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Titel: Die Jagden des Kaisers
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 130–134
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Jagden des Kaisers.


Mit Illustrationen von H. Lüders.


Was der Wald von Fontainebleau für Paris, das ist „der Grunewald“ für Berlin. Wie jener das alte Jagdrevier der Bourbons, so ist dieser gleichsam der privilegirte Hofforst für die Hohenzollern, mögen diese auch keine so hervortretenden Jagdpassionen haben wie die Nachkommen des Bearners. Wie von Paris im Sommer Alles, was ein paar Franken in der Tasche, einen leidlichen Sommeranzug auf dem Leibe und ein verstaubtes und nach Grün und reiner Luft sehnsüchtiges Herz besitzt, nach dem Forêt von Fontainebleau auswandert, so ist für das Berliner Publicum der Grunewald das Lustrevier, wo es seine Sommerfeste feiert. Am Morgen geht es mit gefüllten Kobern und unter Singen und Klingen, wobei die in unseren Tagen so vernachlässigte Guitarre wieder zu Ehren kommt, hinaus in „den Jrunewald“. In anderthalb bis zwei Stunden ist der grüne Hag erreicht. Zwar nicht die üppige Vegetation wie im Walde von Fontainebleau schützt die Wandernden vor den brennenden Sonnenstrahlen, es ist lediglich Kiefernbestand, und das Marschiren in dem tiefen Sande ist oft sehr beschwerlich, aber es sind doch recht respectable Bäume, die da ihre grünen Nadeläste niederbeugen, und die saftgrünen, behaglichen und schattigen Plätzchen, welche sie den Ankömmlingen bereitet haben, sind deutscher Boden. Durch die grauen Stämme hindurch blinkt das dunkelblaue Wasser eines Sees; ein Kranz von Kiefern und Fichten schlingt sich um denselben, und in dem klaren Spiegel des Wassers zeigen sich die Fronten und Giebel eines ansehnlichen Hauses aus der Renaissancezeit, dem man die Bezeichnung eines Schlosses beigelegt hat, einfach in den Ornamenten, hin und wieder sogar verwittert, sonst ist es ernst und still im grünen Tann – nur manchmal fliegt aus dem dichten Schilfe ein Wasservogel auf –, bis der Berliner kommt mit seiner Amusirlust. Dann geht das Singen und Jauchzen durch den ganzen sonnenlichten Tag – und am andern Morgen kann der Wald aus fetten Papieren, zerstreuten Wursthäuten und geknickten Kümmelflaschen von dem Sommervergnügen der Berliner erzählen.

Das geht so bis Ende September. Dann werden die Morgen und Abende kühl, das Laub gelb und der Grunewald bereitet sich zur Winterruhe vor. Zuvor aber ladet er noch zu einem letzten Feste ein. Das findet am 3. November, am Namenstage des heiligen Hubertus, des Herzogssohnes von Guyenne, statt, der ein so gewaltiger Nimrod war, daß der Schöpfer und Erhalter der Thiere im Walde das Abschießen seiner prächtigen Geschöpfe nicht mehr so ruhig ansehen konnte und ihm als Mahner einen Hirsch mit einem goldenen Kreuze zwischen dem Geweihe sandte, worauf der Genannte von seinen blutdürstigen Neigungen sich bekehrte, ein frommer Bischof und sogar selig gesprochen wurde, was indeß seine ganze jagdlustige Nachkommenschaft nicht hinderte, ihn als ihren Patron zu betrachten und dem edeln Waidwerke je nach den Bedingungen und Wandelungen der Zeit noch ferner nachzugehen.

Am dritten November wird’s im Grunewalde noch einmal lebendig. Zu Tausenden strömt das Publicum herbei, aus Berlin, Charlottenburg, Potsdam und Spandau. Für alle diese Städte ist der Wald gleich günstig gelegen. Sie kommen zu Fuße und zu Wagen; sie kommen im Arbeitskittel mit dem Pfeifenstummel im Munde und der platten „Kümmelpulle“ in der Seitentasche; sie kommen in prächtigen Kaleschen, mit duftenden Havannas, mit feinen Damen und gefüllten Speisekörben, und stellen sich am Wege beim Ausgange aus dem Schloßhofe auf. In den weiten Hof fahren nur die Equipagen des Kaisers und der Prinzessinnen ein. Die Prinzen sind zu Pferde. Für sie wie für die übrigen an der Jagd Theilnehmenden ist ebenfalls der Schloßhof der Sammelplatz.

