Die Katze läßt das Mausen nicht (Schütz)

Textdaten
Autor: Friedrich Wilhelm von Schütz
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Titel: Die Katze läßt das Mausen nicht
Untertitel: Sprüchwort in einem Aufzuge, als Fortsetzung des Bauernguts
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Erscheinungsdatum: 1801
Verlag: Bechtold
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Erscheinungsort: Altona
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Quelle: SUB Hamburg = Commons
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[Ξ]
Die
Katze läßt das Mausen nicht,
Sprüchwort
in einem Aufzuge, als Fortsetzung des Bauernguts.


von


Friedrich Wilhelm von Schütz,
Churfürstl. Sächßl. Hofrath.


Aufgeführt auf dem National-Theater
in Altona.



Altona,
bei Friedrich Bechtold 1801.


[Ξ]
Personen:
  • Gürge       Herr Thomas.
  • Röse       Mad. S. Albrecht.
  • Knallerpaller       Herr Beinhöfer.
  • Schnaps       Herr Costenoble.
  • Wirth zur dürren Henne       Herr Bröckelmann.
  • Bauern.
(Die Scene ist eine ländliche Gegend, mit einem Wirthshause.)


[Ξ]
Erster Auftritt.
Schnaps und Knallerpaller, jeder mit einem Reisebündel versehen.

Schnaps. (noch in der Scene.) Ganz sicher ist das der richtige Weg. – Der Junge sagte ja: dicht bei einem Wirthshause vorbei – (indem sie aufs Theater treten) nun hier ist es. –

Knallerpaller. Ja, ja, das Wirthshaus ist freilich da, aber obs nun von hier aus, rechts oder links geht –

Schnaps. Ei nun, eins nach dem andern, pflegte mein Principal zu sagen, wenn er die Bauern [4] rasiren sollte. – Allenfalls können wir ja auch hier im Wirthshause weiter fragen.

Knallerpaller. Das können wir freilich, ich möchte ohnedieß gern zuvor ein Frühstückchen einnehmen. Aber, Freund, wenn wir nun in die Stadt kommen, was dann anfangen? –

Schnaps. Anfangen, anfangen? – Ei was, haben wir denn nicht Geld? Mit dieser Waare da läßt sich alles anfangen. Herr von Lilienstern war ja so generös, uns eine Börse zuzuwerfen, für die Mühe, die wir uns wegen dem Gutsverkauf gemacht hatten – die haben wir redlich getheilt.

Knallerpaller. Das haben wir, aber demohngeachtet muß ich dich bitten, lieber Schnaps! trotz dieser Theilung, mein treuer Gefährte zu bleiben; denn sieh nur, ich bin unternehmend, wie du weißt, aber im Erfinden, da bist du Meister.

Schnaps. Du kleiner Schmeichler, hä, hä, hä! – Ei nun, wir haben nicht einerlei Talente, einer ist glücklich im Erfinden, ein andrer glücklich im Ausführen. Also frisch ans Werk, auf! nach der Stadt! –

(will gehen.)

Knallerpaller. Aber wenn wir dahin kommen, was dann? Laß doch hören, was dein großes Genie abermals ausgebrütet hat.

[5] Schnaps. Hä, hä, hä! erräthst du denn nichts? Kurzsichtiger Mensch! Weißt du denn nicht mehr, was uns gestern Abend im Wirthshause ein Fremder erzählte? – Von den Schauspielern in der Stadt?

Knallerpaller. Ja, daß es gegenwärtig eben nicht sonderlich mit ihnen beschaffen wäre – und daß – Schnaps! – du wirst doch nicht –

Schnaps. Ja, ja, ich werde – ich werde mich als erster Liebhaber engagiren und dich Brüderchen! – zu die Rollen der zärtlichen Väter.

Knallerpaller. Großer Schnaps! – ich beuge meine Knie, bringe dir im voraus mein Rauchopfer – nur bedenke, ob dein Freund Knallerpaller, zwar ehemals ein berühmter Wurmdoktor, aber jetzt vielleicht ungeschickt –

Schnaps. Um zärtlich zu spielen, willst du sagen. Ich verstehe dich recht gut, aber du bist auch gar zu bedenklich. Glaube mir, Freundchen! wenn alles in der Welt nach Verdienst gehen sollte –

[6]
Zweiter Auftritt.
Wirth. Vorige.

Wirth. Diener, Diener, meine Herren! Ists nicht gefällig, ein wenig näher zu treten? Aber – um Verzeihung, meine Herren! woher denn des Landes?

Schnaps. Ach, weit her – sehr weit her.

