Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1894
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[149]

Nr. 10.   1894.
      Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.


Die Martinsklause.

Roman aus dem 12. Jahrhundert.
Von Ludwig Ganghofer.
(9. Fortsetzung.)


Inzwischen wanderte der Kohlmann im grauen Dämmerlicht des Morgens über das ebene Almenfeld hinweg; wo er ging, hoben sich die Kühe aus dem Gras, machten die Rücken krumm und streckten die Schweife. Ein wüster Urwald nahm den Wanderer auf. Es dunkelte noch zwischen den ragenden Stämmen, und die Feuchte der Nacht, die Modergerüche des faulenden Fallholzes erfüllten die schwül zwischen den Bäumen liegende Luft. Jenseit dieses Waldes, in einem hügeligen, von starrenden Felswänden umzingelten Hochthal, lagen die fruchtbarsten von allen Almen weit umher, die „Reginalben“.

Von den sieben Hütten, welche zerstreut umherstanden, war eine dem Marderecker eigen, eine gehörte zur Hufe der Hanetzer, und in der größten von allen hausten die zwei hörigen Almerinnen des Richtmanns in der Schönau. An diese Hütte schloß sich eine hohe, aus Felsblöcken geschichtete Umwallung, in welcher alles Vieh der „Reginalben“ zusammengetrieben wurde, wenn in stürmischen Nächten der Almwächter seine Feuer gegen die wilden Tiere nicht anzünden konnte; denn über die offene Berghöhe fuhr die entfesselte Windsbraut mit solcher Gewalt, daß sie die brennenden Scheite vom Holzstoß davongetragen und in den Wald geworfen hätte, dessen wirr liegendes Fallholz nur eines Funkens bedurfte, um aufzulodern wie dürres Stroh. Die Hütte selbst umschloß nur den geräumigen Kaser,


Das neue deutsche Panzerschiff „Brandenburg“.
Nach einer Originalzeichnung von Fritz Stoltenberg.

[150] in welchem auch die mit Heu gefüllten Lager der beiden Almerinnen standen. Die Dirnen waren schon munter und kochten die Morgensuppe. Vom Geprassel des Feuers und vom aufquirlenden Rauch wurde Ruedlieb geweckt, der ihn Dachraum der Hütte auf frisch eingebrachtem Heu geschlafen hatte. Er ließ sich von den Sparren niedergleiten, schüttelte die Heufäden von seinem Gewand und trat ins Freie. Da hörte er schreiende Stimmen und blickte der Richtung zu, aus welcher sie klangen. Ihm zu Füßen senkten sich im Halbkreis die Almgründe in ein schmales, dem See entgegenlaufendes Thal, welches auf der einen Seite von einem steilen Waldhang, auf der anderen Seite von der schroffen, nur mit Gestrüpp bewachsenen und kaum wegsamen Reginwand geschlossen wurde.

Aus diesem Thal herauf klang das wilde Geschrei, das immer kreischender wurde. Stürmenden Laufes eilte Ruedlieb über den Hang hinunter, doch er mußte zur Seite weichen ... eine Schar flüchtender Kühe sprengte ihm entgegen, brüllend, jedes Tier mit schäumendem Maul und aufgequollenen Augen, im Sprung mit den Hinterfüßen hoch ausschlagend. Nach allen Seiten sah Ruedlieb die Ziegen und Schafe flüchten – und überall, von allen Hütten, sprangen die Senner und Almerinnen dem Thal entgegen, Steinbrocken von der Erde raffend, Prügel schwingend unter gellendem Geschrei. „Der Bär, der Bär! Er hat eine Geiß gerissen! Dort! Der Bär! Dort! Dort! Er nimmt die Wand an! Lauft! Lauft! Erschlagt ihn! Drauf! Erschlagt ihn!“

Ruedlieb riß das Messer aus dem Gürtel, und in langen Sätzen, daß unter seinen Füßen die Steine flogen, sprang er über die steile Halde hinunter. Da sah er schon die Leute am Fuß der Reginwand, Steine werfend und die Prügel schleudernd ... unter ihnen stand der Marderecker, mit fahlem Gesicht, Zähren in den Augen, auf den bleichen Lippen nur immer das eine Wort: „Meine Geiß! Meine Geiß!“ Ein paar Sprünge noch, und Ruedlieb sah den Bären, der, die Ziege schleifend, in die Felswand einstieg, unbekümmert um das zeternde Geschrei, der Steine und Prügel nicht achtend, die um ihn herprasselten.

„Leut’, laßt das Werfen sein!“ schrie Ruedlieb und sprang mit gezücktem Messer über den Schutt empor, welcher besudelt war mit dem Blut der Ziege. Wirres Geschrei begleitete dieses Beginnen; die einen riefen den Buben zurück, die anderen feuerten ihn an mit heiserem Zuruf. Da gewahrte das Raubtier den Verfolger. Einen Augenblick zögerte der Bär, dann ließ er sein Opfer fallen, und während die verendete Ziege mit schlagenden Läufen niederrollte über den steilen Schutt, that der Bär einen mächtigen Sprung und gewann ein Felsenband, auf welchem er hineintrabte in das schroffe Gewänd.

Ruedlieb stand mit geschwungenem Messer und stieß einen klingenden Jauchzer aus. Die Leute unten wußten diesen Ruf nicht zu deuten – und sie wußten auch nicht, was sie denken sollten, da sie den Bären mitten im Gewänd auf einer schmalen Grashalde jählings verschwinden sahen, als hätte ihn die Felswand eingeschluckt. Frohlockend schwang sich Ruedlieb auf das Felsenband, aber nur wenige Schritte war er dem schmalen Pfad gefolgt, da klangen ihm plötzlich die Worte des Vaters im Ohr: „Laß Dir nicht in den Sinn kommen, daß Du mit einer Hand an das Gewild rührst!“ Lachend trat der Bub den Rückweg an; es wurde ihm nicht schwer, die Worte des Vaters zu befolgen – das Raubtier war gut aufgehoben, es bedurfte keiner Hand mehr, um ihm den Garaus zu machen. Als Ruedlieb die Leute erreichte, blieb er vor ihnen stehen, mit brennendem Gesicht, und sagte: „Geht heim, Leut’! Der Braungesell hat heut’ die letzte Geiß gerissen.“ Und das Messer in die Scheide stoßend, schritt er davon.

Der Marderecker kniete vor seiner zerfleischten Ziege und jammerte, die anderen schrien – noch immer begriffen sie nicht.

„Ich steig' hinauf!“ kreischte der ältere Hanetzer. „Ich muß wissen, was da geschehen ist!“ Es wurde ihm nicht leicht, das Felsenband zu gewinnen, als er die Stelle erreichte, an welcher der Bär verschwunden war, schrie er den Leuten mit gellender Stimme zu: „Da liegt er in einer Grub’! Seil’ her! Seil’! Den müssen wir fangen!“

Die es hörten, begannen zu johlen wie in trunkenem Jubel, die einen rannten den Hütten zu, um Seile zu holen, drei Sennen kletterten in die Felswand ein, die anderen, Almerinnen und Geißbuben umkreisten die Wand und erstiegen den Grat von der Almenseite. Als sie auf der Höhe niederblickten in die Grube, sahen sie das gefangene Raubtier aufrecht sitzen, mit den kleinen schwarzfunkelnden Augen zornig nach einem Ausweg spähend.