Die Parforcereiter ergänzen sich zumeist aus den Officieren der Garde, und die jugendlichen schönen Gestalten nehmen sich in den kleidsamen Jagdcostümen gar schmuck aus. Roth war von Alters her die brandenburgische Jagdfarbe, wie aus den im Schlosse aufgehängten Schildereien berühmter Hetzjagden zu erschauen ist. Nur ist aus den goldbetreßten Röcken, in denen die Herren vom Hofe des großen Kurfürsten erschienen, ein eleganter Frack geworden und weiße oder graue hirschlederne Beinkleider, Stulpenstiefel, eine weiße Weste und Cravatte und ein schwarzer Cylinderhut vervollständigen die Toilette eines Parforcereiters. Nur Einer von den im Hofe beim Frühstück Versammelten macht davon eine Ausnahme. Er trägt einen schwarzen Sammetrock und Brust und Rücken mit einem grellfarbigen Plaid umwickelt. Er ist der Aelteste unter Allen und [131] zwischen ihm und dieser Blüthe der adligen Jugend Preußens ist keine vermittelnde Altersstufe. Aber wie könnte er, gleichsam der Reorganisator der preußischen Cavallerie, auf deren Ausbildung diese Reiterübungen von nicht unwesentlichem Einflusse sind – wie könnte „Papa Wrangel“ bei einer Hubertusjagd zu Hause bleiben! Ebenso fehlt fast bei keiner der wöchentlichen Parforcejagden, welche dieser letzten am 3. November vorausgehen, der Protector derselben, Prinz Karl, der älteste Bruder Kaiser Wilhelm’s. Obwohl schon Anfangs der Siebenziger, reitet er drauf und drein, mit den Jüngsten und Kühnsten um die Wette. Schmetternde Fanfaren haben seine Ankunft verkündigt.

Sie kommen! Wer? die Reiter? Nein, vorerst die Herren Hunde. Es ist die königliche Meute, die im Parke des Prinzen Karl, in dem reizenden Glienike bei Potsdam unterhalten wird. Es ist zum größten Theile englische Race und unser heutiges Bildchen stellt den Moment dar, wie sie, die Jagd witternd, in Erwartung des Momentes sind, wo die Fährte „verbrochen“ wird. Der Oberpiqueur Salomon im rothen Jagdrocke, mit dem blanken Hüfthorn um die Schultern und mit dem zarten, aber deutlichen Mahner in der Hand, führt sie. Schnaubend und scharrend bezeigen


Oberpiqueur und Meute.


die Rüden, etwa sechszig an der Zahl, ihre Ungeduld; nur der Respect vor der Hetzpeitsche ihres Führers ist im Stande, sie beisammen zu halten. Von der vortrefflichen Disciplin, in der sie erzogen werden, zeugt der Umstand, daß sie in einem so damwildreichen Revier, wie dem des Grunewalds, dieselbe Fährte festhalten. Sie zählen mit ihrem scharfen Instincte gleichsam die Minuten, bis sie losgelassen werden. Unterdeß ist das zur Jagd bestimmte Wildschwein aus der „Bucht“ losgelassen worden. Fünfzehn Minuten sind seitdem verstrichen – noch fünf Minuten – nun ist der Augenblick da. Der Leithund wird auf die Fährte gelassen – die übrigen Hunde nehmen dieselbe auf – der Oberpiqueur bläst die Jagd an. Voran die Meute, mit Wuthgeheul die Fährte des gehetzten Wildes suchend, ihnen nach der Führer und nach diesem der Leiter der Jagd mit sämmtlichen Jagdreitern und dem Vornehmsten voraus – so geht die verwegene Jagd, durch Dick und Dünn, über Dämme und Gräben.

Unser zweites Bild zeigt uns einen Parforcereiter, wie er auf seinem etwas langgestreckten Gaule eben über ein Terrainhinderniß hinwegsetzt. Zum Sprunge ausholend, macht das Pferd mit schnaubenden Nüstern vielleicht eine letzte Kraftanstrengung. Es hat vor den übrigen einen Vorsprung um einige Pferdelängen; vor ihm her tobt die Meute – das Wild ist in Sicht, und da ist es von den Rüden auch schon „gedeckt“, d. h. erreicht und festgehalten. In gleichem Augenblicke steht auch schon der Gaul; mit einem Sprunge ist der Reiter auf der Erde und legt die Hand an den linken Hinterlauf des Wildschweins. Er hat „ausgehoben“ – er ist Sieger und überläßt es von den Nachkommenden dem vornehmsten Jagdherrn, dasselbe „abzufangen“, d. h. mit dem Hirschfänger zu tödten. Der Forst hallt von dem lauten fröhlichen Jagdruf wieder – das Hallali wird geblasen und aus der Hand desjenigen Herrn, der ausgehoben hat, erhält jeder der beim Hallali anwesenden Reiter einen „Bruch“, d. h. einen grünen Zweig. Das ist so alter Jagdbrauch.