Knallerpaller. Und eben wollten wir noch weiter, uns hier nur noch ein wenig aufhalten und dann nach der Stadt eilen.

Wirth. So, so – nach der Stadt – etwa in Handlungsgeschäften? –

Knallerpaller. Ja, ja, so ohngefähr, – in Handlungsgeschäften. (heimlich zu Schnaps) Nimm du doch das Wort, Freund, und sage, was du willst.

Schnaps. Wir sind Reisende, Herr Wirth, – eigentlich Schauspieler – und werden uns in der Stadt engagiren. –

Wirth. Schau – Schauspieler? – reisen – Aha! – auf gut Glück – ich verstehe, verstehe. Es sind schon öfters dergleichen Herren hier durchpassirt, haben auch ihr Glück in der Stadt versuchen wollen, aber – wie ich höre, es geht nicht immer nach Wunsch.

[7] Schnaps. Kann wohl seyn, aber das geht uns nichts an, denn wir sind verschrieben.

Knallerpaller. Haben auf vielen Theatern bereits figurirt, bald große, bald kleine Rollen gespielt. (heimlich zu Schnaps) Nicht wahr, Freund, du verstehst mich?

Schnaps. (heimlich) Ja wohl, Freundchen! (zum Wirth) Wir haben manchmal komische, zuweilen auch tragische Rollen gespielt. – Kavaliers- und Offiziersrollen, das ist eigentlich bisher unser Fach gewesen.

Knallerpaller. Doch wir sind überhaupt in allen Fächern Meister – und kurz, wir sind verschrieben.

Wirth. Ja, das ist was anders. – Ei, ei, da haben sie ja auch wohl ansehnliches Reisegeld erhalten?

Schnaps. Versteht sich, versteht sich. –

Wirth. Und haben das Reisegeld noch bei sich?

Knallerpaller. Versteht sich, versteht sich.

Wirth. So, so! – Nun, ists denn nicht gefällig, näher zu treten; zwar in ein schlechtes Häuschen, wie’s denn auf dem Lande gewöhnlich ist, aber an guter Bewirthung solls nicht fehlen, und die ist denn doch immer das Beste.

Schnaps. Danke, danke, Herr Wirth.

[8] Wirth. Können sichs ja bequem machen, und einige Tage hier ausruhen. (vertraut) Habe ein Weinchen im Keller, ein gar delikates Weinchen, wie sie wohl schwerlich auf dem Lande antreffen werden.

Schnaps. Bei Leibe – einige Tage – wo denken sie hin, Herr Wirth! –

Knallerpaller. Nein, das geht nicht, denn man erwartet uns längst – und, wie wir hören – mit Sehnsucht.

Wirth. Ja, das ist was anders – unterdessen, meine Herren.

Knallerpaller. Können wir doch wenigstens vor der Hand ein Frühstück einnehmen.

Wirth. Auch das, meine Herren! wie’s ihnen gefällig ist, belieben sie nur näher zu treten, werden da ohnedieß noch ein paar Fremde beim Frühstücken antreffen. Es sind zwar nur Landleute, aber brave und reiche Leute. Sie kamen noch gestern Abend – ziemlich spät – von Birkenhausen.

Knallerpaller. (erschrocken) Von – von Birkenhausen?

Schnaps. (verlegen) So, so, von Birkenhausen? (beide sehen sich erstaunt an, Pause –)

[9] Wirth. Es sind ein Paar nette junge Leute. – Es ist nicht lange her, daß sie da ein hübsches Gut gekauft haben. Nun – ists wohl gefällig? –

Schnaps. Werden sogleich nachkommen.

Knallerpaller. Wollen sie nur unterdessen das Frühstück besorgen?

Wirth. Braucht gar nicht erst besorgt zu werden, – doch ja, mein Weinchen, mein Weinchen, das sollen sie doch einmal probiren. – (geht ab.)


Dritter Auftritt.
Vorige ohne den Wirth.
(Beide sehen einander wehmüthig an.)

Knallerpaller. Seelenfreundchen!

Schnaps. Herzensbrüderchen! was machen wir nun? Das junge Paar, wovon der Wirth sprach, ist ganz gewiß Gürge und Röse – die werden uns verrathen – also –

Knallerpaller. Also ist mein Rath, so schnell als möglich unsern Wanderstab zu ergreifen – und zwar, wenn’s denn nicht anders seyn kann, ohne etwas genossen zu haben.

[10] Schnaps. Ist wohl das beste, denn der plumpe Bauergürge der möchte uns sonst noch ein andres Frühstückchen vorsetzen.


