Die Gauchos
[216] Die Gauchos, die in den Platastaaten die Pampas bewohnenden Landleute, sind ohne Zweifel die unermüdlichsten, verwegensten und geschicktesten Reiter der Welt. Von frühester Jugend an das Pferd gewöhnt, werden sie bald mit diesem so vertraut, daß Reiter und Roß nur Eins bilden. Den ganzen Tag durchstreifen sie die Pampas, diese Grasmeere der argentinischen Republik, jagen sie die zahllosen Rinder, Pferde oder die schnellfüßigen Strauße, und nur des Nachts trennen sie sich von ihrem Liebsten, dem Pferde. Ihre Reitergeschicklichkeit ist in der That staunenerregend, und was wir als die halsbrechendsten Tollkühnheiten ansehen würden, sind bei ihnen nur unschuldige Spielereien. Um in ihren Bewegungen vollkommen frei zu sein, ist der Sattel ganz eben, ohne Erhöhung, weder hinten noch vorn (in Chili gleichen die Sättel mehr denen unserer Husaren). Dadurch ist es ihnen möglich, den höchsten Grad der Jagdgeschicklichkeit zu zeigen. Bewaffnet nur mit einem Riemen, welcher sich am Ende in drei spaltet, deren jeder eine bleierne Kugel (gewöhnlich in Eierschalen gegossen) trägt, jagen sie dem Strauße nach, ihre Waffe um den Kopf schwingend. Glauben sie sich des Wurfes sicher, so bringen sie das Pferd zum Stürzen, schnellen über den Hals des Thieres hinweg, und schleudern die Kugeln nach den Beinen des Straußes, so daß sie von den Riemen umschlungen werden und das Thier am Laufen gänzlich gehindert ist. Diese Kugeln und der Lasso sind auch im Kriege ihre Waffen und furchtbar genug können sie werden, besonders der Infanterie. Das eine Ende des Lasso am Sattel befestigt, das andere mit der Schlinge um den Kopf drehend, stürmen sie gegen die Linie der Soldaten bis auf etwa zehn Schritt, schleudern mit sicherer Hand die Schlinge und blitzschnell wenden sie und stürmen davon, ihr unglückliches Opfer nachschleifend. Die Kugeln dienen besonders zur Verfolgung der berittenen Feinde, um diese durch Umschlingung der Hinterfüße der Pferdes an der Flucht zu hindern und zur Ergebung zu zwingen. Der bekannte Dictator Rosas verdankte seinen Sieg über den General Don José Maria Paz in der Provinz Santa Fé nur dem Umstande, daß dieser sich zu weit vorgewagt und sein Pferd auf die angegebene Weise zum Stürzen gebracht wurde. Auch ein deutscher Officier, Namens Rausch, kam dabei auf gleiche Weise in Gefangenschaft. Um jedoch einem gleichen Schicksale zu entgehen, gewöhnen die Gauchos ihre Pferde daran, mit umwickelten, an jeder freien Bewegung gehinderten Hinterfüßen zu laufen, oder besser gesagt, zu springen. Ein solches Pferd wird denn hochgeschätzt von seinem Herrn, es ist ihm eine Garantie seiner Freiheit, Unabhängigkeit und seines sorglosen, abenteuerlichen Lebens. – Die Kleidung der Gauchos besteht in Poncho (ein viereckiger Mantel, der über den Kopf gezogen wird), Hemd und weiten, gewöhnlich lichten Hosen. Letztere sind der Luxusgegenstand, auf den die Frauen den größten Fleiß verwenden und durch höchst kunstfertige Nähereien und Stickereien wahre Kunstwerke schaffen. Um den Kopf winden sie ein buntseidenes Tuch und bedecken ihn dann mit einem kleinen Strohhute. Die Stiefeln sind höchst eigenthümlich, aus Einem Stücke ohne Naht, und werden folgendermaßen hergestellt. Man schneidet den Schenkel eines Pferdes oben ab, ebenso unten die Fessel nebst Huf, löst Knochen und Fleisch aus und schnürt ihn dann vorn zusammen. Man erhält auf diese Weise eine Art Stulpenstiefel; die Hacke des Pferdebeines nimmt auch die Hacke des menschlichen Fußes auf. Es ist dies gewiß eine ebenso eigenthümliche, als leicht herzustellende solide Fußbekleidung.