Die königliche Jagd beschränkt sich indeß nicht blos auf die Umgebung von Berlin und Potsdam. Da giebt es im weiten Lande noch viele Jagdreviere mit vorzüglichem Hochwildstande. So ein uralt märkisches ist die „Werbelliner Forst“. Ein wildreicheres Revier giebt es wohl so leicht nicht. Seit einem halben Jahrtausend, und jedenfalls noch viel weiter zurück, ist es zur Brunstzeit ein Sammelplatz von Tausenden von Hirschen, die von weit und breit, selbst aus dem fernen Polen, hierher kommen. Da wird es dann um das stille Jagdhaus Hubertusstock lebendig. Die Zweige krachen ringsum unter den Läufen der Hirsche, und grausig tönt ihr Geschrei über den ruhigen Werbelliner See. Der alte Wärter, der vor dem Jagdhause dann Abends vor der Thür steht, kann merkwürdige Beiträge zu dem Thierleben im Walde liefern, wie die sinnlichen Triebe der Creatur sich rückhaltslos in dem Thiere offenbaren, wie dasselbe nicht minder als das Menschenherz von Leidenschaft und Eifersucht bewegt wird, so daß oft zuletzt ein erbitterter Kampf die Entscheidung herbeiführt, wer die Braut heimführen wird. Wie viele solche Geweihduelle zwischen Capitalhirschen hat der Alte von Hubertusstock gesehen! Ebenso kann er viel von der Gefahr erzählen, welcher die Jäger in der Brunstzeit der Hirsche ausgesetzt sind. Sonst scheu und flüchtig vor dem Menschen, nehmen sie ihn in dieser Periode geradezu an. Hubertusstock hat von allen königlichen Jagdschlössern die meiste Poesie. Hierher führte Kaiser Wilhelm seinen Gast, Victor Emanuel, den waidgerechten Fürsten aus Italien, damit dieser sehen sollte, was eine Jagd in märkischer Haide ist, und daß der Waidmann des Nordlandes für die Romantik der südlichen Landschaft durch den Reichthum des Jagdbaren vollauf entschädigt werden kann.

Weiter muß man von königlichen Jagdrevieren noch Königswusterhausen nennen, den Lieblingsaufenthalt des Vaters Friedrich’s des Großen, und ferner die Göhrde im Hannoverschen. Auf diesen Revieren veranstaltet das Hofjagdamt alljährlich große Treibjagden, zu denen Einladungen an die Prinzen des Hauses, an die Minister, Generale und Hofchargen ergehen. Der Minister des königlichen Hauses, Freiherr von Schleinitz, macht in Abwesenheit des Kaisers dabei die Honneurs. Nicht regelmäßig [132] nimmt der Kaiser an diesen


Im Grunewald.


Jagden Theil. In diesem Jahre nöthigte der körperliche Zustand den Monarchen, auf die ihm angenehme Bewegung in frischer Luft zu verzichten, wogegen früher nicht die Unbilden des Spätherbstes, höchstens nur die Geschäfte, vermögend wären, bei dem Kaiser ein Veto gegen die Uebungen des Waidwerkes einzulegen. Kaiser Wilhelm ist keine Jägernatur, wie z. B. sein Neffe, der Prinz Friedrich Karl; aber er ist ein Jagdfreund, wenn auch immer nur in den Grenzen seiner maßvollen Natur. Dazu kommt, daß die Jagd traditionell zu den Vergnügungen des Hofes gehört; außerdem bekam die Bewegung in frischer Luft ihm gut; darum wurden, wenn die ersten Herbstnebel fielen, in früheren Jahren vom Garderobier der graue dicke Jagdrock


Das „Gescheide“ wird vertheilt.


und der gleichfarbige runde Filzhut, die langen grauen Beinkleider und dicken rindsledernen Stiefel hervorgeholt und die Jagdtoilette in Stand gesetzt, welches Costüm der graue Militärmantel vervollständigte, und so fuhr der König von Preußen und Kaiser von Deutschland zur Jagd entweder nach den beiden zuletzt genannten Revieren, oder auch wohl zu einem der großen Grundbesitzer des Landes, wie zu Herrn von Jagow auf Aulosen, der eine große Fasanerie hält, und jährlich fast regelmäßig


Das Aufladen des erlegten Wildes.


nach Blankenburg zu dem Herzoge von Braunschweig, in dasselbe Harzrevier, wo schon die salischen Kaiser dem Hirsche, wenn auch noch nicht mit dem Lefaucheux, nachgegangen sind.

