ursachen seines Mißlingens und die Mittel, dasselbe zu verhüten, genauer kennt.

Es offenbart sich also auch hierin, wiewohl in geringem Maßstabe, die im Großen veredelnd wirkende Macht der Aufklärung, welche durch wissenschaftliche Eroberungen nicht nur materiell den Menschen bereichert und seinen geistigen Gesichtskreis erweitert, sondern ihn auch unaufhaltsam, fast ohne daß er sich dessen bewußt wird, auf die gerade Bahn der Moral hinüberleitet.




  1. Die beiden diesem Artikel beigegebenen Holzschnitte wurden Pasteur’schen Lithographien nachgebildet. Wir entlehnen dieselben der in fachmännischen Kreisen wohlbekannten Zeitschrift „Der Bierbrauer“ (Halle, Wilhelm Knapp).
  2. Eine Ausnahme bilden hier stark mit Hopfen versetzte obergährige Biere, wie Porter etc., da der Hopfen durch seine antiseptischen (Fäulniß verhütenden) Eigenschaften die Entwickelung krankhafter Fermente zu hemmen pflegt.