Vierter Auftritt.
Gürge und Röse voran, (hinter diese der Wirth,) Vorige.

Wirth. Hier nur grade aus, Kinderchen! grade aus – könnt gar nicht fehlen, – dann kommt ein Querweg, aber ihr haltet euch immer rechts, immer rechts.

Gürge. Wer sind denn die Herren?

Wirth. (heimlich) Es sind Fremde, – reisende Schauspieler – wollen hier frühstücken.

Gürge. (zu Rösen) Sieh doch, Röse – wollte drauf wetten.

Röse. (zu Gürgen) Ja, meiner Treu, Gürge, – richtig, sie sinds. –

Wirth. Könnt in der That nicht fehlen, Kinderchen! müßt euch nur rechts halten. –

Gürge. Schon gut, Herr Wirth, brauchen sich nicht länger aufzuhalten, wir wollen nun schon den Weg finden.

Wirth. Nun, wenn ihrs nicht übel nehmen wollt, Kinderchen! Denn ich weiß nicht, wo [11] mir der Kopf stehet. (zu Schnaps und Knallerpaller) Sollen gleich bedient werden, meine Herren! (schnell ab.)


Fünfter Auftritt.
Gürge und Röse treten näher, Schnaps und Knallerpaller, ohne diese anzusehen.

Gürge. Guten Tag, meine Herren!

Röse. Woher des Weges? Kommen sie aus der Stadt, oder wollen sie erst hin?

Schnaps. Wollen dahin, aber wir haben Eile.

Knallerpaller. Können uns keinen Augenblick länger aufhalten. (wollen gehen)

Gürge. Ei, werden doch noch ein wenig verziehen.

Röse. Zumal wenn man alte Bekannte hier so unvermuthet auf der Landstraße findet.

Knallerpaller. (trotzig) Wie so? – Bekannte? – wir sind Fremde.

Schnaps. Und kennen hier keinen Menschen.

Gürge. Aber wir desto besser. Nur nicht so patzig, Herr Wurmdoktor!

[12] Röse. Nur nicht so aufgebracht, Herr Bartputzer!

Gürge. Denkt wohl gar, daß wir euch nicht gekannt haben? He? –

Röse. Habt wohl wieder neue Spitzbübereien im Kopfe? – He? –

Schnaps. Ach, allerliebstes Röschen! – gar nichts von dergleichen.

Knallerpaller. Wollen uns als ehrliche Kerls gern durch die Welt helfen – denn unsre Talente –

Röse. Nun damit ist es eben nicht zum besten bestellt.

Gürge. Nur heraus damit, was wollt ihr hier machen?

Schnaps. Hier ganz und gar nichts – aber in der Stadt, da hoffen wir unser Fortkommen zu finden.

Röse. Doch nicht als Schauspieler? – Der Wirth schwatzte so eben –

Knallerpaller. Ganz recht – wir wollen zum Theater, in der Stadt ist, wie wir hören, jetzt Mangel an Künstlern.

Schnaps. Wenigstens sind jetzt grade zwei Fächer vacant, ganz für uns passend, – denn ich spiele Liebhaber –

Knallerpaller. Und ich – zärtliche Väter.

[13] Gürge und Röse. Ha, ha, ha! –

Gürge. Knallerpaller und zärtlicher Vater!

Röse. So ein ausgehungertes Gesicht und ein Liebhaber!

Schnaps. Das ist eben das Wahre – ein Liebhaber kann immerhin etwas dürftig, er muß sogar blaß und abgezehrt aussehen. –

Gürge. Nein, nein, das ist nichts, da bleibt nur davon – ihr kommt wahrlich nicht fort.

Röse. Denkt nicht etwa, weil ihr mit uns so öfters Komödie gespielt habt, – denn in der Stadt auf dem Theater, da ist es anders.

Gürge. Sieht gar leicht, wenn man so etwas mit ansieht. Bin auch öfters in der Komödie gewesen, wenn ich sonst nach der Stadt kam, aber ihr – ach Jemine, ihr könnt so was nicht machen – habt ja beide nichts gelernt.

Röse. Ei, Gürge, das kann man nicht sagen – aber jeder in seinem Fache. Der versteht ein bischen kuriren und jener allenfalls eine Ader zu schlagen – aber als Künstler –

Knallerpaller. Ja, Brüderchen! wenn ichs recht überlege, Gürge hat Recht, doch ist nun die Frage: was anfangen, wenn das bischen Reisegeld aufgezehrt ist?