Schimpfworte und Spottreden kreischten von allen Seiten „Erschlagt ihn! Erschlagt ihn!“ schrie eine der Almerinnen, und eine andere: „Laßt die Felsen über ihn hinunter!“

„Nein! Nein!“ rief der Hanetzer. „Lebendig müssen wir ihn haben! Lebendig!“

Vier Seile wurden über die Felswand herabgelassen, in jedes schlug der Hanetzer eine Schlinge, und ihm und den drei Sennen gelang es ohne Mühe, die vier Tatzen des Bären in die festwürgenden Schlingen einzufangen. Unter wildem Geschrei ein Ruck an den Seilen ... und der Bär hob sich, rollte aus der Grube und pendelte, ein wehrloser Klumpen, an der Felswand. Gierige Hände griffen von überall her nach den Seilen, während der Hanetzer und die Sennen springend das Thal gewannen. Langsam schwebte der Bär an den Seilen herab, schaukelnd und schwankend in seiner ungestümen und dennoch nutzlosen Gegenwehr, im Kreis sich drehend und anprallend wider alle Steinschrofen. Mit den Haken der Grießbeile schleiften der Hanetzer und die Sennen das gefesselte Tier, als es den Boden berührte, in die Mitte des Thales, packten die Seile und rannten nach vier Seiten auseinander, so daß der Bär auf dem Rücken lag, mit seitwärts gezerrten Tatzen, wehrlos und entkräftet.

Alle, alle kamen sie jetzt herbeigesprungen. schrien und kreischten, johlten und jauchzten, wie befallen von Raserei, von einem Rausch der Grausamkeit. Was hatten sie um dieses Tier nicht alle leiden müssen, ohne Wehr’ und Hilfe! Tiefe blutende Wunden hatte es ihrem Dasein gerissen, ihrem kärglichen Besitz; gedarbt und gehungert hatten sie, gezittert und geweint, Not und Jammer getragen um dieses Tieres willen! Jetzt war es in ihre Hand gegeben ... und sollte büßen! In schreiender Wut bewarfen sie das Tier mit Steinen und stießen ihm die eisenbeschlagenen Schuhe in die Weichen. Der Bär gab keinen Laut, als wäre er zu stolz, den Peinigern seine Qual zu verraten; nur manchmal suchte er den blutigen Kopf zu erheben und drehte die funkelnden Augen nach allen Seiten. Mit Prügeln schlugen sie nach ihm und rissen ihm Fäuste voll Haare aus dem Pelz. Eine Dirne mit vergrämten Zügen spie dem Bären in die Augen und schrie mit schäumenden Lippen: „So wie der, so sollt’ ein anderer daliegen vor uns! Ein anderer!“ Wie Feuer schlug dieses Wort in die rasenden Gemüter. „Waze! Waze! Herr Waze!“ schrieen sie den Bären an, und ein Hagel von Steinen ging nieder über das wehrlose Tier.

Ruedlieb, den das Geschrei gerufen hatte, kam herbeigelaufen, und als er gewahrte, was geschah, rief er mit bleichen Lippen: „Aber Leut’! Leut’! Seid denn Ihr noch Menschen? Habt doch Erbarmen und laßt mich hin – ich will ihm den Gnadenstoß geben!“ Aber sie stießen den Buben zurück, und der Hanetzer schrie: „Was thun wir ihm an, daß er leiden muß, recht leiden, recht, recht!“ Da sah er den Kohlmann des Weges kommen. „Eigel! Eigel! Da komm her!“ Mit der Stimme des Hanetzer vermischte sich das Geschrei der anderen: „Da komm her! Sag’ Du, was wir ihm anthun sollen! Sag’, was das Grausigst’ ist!“

Der Kohlmann stand vor dem Bären; langsam blickte er über den Weg zurück, den er gekommen war, und sagte: „Das Grausigst’? Laßt ihn heiraten wie der Kaganhart!“

Einen Augenblick herrschte das Schweigen der Verblüffung, dann brach ein schallendes Gelächter los. Der Bär schien zu fühlen, daß die straff gespannten Seile sich lockerte, jählings machte er eine gewaltsame Anstrengung, überschlug sich und stand auf den Füßen; drei Seile flogen in der Luft, nur der Hanetzer hielt das seine noch fest umklammert. Ein gellendes Geschrei erscholl, die Dirnen flüchteten, die Männer, alle voran der Hanetzer, sprangen auf den Bären ein, aber dumpf brüllend erhob sich das Tier und schlug mit der Tatze. Erbleichend wich der Hanetzer zurück, und während das rote Blut von seinem Schenkel sprudelte, rannte der Bär in jagender Flucht thalabwärts, die Seile schleifend, deren Enden ihn umringelten wie graue Schlangen. Zwischen den Bäumen verschwand er. Wohl stürzten ihm Ruedlieb und die Sennen nach, aber sie bekamen ihn nicht mehr zu Gesicht; nur die Seile fanden sie, welche, da ihre Schlingen sich gelockert hatten, von den Tatzen des flüchtenden Bären abgefallen waren. Als sie die Verfolgung aufgaben, sagte Ruedlieb. „Das gönn’ ich Euch!“ Und die Sennen verlassend, stieg er gegen die Reginwand empor, um die Grube zu verschütten, die er ausgeworfen.

Die Sennen begannen miteinander zu hadern, und jeder warf dem anderen vor, daß er zuerst das Seil ausgelassen hatte. [151] Schließlich gerieten sie sich in die Haare und redeten mit den Fäusten weiter. Den Verwundeten hatte man in die Almhütte getragen und Eigel legte ihm den Verband an; dann suchte er noch den Marderecker und brachte ihm als Thingbot die Ladung. Unter der steigenden Sonne zog er weiter. Als er auf dem Rückweg an der Almhütte des Kaganhart vorüberkam, sah er den Fensterladen und die Thür geschlossen. Kaganhart und Hilmtrud holten den in der Nacht versäumten Schlummer nach. Einträchtig lagen sie nebeneinander im Heu, und der Bauer hielt im Schlaf den Arm um den Hals seines Weibes geschlungen. Sie hatten Versöhnung gefeiert, nicht früher freilich, bevor nicht Hilmtrud wußte, was Kaganhart lieber verschwiegen hätte: „Heut’ über zwei Nächt’, wenn Vollmond einsteht!“




13.

Fleißig hatte seit dem frühen Morgen im Walde beim Lokistein der Schlag der Beile geklungen. Neue Bäume lagen gefällt, und über dem Grundriß, welchen Eberwein gezogen, erhoben sich schon, vier Stämme hoch, mit doppelt gelegten Balken, die Mauern der Klause und des Kirchleins. Vor dem einen der Zelte lag, mit dem weißen Holz in der Sonne schimmernd, das seiner Vollendung nähergerückte Kreuzbild; die grobe Arbeit des Meißels war gethan, und das sachtere Werk des Messers hatte begonnen.

