Die Granit und Syenitwerke im Odenwalde

Textdaten
<<< >>>
Autor: Karl Falk
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Granit- und Syenitwerke im Odenwalde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 330–334
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[330]
Deutschlands große Industriewerkstätten.
Die Granit- und Syenitwerke im Odenwalde.
Von Karl Falk.0 Mit Zeichnungen von Friedr. Boehle.

Zwischen dreien der schönsten deutschen Ströme, zwischen dem Vater Rhein, dem Main und dem unteren Laufe des Neckars, erhebt sich ein Bergland, das in alten Zeiten, als die Römer in Süddeutschland vordrangen, eine öde Wildniß, ein „durch schreckliche Finsterniß Schauder erregender Wald“ war und darum, „öder Wald“ oder „Odenwald“ genannt wurde. Längs seiner westlichen Abhänge bauten die römischen Kolonisten die „alte Bergstraße“, errichteten Burgen und Weiler und brachten den Segen der Kultur in die starre Wildniß. Der Odenwald verlor seine Schrecken und wurde zu einem herrlichen Stückchen Erde. Auf seinen grünen Triften weiden heute die friedlichen Herden, fleißige Mühlen klappern im Thale, Städtchen, Dörfer und Weiler lugen aus den dichten Obstgärten hervor, und durch die herrlichen Buchen- und Eichenwaldungen klimmt der Tourist auf wohlgebahnten Pfaden zu den Bergkuppen empor, um von ihren Zinnen die herrliche weite Rundschau zu genießen.

Drehbank für Säulen.

Dorthin wollen wir heute auch unsere Leser im Geiste führen, um ihnen wunderbare Schöpfungen der Natur und nicht minder wunderbare Werke des menschlichen Fleißes zu zeigen.

Wenn wir aus der Vogelschau, wie die Alten sagten, oder vom Luftballon aus, wie die Modernen sich ausdrücken, einen Blick auf den Odenwald werfen könnten, so würden wir sofort erkennen, daß er in zwei grundverschiedene Theile zerfällt, für die eine Linie, die man im Geiste von Heidelberg bis Aschaffenburg ziehen würde, als Grenze gelten mag.

Die östliche Hälfte des Odenwaldes bietet sich unseren Blicken als eine Reihe plateauartiger Höhenzüge dar, die, zum Theil mit Wald bestanden, zum Theil [331] mit grünen Matten überzogen, sich ausgezeichnet für die Viehzucht eignen. Mannigfaltiger in ihrer äußeren Erscheinung ist dagegen die westliche, steil gegen den Rhein abfallende Hälfte; runde Bergkuppen reihen sich hier dicht aneinander und schließen tiefe, oft schluchtartige Thäler ein. Dort im Osten wiegt der bunte Sandstein vor, der im Laufe von Jahrtausenden aus längst verschwundenen Meeren sich ablagerte, hier im Westen begegnen wir Gneisen; Graniten und Syeniten, welche durch vulkanische Kräfte aus dem Schoße der Erde emporgehoben worden sind. Dem romantischeren Theile des Odenwaldes wenden wir uns zu und ziehen auf der alten Bergstraße südwärts von Darmstadt, um einen der beliebtesten Aussichtspunkte, den 516 Meter hohen Felsberg, zu erreichen. Der Weg verlohnt sich, nicht allein der Rundschau wegen, die sich uns von der Bergspitze bietet, sondern mehr noch wegen der eigenartigen Felsgestalten, die seine Abhänge umsäumen; wir können dort sehen, wie Wind und Wetter am Marke der Bergriesen nagen.

An der Sägemaschine.