Schnaps. Gürge meints freilich gut – aber –

[14] Gürge. Aber ihr meint es nicht gut, da steckt eben der Knoten. Ja, wenn ihr ehrliche Kerls wäret, so könntet ihr immer noch fortkommen.

Schnaps. Ehrlich sind wir, so lange der Geldmangel nicht einreißt.

Knallerpaller. Und würden es immer bleiben, wenn nur nicht die Noth – aber, wißt ihr denn etwas anders?

Schnaps. Wir sind gewiß dankbare Leute, habt ihr einen Rath, so theilt uns solchen mit –

Gürge. Mein Rath ist kurz: geht in die Stadt – aber treibt, was ihr gelernt habt, einer mit kuriren, der andre mit barbiren.

Röse. ’s giebt ja so viele Pfuscher, die in einer so großen und reichen Stadt ihr Fortkommen finden, warum denn nicht ihr?

Schnaps. Wohl gesprochen, liebes Röschen, wohl gesprochen. Ich will ihren Rath folgen und barbire von nun an einen jeden, der mir vor die Hand kommt.

Knallerpaller. Und ich will meine Patienten mit Pulver und Tropfen bedienen, so lange sie solche nur überschlucken können.

Gürge. Thut das ihr Herren und damit Gott befohlen. – Röse, Röse! was wird der Vater sagen?

[15] Röse. Ja wohl, Gürge, wir wollten schon Mittags zu Hause seyn, – das ist nun kaum möglich. (wollen gehen.)

Schnaps. Liebes Röschen! nur noch ein Wort!

Röse. Halt er uns nicht auf, Musje Schnaps.

Schnaps. Ganz und gar nicht, aber noch eine kleine Bitte.

Gürge. Nur geschwind, denn wir müssen weiter.

Schnaps. Als Wurmdoktor und Bartscherer, ist in der Stadt gar nichts zu machen. Quacksalber wohnen in allen Straßen, aber – studirte Doktores.

Knallerpaller. Ja, als Doktores müssen wir uns da produciren, denn Schnaps und Knallerpaller schlechtweg das geht heut zu Tage nicht mehr.

Schnaps. Nein, das geht nicht, besonders in großen Städten, da muß man immer mehr scheinen, als man wirklich ist, denn das ist so der Welt Lauf.

Gürge. Nun meinetwegen, ihr Herren! das müßt ihr besser verstehen, als ich –

[16] Röse. Schnaps hat Recht, in Städten ist alles ganz anders, als hier auf dem Lande, doch was kümmert uns das?

Schnaps. Viel, sehr viel, charmantes Röschen; denn der Wirth hält uns für Schauspieler. Ihm wäre es doch gut, unsre Doktor Promotion zu notificiren.

Knallerpaller. Und wenn ihr so gütig seyn wolltet, uns für Bekannte auszugeben.

Gürge. Aha! ich verstehe – nun meinetwegen, wenns euch helfen kann. –

Schnaps. Allerdings, allerdings. – Ich glaube, ich höre kommen. Ganz erwünscht, also –

Gürge. Richtig, richtig, ihr seid beide Doktores.


Sechster Auftritt.
Wirth. Vorige.

Wirth. Sieh, sieh, Kinderchen! – noch immer hier. Haben die Herren euch aufgehalten? Vorhin hattet ihr Eile.

Gürge. Ja freilich, aber da wir Bekannte hier antrafen –

Wirth. Bekannte? – das wäre – ei, ei! –

[17] Röse. Sie glaubten, Herr Wirth, ein Paar reisende Schauspieler zu sehen?

Wirth. So denk ich, – nun – ists nicht so?

Röse. Nichts weniger, es sind reisende Aerzte.

Wirth. Aerzte? – ordentliche Aerzte? – Ei, ei!

Schnaps. Mein Herr Kollege hier, ist Doktor Medizinä.

Knallerpaller. Und dieser, mein Herr Kollege ist Doktor der Chirurgie.

Gürge. (vor sich) So lüg du und der Henker!

Wirth. Ei, ei! – Und warum haben mir denn die Herren nicht ein Wörtchen davon gesagt? – Wars etwa ein Geheimniß, und glaubten sie vielleicht, daß ein Landwirth nicht auch zu schweigen versteht?

Schnaps. Nicht doch, Herr Wirth, aber wir wollten zur Zeit noch unbekannt bleiben, gewiß aus wichtigen Ursachen –

Knallerpaller. Und weil wir die Fußreisen lieben, und solche aus medizinischen Gründen, für die Gesundheit überaus zuträglich hielten, konnten wir uns deshalb nicht standesmäßig ankleiden, und wollten lieber incognito reisen.