Nun ruhten alle Hände, denn die Mittagsglocke hatte geläutet. Die Knechte hatten sich beim Feuer gelagert, und um den aus Stangen gefügten Tisch saßen Eberwein, Waldram und Schweiker, das Gebet war gesprochen, und Bruder Wampo kam mit der dampfenden Schüssel. Eberwein furchte die Brauen, als er die Speise sah. „Bruder! Du bist meinem Wort entgegen nach Milch gegangen?“

„Nein, lieber Herr, die Milch ist zu mir gekommen!“ schmunzelte Wampo. „Heut’ vor Tag, wie ich aufgestanden bin, um Feuer zu schüren, bin ich vor dem Zelt schier darüber gestolpert ... und neben dem Kännlein hat ein Roggenbrot gelegen mit süßen Käslein und ein Butterwecken gar säuberlich eingewickelt in grüne Lattichblätter!“

„Weißt Du, wer die Gabe gespendet hat?“

„Ich mein’ wohl, ich kann mir’s denken! Aber wer weiß, vielleicht irr’ ich mich ...“ Wampo zwinkerte mit den Augen und blickte auf Schweiker, welcher rot wurde bis unter die Haarwurzeln. „Vielleicht war es gar kein Menschenkind, sondern ein Engelein mit Himmelsbrot und mit köstlicher Milch aus dem gelobten Lande, in welchem ja auch noch Honig fließt. Der war aber nicht dabei!“

„Widerlicher Schwätzer!“ schalt Pater Waldram mit finsterem Blick. „Halte Deine Lippen geschlossen, wenn Du sie nicht öffnen kannst, ohne Heiliges zu verletzen mit sündhafter Rede!“

„Ich hab’ ja nur gescherzet, Herr!“ stotterte der erschrockene Bruder.

„Scherze beim Feuer mit den Knechten, aber nicht vor meinem Ohr, dem Deine Rede ein Greuel ist!“

Wampo wollte erwidern, doch Eberwein winkte ihm mit den Augen, zu schweigen. Als das Mahl genommen und das Gebet gesprochen war, ging Schweiker mit der Axt zum Walde und Bruder Wampo räumte den Tisch ab; auf dem Arm die hölzernen Geschirre tragend, schlich er davon, mit verdrossenem Gesicht und hängender Lippe. Waldram wollte sich erheben, da sagte Eberwein: „Ich habe vor dem Ohr der Brüder Deiner zürnenden Rede nicht widersprochen. Jetzt aber, da wir allein sind, höre meine Mahnung: sei duldsamer, Waldram!“

Dunkle Röte färbte die Stirn des Paters. „Willst Du mir wehren, daß ich Worte schweigen mache, die mein Ohr beleidigen und mein heiligstes Empfinden?“

„Ich meine nur, Du solltest die Rede der dienenden Brüder nicht messen an Deinem eigenen Gefühl. Irdische Sorge füllt ihren Tag, sie haben schwer zu schaffen vom frühen Morgen bis in die sinkende Nacht. Hüte Dich, durch Ueberstrenge die Unlust in ihren Gemütern zu wecken! Du kannst ihren Mut zu Boden drücken mit einem einzigen unbedachten Wort ... doch kannst Du ihren verzagenden Herzen nicht auch die Schwingen des Geistes leihen, welche Dich, wenn Dir die Knie brechen, emportragen über den Staub, in den Du niedersinkst.“

„Die Schwingen meines Geistes!“ Waldram richtete sich auf. „Von allen Worten die Du sprachest, hat dieses eine nur den Weg zu meinem Ohr gefunden. Elend und gebrechlich ist mein Leib, zitternd nur umschließen meine Finger den Griff der Axt, doch wie ein Adler, mit rauschenden Flügeln, hebt sich mein Geist hinaus über allen Staub der Erde und strebt den Höhen des Himmels zu, seine Heimat suchend vor Gottes Thron und zu der Heiligen Füßen.“ Waldrams Lippen bebten, und mit zorniger Schärfe klang seine Stimme: „Wahr und ganz erkennst Du wohl meine Art, nicht verborgen ist Dir meine Kraft, mein Eifer im Dienste Gottes. Und so sage ich Dir: übel dienest Du unserer heiligen Sache, da Du mich zwingst, das Beil zu schwingen und das niedere Werk der Knechte zu teilen.“

Eberwein erhob sich und sagte ruhigen Wortes: „Ich zwinge Dich nicht zur Arbeit am Bau der Klause. Bist Du müde, so raste!“

„Ich aber will nicht rasten. Nur weiß ich mir bessere Arbeit als jene, zu welcher Du Dich berufen fühlst. Forme Du das tote Holz zu dem Bilde, dessen Du bedarfst für Deine Sinne! Baue Du, schichte die Mauer, wähle die Balken und prüfe ihren Halt – Du scheinst ja kaum die Stunde erwarten zu können, welche Dir die Ruhe bringt unter sicherem Dach. Ich aber will nicht rasten bei Tage, nicht schlummern bei Nacht ... hinaus will ich ziehen in die Wildnis dieser Thäler, den Weg will ich suchen zu jeder Hütte und mit dem Kreuz in der Hand will ich schlagen an jede Thür, will in heiligem Zorn die Säumigen und Verstockten rufen, welche die Glocke nicht hören und nicht kommen wollen und knien vor ihrem Gott! Ihre Herzen sollen zittern, und ich will sie lehren ...“

„Zu fürchten, wo sie lieben sollen?“ Tiefer Ernst lag auf Eberweins Zügen, als er raschen Schrittes auf Waldram zutrat. „Deine schmähenden Worte wider mich – ich habe sie nicht gehört, sie sind vergeben. Aber nicht stören sollst Du mir das Werk der Liebe, zu welchem Gott mich ausgesendet. Siehe, dorthin führt der Weg ins Thal, und vor diesen Weg strecke ich meine wehrende Hand ... dieselbe Hand, in welche Du bei der Ausfahrt aus dem Kloster die Deine legtest zum Zeichen des Gehorsams!“

Waldram erbleichte, neigte das Haupt und wandte sich wortlos ab. Doch Eberwein faßte seine Hand. „Ich mußte Dich mahnen an Dein Gelöbnis, Du selbst hast mich gezwungen. Ich that es ungern, Waldram. Und nun bitte ich Dich ... höre mich an in Ruhe! Ich selbst hab’ es mit Kummer gewahrt, daß unsere Glocke nicht einen rief, daß ihr freundlicher Ton verklang, ohne Widerhall zu finden auch nur in einem Herzen! Aber ich will geduldig sein und warten, um so geduldiger, da ich erfahren muß, daß Mißtrauen, Furcht und Widerstand uns begegnen auf allen Wegen. Darin suche die Ursache der Hast, mit der ich den Bau unseres heiligen Hauses betreibe! Ich kenne das Volk der Berge – bin ich doch selbst aus ihm hervorgewachsen – und ich rechne mit dem Fühlen und Denken dieser Menschen. Der Fremde erweckt ihre Scheu, unansehnlich ist ihren Augen der Obdachlose. Bevor ich ihre Herdstätten suche, will ich heimisch werden auf ihrer Scholle; unser Kirchlein will ich ihnen zeigen können, damit ich ihnen sage: sehet, ich hause in Eurer Mitte, Euch allen ein Bruder, und das Dach, unter dem ich herberge, ist Gottes Dach – und Euch alle ruft es in seinen Schutz! Nicht für meine Sinne, Waldram, forme ich jenes heilige Bild, ich sehe Gott, wohin ich blicke. Aber das Auge dieser Menschen hat irdischen Blick. Ihnen will ich dieses heilige Bildnis zeigen können, damit ich ihnen sage: schauet auf zu ihm, den dieses Bildnis meint, schauet auf zu ihm, der aus Liebe zu den Menschen starb in Marter und Schmerz ... sehet die Wunden, aus denen sein Blut geflossen, jeder Tropfen wie befruchtender Tau auf des Lebens dürre Not! Meinst Du nicht, Waldram, diese Menschen, die unter harter Faust geschmachtet, unter Greueln und herzlosem Druck – diese Menschen, welche in zähem Kampfe ringen wider eine feindliche Natur ... meinst Du nicht, sie werden das Wort der Liebe williger hören als einen Ruf, der sie zittern und zagen macht? Meinst Du nicht auch?“