Alle diese Fahrten haben gleichsam einen privaten Charakter; als königlicher Jagdherr dagegen tritt der Kaiser in Letzlingen auf. Das genannte Revier, die Haide genannt und in der Altmark, im Regierungsbezirk Magdeburg, gelegen, ist eins der größten der preußischen Monarchie; es hat vier Oberförstereien, den prächtigsten Wildstand und ein vollkommen eingerichtetes Schloß, welches eine zahlreiche Jagdgesellschaft beherbergen kann. Hält der Kaiser die übrigen Jagden mit kleinem Gefolge ab, so entbietet er hierher die vornehmsten Würdenträger des Hofes und Staates, fremde Fürsten und Gesandten. Ein Extrazug führt die ganze Jagdgesellschaft bis Gardelegen an der Lehrter Bahn; von da sind noch einige Stunden Weges per Wagen zurückzulegen. Die Letzlinger Jagden finden Ende November statt und dauern gewöhnlich drei Tage.

Eine spätere Illustration läßt uns einen Einblick in die Vorbereitungen thun, welche zu dieser Jagd gemacht sind. Das Wild ist „eingestellt“, das heißt auf den Umkreis der Jagd zusammengetrieben. Den Bereich [133] derselben bezeichnen


Das Abschlagen der Geweihe auf der Wildstrecke.


die Lappen aus Leinewand; sie hängen an Stricken, die von Stamm zu Stamm gezogen sind. Der schwarze Adler deutet an, daß sie zum Hofjagdzeug gehören. Ein Leichtes wäre es für die Sprungkraft eines Rothhirsches, über die Leine hinwegzusetzen. Um jedoch dem Ausbrechen derselben zu begegnen, ist ein Mann hingestellt – ein Treiber – ein Holzfäller aus der Umgegend – seine Aufgabe ist es, die Lappen zu bewegen und das Thier dadurch zu schrecken.


Lappenwächter.


Des Nachts unterhält er auch wohl die Feuer, die rings um die Einstellung angezündet werden. Sie haben denselben Zweck, wie die Leinwandstücke, welche in der Dunkelheit ihre beabsichtigte Wirkung auf das eingestellte Wild verlieren.

Solche Jagden erfordern ein großes Personal; meilenweit werden Forstleute und Treiber dazu in Bewegung gesetzt. Die Linie der Schützen, die in eigens dazu hergerichteten Schirmen sich aufstellen, ist viele hundert Schritte lang Nachdem nun Alles so vorbereitet, erwarten Fürst Pleß als Oberjägermeister an der Spitze des höheren Jagdpersonals und die übrige geladene Gesellschaft des Morgens am Rendezvousplatze die Ankunft des Kaisers. – Ihnen hat sich ein zahlreiches Publicum aus


Rückkehr von der Jagd.


der Umgegend zugesellt. Aller Augen gehen in die Richtung des Schlosses. Da – zwei Pferde – auf dem Handgaule ein königlicher Bereiter – ein offener Halbwagen – der Kaiser! Ein lautes Hurrah schallt weithin in den Wald. Leicht schwingt sich der Monarch aus dem Wagen und begrüßt die Gesellschaft.

Dann geht es zum Frühstück. In großen Körben haben die königlichen Lakaien Wein und kalte Küche herbeigeschafft. Auf einer Maschine brodelt der Punsch. Zum regelrechten Serviren ist hier der Platz nicht. Jeder der Herren langt zu, wo und wie es seinem Gaumen und Appetite entsprechend ist. Es ist ein echtes Jägerfrühstück, bei dem die heiterste Stimmung herrscht. Der Himmel ist etwas bedeckt, der Boden weich; der Wind und die Witterung sind günstig. „Es wird eine gute Jagd werden,“ sagt einer der alten Oberförster zum Oberjägermeister, und bald beginnt das Treiben.

