Die Irrlichter im Grundtümpel zu Wildenau

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Irrlichter im Grundtümpel zu Wildenau
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 518-520
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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578) Die Irrlichter im Grundtümpel zu Wildenau.
Lehmann a. a. O. S. 207 sq. Poetisch beh. v. Ziehnert Bd. II. S. 57 sq.

Zu Wildenau (oder Willenau), einem Dorfe im Amte Grünhain, östlich von Schwarzenberg am rechten Ufer der Pöhl, die am untern Ende des Dorfes in’s Schwarzwasser fällt, befindet sich im Pöhler Wasser ein unheimlicher Ort, der Grundtümpel, wo sich das Wasser in dem Raum einer Stube immer herumdreht und sich öfters darin allerlei Spuknisse sehen lassen, als Weiber, Männer, Pferde etc. Man hat auch um selbige Gegend bis nach Schwarzenberg und Sachsenfeld viele Irrwische und feurige Drachen ziehen und spielen sehen. Wenn die Leute aus Raschau nach Wildenau gingen oder von Schwarzenberg herüberkamen, hat sie es oft die ganze Nacht irre und ganz nahe an besagten Tümpel geführt, daß, wenn der Tag anbrach, sie am Wasser saßen. Theils hat es ihnen begegnet, wie ein Fischer mit Hamen und sie getäuscht bis in die Dorfhäuser, daß sie zu 10 bis 12 Wochen krank gelegen.

Im Jahre 1614 wollte A. Illing’s Vater am Wildenauer Berge mit seinem Pferde arbeiten, da kam ein fremdes weißes Pferd mit allem Geschirr gelaufen und spannte sich selbst an, und nachdem es eine Weile hurtig herumgegangen, ahnte der Ackersmann nichts Gutes, wollte ausspannen und Mittag machen. Damit reißt das wilde Pferd mit den Harken und dem andern Pferde auf den Tümpel zu aus, der Ackersmann hängt sich an sein Pferd, schreit und giebt gute und böse Worte, bis das Gespenst sich verloren und er mit seinem Pferde in großer Bestürzung gelassen worden.

Einst wohnte ein alter Fischer am Ufer der Pöhl, der hatte eine wunderschöne Tochter. Wie es aber so zu gehen pflegt, bald war ihr Herz nicht mehr frei und, so hatte sie sich denn aus der großen Anzahl ihrer Anbeter einen der hübschesten jungen Burschen ausgesucht. Nun war sie aber heitern und muntern Sinnes und daher kamen oft aus dem benachbarten Dorfe die jungen Mädchen und Bursche bei [519] ihrem Vater zusammen und vertrieben sich die Zeit mit heiteren Scherzen und Spielen. Da begab es sich einst am Andreasabend, daß das junge Volk auch wieder beisammen war und im Scherz darauf kam, die Zukunft zu befragen. Man schaffte Blei herbei und ein Jedes versuchte sein Glück mit Gießen. Als nun die Reihe auch an die schöne Fischerstochter kam, da spritzte auf einmal beim Guß helles Feuer aus dem Wasser, das Blei zerfuhr und nahm sich auf dem Wasser wie Blutstropfen aus. Das Mädchen schrie laut auf und Alles schwieg bestürzt ob des traurigen Anzeichens. Endlich schlug ihr Bräutigam vor, das Schicksal noch einmal zu befragen, nämlich nach dem Pöhlwasser zu gehen und dort Reiser zu suchen. Zwar wollte das Mädchen nicht mit fort, allein durch Zureden ließ sie sich endlich bewegen, mitzugehen, alle ihre Begleiter brachen sich ihre Zweige, als aber das schöne Trudchen nach einem derselben langen wollte, glitt sie aus und ein Nix zog sie hinab in die Fluthen, der am ganzen Leibe blau aussah, auf dem Haupte aber ein Krönlein trug. Man kann sich die Verzweiflung des Bräutigams, der ihr nachspringen wollte, und des nun kinderlosen greisen Vaters vorstellen. Diesen entrückte der Tod bald seinen irdischen Leiden, jener aber irrte jede Nacht am Ufer der Pöhl in halbem Wahnsinn herum und behauptete, er sehe seine Braut in blauer Nixentracht aus der Fluth auftauchen, sie breite die Arme nach ihm aus und rufe ihm zu „in einem Jahre werde sie wieder mit ihm vereinigt sein“, dann werfe sie ihm feurige Küsse zu, die wie die Sternlein am Himmel glänzten, allein er vermöge sie nicht zu erhaschen. So verging ein Jahr, der sonst so blühende Jüngling war zum Schatten zusammengeschwunden, und als wiederum die Andreasnacht kam, da war er an seinem gewöhnlichen Orte. Allein dieses Mal sah er seine Braut nicht mehr aus den Fluthen winken, als Leiche lag sie im Sande, und als der andere Morgen kam, da fand man ihn neben ihr todt liegen und begrub Beide in einem Grabe. Seit jenem Tage sieht man dort unzählige Irrlichter auf- und abfliegen, die Manchen [520] schon verführt haben, wo aber der Nix das Mädchen hinabzog, da ist das Wasser grundlos geworden, ohne Unterlaß wirbeln die Wellen dort im Kreise, und wehe dem Schwimmer, Kahn oder Floß, die sich dahin verirren, der Strudel zieht sie ohne Erbarmen in den Grundtümpel hinab.