Die Kettenschifffahrt auf der Elbe
Viele Bewohner der Elbstädte erinnern sich gewiß noch mit leisem Schauder an die früheren Zustände der Elbschifffahrt, an jene gar nicht so fernen Zeiten, in denen ein merkwürdiges Menschengeschlecht an den Elbufern hauste, eine aus Tausenden von Personen bestehende Gesellschaft, welche sich der Aufgabe widmete, diejenigen Schiffe, welche stromaufwärts fahren mußten und in der gewaltigen Strömung weder durch Rudern noch durch Segeln vorwärts gebracht werden konnten, durch das sogenannte „Treideln“ stromaufwärts zu ziehen.
Diese Menschenclasse führte den Namen: „Die Bomätscher“. Schaarenweise spannten sie sich an die lange Leine, welche von einem derartigen Schiffe bis zum „Treidelsteg“ am Ufer reichte, und zogen das Fahrzeug, langsam im Tacte dahinschreitend, vorwärts. Wenn das Hochwasser des Frühjahrs den Beginn der Schifffahrt anzeigte und die aufgestaute gelbliche Fluth gegen das Schiff anstürmend in zahllosen Wirbeln mit Eilgeschwindigkeit vorüber tanzte, dann waren die „Bomätscher“ am thätigsten.
Unsere Illustration führt sie uns vor, wie sie, mit gewaltiger Kraft sich in die Gurte legend, den Kampf gegen das unbändige Element aufnehmen und in trotziger Energie vorwärts dringen. Wenn aber im Laufe der Sommermonate die Elbe um mehrere Fuß fiel, dann sahen sich die verwegenen Gesellen eines Theiles ihrer Einnahme beraubt, und in solchen Fällen kam es ihnen auf ein bischen Wegelagern nicht an.
Nun sind sie längst dahin geschwunden, diese Leute, und nur ein Andenken von ihnen ist der Nachwelt geblieben: der eigenthümlich originelle Gesang, welchen sie beim Ziehen der Schiffe erhoben, hat Richard Wagner Veranlassung zur Composition seines Matrosenchores im „Fliegenden Holländer“ gegeben.
Welch ein anderes Bild bietet uns heute die Elbschifffahrt dar! Auf den Wellen des Stromes, die ungeduldig Hamburg, einem der größten Häfen der Welt, zutreiben, fährt ein Dampfer sicher und stolz zu Berg und zieht unaufhaltsam vorwärts eine lange Reihe schwerbelasteter Kähne. Aber es ist nicht allein die ungestüme Kraft des von Wasser und Feuer erzeugten Dampfes, welche hier über die zu Thal drängenden Wogen des Flusses den Sieg davonträgt. Unten im Bette des Stromes ruht eine schwere eiserne Kette, an welcher der Dampfer sozusagen Anhalt gewinnt und mit deren Hülfe er den Anprall der Gegenströmung zu überwinden vermag. Nach dieser Kette tragen nun die Fahrzeuge den Namen Kettendampfer, und nach ihr wird die gesammte, also betriebene Schifffahrt Kettenschifffahrt genannt.
Mit Hülfe der unserem Artikel beigegebenen, für die „Gartenlaube“ eigens gezeichneten Illustration von Paul Heydel, welche das Loschwitzer Elbufer mit der Villa Souchay,[WS 1] den prachtvollen Albrechtsschlössern, dem bekannten Saloppenschlößchen und den Dresdener Wasserwerken darstellt, werden unsere Leser die Einrichtung eines Kettendampfers und den Betrieb der Kettenschifffahrt sich leicht zu veranschaulichen vermögen.
Wir schicken zunächst voraus, daß mitten in der Fahrbahn in der ganzen Länge des Stromes eine Kette versenkt ist, welche nur an ihren beiden Enden fest verankert wurde. Diese Kette wird nun, aus dem Wasser emporgehoben, von einem an dem Vordertheil des Schiffes befindlichen Arme aufgenommen und von diesem vermittelst Leitrollen zu zwei auf dem Schiffsdeck befindlichen Trommeln geführt. Um diese Trommeln, welche mit Rinnen versehen sind, wickelt sich die Kette dreimal in der Art, daß sie von der ersten Rinne der ersten Trommel zu der ersten Rinne der zweiten Trommel übergeht, von dieser um die zweite Rinne der ersten Trommel sich schlingt und zu der zweiten Rinne der zweiten Trommel zurückkehrt etc. Zuletzt wird die Kette in einer schräg abfallenden Leitrinne an das hintere Ende des Schiffes geführt, wo sie wieder in das Wasser sinkt.