Steigen wir, vom Dorfe Reichenbach ausgehend, den Felsberg hinauf, so fällt uns die große Anzahl nackter Felsblöcke auf, die oft haushoch aus dem Waldboden hervorragen; die Berghänge bilden mitunter förmliche Trümmerfelder. Aber der Führer verspricht uns eine noch größere Ueberraschung, und während wir ihm folgen, erreichen wir den Rand einer flachen Thal-Mulde, die, ringsum von dichtem Buchenwald umschlossen, ein wildes Chaos von Felsen darstellt. (Siehe das Bild S. 332.) Da liegen die dunklen Blöcke in wirrem Durcheinander, dicht aneinander gedrängt, übereinander gestürzt, wie mächtige Eisschollen, die sich beim Eisgang gestaut und aufgethürmt haben. „Teufelsmühlen“ oder „Felsenmeere“ nennt man derartige Steingebilde, und in der That gleichen sie einem sturmgepeitschten, plötzlich zu Stein erstarrten Meere. Unwillkürlich denkt man bei ihrem Anblick an Bergstürze oder an Erdbeben, in welchen titanische Kräfte diese gewaltigen Felsen übereinander gewälzt hätten. Wie wild aber auch dieses Landschaftsbild erscheinen mag, die Natur führte es in stillstem Frieden aus, von Jahrhundert zu Jahrhundert die einzelnen Züge langsam vertiefend. Die Geologen belehren uns, daß dieses Felsenmeer einst aus einem gleichmäßigen Syenitlager bestand, dessen harte Steinmasse von weicheren Adern durchzogen war. An diesen weicheren Stellen begann vor uralten Zeiten die Atmosphäre zu nagen. Die Regenwasser, die Schneeschmelze lösten kleine Theilchen des Gesteins auf und schwemmten die locker gewordene Masse zu Thal. So entstanden allmählich Rinnen, Risse und Sprünge, welche durch die spülenden Gewässer und den Frost des Winters vergrößert wurden. Aus den Rissen wurden Klüfte, und schließlich blieben nur die härteren Blöcke daliegen als ein wüstes Durcheinander. Nicht weniger als achtzehn solcher Felsenmeere liegen am Felsberg zerstreut; die Steinblöcke der meisten sind völlig kahl, nur hier und dort an schattigen Stellen wuchert auf ihnen das Moos. Mitunter soll es aber geschehen, daß in den Klüften Pflanzenwuchs festen Fuß faßt, daß auf dem von absterbenden Blättern neugebildeten Erdreich der Wald vorrückt, das Felsenmeer überwuchert und den Berg auch an dieser Stelle mit seinem schützenden Mantel verhüllt. Aber dieser Stillstand im Werke der Zerstörung dauert nicht lange; ein gewaltiger Wolkenbruch schwemmt den Wald fort und Wind und Wetter nagen weiter an den Flanken des Berges – und sie werden siegen, sie werden den Felsberg dem Thale gleich machen.

Die Vorgänge, die sich hier abspielen, fassen die Geologen unter dem Namen der „Erosion“, d. h. „Ausnagung“, zusammen, und sie prophezeien, daß durch diese langsam wirkenden Kräfte nicht nur die Berge der Erde erniedrigt, sondern überhaupt alle Festländer mit der Zeit ins Meer hinabgeschwemmt werden würden; ja einer von ihnen hat herausgerechnet, daß in etwa fünf Millionen Jahren die letzte Festlandscholle in den Ocean hinabgespült sein wird.

Schleif- und Poliermaschine für Säulen.

Das sind tiefe Einblicke in die Erdgeschichte, die sich auf den Abhängen des Felsberges uns darbieten. Aber in seinen Buchenwaldungen birgt er noch Spuren einer anderen Thätigkeit; in seltener Treue hat er steinerne Urkunden zur Kulturgeschichte des Menschen bis auf unsere Tage bewahrt.