Ein kaltes Lächetn glitt über Waldrams bleiche Lippen. „Ich gehorche ... und meine, was Du meinst!“

Eberweins Brauen furchten sich. Aber rasch, wie ein gleitender Wolkenschatten, schwand dieses Zeichen des Unmuts von seiner Stirne und herzlich klang seine Stimme: „Blick’ um Dich her, Waldram! Sieh nur, still und freundlich grünt der Wald, sanft tönt aus dem Thal herauf das Rauschen der Gewässer, und sonnig blicken die Berge auf uns nieder. Mahnt nicht der Wille [152] des Himmels aus diesem friedlichen Bild? Sturm und zerstörende Wetter tobten über diesem Thal bei unserem Eintritt ... nun aber, da wir bauen an Gottes Haus, ist Frieden eingekehrt und sonnige Ruhe lächelt.“

„Wie Honig fließt Dir die Rede von den Lippen und mit Blumen möchtest Du den Weg bestreuen, den Du gehst. Siehe zu, wohin er Dich führen wird!“

Eberwein atmete tief und seine Augen suchten den Himmel. Er wandte sich ab, vor dem halb vollendeten Kreuzbild ließ er sich auf den Holzblock nieder und hob das Schnitzmesser von der Erde. Kaum hatte er in das weiße Holz den ersten Schnitt gethan, da fühlte er eine ungestüme Hand auf seiner Schulter. Waldram stand vor ihm.

„Du siehst, ich beginne die Arbeit!“ sagte Eberwein.

„Ich aber habe noch zu rechten mit Dir. Den Mönch und Priester hast Du gemahnt an seinen Gehorsam ... und wider meine bessere Einsicht muß ich schweigen und Dich die Straße gehen lassen, die Du gewählt. Nun aber höre den Bruder Deines Ordens, der gleiche Stimme mit Dir hat im weltlichen Rat!“

Eberwein legte die Hand mit dem Messer in den Schoß. „Sprich!“

„So säumig wie dem Himmel, so säumig dienest Du auch der Macht unseres Heiligen. Nicht als Knechte sind wir gekommen in dieses Land, als die Herren! Zwei Tage und zwei Nächte weilen wir in unserem Land ... wo aber bleibt der Richtmann, wo bleiben die Schöffen? Weshalb erscheinen sie nicht vor uns, in Ehrfurcht und zu schuldigem Gruß? Als ein Knecht unseres Heiligen sitzt ein Spisar im Gadem. Weshalb säumt er, vor uns zu treten, um seines Amtes Bestallung zu empfangen?“

Eberwein zögerte mit der Antwort und fragend ruhte sein Blick auf Waldrams Antlitz, als verstünde er die bebende Erregung nicht, welche zitterte und zuckte in diesen bleichen Zügen. „Richtmann und Schöffen? Nach ihnen verlang’ ich nicht. Sie werden wohl kommen zu ihrer Zeit ... und es mag wohl sein, daß sie noch nicht wissen um unsere Ankunft.“ Eberweins Stirne furchte sich. Dem Spisar dieses Landes aber hatte ich den ersten meiner Wege zugedacht. Und dennoch, wider mein eigenes Gefühl, besann ich mich anders. Ich mußte mir sagen, daß ich hier stünde an unseres Heiligen Statt, als Herr ... Herr gegenüber diesem einzigen Manne meines Landes. Vor der Schwelle unserer Klause soll Herr Waze erscheinen, er vor uns. Und kommen wird er, denn er weiß, daß wir im Lande sind. Ich habe ihm Botschaft sagen lassen durch den Mund seiner übermütigen Tochter.“

„Seine Tochter!“ Wie heiseres Lachen klangen die beiden Worte von Waldrams Lippen. „Seine Tochter! Sie! Sie! Und andere Rede weißt Du nicht? Und keinen anderen Boten fandest Du als sie? Und nun hoffst Du wohl, sie möchte auch Botschaft bringen von ihrem Vater! Und kommen! Zu Dir!“

Eine leichte Röte glitt über Eberweins Wangen. „Waldram! Ich fasse Deine Worte nicht ...“

„Ich aber sehe die verräterische Glut auf Deinem Antlitz. Und alles versteh’ ich nun, alles, alles! Standest Du doch in jener Stunde vor ihr wie versteinert, mit starrendem Aug’ jeden Reiz ihrer teuflischen Schönheit verschlingend, bezaubert von der Höllenglut ihres Blickes, umstrickt von den roten Schlangen ihres Haars!“ Schrilles Lachen unterbrach den keuchenden Klang dieser Worte. „Alles, alles versteh’ ich nun. Dein Zögern und Deine Langmut. Deine gewandelten Entschlüsse und dieses eine Wort, das immer und immer von Deinen Lippen schreit: Liebe, Liebe, Liebe.“

Erbleichend war Eberwein aufgesprungen. Schwer hob sich seine Brust, doch seine Lippen blieben geschlossen. Mit tiefernstem Blick nur hafteten seine Augen an Waldrams verzerrtem Gesicht. Dann wandte er sich ab, um seine Arbeit wieder zu beginnen.

„Du sollst mir Rede stehen!“ keuchte Waldram, faßte Eberweins Arm und schüttelte ihn so wild und zornig. daß das Messer der Hand entflog. Im Bogen schwirrte es durch die Luft und niederfinkend fuhr es mit der Spitze in das Bildnis, an der Stelle des Herzens. Da fiel es über Waldram wie lähmender Schreck. Zitternd stand er, mit entsetzten Augen auf die Klinge starrend. Dann jählings. brach ein dumpfes Schluchzen aus seiner Brust, er stürzte in die Knie, und mit beiden Armen das Bildnis umschlingend, schlug er die Stirne auf das Holz. Eberwein aber hob ihn empor. „Steh’ auf, Waldram! Noch ist dieses Holz kein heiliges Bild – das fallende Messer konnte nicht verletzen. was erst entstehen soll. Mich nur hast Du verwundet in meinem tiefsten Innern. Mag es Dir Gott verzeihen! Ich kann es nicht in dieser Stunde ... ich bin ein Mensch und fühle den Schmerz des Stiches.“ Ohne die Augen zu erheben, schlug Waldram die Hände vor das Gesicht und wankte ins Zelt.

Tief atmend ließ Eberwein sich nieder, zog das Messer aus dem Holz und tilgte die Spur des Stiches mit raschem Schnitt. Er arbeitete weiter, doch nicht lange; dann mußte er innehalten, denn seine Hand zitterte. Er legte den Arm aufs Knie und stützte das Haupt, als hätte tiefe Ermüdung ihn befallen. Aus dem Zelt klang Waldrams betende Stimme und das Klatschen der Geißel. Eberwein hörte nicht; seine kummervollen Augen blickten ins Leere.