Der Kettendampfer bewegt sich nun vorwärts, indem seine Dampfmaschine die beiden Trommeln in Bewegung setzt, wobei alle von der Kette umschlungenen Trommelumfänge eine gleiche Länge der Kette auf- und wieder abwickeln und hierdurch das Schiff um dieses Stück vorwärts rücken. Der von dem letzten Umfange der zweiten Trommel abgewickelte Theil der Kette läuft nach dem Heck des Schiffes und versinkt dort wieder in der Tiefe des Stromes. So wie sich also der Zug der Rigibahn durch das Eingreifen des Zahnrades in die Zähne der Mittelschiene bergan bewegt, so rollt sich hier die Windevorrichtung des Kettenschiffes unter der Kette fort.
Durch ein sehr einfaches Experiment ist man im Stande, sich hiervon eine directe Anschauung zu schaffen. Man lege zwei runde Bleistifte oder Federhalter neben einander und wickele um sie gemeinschaftlich einen Faden drei- bis viermal herum; dann wird man, wenn die Enden des Fadens ein wenig festgehalten werden, durch gleichmäßige Achsendrehung beider Bleistifte den Faden auf- und abwickeln können.
Die auf dem Boden des Stromes liegende Kette, an welcher der Kettendampfer durch die beiden Trommeln befestigt ist, sodaß er nur vorwärts oder rückwärts fahren kann, wird je nach der Kraft des Anzuges und der Wassertiefe auf eine gewisse Länge vor dem Schiffe gehoben; der Punkt, an welchem sie ungehoben bleibt, ist gewissermaßen der Ankerpunkt des Schiffes, indem das Gewicht und die Reibung der fortlaufenden Kette den Anker ersetzen. Da sich nun auf diese Weise der Kettendampfer mit der ganzen hinter ihm angehängten Last der geschleppten Fahrzeuge während der Fahrt „zu Berg“ in jedem Augenblick gewissermaßen vor Anker befindet, so wird er sogar im wildesten Gefälle niemals auch nur einen Zoll breit von dem einmal zurückgelegten Wege rückwärts gedrängt. [252] Würde dagegen die Maschine eines anderen frei im Strome schwimmenden Schleppdampfers einmal stoppen oder nachlassen, ohne sofort Anker zu werfen, so würde der ganze Zug unaufhaltsam stromabwärts treiben.
So läßt also der Umstand, daß das Schiff an der Kette einen festen Widerstand findet, die von der Maschine abgegebene Kraft möglichst voll zur Ausnutzung gelangen.
Die Kette reicht also, wie wir gesehen haben, vom Grunde aufwärts und wird durch geeignete Leitung über die ganze Länge des Schiffes geführt, wobei sie in Windungen um die beiden Trommeln geht; alsdann verläßt sie das Hintertheil des Schiffes und geht wieder schräg abwärts bis auf den Grund. Hieraus erhellt schon, daß die Kette nicht gespannt, sondern nur lose auf der Flußsohle aufliegt. Die aufgehobene Länge der Kette gestattet dem Schiffe mittelst der Steuer nach rechts und links eine zwar
begrenzte, aber genügende Beweglichkeit zum Ausweichen, die bei Krümmungen des Flußlaufs von besonderer Wichtigkeit ist. Hieraus sieht man aber auch, daß das Schiff eine gewisse Länge der Kette zu tragen hat, und daß es aus diesem Grunde auch tiefer eintauchen muß, als wenn es sich ohne Kette bewegte.
Natürlich ist es nicht gleichgültig, wie groß die Last der Kette ist, und deshalb darf die Tiefe des Gewässers ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Man würde beispielsweise in einem Wasser, das etwa dreißig bis fünfzig Fuß tief ist, die Kettenschifffahrt nicht mehr mit Vortheil betreiben können, weil das Schiff eine zu große Last zu heben hätte. Als zweckmäßige Grenze in Bezug auf die Verwendbarkeit der Kettenschifffahrt hat sich eine Tiefe von acht Metern ergeben.