[18] Wirth. Ja, ja, ich verstehe, aber – Doktores, so nach der Stadt – hä, hä, hä! – das weiß ich doch nicht – zu Fuß und in solcher Reisekleidung –

Röse. Ja freilich wäre es besser gewesen, wenn die Herren in einem Wagen gekommen.

Gürge. Und wenn sie andre, als ihre Reisekleidung hätten anziehen können.

Knallerpaller. Das Kleid macht den Mann nicht.

Schnaps. Und wir kennen unsre Verdienste.

Knallerpaller. Doch wenn es drauf ankäme, was nehmlich die Kleidung betrift, so könnten wir auch damit wohl aufwarten. (zeigt auf seinen Bündel.)

Schnaps. Denn wir sind vor der Hand, wenigstens doch mit einer, unserm Stande angemessenen Kleidung versehen.

Wirth. Vortreflich! und ich, ich kann mit einer Equipage aufwarten, so gut, wie sie ein Wirth auf dem Lande nur aufzeigen kann. Ein Wagen, meine Herren! – das schwungt, das rollt, und mein Michel, das ist ein Kerl, der fährt über Stock und Stein, daß die Stücken einen um Kopf herum fliegen.

Schnaps. Zu gütig, Herr Wirth, gar zu gütig. – Was meinen sie, Herr Kollege?

[19] Knallerpaller. Wie sie denken, Herr Kollege! ich bins zufrieden. – Wenn wir fahren, Herr Wirth, so pflegen wir gut zu bezahlen.

Wirth. Ei, davon ist ja gar nicht die Rede. Ueberhaupt, wenn ich ohne Schaden dienen kann, so thue ich es immer mit vielem Vergnügen. – Wollen die Herren sich etwa jetzt ankleiden? – mein Schlafzimmerchen steht ihnen zu Diensten.

Schnaps. Nun so kommen sie, Herr Kollege. (Beide wollen ihre Bündel aufnehmen, der Wirth aber komplimentirt und trägt solche hinein.)

Wirth. Spatzieren sie nur voran. – (alle drei ab)


Siebenter Auftritt.
Gürge. Röse.

Gürge. Nun, Röse? –

Röse. Nun, Gürge? –

Gürge. Was sagst du zu diesen Doktors? Es sind doch ein Paar listige Kerls –

Röse. Mir, Gürge, ist bei dem allen doch nicht so recht wohl zu Muthe. Wenn die neuen Doktors nur nicht neue Pfiffe machen und ihre alten Stückchen von Prellereien wieder hervorsuchen.

[20] Gürge. Laß das, Röse – endlich müssen sie doch anfangen ehrlich zu werden. Haben ja gesehen, daß durch ihre losen Streiche, sie keinen Schritt vorwärts kommen.

Röse. Nun ja, – ich sollt es auch denken. Freilich pflegt mein alter Vater bei solchen Gelegenheiten immer zu sagen: Die Katze läßt das Mausen nicht, aber beide sind, denk ich, alt genug, um ehrlich zu werden. Finden sie ihr Fortkommen in der Stadt, Gürge, so haben sie uns ihr Glück zu verdanken.

Gürge. Aber, Röse, wollen wir denn nicht weiter? Der Mittag kommt herbei und dem Vater wird die Zeit lang werden. – So komm doch –

Röse. I, Gürge, auf ein Viertelstündchen wirds ja nicht ankommen, ich denke, wir gehen dann desto geschwinder. Ich hätte doch gar zu gern die neuen Doktors in ihrem Staate gesehen.


Achter Auftritt.
Wirth. Vorige.

Wirth. Das geht rasch, Kinderchen – so was mag ich wohl leiden. – Das sind gar flinke Herren. – Kaum hatte ich sie in meine Schlafkammer geführt, husch zogen sie von Leder [21] – Röcke herunter – Bündel aufgeschnürt – und bald werden sie hier seyn. Also, Kinderchen! ihr kennt die Herren? –

Röse. Recht gut, Herr Wirth. – Nicht wahr, Gürge?

Gürge. So ziemlich! – wollte wohl wünschen, daß sie in der Stadt ihr Fortkommen fänden.

Wirth. O das werden sie auch – das ist ganz sicher, denn eben denke ich dran – jetzt ist vielleicht Mangel –

Gürge. Wie so denn? Doktores giebts in Menge.

Wirth. Ja freilich wohl, aber – wißt ihr denn nicht, was neulich passirt ist?

Röse. Nicht eine Silbe, – was hat’s denn gegeben?