Bruder Wampo kam herbeigeschlichen und rief mit scheuem Stottern. „Herre!“ Er wartete auf Antwort, doch sie kam nicht. „Ich möcht’ ’was fragen, Herre!“

Eberwein hob das Gesicht, mit verlorenem Blick; er sah den Bruder an, als wär’s ein Fremder, und fragte: „Was willst Du?“ Da hörte er aus dem Zelt die Stimme Waldrams. Immer lauter klang sie und wandelte sich zu jauchzendem Gesang, während klatschend die Schläge der Geißel fielen. Erschrocken sprang Eberwein auf und eilte ins Zelt. Waldram lag auf den Knien, mit entblößtem Rücken, auf welchem die Striemen bluteten. Sein Haupt war in den Nacken gesunken. wie im Fieber glühte sein Gesicht, seine starr zur Höhe gerichteten Augen brannten, und während er mit zuckendem Armschwung die Geißel über die Schulter schlug, jauchzten seine Lippen: „Den Himmel teilt er und fährt herab ... und fährt auf dem Cherub und fliegt und rauscht auf den Flügeln des Windes daher. Es zittert vor ihm die Erde, und die Gründe der Berge beben ...“

„Waldram!“ stammelte Eberwein und versuchte die Geißel zu fassen.

„Es strahlet die Helle seines Lichtes, und sichtbar werden die Tiefen des Meeres, enthüllt die Gründe der Welt vor seinem Glanz. Siehe, siehe ... aus der Höhe reicht er den Arm und faßt mich und zieht mich aus tiefem Gewässer ... und rettet ... rettet mich ...“ In röchelndem Laut erstickte Waldrams Stimme. Schaum trat ihm vor die Lippen, seine Hände, denen Eberwein die Geißel entrissen hatte, griffen ins Leere, stöhnend sank er zu Boden, und die Sinne schwanden ihm.

Mit bleichem Gesicht, die Hände ineinanderschlagend, stand Bruder Wampo unter dem Eingang des Zeltes. „Wasser! Hole Wasser!“ rief Eberwein und hob, während der Bruder verschwand, den Bewußtlosen auf das Moosbett.

Wampo kam und brachte Wasser. Scheu und zitternd reichte er die Schüssel. Mit nassem Tuche kühlte Eberwein die Stirne Waldrams, ein tiefer Seufzer rang sich aus dessen Brust und seine Glieder streckten sich. In der Schwäche war der Schlummer über ihn gekommen. Dem Schlafenden wusch Eberwein den wunden Rücken und träufelte ihm Balsam auf die Striemen, welche die Geißel gerissen. Und während dieses stillen Werkes klangen vom Waldsaum her die krachenden Hiebe der Axt, welche Schweiker führte, und die langgezogenen Rufe, unter denen die Knechte die schweren Balken hoben.

Als Schweiker einmal innehielt in der Arbeit, um sich den perlenden Schweiß von der Stirne zu wischen, sah er, daß Bruder Wampo auf ihn zugesprungen kam, mit geschürzter Kutte, flink hinweghüpfend über das wirr auf der Erde liegende Astwerk.

„Ja was hast denn?“ fragte Schweiker. als der Bruder blasend und schnaubend vor ihm stand. „Und wie schaust mich denn an? Hast ’was angestellt? Hast am End’ gar das Milchkandl umgeworfen?“

„Wie Du nur so ’was reden kannst!“ stotterte Wampo atemlos. „Alles zittert an mir! Denk’ nur, was geschehen ist, denk’ nur ...“

„Aber so red’ doch! Was denn?“

„Pater Waldram ist ein Heiliger ’worden!“

Schweiker riß die blauen Augen auf, und vor Schreck und Staunen fiel ihm das Beil aus den Händen.




14.

Um die Mittagsstunde des folgenden Tages stand Edelrot auf dem Lugaus und spähte die Augen mit der Hand beschattend, über den See hinaus. Früh am Morgen war Sigenot mit dem Einbaum ausgefahren, um von den Legangeln, welche im Weitsee lagen, die Beute der Nacht zu lösen. Er pflegte sonst von solcher Fahrt lange vor Mittag heimzukehren. Nun aber warteten sie

[153]

Kanalbau in den Hochmooren Ostfrieslands.
Nach einem Gemälde von F. Kallmorgen.

[154] im Fischerhause schon seit einer Stunde mit dem Mahl auf ihn. Er wollte nicht kommen und Mutter Mahtilt war unruhig geworden.

In der bangen Sehnsucht, mit welcher Edelrot auslugte über den See, hörte sie nicht, daß im Uferwald der Aufschlag eines Grießbeils klirrte. Sie blickte erst auf, als das Klirren schon nah’ am Waldsaum klang. Und da huschte eine Röte über ihre Wangen. „Ruedlieb kommt von der Alben“ dachte sie, „er muß auf dem Heimweg hergestiegen sein über die Seewänd’ – und muß den Einbaum gewahrt haben.“

Hastig verließ sie den Lugaus, sprang über den Hügel hinunter und eilte vor das Hagthor. Doch erschrocken verhielt sie den Fuß. Nicht Ruedlieb stand vor ihr, sondern Henning, Wazemanns Aeltester, mit dem Grießbeil in der Hand und dem Eibenbogen über der Schulter. An der Lippe nagend, stand er und musterte die Gestalt des Mädchens mit frechem Blick.

„Bist Du über die Seewänd’ hergestiegen?“ fragte sie stotternd.

Er hob das Gesicht und seine Züge wurden starr. „Warum fragst Du?“

„Mein Bruder ist ausgefahren am Morgen und soll schon lang daheim sein. Hast Du nicht draußen auf dem Weitsee den Einbaum schwimmen sehen?“

Henning lachte. „Ich mein’ wohl, daß ich ihn gesehen hab’. Er ist weit vom Land gewesen, und es kann eine lange Weil’ noch dauern, bis er heimkehrt.“ Wieder lachte er. „Wer weiß, vielleicht hat er gefunden was er nicht gesucht hat ... und das dürft’ ihn länger halten, als ihm lieb ist.“

„Ich versteh’ Dich nicht! Was soll er denn gefunden haben?“ Rötlis Stimme zitterte.

„Schau’ nur, wie die Angst aus Deinen Sußaugen reden kann!“ Henning neigte das Gesicht und verschlang mit brennendem Blick die holden Züge des Mädchens. „Sorgst Dich denn gar so sehr um Deinen Bruder?“ Edelrot nickte wortlos; sie wollte sprechen, doch Hennings Blick erstickte ihr den Laut auf der Zunge. „Hast ihn denn gar so lieb? Wenn Du dem Bruder schon so gut bist ... wie fest und warm erst müßt’ Dein rundes Aermlein drücken können am Hals eines Liebgesellen!“ Er streckte die Hand, um ihren Arm zu fassen. Erschrocken wich Rötli zurück.

„Schau’, wie das Vöglein sich duckt!“ lachte Henning. „Gieb acht, wir werden noch gute Freund’, wir beide!“ Wieder streckte er die Hand aus, da sah er Wicho unter dem Hagthor stehen, und zurücktretend sagte er mit verstecktem Lächeln und freundlich klingendem Ton. „Warum erschrickst Du vor mir? Ich hab’ Dir doch die Hand nur bieten wollen zum Gruß ... und ... eine Botschaft meiner Schwester hab’ ich Dir bringen wollen. Was sie will von Dir, das weiß ich nicht, aber sie läßt Dir sagen, daß Du heut’ noch zu ihr hinaufkommen sollst in unser Haus. Heut’ noch, hörst Du! Und bald! Meine Schwester wartet nicht gerne.“

„Aber ich hab’ doch heut’ schon mit ihr geredet,“ stammelte Rötli.