Der wesentliche Vortheil der Kettenschifffahrt besteht also darin, daß sie bei sehr starken Gefällen zu Berg zu fahren auch dort ermöglicht, wo die frei schwimmenden Dampfer mit ihren Schleppzügen nicht mehr vorwärts kommen. So finden beispielsweise Raddampfer bedeutende Schwierigkeiten bei Gefällen, wie sie etwa der Rhein von St. Goar bis Bingen oder von Philippsburg bis Lauterburg[WS 2] und wie sie die Elbe von Niedergrund[WS 3] bis Aussig[WS 4] besitzt; sie müssen sogar auf das Schleppen der Lastkähne vollständig verzichten in Gefällen, wie sie von Lauterburg bis Straßburg auf dem Rhein, oder von Mannheim bis Heilbronn auf dem Neckar vorkommen.
Selbstverständlich muß die Stärke der Kette stets den gegebenen Verhältnissen, der Tiefe und der Stromgeschwindigkeit des Flusses angepaßt werden. So sind z. B. die einzelnen Glieder der in die Elbe gelegten Kette etwa so groß wie ein Handteller und haben eine Eisenstärke von zweiundeinhalb Centimeter, während das Gewicht jedes einzelnen Gliedes etwas mehr als ein Kilogramm beträgt. Dies ergiebt für die bis jetzt mit Kette belegte Strecke der Elbe ein Gewicht von mehr als zehn Millionen Kilogramm. Auch der Bau der Kettendampfer muß unter den oben erwähnten Umständen von dem unserer gewöhnlichen Flußdampfer abweichen.
Sie sind, da sie sich zumeist nur an der Kette stromauf und -abwärts bewegen, vorn und hinten symmetrisch gebaut, führen auch der höheren Manövrirfähigkeit wegen vorn und hinten je ein Steuer. Ihre Dampfmaschine besitzt in der Regel 100 bis 150 Pferdestärken und bewegt die beiden Trommeln auf Deck gemeinschaftlich nach einer Richtung. Je stärker die Gefälle und je größer der Schleppzug ist, um so energischer legt sich die vordere Trommel in die stark gespannte knirschende Kette, mit zornigem Ruck Glied auf Glied mit ihrer stahlharten Oberfläche erfassend und sich und den ganzen Schleppzug an ihr stromaufwärts windend.
Der nunmehr von Wind und Wetter und anderen Zufälligkeiten unabhängige Schleppdienst auf der Elbe wird so gehandhabt, daß jeder Kettendampfer die von ihm gezogenen zehn oder zwölf Schiffe, die, durch Taue mit einander verbunden, einen stattlichen Schleppzug bilden, so lange stromaufwärts fährt, bis ihm ein anderer entgegenkommender Kettendampfer diese Last abnimmt. Dann wird Station gemacht, was an jedem beliebigen Punkte der Kette geschehen kann, und der frei gewordene Motor kehrt
[253][254] zurück, bis er stromabwärts den nächsten Schleppzug trifft, den er dann wieder stromaufwärts fährt. So reichen sich die Dampfer die Lasten einander zu und schaffen sie an den Ort ihrer Bestimmung.
Wenn es einmal erwünscht ist, daß ein Dampfer ganz frei von der Kette fahre, zu welchem Zwecke die Mehrzahl der Dampfer auch noch mit einer Schraube versehen ist, so wird einfach ein Kettenschloß gelöst, wie man auf jedem halben Kilometer ein solches antrifft, oder es wird nöthigenfalls ein Glied der Kette mit einem Meißel zerschlagen und nachdem man die Kette von den Trommeln genommen, vereinigt man ihre beiden Enden wieder durch ein einfaches Kettenschloß.
Die Idee dieser Kettenschifffahrt ist viel älteren Datums als die Dampfschifffahrt. Wir können sie bis zum Jahre 1723 zurück verfolgen. Damals gab der in Dresden lebende Mathematiker Marperger ein Werk heraus, betitelt: „Wasserfahrt auf Flüssen und Canälen“, und in demselben findet sich folgende Stelle:
„Wir können nicht umbhin, der von dem berühmten Mechanico, und Math. Prof. Herrn Nicolaus Molwitz zu Magdeburg zwar angegebenen, aber nicht zum Gebrauch gekommenen Maschine, vermittelst welcher die schwer beladenen, die Elb hinaufkommenden Schiffe durch etwan fünf bis sechs Mann, da dermalen wohl fünfzig nöthig seyn, über den schnellen Wasserfall unter der Magdeburgischen Brücken hatten heraus gezogen werden sollen, noch einmal zu gedenken. Es besteht aber solche Maschine in zwei liegenden Wellen, worauff die Taue oder funes Tractorii gewickelt werden, und zwar vermittelst sechs abwechselnder Vectium-Homorodromorum, oder gleich aufflauffender Hebel, wobey denn dieser Umbstand, daß die Tauen, wie sie umb die vordere Welle umbgeschlagen werden, sich immer wieder von derselben ab und auff die hintere auffwickeln, die ganze Maschine aber auf einen Ponton oder Prahm gar füglich kann angebracht werden.“
Mit dieser Beschreibung ist das Princip unserer heutigen Kettenschifffahrt vollkommen dargestellt.