Folgen wir weiter unserem Führer! Mitten im Walde zeigt er uns eine Stelle, wo eine steinerne „Riesensäule“ liegt, mächtig wie ein gefällter Baumstamm. Sie ist 9,25 Meter lang und hat an ihrem dickeren Ende einen Durchmesser von 1,30 Meter, an dem dünneren einen solchen von 1,05 Meter und soll gegen 560 Centner wiegen. Die Natur hat sie nicht geschaffen; diese wohlgerundete Form ist ein Werk der Menschenhand. Diese Riesensäule liegt auf dem Felsberge seit vielen Jahrhunderten; in den ältesten Urkunden der um den Berg verstreuten Städte wird sie bereits erwähnt. Eine seltsame Erscheinung! Es müssen im Odenwald einst Meister gewohnt haben, welche die Kunst der Steinbearbeitung ausgezeichnet verstanden, denn es ist nicht leicht, solche Riesensäulen aus der rohen Fels-Masse herauszuhauen. Die Bemühungen der Geschichtsforscher, die unbekannten Hersteller dieser Säule zu ermitteln, wurden von Erfolg gekrönt: es darf als zweifellos erwiesen gelten, daß diese Steinhauer dieselben Römer waren, welche die alte Bergstraße gebaut haben.

Schon das graue Alterthum hatte seine Meister der Steinbearbeitung, [332] ein Volk, das aus hartem Felsen unvergängliche Baudenkmale schuf: es war dies das Volk der Aegypter, der Erbauer der Pyramiden, das den Nil hinauf über die heilige Insel Philä bis zu den geheimnißvollen Brunnen von Syene unter dem Wendekreise stieg, um dort den schönen rothen Granit zu brechen. Die Alterthumsforscher wissen auch, in welcher Weise die Aegypter ihre Steine bearbeiteten, denn nicht nur die Papyrusrollen erzählen davon, in den alten Steinbrüchen liegen noch begonnene und nicht vollendete Arbeiten, welche dem Zahne der Zeit getrotzt haben und uns das alte Steinhauerhandwerk in seinen Einzelheiten vor Augen führen. Von den Aegyptern lernten die Römer die schwierige Kunst und trugen sie über das von ihnen beherrschte Erdenrund, trugen sie in die Felsenmeere des Odenwaldes und hieben hier aus den unförmlichen Blöcken schlanke glatte Säulen. Und wie die Aegypter am Nil, so ließen sie am Felsberg gleichfalls unvollendete Arbeiten zurück, aus welchen wir noch heute ersehen können, wie sie mit den Syeniten des Odenwaldes verfuhren.

Das Felsenmeer bei Reichenbach im Odenwalde.

Unweit von der Riesensäule liegt z. B. zwischen Baumstämmen ein viereckiger Block, welcher der „Altarstein“ genannt wird, obwohl er niemals irgend welchem gottesdienstlichen Zwecke gedient hat. Er ist 1,80 Meter hoch, am vorderen Rande etwas über 3,50, am hinteren 4,50 Meter lang und er zeigt den Beginn und Erfolg einer Bearbeitung, durch welche man ihn in Balken von 53 bis 62 Centimeter Dicke und 3,50 bis 4,10 Meter Länge zerlegen wollte. Aus den Spuren, welche der „Altarstein“ trägt, läßt sich die Art der Sprengung wohl erkennen. Mit Sägen, die ausgezeichnet sein mußten, wurden zuerst senkrechte Schnitte in den Stein gemacht; in diese setzte man Keile und sprengte durch deren Antreiben den Balken vom hinteren Grunde ab. Die Bruchfläche nahm dabei schon von selbst eine schalige rundliche Form an, welche die Ausarbeitung der Säule aus dem abgesprengten Stück erleichterte. Auf der Abbildung des „Altarsteines“ (S. 333) sehen wir deutlich jene rinnenförmig ausgehöhlten Bruchflächen.