Betroffen blickte Henning auf. „Ich mein’, Du irrst Dich.“

„Nein, nein! Früh am Morgen ist Recka vorbeigeritten bei unserem Hag, sie selber hat mich angerufen und hat geredet mit mir. Und da hätt’ sie mir doch selber sagen können ...“

Henning zuckte lachend die Schultern. „Was weiß denn ich, was meine Schwester spinnt in ihrem krausen Kopf! Ich kann Dir nur eines sagen: droben im Bergwald bin ich ihr begegnet, und da hat sie mir diese Botschaft aufgetragen für Dich. Jetzt wird sie wohl lang’ schon daheim sein. Also red’ ... was soll ich ihr sagen? Kommst Du oder nicht?“ Seine Lippen wurden schmal, und lauernd blickten seine Augen.

Rötli zögerte mit der Antwort; dann lispelte sie: „Wenn es Deine Schwester begehrt, so muß ich wohl kommen ... ich bin ihr gut und möcht’ sie nicht gern erzürnen.“

Hennings Augen blitzten. „Das will ich ihr sagen!“ Und lachend ging er davon, dem Weg zur Ache folgend. Unter den ersten Bäumen blickte er über die Schulter zurück und murmelte: „Komm nur, Du feines Finklein, ich will den Herd stellen. Lang’ genug hab’ ich zugewartet.“

Als er nach einer Weile, über den Felsenstieg emporklimmend, seines Vaters Haus erreichte, fragte er den Knecht, der ihm das Pförtlein öffnete: „Ist meine Schwester daheim?“

„Nein, Herr.“

„Wann kommt sie heimgeritten?“

„Nicht vor Abend.“

„Gut! Jetzt thu’ die Ohren auf und merk’, was ich sage.“

Der Knecht lauschte den Worten, welche Henning ihm zuflüsterte, und nickte schmunzelnd. „An mir soll’s nimmer fehlen. Ich stell’ mich auf die Mauer und verwend’ keinen Blick vom Fischerhaus, und wenn sie kommt ...“

Henning drückte dem Knechte die Hand auf den Mund, denn er sah vor dem Bärenzwinger seinen Vater sitzen.

Herr Waze war allein zu Hause; Hartwig und Eilbert waren auf die Jagd gezogen, Sindel, Rimiger, Gerold und Otloh hielten die Wache im Lokiwald. Um die Langeweile der Einsamkeit zu verscheuchen, hatte Herr Waze ein seltsames Spiel gewählt. Auf einem Steinblock saß er vor dem Raubtierkäfig, einen langen Stecken in der Hand, und reizte mit derben Stößen die eingesperrten Tiere. Brummend hob sich der Bär auf die Hinterfüße, knurrend fuhr der Wolf von einem Winkel in den anderen, und fauchend sprang der Luchs an den hölzernen Stäben empor und klammerte sich an die Decke des Käfigs. Herr Waze stieß und bohrte mit dem Stecken, bis der scheue Zorn der Tiere zur Wut sich steigerte, so daß sie, um ihren Grimm zu entladen übereinander herfielen und beißend und schlagend im Knäuel sich balgten. Dann ließ Herr Waze den Stecken sinken, legte die Hände auf den Bauch und lachte, daß ihm die Thränen kamen. Der heulende Lärm im Käfig brachte alles Geflügel des Hofes in Bewegung. Die Hühner stoben gackernd auseinander, scheu umflatterten die Tauben das Dach, auf der Mauer schrie der Pfau und im Zwinger kläfften die Hunde. Nur langsam trat die Ruhe wieder ein, als die Kämpfer im Käfig endlich voneinander gelassen hatten; in einer Ecke lag der Bär und leckte die Tatze, welche der Wolf ihm blutig gebissen, in der anderen Ecke saß die rote Bergkatze an die Stäbe gedrückt und ächzte, während der Wolf, dem das Blut von der Schulter tropfte, mit glühenden Augen auf und nieder trabte und die Schnauze in jede Lücke der Stangen stieß, als möchte er den Ausweg erzwingen.

Herr Waze hatte sich müde gelacht; er hob den Stecken und begann das rohe Spiel aufs neue. Dumpf brummend richtete der Bär sich auf, mit gesträubtem Fell und krumm gezogenem Rücken stand er und hielt die funkelnden Lichter auf seinen Peiniger gerichtet. „Rühr’ Dich, Meister Waldhauser! Munter! Munter!“ rief Herr Waze und bohrte mit dem Stecken.

Da that der Bär, laut aufbrüllend, einen mächtigen Sprung gegen die Wand seines Kerkers, daß die Stangen sich bogen und der Käfig erzitterte in allen Fugen. Herr Waze erbleichte und fuhr erschrocken zurück, doch als er gewahrte, daß die Stangen hielten und der Bär im Rückprall zu Boden kollerte, schlug er mit dem Stecken und lachte. „Gelt, Waldhauserlein, gelt? So wie Du, so möcht’ wohl mancher anspringen wider mich! Nur gut, daß der Käfig, den ich ihnen gebaut hab’, so feste Stangen hat!“ Er blickte auf, denn er hatte Hennings Schritt gehört. „Du?“ fragte er verwundert. „Warum kommst Du allein?“

„Weil ich mich gesondert hab’ von den Brüdern.“

„Weshalb?“

„Weil ich gejagt hab’ auf eigene Faust!“

Herr Waze maß den Sohn mit forschendem Blick, er hörte aus Hennings Worten einen Ton, der ihn stutzig machte. „Red’! Wo warst Du?“

„Drüben auf dem Seewandlahner, über dem Moospalfen, der hinaushängt übers Wasser.“

„Hast Du den guten Hirsch gespürt?“

„Nein, Vater!“ Ein dünnes Lächeln zuckte um Hennings Lippen. „Aber der Fischgreifer ist mir zugestrichen, auf den ich wart’ seit lang’!“

Herr Waze machte die Augen klein und zog die gekrümmten Finger durch den Bart. „Und?“

„Ueber dem Palfen bin ich gelegen und hab’ ein Trumm Stein gehalten. Da ist der Fischgreifer hergestrichen über den See, aus den Palfen zu, und wie er schnurgrad’ unter mir war und die Legangel hat heben wollen ... da hab’ ich fallen lassen.“

Herr Waze sprang auf. „Er liegt?“

Henning nickte. „Schau’ hinaus über den See – da kannst den leeren Einbaum treiben sehen!“

Mit langen Schritten eilte Herr Waze zur Mauer und spähte funkelnden Blickes in die Tiefe. Sonnenduft umflimmerte den See, auf dessen glattem weißgrauschillernden Spiegel, in Pfeilschußweite vom jenseitigen Ufer, der leere Nachen schwamm wie ein braunes Scheit.

[155] „So hast Du’s haben wollen!“ murmelte Herr Waze. „Ich hab’ gemeint, es wär’ genug an Deinem Vater ... und ich hätt’ Dich gehalten! Jetzt lieg’, wo Du liegst!“ Er wandte sich von der Mauer und ging der Freitreppe zu. Da trat ihm Henning in den Weg. „Ich will meinen Dank, Vater!“

„Verlang! Nur nicht mein Roß und meinen Stächlinbogen[1] oder den Weißfalk ... die drei Ding’ halt’ ich, so lang’ ich leb’.“

„Da wär’ ein jedes zu viel begehrt!“ sagte Henning mit seinem dünnen Lächeln. „Was ich will, kannst Du leichter geben: laß Dir den Falben satteln und reit’ hinaus übers Thal, der Ritt wird Dir wohlthun! Ich mein’, Du kannst den Kopf heben und leichter schnaufen ... jetzt, wo der eine weg ist, der denen da draußen beim Lokistein für Hundert gewogen hätt’!“

Herr Waze schlug die Hand auf Hennings Schulter. „Ja, Bub’, ich will reiten,“ lachte er, „und aufschnaufen! Der eine hat mir Sorgen gemacht – die anderen halt’ ich wie die Mäus’ im Sack!” Und einem Knecht, der aus den Ställen trat, rief er zu: „Den Falben!“ Dann ging er ins Haus, um sich für den Ritt zu kleiden.