Die ersten Versuche der Kettenschifffahrt sollen in Dresden gemacht worden sein; späterhin, im Jahre 1732, ließ Marschall Moritz von Sachsen bei Straßburg im Elsaß ähnliche Versuche anstellen, welche nachher in Frankreich Fortsetzung fanden. Die Franzosen waren es auch, welche diese unzweifelhaft deutsche Erfindung praktisch vervollkommnet haben. Der erste Ingenieur, welcher vor etwa sechszig Jahren die Dampfkraft auf ein Kettenschiff zu übertragen suchte und die Grundzüge der heutigen Kettenschifffahrt entwarf, war Tourasse; sein System fand jedoch damals wenig Anerkennung, sodaß erst im Jahre 1839 der erste Erfolg bringende Kettendampfer gebaut und im Innern von Paris in Dienst gestellt wurde. Späterhin dann, seit den fünfziger Jahren bis zum Jahre 1873, wurden in Frankreich noch etwa 500 Kilometer Wasserstraßen mit der Kette belegt.
In Deutschland hatten indessen die beiden Elbstädte Magdeburg und Dresden ihr altes Prioritätsrecht auf die Kettenschifffahrt nicht vergessen. Das erste deutsche Versuchsschiff dieser Art wurde 1866 vom Director der Vereinigten Hamburg-Magdeburger Dampfschifffahrtscompagnie Herrn Graff für den Localdienst durch die Magdeburger Brücken in Dienst gestellt. In den darauf folgenden Jahren fand in der Einrichtung der Kettenschleppschifffahrt der Oberelbe die erste Ausdehnung derselben auf eine größere Strecke des nicht canalisirten Elbstromes statt. Der kühne und unternehmende Schöpfer dieser Anlage ist der noch heute an der Spitze der gesammten deutschen Kettenschifffahrt der Elbe stehende Ingenieur General-Director E. Bellingrath in Dresden, der neuerdings in den weitesten Kreisen bekannt geworden ist durch die von ihm gemachte wichtige Erfindung des hydrostatischen Wagens, mit welchem beladene Schiffe beliebiger Form und Größe auf besonders dazu eingerichteten Eisenbahnen, selbst bei wechselnden Steigungsverhältnissen, sicher und ohne Schaden zu nehmen, bergauf und -ab transportirt werden können.
Damals, im Jahre 1869, als die erste Probefahrt auf der Strecke von Riesa nach Dresden unter seiner Leitung stattfand, war die Herrschaft der Bomätscher noch in voller Blüthe, und sie waren sich derselben so wohl bewußt, daß sie nicht im Mindesten die Concurrenz des Kettendampfers fürchteten. Im Gegentheil, sie bemitleideten ihn sogar, da sie jeden Augenblick erwarteten, daß er an einer der vielen gefährlichen Stromschnellen zu Grunde gehen würde. Als aber das Fahrzeug mit dem von ihm geschleppten Zuge elegant und sicher die berüchtigte scharfe Ecke der Meißener Fuhrt passirt hatte, da wurden die Gesichter merklich länger, und nachdem zum Schluß sogar noch der Schrecken aller Schrecken für die damalige Schifffahrt, die gefährliche Passage unter der den Strom verengenden Augustus-Brücke in Dresden, ohne die geringste Beschädigung des Schleppzuges zurückgelegt war, da überkam die Bomätscher das Gefühl der Wuth und Feindschaft, und mehr als ein Stein flog, aus ihrer Mitte geschleudert, auf das Fahrzeug.