Die am Felsberg hergestellten Säulen wurden in verschiedene Gegenden des Rheinlandes gebracht, in welchem zur Römerzeit eine gewisse städtische Pracht aufzublühen begann. Noch heute sind viele dieser Zeugen der alten Herrlichkeit erhalten. Mannheim und Heidelberg, Köln und Aachen, Trier und andere Städte rühmen sich noch des Besitzes dieser römischen Säulen aus deutschem Stein. –

Nicht lange indessen, und die Römerherrschaft sank in Staub, ein neues Zeitalter begann, neue Völker flutheten über jene Länder. Die Syenitbrüche am Felsberg wurden verlassen, und die alte Steinindustrie gerieth derart in Vergessenheit, daß die Odenwäldler selbst nicht mehr wußten, wer jene Riesensäule auf ihrem Berge gehauen hatte!

Aber der Tag kam, wo die harten Felsen wieder zu Ehren gelangen sollten. Männer der Wissenschaft begannen sie zu studieren, und was früher oft unter einer allgemeinen Bezeichnung Stein, Fels, Wacke u. dergl. zusammengeworfen worden war, erhielt besondere Namen. Plinius, der Naturkundige des Alterthums, hatte jenen Baustein der Aegypter nach der Stadt Syene „Syenit“ genannt. Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts gab der Freiberger Gottlob Werner, der Vater der Geognosie, diesen Namen einer besonderen Gesteinsart, die im Plauenschen Grunde bei Dresden vorkommt, dem Granit sehr ähnlich ist, aber in ihrer Zusammensetzung sich von ihm unterscheidet. Spätere Untersuchungen zeigten nun allerdings, daß die ägyptischen Steine zwischen Philä und Syene durchaus nicht mit denen vom Plauenschen Grunde übereinstimmen; die ägyptischen sind rother Hornblendegranit. Aber der Name „Syenit“ bürgerte sich einmal für die zuerst erwähnte Gesteinsart ein und man behielt sie im Sinne Werners bei.

Der Odenwald besitzt nun auch rothen Granit, vor allem aber tiefdunkeln, fast schwarzen Syenit, während der vom Felsberg zumeist schwarz und weiß gesprenkelt erscheint.

Allein nicht nur die Wissenschaft beschäftigte sich mit diesen Felsen; auch die Industrie wandte ihnen wieder erhöhte Aufmerksamkeit zu. Der Marmor, mit dem der Süden seine Tempel [333] und Paläste schmückt, ist den zerstörenden Einflüssen des nordischen Klimas nicht gewachsen; härter sind die Granite und Syenite, und als man sie in der Neuzeit zu polieren anfing, vermochten sie in der That zum Theil den Marmor im Norden zu ersetzen. So entstanden die verschiedensten Granitarbeiten, welche die Bauten der Gegenwart schmücken: Säulen, Wandverkleidungen in Vorhallen, polierte Stufen und Podeste, Pilaster und Friese, die in den verschiedenen Farbenzusammenstellungen das Aüge entzücken; ferner Denkmale aller Art, monumentale Brunnen, Postamente für Standbilder und vollständige Grabmonumente.

Diese Steinindustrie entwickelte sich zuerst in Schottland, wo sie noch jetzt in hoher Blüthe steht. Schweden und Norwegen sowie Italien liefern ausgezeichnete verschiedenfarbige Granite. Die rohen Blöcke werden auch nach Deutschland verbracht und hier bearbeitet. Endlich besann man sich, daß auch in deutschen Bergen prachtvolle Felsen standen und nur auf die regsame Hand warteten, die sie in Kunstwerke umformte. Da wurde es wieder lebendig an den Abhängen des Odenwaldes; der Hammer dröhnte durch die Wälder, und an der alten Bergstraße entstanden in Bensheim und Heppenheim groß angelegte Werke, in welchen nicht nur die fremdländischen, sondern auch die deutschen Gesteinsarten zu schlanken Säulen, zu spiegelglatten Platten, zu kräftigen Sockeln gestaltet wurden. Und so herrscht in dieser Gegend nunmehr ein noch regeres Leben als zur Römerzeit, flotter und flinker nimmt der Stein die gewünschten Formen an, spiegelblanker geht er aus der Werkstätte hervor; denn die Maschine unterstützt heute mit ihren unermüdlichen stählernen Armen den Steinmetz bei seinem schwierigen Werke. Schauen wir zu, was der Mensch heute an den Felsenmeeren vollbringt, besuchen wir die deutschen Syenitbrüche im Odenwald!

