Die Jungfrau auf Burg Lauf
Der Ritter Eginhard fand auf der Burg zu Lauf,
Verirrt in später Nacht, die Thore alle auf.
Wie ausgestorben war es, wo er sein Auge wandt’,
Bis endlich er im Saale ein Mägdlein einsam fand;
Sah sie vor lauter Gedanken den Ritter anfangs nicht.
Auf ihr Gesicht gar lieblich fielen die Locken leicht,
Die Rosen ihrer Wangen schienen von Kummer gebleicht.
Der Ritter, sich tief verbeugend, begrüßt die einsame Maid,
Er bat sie drauf um Lager und Herberg für die Nacht,
Da hat sie Wein und Speise ihm freundlich dargebracht.
Nur Eines fehlt dem Mahle, daß es ihm hätte behagt –
Das Wort, das Alles würzet; er hätt’ es ihr gerne geklagt.
Bis daß des Weines Geister aufregten ihm das Blut.
„Seid Ihr des Schloßes Fräulein?“ – frug er sie voll Begier.
Sie nickte leise lispelnd: „Ich bin die Letzte hier!“
Darauf ermuthigt küßt’ er des Fräuleins zarte Hand,
Da ward ihr Antlitz heiter, ihr Auge klar und hell,
Sie schmückt die schwarzen Locken mit Rosmarin sich schnell,
Nimmt dann zwei güldne Ringe und faßt den Ritter an,
Daß er, von Grau’n ergriffen, nur mühsam folgen kann.
Und führten fromm bedächtig dasselbe zum Altar.
Dort lag auf einem Grabe im schönen Kirchenornat,
Gegossen aus Erz ein Bischof; zu ihm das Fräulein trat,
Der Todte wird lebendig; der Bischof sieht sie an,
„Habt Ihr, o Ritter Eginhard, Euch zum Gespons erseh’n
Den letzten Sproß von Windeck, die Rose zart und schön?“ –
Der Ritter bebte knabenhaft vor solchem Abenteu’r,
Was er dort hat erfahren, das war zu ungeheu’r.
Da waren die Gespenster alle wie weggezaubert fort.
Die Windsbraut stürmte mächtig im weiten Kirchenraum,
Verwundert war der Ritter des Morgens ob dem Traum.