Bis zum Jahre 1871 war die Elbe von Magdeburg bis zur böhmischen Grenze, bis 1872 von der böhmischen Grenze bis Aussig und von 1870 bis 1874 von Magdeburg bis Hamburg durch drei verschiedene Gesellschaften auf eine Gesammtlänge von 668 Kilometer mit der Kette belegt worden, und es wurde durch 28 Kettenschiffe der Dienst versehen. Gegenwärtig nun, seit wenigen Monaten, ist durch eine Fusion verschiedener Gesellschaften die Deutsche Elbschifffahrts-Gesellschaft „Kette“ mit dem Sitze in Dresden entstanden, in deren Händen der gesammte auf 630 Kilometer sich erstreckende deutsche Elbkettenbetrieb vereinigt ist.
Freilich begründet die Einlegung einer Kette oder eines aus Metalldrähten bestehenden Seiles in das dem Staate gehörige Strombett ein, wenn auch nicht gesetzlich ausgesprochenes, doch aus technischen Gründen als thatsächlich vorhanden zu betrachtendes Monopol; denn zwei oder mehrere Ketten oder Seile verschiedener Unternehmer können neben einander nicht bestehen. Die Kette liegt nämlich durchaus nicht immer an derselben Stecke des Flußbettes, sondern schlängelt sich auf dem Grunde hin und her und wird fast von jedem Schleppzuge seitlich verlegt. Es würden deshalb mehrere Ketten sehr bald sich gegenseitig verwickeln und in Unordnung gerathen. Aber weil nur eine Kette liegen darf, und das Monopol vom Staate nur durch besondere Concession verliehen werden kann, so ist der Staat auch berechtigt, daran alle die Bedingungen zu knüpfen, welche eine einseitige Ausbeutung des Monopols verhindert. Diese Bedingungen machen die Ketten- oder Seilschifffahrt zu einem außerordentlich gemeinnützigen Unternehmen, wodurch sie sich sehr wesentlich von den übrigen Schleppschifffahrts-Unternehmungen unterscheidet. Letztere können ihre Kundschaft nämlich nach Belieben wählen und die Preise ganz nach Wunsch ändern; sie können dem Einen billige, dem Anderen hohe Schlepplöhne anrechnen, einem Dritten sogar die Mitnahme verweigern; sie dürfen auch zu beliebiger Zeit ihren Betrieb unterbrechen oder ganz einstellen. Alles dies kann und wird die Behörde bei Concessionirung von Kettenschleppschifffahrtgesellschaften vermeiden und letzteren aufgeben, zu jeder beliebigen Zeit jedem Schifffahrttreibenden nach einem festen, von der Regierung genehmigten Tarife die nothwendige Schleppkraft zu liefern. Hierdurch verliert die „Bergfahrt“ eines mit der Kette belegten Stromes alle ihre Schrecknisse und unangenehmen Zufälle. Aus Monaten und Wochen früherer Fahrten werden jetzt genau zu berechnende Tage; die Hin- und Rückreise kürzt sich so sehr ab, daß das Fahrzeug im Vergleich mit den früheren Zuständen jetzt während eines Jahres fast die doppelte Anzahl Touren unternehmen kann.
Man erhält einen Begriff von der Leistungsfähigkeit der Kettenschifffahrt wenn man bedenkt, daß ein einziger Kettendampfer im Stande ist, die Last von mindestens einem halben Dutzend unserer gewöhnlichen Güterzüge selbst gegen den schärfsten Strom mit solcher Schnelligkeit zu ziehen, daß er zu dem Wege von Hamburg nach Dresden kaum mehr als eine Woche braucht. Es sind auch gegenwärtig auf der Elbe vielfach an Stelle der kleineren Segelfahrzeuge von zweitausend bis viertausend Centner Tragkraft große Schleppkähne von achttausend bis zehntausend Centner Tragkraft getreten.
So ist die Kettenschifffahrt das vorzüglichste Mittel, regelmäßig große Lasten auf schnellströmenden Flüssen zu befördern, und bei der großen Bedeutung unserer Wasserwege für den Handel und Wandel wird sie auch fernerhin ohne Zweifel an Ausbreitung gewinnen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Villa Souchay: das nach Plänen Christian Friedrich Arnolds erbaute heutige Schloss Eckberg
- ↑ fr: Lauterbourg
- ↑ cs: Dolní Žleb, ein Ortsteil der Stadt Děčín
- ↑ cs: Ústí nad Labem