Fünf oder sechs Stunden später. Der Abend ist hereingebrochen. Es ist still geworden im Walde, nachdem es den ganzen Tag über mit einer kurzen Unterbrechung auf der Schützenlinie tüchtig geknallt hatte. Jetzt gehen die Töne eines Jägerhorns durch den Forst und den Abend, langgezogen, melancholisch, abschiedstraurig. Eine [134] kurze Pause, dann ein anderer Ruf, aber in derselben Tonfärbung. Es ist gleichsam die Begräbnißmusik für das erlegte Wild, das da in langen Reihen auf der Wildstrecke liegt. Der Jäger von Profession wird sagen: die Wildstrecke wird abgeblasen. Da liegen sie, die Capitalrothhirsche, das Damwild, die Sauen, die das Geschoß des Jägers erreicht hatte. Vor wenig Minuten noch stürzten sie geängstigt von dem lebhaften Feuer der Schützen in wilder Todesverzweiflung an den Gehegen entlang, aber der Kugeln und der Jäger waren zu viele. Nun sind ihre Leichname in einer gewissen Rangordnung nach der Vornehmheit des Wildes gestreckt. Für jede einzelne Gattung gilt ein besonderer Ruf des Jagdhorns, und nachdem dieser verstummt ist, hört man im Walde nur noch Töne, ähnlich denen, welche durch das Fällen von Kleinholz hervorgebracht werden. Der Mann, welcher auf dem Bilde vor einem feisten Hirsche kniet, ist in der That ein Holzfäller, vielleicht derselbe, der die Lappen bewegt hat. Er hält das Tempo seines Handwerkes fest, auch wenn er den Schädel mit dem Geweih abschlägt.

Ein anderes Bild! Ein Vorgang fast zu gleicher Zeit. Zur Erhaltung des Wildes ist es nöthig, daß es noch vor dem Verladen „aufgebrochen“, das heißt der Eingeweide entledigt wird. Vom Beginne der Jagd an lauern arme Bauerfrauen der Umgegend mit ihren Tragkörben, meistens die Frauen der Treiber, um das „Gescheide“ in Empfang zu nehmen. Namentlich ist ihnen das der Wildschweine erwünscht, indem sie die Gedärme derselben zum Wurstmachen verwerthen.

Nehmen wir an, daß die vor dem Korbe Knieende die Frau des Schädelabschlägers ist. Eine Zierde ihres Geschlechtes ist sie freilich nicht zu nennen, aber mit welchen Anzeichen der Freude und Dankbarkeit nimmt sie die Gabe des Försters in Empfang! Der Forstmann übt eine besondere Höflichkeit gegen das zarte und schöne Geschlecht, indem er das Geschenk selbst in den Tragkorb legt. Aber wenn die Frau achtzehn Jahre wäre, und wenn er selbst sein Herz mit in den Korb legte, etwas würde er nimmermehr mit hineingeben – die Leber des Wildes. Die gebührt ihm nach uraltem Wald- und Jagdgebrauche, und die Jäger sind die conservativsten Leute, die von solchem Herkommen nicht ablassen. Das nächste Bild läßt es unentschieden, ob die geladenen Theilnehmer der Jagd das Geweih des Wildes, das sie erlegt haben, vom königlichen Jagdherrn, vielmehr dessen Bevollmächtigen, zum Geschenk erhalten haben, wie das so die Sitte verlangt. Möglich, daß der junge Forstbeamte, der die Aufsammlung des Wildes controlirt, die auf dem Wagen liegenden Geweihe nach dem Schlosse bringen läßt, möglich auch, daß die Hirsche nicht für die Jagdbeute bereits harrender Wildhändler, sondern für die Küche des Kaisers bestimmt sind. Eines ist gewiß, daß an dem Abende der Jagd der unter Fackelschein in Begleitung seines Oberjägermeisters nach dem Schlosse zurückfahrende Jagdherr Eines mit dem geringsten Holzfäller des Waldes gemeinsam hat – einen tüchtigen Jägerappetit, für dessen Befriedigung jedenfalls der königliche Mundkoch wohl gesorgt haben wird.

Den Abend bringt die Jagdgesellschaft beim Gläserklange an fröhlicher Tafel zu. Hier schmettert die Tafelmusik der altmärkischen Ulanen. Die Fenster des sonst so ruhigen einsamen Schlosses leuchten weit in den Wald hinein. In den Wirthshäusern des Dorfes sitzt derweilen das nicht geladene Jagdpublicum, beim Biere die Ereignisse und Ergebnisse des Tages zu besprechen. Im reinsten Jägerlatein werden die seltsamsten Jagdgeschichten erzählt, die nie gedruckt werden und doch immer wieder zum Vorschein kommen. Dem Jägersmanne, der ohne Gesellschaft monatelang schweigend seine Pflicht thun muß, geht bei solcher Gelegenheit das Herz auf; sind doch diese paar Tage die einzige Zeit im Jahre, wo er alte Freunde und Gefährten von weit und breit wiedersieht, um sich dann wieder auf ein Jahr in seiner grünen Einsamkeit zu verlieren, bis zu dem Tage, wo der Kaiser wieder in Letzlingen erscheinen wird. Das ist für die Jäger und die ganze dortige Gegend eine Festzeit.