Wirth. Haben die Taxe erhöht und wollten nicht mehr für den sonst gewöhnlichen Lohn arbeiten. – Sie hätten beinahe alle niedergelegt, wie vor einigen Jahren die Handwerksgesellen – aber weil sie es mit keinen Meistern zu thun hatten, konnten sie’s einigermasen wohl zwingen.

Röse. Nun, und was thaten sie denn?

Gürge. I so laß ihn doch ausreden.

Wirth. Haben sich eine ganze Menge beredet, das respective Publikum ein wenig höher zu [22] schrauben, und zu dem Ende ein eigenes Avertissement abdrucken lassen. Ich hab’s im Hause, Kinderchen, will es euch, der Rarität wegen, sogleich herholen. (will abgehen, indem begegnen ihm)


Neunter Auftritt.
Schnaps und Knallerpaller in Allongenperucken, etwas karrikaturmäßig gekleidet.

Wirth. Ei der tausend, meine Herren! hätte sie beinahe nicht gekannt. – Ja, so sieht es ganz anders – nun können sie eher für Doktores passiren. Hä, hä, hä! Wer hätte das gedacht, als die Herren vorhin mit ihren Reisebündeln hier ankamen.

Schnaps. Man denkt wohl manches nicht, Herr Wirth, was denn doch wirklich ist, nicht wahr, Herr Kollege?

Knallerpaller. Ja wohl, Herr Kollege! (mit Würde) Herr Wirth, wenn der Wagen bald fertig wäre – wir sind gerüstet –

Wirth. Der Wagen – der Wagen? – Ei, das soll kein Viertelstündchen mehr dauern – (mit vielen Verbeugungen ab.)

[23]
Zehnter Auftritt.
Gürge. Röse. Vorige.

Gürge. Nun – was sagt ihr, ihr Herren? Seid ihr mit Erhöhung eures Standes zufrieden?

Schnaps. Vollkommen bis dato – nur wegen der Folge –

Röse. Das wird nun auf euch beide ankommen.

Knallerpaller. Man hat aber wohl eher Exempel gehabt, daß einem sogar das Doktordiplom, mir nichts, dir nichts, ist so rasch wieder abgenommen worden, wie mir weiland der Schnurrbart – ihr wißt doch noch?

Röse. Ach ja, ich weiß es recht gut – aber den Schnurrbart beiseite, ihr habt jetzt, allem Anschein nach, euer Glück selbst in Händen.

Schnaps. Wie so denn? Wie so denn? –

Röse. Der Wirth erzählte so eben, in der Stadt wären allerhand Unruhen vorgefallen, die Doktors – ach ich weiß selbst nicht so recht, Gürge, erzähle du’s lieber.

Gürge. Die Doktors hätten ihren Sold selbst erhöhet und da ist es denn wohl begreiflich, daß die Bürger sich scheuen, solche theure Herren holen zu lassen.

[24] Schnaps. Bravo, bravissimo!

Knallerpaller. Unser Weitzen fängt an zu blühen, Herr Bruder.

Röse. Ihr könnt also viel verdienen, wenn ihr weniger nehmet und euch mit der alten Taxe begnügen laßt.

Schnaps. Das wollen wir gern.

Knallerpaller. Darauf soll es uns gar nicht ankommen.

Gürge. Nun so denke ich, ist euer Glück gemacht, denn wenn ihr auch wenig gelernt habt, – man sagt ja, auf Geschicklichkeit soll es nicht immer ankommen.

Knallerpaller. Ist meine Sorge. Freilich werden die naseweisen Menschen sehr vieles gegen meine besondre Kurmethode einzuwenden haben, aber laß sie nur kommen.

Schnaps. Grade durch, Freundchen, ist bei allen Kuren das beste. – Was hilft auch das lange Quälen, bei jedem Patienten muß unsre Losung seyn: sterben oder gesund werden.

Knallerpaller. Mit wirksamen Medicamenten, Brüderchen, kann man in vier und zwanzig Stunden oft gar vieles ausrichten.

Gürge. Aber, Röse, wollen wir denn nicht weiter?

[25] Röse. Hast Recht, Gürge, der Vater wird gewiß ungeduldig werden. Nun lebt wohl, ihr Herren Doktors, kurirt ordentlich und schreibt nicht zu viel an.

Schnaps. Wollen sehen, wollen sehen.

Gürge. Und wenns euch wohl gehet, so laßt auch etwas von euch hören, denn glaubt mir nur, ihr armen Teufel dauert uns wirklich.