Riesensäule und „Altarstein“.

Die Blöcke werden noch immer in ähnlicher Weise wie zur Römerzeit gebrochen. Entlang der gewünschten Bruchlinie des Felsens werden in einiger Entfernung voneinander Stahlkeile in eigens hierfür ausgearheitete Nuten eingesetzt und dann mit schweren Hämmern der Reihe nach so lange angetrieben, bis von Keilnut zu Keilnut ein Riß im Steine entsteht und die Trennung des Blockes erfolgt. Aber nicht immer geht diese Trennung so ganz nach Wunsch vor sich und manche beiseite geworfenen Trümmer gehen Zeugniß davon, daß die Steinrisse trotz aller Vorsicht mitunter ihren eigenen Weg gehen. Ist der Stein endlich gespalten und in roher Form vorgearbeitet, so muß er verladen und oft meilenweit aus den auf den Höhen des Gebirgs gelegenen Brüchen auf schwierigen Waldwegen nach den Werkstätten gebracht werden, eine mühevolle und nicht selten sogar gefährliche Arbeit, wenn es sich um Blöcke von 1Ü0 bis 200 Centnern Gewicht handelt!

In den Werken angelangt, wandert ein Theil der Blöcke in die Steinhütte, wo er von den Steinmetzen nach den gewünschten Formen zugehauen wird. Tüchtig geschulte Arbeiter handhaben hier den Meißel aus bestem Stahl, aber trotzdem schreitet die Arbeit nur langsam vorwärts, denn der Felsen ist gar hart. Ein anderer Theil der Blöcke wird durch Maschinen, die mit Dampf- oder Wasserkraft betrieben werden, verarbeitet.

Da ist zunächst eine Maschinensägerei, in welcher die Blöcke in Platten zerlegt werden. Man sägt Steine nicht in der Art wie das Holz. Die Steinsäge hat keine Zähne, ihr Stahlblatt hat einen ganz glatten Rand und wird nur zum Hin- und Herbewegen von Quarzsand verwendet, den man auf Stein schüttet und durch Wasserzuleitung in die Sägeschnitte führt. Neuerdings hat man vielfach den Sand durch Stahlkörner ersetzt, welche die Leistung der Steinsäge erhöhen. Freilich, blitzschnell, geht es trotz Maschine und Dampfkraft nicht vorwärts; während eines vollen Arbeitstages dringt die Säge nur einige Centimeter tief in die Felsmasse ein. Aber die Sägen arbeiten sicher, manche sind als „Vollgattersägen“ gebaut, mit dreißig und mehr Sägeblättern ausgerüstet und zerlegen die bis zu vier Meter langen Blöcke in Platten, die nur zwei Centimeter stark sind und eine Fläche von mehreren Quadratmetern besitzen. Andere, wie die „Trennsägen“, führen nur ein Sägeblatt, gehen rascher und arbeiten geschwinder.

Die also zugesägten Blöcke müssen nun ihre richtige Form, ihre Profilierung erhalten. Auch diese Arbeit wird entweder von Steinmetzen oder von Maschinen besorgt. Handelt es sich um verwickeltere Gestaltungen, so ist der Steinmetz unentbehrlich; aber für gewisse einfache Grundformen, wie für Säulen und Walzen, hat man sehr zweckmäßige Maschinen erfunden. Es sind dies Drehbänke, auf welchen durch sich drehende scheibenförmige Stahlmesser die vorstehenden Theile des Steines solange abgesprengt werden, bis die kreisrunde Form hergestellt ist.

