Die Jesuiten – immer die alten

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die Jesuiten – immer die alten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 687–688
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Ein Gerichtsprozess in Brabant
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[687] Die Jesuiten – immer die alten. Als Eugen Sue seinen „Ewigen Juden“ veröffentlichte, hielten Manche dessen Schilderungen von den Jesuiten für Dichtungen und zwar für Ausgeburten der gehässigsten Verfolgungssucht gegen eine Gesellschaft sehr ehrenwerther Männer. Sue hat aber nur zu wahr gezeichnet, die Jesuiten von heute sind von genau demselben Schlage, wie vor hundert Jahren, die Störer des confessionellen Friedens und darum die Schädiger und Verwirrer der bürgerlichen Gesellschaft. Zu ihrer Thätigkeit bedürfen sie ungewöhnlicher Geldmittel, und darum sieht ihr Sinn vor Allem nach den irdischen Gütern ihrer Pflegebefohlenen. Wie der römische Kaiser, als er die Urinsteuer empfing, sagte: „Dem Gelde riecht man es nicht an,“ so sagen sie: woher und wie das Geld kommt, ist gleichgültig, wenn wir es nur bekommen; unser heiliger Zweck heiligt unsere Mittel, wenn diese auch etwas unheilig sein sollten.

Im Mai des Jahres 1864 ereignete sich zu Brüssel eine von den Jesuiten selbst ausnahmsweise einmal höchst unvorsichtig herbeigeführte Gerichtsverhandlung, welche gerade eine solche Schaudergeschichte, wie sie nur von Romandichtern erfunden sein sollte, an das helle Tageslicht brachte.

Ein kürzlich von den Galeeren entlassener Mann war Seitens mehrerer Jesuiten denuncirt, sie mit dem Tode bedroht zu haben. Und was ergaben die Verhandlungen? Um eine grandiose Erbschleicherei an einem Millionär zu Antwerpen ausführen zu können, hatten die Jesuiten einen der zunächst berechtigten Erben, den Neffen des reichen Mannes, unter ihre Flügel genommen. Ein alter Jesuiten-Pater hatte ihn so erfolgreich behütet, daß der junge Mensch schon im siebenzehnten Jahre auf die Bahn des Verbrechens gerieth. An dem langen Faden, von dem schon der Groß-Inquisitor in „Don Carlos“ spricht, durch die frommen Väter geleitet, kam er nacheinander in eine Irrenanstalt, dann auf die Galeere. Einen gemeinen Verbrecher zu enterben, konnte der reiche Onkel natürlich leicht veranlaßt werden, und für alle Fälle sagte man den Neffen todt, denn er lebte ja im Bagno unter einem andern Namen. Aber die Strafzeit des Erben erreichte ihr Ende; wenn er frei blieb, konnte er sehr gefährlich werden; also es galt, ihn auf’s Neue unschädlich zu machen. Der alte „Erzieher“ hatte aber auch diesen Fall längst vorgesehen, er hatte sich von seinem folgsamen Zögling schon vor Jahren ein schriftliches Sündenbekenntniß, angeblich für den Onkel, geben lassen; dieses unter dem Siegel der Beichte empfangene Schriftstück übergab er nun der Justiz in dem Moment, als der arme entlassene Sträfling wegen Vagabondage vor Gericht stand – und erreichte dadurch eine neue Verurtheilung zu zehn Jahren Galeere. Der Onkel starb, die Jesuiten bekamen das große Vermögen; aber auch die neue Strafzeit verging, und um den rechtmäßigen Erben nun für den ganzen Rest seines Lebens unschädlich zu machen, erfolgte eine neue Denunciation auf Grund eines Briefes, worin der Neffe den Jesuiten den Tod angedroht haben sollte. Die Jesuiten hatten sich den Ausgang des Schwurgerichts anders gedacht, als er kam. Der von ihnen Angeklagte wurde freigesprochen, sie aber schlichen als Verurtheilte vor Gott und den Menschen aus der Gerichtshalle heim.

Hinterher sagen jetzt die Jesuiten, sie seien zu gutmüthig und schonend, ihre Zeugen zu dumm und die Sachwalter ihres Angeklagten zu verschlagen gewesen; der Präsident habe die Fragen an die Geschworenen absichtlich verkehrt gestellt, und die Geschworenen seien Schufte, und an dem Ganzen seien die Freimaurer schuld. Das Alles beten die ultramontanen Blätter in Deutschland gehorsamst nach; und als die deutsche Presse die Verhandlungen übertrug und damit das Volk in den Stand setzte, sich selbst ein Urtheil über diese belgische Geschichte zu bilden, da mußten die [688] ultramontanen Blätter behaupten, die ganze Geschichte sei erlogen. Das wäre freilich eine sehr gescheidte Ausrede gewesen, wenn sie nur nicht zu spät gekommen wäre.

Die Ultramontanen in Deutschland hätten besser von Anfang an ganz davon geschwiegen, denn, veranlaßt durch ihre Invectiven, gab eine rheinische Buchhandlung die Verhandlungen des Processes in einer Broschüre heraus („Der Jesuiten-Proceß in Brüssel, Verhandlungen vor dem Assisenhof in Brabant vom 13. –16. Mai 1864, Preis 5 Sgr.), die in Monatsfrist vier Auflagen erlebte und besser noch als der Sue’sche Roman zur Aufklärung über das Treiben der Gesellschaft Jesu beitragen wird.