Knallerpaller. Ja, ja, so wie wir Kutsche und Pferde verdient haben, so kommen wir zu euch nach Birkenhausen –

Gürge. Nun dabei bleibts – nach Birkenhausen – (giebt jedem die Hand und geht ab.)

Röse. Lebt wohl, ihr Herren! Glück auf die Reise. (geht ab.)

Knallerpaller. Danken tausendmal.

Schnaps. Wünschen gleichfalls.


Eilfter Auftritt.
Schnaps. Knallerpaller.

Schnaps. Ach, Knallerpaller!

Knallerpaller. Ach, Schnaps! wenn wir doch weiter wären!

[26] Schnaps. Ja, weiter wohl, aber nicht nach der Stadt, denn da ist wahrlich für uns gar nichts zu machen.

Knallerpaller. Nicht? – aber was denn? – Der Wagen wird schon angespannt – wir müssen fahren.

Schnaps. Wollen auch, Brüderchen, denn das ist immer besser, als die fatalen Fußreisen. Aber was meinst du – wenn uns der Knecht nach der Stadt fährt – und unter Weges, wenn wir im Wirthshause einkehren – das wäre nicht gut – so einen einfältigen Kerl – du verstehst mich –

Knallerpaller. Ich verstehe – du meinst, den Kerl in einem Wirthshause sitzen zu lassen – und zu versuchen, – ob wir nicht allein fahren können – hab ich gerathen?

Schnaps. Kleiner Schalk! – grade so mein ichs – versteht sich einen Seitenweg – denn überhaupt Leute von Kopf müssen nicht immer auf der allgemeinen Heerstraße wandeln, müssen durchaus Seitenwege einschlagen.

Knallerpaller. Großer Schnaps! dein Genie –

Schnaps. Spare deine Komplimente, Brüderchen! bis wir in salvo sind, jetzt ists nicht Zeit –

[27] Knallerpaller. Ich brenne vor Ungeduld, wenn doch der Wagen nur fertig wäre. – Stille, ich höre den Wirth.


Zwölfter Auftritt.
Wirth. Vorige.

Wirth. (ausser Athem) Ach, liebe Herrn Doktors! – so was ist unerhört – um Gotteswillen! – helfen sie mir.

Knallerpaller. Helfen? – mit Vergnügen! – sind sie krank? – Wo fehlt’s ihnen? – geschwind –

Wirth. Nichts krank – gesund wie ein Fisch – aber bestohlen – gewaltig bestohlen, in dem Augenblick da sie hier gewesen sind.

Schnaps. Wie? was? –

Wirth. Aus meiner Kammer – aus der nehmlichen Kammer, wo sie sich angekleidet – meine goldne Uhr und ein Beutel mit Schaumünzen – rare Münzen – (weint) noch von meinem seligen Grosvater –

Knallerpaller. Wie ist das möglich! wir wollen doch sehen – (will gehen.)

Wirth. (der ihn zurückhält) Was ist da zu sehen? Nichts ist zu sehen, denn’s ist ja gestohlen [28] – aber – (sieht ein Stückchen Uhrband aus Schnapsens Westentasche hängen) was seh ich?

Schnaps. Was, Herr! – was sehen sie denn?

Wirth. (nähert sich ihm) Meine Uhr seh’ ich (zieht die Uhr heraus) Ei, Herr Doktor!

Schnaps. Herr Wirth! – was wollen sie?

Wirth. Meine Uhr wieder haben, die sie – gestohlen.

Knallerpaller. Herr! beschimpfen sie meinen Kollegen nicht, oder –

Wirth. Diebskollegen seid ihr – keine Doktores.

Knallerpaller. Das geht zu weit, das darf ich nicht leiden. (er will gehen)

Wirth. Nicht von der Stelle. (faßt ihn beim Rocke und fühlt den Beutel) Was war das? erlauben sie gütigst. (greift Knallerpallern in die Tasche und zieht einen Beutel heraus) Ei seht doch ihr Herren Doktoren versteht ihr so zu kuriren?

Schnaps. Hä, hä, hä! – Es war eigentlich nur Spaß, lieber Herr Wirth, denn ihre Uhr stand still, das wissen sie doch –

Wirth. Weiß wohl, war nicht aufgezogen –

Schnaps. Nicht doch, es war die Feder entzwei. – Ich wollte ihnen eine heimliche Freude machen, hä, hä, hä!

[29] Wirth. Spitzbube! mir? heimliche Freude! –

Schnaps. Wollte sie in die Stadt, bei meinem Freunde, einem Uhrmacher, repariren lassen und ihnen mit dem Knecht wieder zurück schicken –

Wirth. Allerliebster Spaß! (zu Knallerpaller) und meine Schaustücken?