Die Form, die man beabsichtigt hat, ist nun im allgemeinen erreicht; doch ist die Fläche des Steines noch rauh, sie muß den Schliff erhalten. Für gleichmäßige Stücke werden wiederum Maschinen benutzt, in denen das Schleifen durch rotierende oder hin- und hergehende Eisenscheiben besorgt wird. Als eigentliches Schleifmittel wird nach und nach Sand, dann gemahlener Schmirgel in verschiedenen Sorten, vom groben bis zum feinsten, geschlemmten, aufgeschüttet. Schließlich wird mit verschiedenen Poliermitteln die Fläche spiegelblank poliert, und diese Politur behält, wenn sie in der richtigen Weise ausgeführt wurde, ihren Glanz in allen Wechseln unseres Klimas.

Ein Theil der Aufgabe bleibt freilich noch immer für die Menschenhand übrig. Einzelne Theile, die sich zur maschinellen Bearbeitung nicht eignen, müssen mit eisernen Läufern, die in Form der zu schleifenden Profile hergerichtet sind, von der Hand geschliffen und poliert werden. Zu allerletzt werden, wo dies gewünscht [334] wird, Inschriften und Verzierungen aller Art von den geübtesten Steinmetzen an den Steinen angebracht.

Von den einzelnen Werkstätten, die wir soeben aufgesucht haben, laufen Schienengeleise zu dem Werkhof, der sozusagen das Herz der ganzen Anlage bildet und stets ein Bild regster Thätigkeit bietet. Hier mündet auch das Geleise, welches die Syenit- und Granitwerke mit der Bahnstation verbindet, hier steht der mächtige Fahrkrahn, mit dessen Hilfe die Eisenbahnwagen von den ankommenden italienischen oder schwedischen Blöcken entlastet oder mit den Kunstleistungen der Anstalt beladen werden. Unsere Abbildung auf Seite 329 zeigt uns den Werkhof des Syenitwerkes zu Bensheim mit der Fülle von Blöcken, Platten und Säulen. Im Vordergrunde wird gerade zur Probe der Sockel für das Denkmal Alfred Krupps zusammengestellt, welches ihm von seinen Beamten und Arbeitern errichtet und im vorigen Herbste zu Essen enthüllt worden ist. Die in Bronze gegossene Figur des Schmiedes, die auf der einen Seite des Postamentes sitzt, stellt die „Arbeit“ dar und wurde von dem Bildhauer J. Menges in München modelliert. Die andere Figur, welche die gegenüberliegende Seite schmücken soll, auf dem Bilde aber noch daneben liegt, ist eine Versinnbildlichung der „Humanität“ und eine Schöpfung des Bildhauers A. Mayer in München.

Die Granit- und Syenitwerke Bensheim beschäftigen noch andere Werkstätten, so die mit Wasserkraft betriebenen Anlagen in dem nahen Heppenheim und das Werk Friedenfels im Fichtelgebirge. Die Erzeugnisse dieser rasch zur Blüthe gekommenen Industrie sind heute über ganz Deutschland und weit über dessen Grenzen hinaus verbreitet; viele Prachtbauten zeigen Bensheimer Säulen und Quadern. Die Kaiser Wilhelms-Brücke in Berlin ist mit Felsberger Granit verkleidet, und zahlreiche Postamente zu berühmten Denkmälern der Neuzeit entstammen denselben Werken. So stehen die Denkmäler Huttens und Sickingens auf der Ebernburg, Schneckenburgers in Tuttlingen, Abts in Braunschweig, Bismarcks und Moltkes in Stuttgart auf Felssockeln, welche von den regen Werkstätten des Odenwaldes geliefert wurden.

Wie eigenartig ist diese auf den verschollenen Trümmern römischer Kunstfertigkeit aufgeblühte deutsche Industrie! Möge es ihr auch ferner gelingen, aus dem edlen Gestein kunstvolle Bildungen zu formen und neben den fremden auch den deutschen Steinen den ehrenvollen Platz zu verschaffen, der ihnen gebührt.