Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Garlinde
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 159–161
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
Themenseite: Bühl (Baden)
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[159]
11) Garlinde.

Es irrt bei Dunkelheit und Regen
Ein Ritter durch die Wildniß hin,
Er muß auf unbekannten Wegen
Zu einem frommen Opfer ziehn.

5
Sein Roß will ihn nicht weiter tragen,

Ein Sturm erhebt sich rasch mit Macht;
Da hört er eine Glocke schlagen,
Sie kündet schon die Mitternacht.

Und vor ihm ragen hoch die Zinnen

10
Von einem alten festen Schloß,

Und schnell, das Obdach zu gewinnen,
Spornt er aufs Neu’ das müde Roß.

Doch in der Burg ist tiefes Schweigen,
Wie um ein graues Hünengrab,

15
Hoch über Thor und Brücken neigen

Uralte Rüstern sich herab.

Der Ritter geht, nicht ohne Schauer,
Hin durch des Hofes öden Raum,
An einem Ring an einer Mauer

20
Befestigt er des Pferdes Zaum.
[160]

Und plötzlich sieht er an den Fenstern
Ein Lichtlein wandern hin und her;
„Ha!“ – ruft er – „bin ich bei Gespenstern,
So schütze mich des Kreuzes Wehr!“

25
Und ohne Furcht, mit keckem Schritte

Steigt er die Wendeltrepp’ hinan
Und kommt in eines Ganges Mitte,
Ein Söller lehnet sich daran.

Zwölf weiße Marmorbilder stehen

30
Ringsum in Blenden, Geistern gleich,

Und dumpfe, kalte Lüfte wehen
Als kämen sie vom Schattenreich.

Er öffnet ein Gemach; am Tische,
Bei einer Lampe mattem Schein,

35
Bleich wie der Marmor in der Nische,

Sitzt eine Jungfrau zart und fein.

Der Schwermuth stille Trauer waltet
Auf ihrem holden Angesicht,
Sie hält die Hände fromm gefaltet,

40
Es glüht ihr Aug’ von Himmelslicht.


Sie neigt sich freundlich vor dem Ritter,
Und scheint gerührt von seiner Noth;
Sie geht und holt aus einem Gitter
Zu seiner Labung Wein und Brot.

45
Doch, was der Gast auch immer sage,

Sie gibt mit keinem Wort sich kund,
Sie sieht ihn an bei jeder Frage
Und legt den Finger auf den Mund.

Jetzt führt sie ihn, noch immer schweigend,

50
Zur Ruhe in ein Schlafgemach,

Und geht zurück, sich still verneigend;
Der Ritter schaut ihr staunend nach.

[161]

Dann wirft er sich aufs Lager nieder,
Ihm ist gar seltsamlich zu Muth;

55
Doch bald umstrickt der Schlaf die Glieder,

Beschwichtigend sein wildes Blut.

Und als ihn nun das rege Leben
Des Forstes weckt im Morgenschein,
Sieht er mit Grauen sich umgeben

60
Von wildbewachsenem Gestein.


Die altersgrauen Warten liegen
Zerfallen da, in Schutt und Graus,
In des Gemäuers Ritzen fliegen
Die Weih’n und Sperber ein und aus.

65
Er sieht ein Grab, tief eingesunken,

Aus dem herauf der Moder weht,
Es hausen Molche drin und Unken
Und auf dem Stein des Grabes steht:

„Hier ruht Garlindens Leib; gesprochen

70
Hat sie ein Wort in schnödem Trug;

Das Wort, es hat ein Herz gebrochen,
Wie keins so treu auf Erden schlug.

„Die Todten wollen sie nicht dulden,
Darum sie auch nicht rasten mag:

75
Umirrend büßt für ihr Verschulden

Sie bis zum großen Sühnungstag.“

Aloys Schreiber.