Knallerpaller. Die wollte ich einem guten Freunde zeigen, der ein Münzkabinet hat –

Wirth. Münzkabinet? – so? –

Knallerpaller. Schade, dachte ich, daß diese rare Münzen tod da liegen, ohne von Kennern bewundert zu werden, denn was versteht man auf dem Lande von dergleichen Seltenheiten. – Herr Wirth. sie haben einen Rabendukaten darunter.

Wirth. Einen Rabendukaten? – Ei, du Galgenvogel!

Knallerpaller. Ja, ja, Herr! der Rabendukaten, der ist unter Brüdern wohl zehn Dukaten werth – versteht sich, nur für den Liebhaber. – Soll ich meinem Freund diese Münzen wohl zeigen? –

Schnaps. Soll ich die Uhr, Herr Wirth – meinem Freunde, dem Uhrmacher –

Wirth. Nein, ihr Gaudiebe, so gehts nicht. Ihr müßt den Wirth zur dürren Henne für keinen Einfaltspinsel ansehen. Müßt nicht glauben, daß ich euch so ruhig abziehen lasse. (Schnaps und Knallerpaller [30] wollen gehen) Nicht von der Stelle, ihr Galgenvögel – ich mache Lärm – ich hole den Vogt – euch wollen wir wohl ein sicheres Quartier schaffen. (eilig ab.)


Dreizehnter Auftritt.
Vorige ohne den Wirth.

Schnaps. Unglückskamerade!

Knallerpaller. Schmerzensbruder! was fangen wir nun an?

Schnaps. Hä, hä, hä! bei alle dem muß ich doch lachen, daß der Wirth zur dürren Henne so einfältig ist, zu glauben, wir würden hier bleiben, bis er mit dem Vogt wieder zurück kommt. – Ich mache Lärm, ich hole den Vogt – und läßt uns doch hier stehen, hä, hä, hä! auf freier Straße.

Knallerpaller. Das ist freilich lustig – aber, was machen wir nun? Herr Bruder, so kanns nicht bestehen –

Schnaps. Freilich nicht, aber schneller Rath ist jetzt der beste. – Zusammen sehe ich wohl, können wir nicht fortkommen – also –

Knallerpaller. Also – Trennung! Du nach Süden, ich nach Norden, – vielleicht gehts besser.

Schnaps. Vielleicht treffen wir einmal doch irgendwo wieder zusammen – so oder so –

[31] Knallerpaller. Leb wohl, trauter Schmerzensbruder!

Schnaps. Ewig der Deine – Unglückskamerade! (sie umarmen sich zärtlich – bleiben in einiger Entfernung stehen, sehen sich wehmüthig an und dann zu verschiedenen Seiten schnell ab.)


Letzter Auftritt.
Wirth mit einigen Bauern.

Wirth. (noch in der Scene) Mir nur nach – mir nur nach – hier sind sie. – (auf der Bühne, – sieht sich um) Hier sind sie nicht – und das ist ja wohl auch sehr natürlich. – Ei, ei, ei! solche Gaudiebe auf freier Straße zu lassen und sich einzubilden, daß sie da stehen bleiben, wo der Esel von Wirth sie hinstellte –

Einer von den Bauern. Herr Wirth, wo sind denn die Diebe?

Wirth. Waren hier, Kinderchen, auf dieser Stelle. –

Einer von den Bauern. In freier Luft, Herr? ha, ha, ha! – (alle Bauern lachen)

Wirth. Lacht nicht, Kinderchen! – ich möchte weinen –

[32] Einer von den Bauern. Ueber seine Dummheit – oder hat er uns wohl gar zum Besten? Was haben wir nun für unsre Mühe? (alle murren.)

Wirth. Stille, Kinderchen! sprecht nur kein Wort weiter. Auf ein Paar Flaschen Wein soll’s allenfalls mir nicht ankommen. – (vor sich) Muß nun noch obendrein den Kerls das Maul stopfen. – Das soll mir Lehrgeld geben, solche Galgenvögel nie wieder in freier Luft zu lassen, wenn man ihnen nicht vorher die Flügel beschnitten hat! – Dumm, dumm, dumm, – abscheulich dumm – (schüttelt den Kopf.)

Bauern. Ei was? Ei was? (sie murren)

Wirth. Stille, Stille! ihr sollt ja Wein haben, aber nur nicht davon gesprochen. Kommt mit, Kinder! – (der Vorhang fällt.)