Henning gab dem Knecht, der das Pförtlein geöffnet hatte, einen Wink; dann folgte er dem Vater. Der Knecht stieg auf die Mauer, und durch die Pfeilscharte einer Eckzinne spähte er hinunter nach dem Fischerwesen. Den Lugaus, die Hofreut und den freien Platz vor dem Hagthor sah er leer; den Ufersaum der Lände verdeckten ihm die Bäume.

(Fortsetzung folgt.)




Aus Ostfrieslands Hochmooren.

(Hierzu das Bild S. 153.)

Die norddeutsche Tiefebene wird im Westen von einer Niederung eingenommen, die, mit Moor-, Gras- und Heideland abwechselnd bedeckt, ehemals eine große zusammenhängende Wildnis gebildet haben mag, heute aber dank der eingedrungenen Kultur durch die eingeflochtenen Dorfschaften und Ackerfluren ihr einstiges Aussehen völlig verändert hat. Nur in seinem nordwestlichen Teile zwischen Ems und Jade hat das eigentümliche Land noch viele seiner alten charakteristischen Züge bewahrt, und wer heute Ostfriesland von Emden aus durchwandert, der wird in den bis an die Jade reichenden ostfriesischen Moorbezirken noch ganz urwüchsige Zustände treffen. Auf Meilenweite dehnt sich oft ebener Boden, der seine braunen melancholischen Flächen bis unter den Nebel des Horizonts ausbreitet, ein gleichmäßiges düsteres Torfland mit der einzigen Abwechslung üppig wuchernder Sumpfpflanzen, hochstaudiger Riedgräser, Binsen und des blütenreichen Schaumkrautes.

Die Dorfschaften sind in den Hochmooren Ostfrieslands nicht zahlreich, und was hier sonst noch die einzige Abwechslung giebt, das sind blinkende Wasserstreifen von Gräben und Kanälen, die sich wie Silberfäden durch den Grund des Landes ziehen, mit ihrem Graswuchs und ihren Schilfbüscheln „dat gräne Land“ genannt. Wie die Pioniere der Civilisation im Westen der Vereinigten Staaten mit der Eisenbahn vorgedrungen sind, so haben sich die Bewohner der westdeutschen Hochmoore den Boden mit ihrem Kanalbau unterthan gemacht. Freilich ist diese Kulturarbeit sehr einfacher Art gewesen. Um sich des natürlichen Reichtums des Moorlandes, des Torfes nämlich, zu bemächtigen, haben sie zunächst diese Kanäle in Abzweigungen von den Flüssen angelegt, und hierauf, um die Erde zu entwässern und sie für ihre geringen Bedürfnisse anbaufähig zu machen, diese Kanalanlagen in ein System gebracht, mit den Flüssen und damit mit der übrigen Welt verbunden. Der Torf spielt hier als ein von der Natur freigebig gespendetes Geschenk eine große Rolle. Mehr noch wie die Steinkohle in England ist er in diesen Moordistrikten für die Bewohner ein Gegenstand von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Er ist nicht nur der Brennstoff in allen Dörfern, das vorherrschende Baumaterial für die Stallungen und die für dieses Moorland charakteristischen „Hutten“, er glüht nicht nur unter den Kesseln der Lokomotiven auf den ostfriesischen Eisenbahnen, sondern er ist vor allen Dingen auch eine wichtige Handelsware und giebt der friesischen Hausindustrie vielfache Beschäftigung, indem er zu „Torfpapier“, „Torftapeten“ und anderen Torfartikeln verarbeitet wird. Ja zu noch wichtigeren Diensten sucht man neuerdings diese unerschöpflichen Torflager heranzuziehen, indem man die aufsaugende, bindende Kraft des merkwürdigen Materiales der Landwirtschaft zu nutze macht. Die getrockneten und dann durch Maschinen zu Fasern zerkleinerten Torfstücke liefern dem Landmann eine Stallstreu, welche dem bisher üblichen Stroh unvergleichlich überlegen ist und bei größeren Viehständen sowohl für die Gesundheit der Tiere als für die spätere Ausnutzung zu Düngerzwecken unberechenbare Vorteile gewährt.

Der Torfstich ist eine sehr alte Nutzanwendung des Moorbodens. Schon der Römer Plinius hat davon berichtet, und wenn er an einer Stelle seiner „Naturgeschichte“ sagt, daß die Chauken die „brennbare Erde“ ihres Landes, mit der „sie ihre Speisen kochten und ihren Leib wärmten, viel mehr mit Hilfe der Winde als der Sonne trockneten“, so ersehen wir daraus, daß die Art und Weise des Trocknenlassens der ausgehobenen Torfmassen, von der gleich die Rede sein wird, hier uralt ist.

Die Thätigkeit in den Mooren beginnt schon mit dem Schneeschmelzen im Frühjahr. Die Moorbewohner wandern dann hinaus von ihren Dörfern „wie die Hirten auf die Alm“ und beziehen ihre Sommerwohnungen, d. h. die „Hutten“, einfache mit niedrigem Strohdach gedeckte Torfgemäuer, welche in ihrem Innern nichts enthalten, was wir sonst mit der Vorstellung von einer menschenwürdigen Häuslichkeit zu verbinden pflegen. Die Arbeit besteht im Abbau der Kanäle. Mit strohumwundenen Füßen wird tief im Morast solange gegraben, bis die reife Torfschicht abgestochen ist. An den Seiten der Kanäle wird der Torfbrei ausgebreitet, zu sogenannten „Petten“ glattgetreten und der Luft zum Trocknen überlassen, nachdem mit Hilfe großer Messer die Zerteilung in kleine „Sohlen“ vorgenommen worden ist.

Wenn Luft und Sonne dieses Geschäft des Austrocknens besorgt haben, wird zur Ernte geschritten. Die Torfsohlen werden zu diesem Zweck nach den schiffbaren Kanälen zusammengetragen und hier ähnlich wie die Getreiderocken auf den Feldern zu hohen pyramidenförmigen „Ringeln“ aufgehäuft. Später werden dann in die Kanäle Kähne bugsiert, welche die Beförderung der braunen Ware nach den Sammelstellen in den Dörfern besorgen. Die Torfarbeit ernährt große Dörfer und Gehöfte, die auf dem abgebauten Moorgrunde entstanden sind und sich in einen ansprechenden Schmuck von schillernden Wiesen, Kornfeldern und Gehölzen zu kleiden verstanden haben.

Die meisten Moorkulturen sind in Ostfriesland sowohl wie auch in den Moordistrikten an beiden Ufern der Ems nach holländischem Muster angelegt. Dieses holländische System, welches am großartigsten in den östlichen Provinzen der Niederlande, in Groningen, Drenthe, Overyssel, zur Ausbildung gelangt ist, besteht der Hauptsache nach darin, daß von den Moorrändern oder von einem Fluße aus ein Kanal – neuerdings auch deren zwei nebeneinander – in das Moor hineingebaut und daß von diesem Hauptkannal wieder Seitenkanäle, sogenannte „Inwieken“ d. h. Einlenkungen rechtwinklig abgezweigt werden. Auf diesen Kanalläufen dringen Ansiedler mit Hacken und Spaten vor, tragen die oberen Moorschichten ab, gewinnen aus den tieferen Schichten den Torf und bereiten den dazwischen liegenden Boden durch Vermengung mit künstlichen Düngmitteln zur Ackererde vor. So haben die Holländer von den Ufern der Yssel aus ihre „Moorkolonien“ in das Land vorgeschoben und dadurch, daß sie diese Anfänge des Kanalnetzes weiter ausgedehnt und über die großen Provinzen Overyssel, Drenthe, Groningen und Friesland bis an die Nordseeufer weiter geführt haben, die ganze Gegend dem Ackerbau und der Viehzucht dienstbar gemacht. Die „Holländereien“, welche heute in gemächlichen Abständen auf diesen ehemaligen Sumpfflächen angelegt sind, gehören zu den reichsten und behäbigsten Bauernsitzen. Der Segen geht in diesen Fruchtländern hinter dem Pfluge, und große Herden des vorzüglichsten Zuchtviehes grasen auf den grünenden Weiden der einstigen Hochmoore.

Auch in unseren ostfriesischen Marken ist, und zwar seit Jahrhunderten, an der Moorbesiedlung gearbeitet worden. Papenburg, Aurich, Emden, Norden, Leer, die lustigen blühenden [156] Handels- und Gewerbestädte in dem grünen, kanaldurchsägten Lande zwischen Ems und Jade – sie alle verdanken, wenn sie nicht selbst ehemalige Moorkulturen sind, ihren Wohlstand doch völlig der Urbarmachung, welche die vergangenen Jahrhunderte an den endlosen Mooren Ostfrieslands vollzogen haben. Aber diese Flächen sind zu groß, als daß die Thätigkeit des Einzelnen sie ganz bezwingen könnte, und so dehnen sich auch heute noch zwischen blühenden Ortschaften Tausende von Quadratkilometern, welche dem Auge das Bild des echten, wüstenhaften Hochmoores gewähren. Nur stellenweise werden diesen Einöden kümmerliche Buchweizenernten durch den sogenannten „Moorbrand“ abgewonnen, eine primitive Art der Bestellung, welche auf der Verbrennung der obersten, ausgetrockneten Riedschicht beruht und für Westdeutschland den lästigen, das Klima verschlechternden „Haarrauch“ oder „Herauch“ im Gefolge hat.

Hier nun setzen die jüngsten Bestrebungen des preußischen Staats ein, welcher seit Friedrich dem Großen selbst Besitzer umfangreicher Moorstrecken in Ostfriesland ist. Ausgedehnte Kanäle sind erforderlich, um in großem Maßstabe die Moorkolonisierung anzugreifen, diese aber kann die Kraft des Einzelnen nicht schaffen sondern nur staatliches Vorgehen.

Und daran hat es zum Glück seit einigen Jahren nicht mehr gefehlt. Im Westen der Ems ist das früher unzugängliche Moor von Bourtange auf 45 Kilometer Länge vom Süd-Nordkanal durchschnitten, dessen Seitenarme nach Osten zur Hauptader des Landes, zur Ems, nach Westen ins holländische Kanalsystem übergreifen; 50 000 Hektar Landes stehen längs der neugeöffneten Kanäle der Besiedlung frei, ebenfalls große Strecken längs der kräftig geförderten Kanäle rechts der Ems, und 10 000 Hektar nördlich davon, wo ein neuer Kanal das Wiesmoor bei Aurich geöffnet hat. Auch die Art der Moorkultur ist eine andere geworden. Nur auf ziemlich hohen Moorflächen ist die oben geschilderte Torfkultur anwendbar, da in tiefliegenden Mooren die Wasserableitung nicht gelingen kann; auch darf man, nun die Besiedlung in verstärktem Umfange vor sich geht, nicht durch übermäßiges Angebot den älteren Kolonien ihren ohnehin schwierig werdenden Torfabsatz erschweren. Deshalb wird in den jungen Kolonien die erst seit kurzem eingeführte und für den Roggen-, Hülsenfrucht- und Kartoffelbau trefflich bewährte Hoch- oder Dammkultur zur Anwendung gebracht. Ohne Rücksicht auf die Torfgewinnung wird nur die obere Moorschicht gelockert, und durch Vermischung mit Erde oder mit Schlamm, wie ihn die Baggerungen in dem benachbarten Bremerhaven und Wilhelmshaven massenhaft liefern, in Ackerkrume verwandelt. Eine nachfolgende Düngung bringt den Boden schnell zu überraschender Fruchtbarkeit.

So scheint denn für die ostfriesischen Moore, welche noch zur Aufnahme Hunderttausender von Familien Platz bieten, eine neue, gesegnete Zeit anzubrechen. Ueberall haben die Kolonisierungsarbeiten erfreuliche Fortschritte gemacht. Aus den ehemaligen Torfkolonisten sind wohlhabende Bauern geworden, die Zahl der Moordörfer hat sich schnell vermehrt und vielfach sieht man auch schon mitten im Hochmoor aus dem Rahmen der braunen Oede das freundliche Bild anmutiger Gehöfte hervortreten. In mühevollem Schaffen ist der unfruchtbaren Wildnis Schritt für Schritt der Boden abgerungen worden, und mit hoher Achtung ruht darum das Auge auf den fleißigen Arbeitern, die unsere Abbildung eines solchen Kanalbaues in Ostfrieslands Hochmooren uns vorführt. S. B.     




Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte.

Von Dr. P. Schellhas.
Die Osterinsel.


Die jüngsten Zweige der Wissenschaft vom Menschen, die Urgeschichte und die Völkerkunde, für die in unserer Zeit eine Fülle von Stoff aus allen Gegenden der Erde zusammengebracht worden ist, haben so manche Frage, die sich an die Geschichte der Menschheit, die uralten Wandlungen und Beziehungen des Menschengeschlechts knüpft, glücklich gelöst. Aber anderseits haben uns diese Forschungen auch neue Gebiete eröffnet, ganz fremden Boden, auf dem unserer Erkenntnis enge Grenzen gezogen sind, sie haben uns hier und da vor Rätsel gestellt, deren Lösung für jetzt – und in vielen Fällen wohl für immer – unmöglich ist. Aber gerade das Suchen auf diesen Grenzgebieten hat ein eigenes und fast romantisches Interesse: es eröffnet weite Ausblicke in unbekannte Fernen der Vorzeit, es erfüllt uns mit dem Reiz des Geheimnisvollen und zugleich mit der Hoffnung auf überraschende und ungeahnte Ergebnisse und Entdeckungen. Eins dieser entlegenen Gebiete der Menschheitsgeschichte ist schon bei einer anderen Gelegenheit, in den Aufsätzen „Altamerikanische Kulturbilder“ im Jahrgang 1892 der „Gartenlaube“ (Nr. 42 und 45) behandelt worden; es ist nicht das einzige.

Steinmale auf der Osterinsel.

Mitten in der Südsee, im östlichen, inselärmeren Teile des gewaltigen Stillen Oceans, liegt, als einer der letzten Vorposten des Südseearchipels, einsam ein Inselchen von nur 118 qkm Flächenraum (also kaum ein Achtel der Größe der Insel Rügen), über 400 Meilen entfernt von dem nächsten Festland, den Küsten Chiles und Perus. Auf allen Seiten umgiebt es der offene, freie Ocean, sein nächster Nachbar ist der 60 Meilen östlich gelegene unbewohnte Felsen Sala y Gomez, der durch das schöne gleichnamige Gedicht Chamissos bekannt ist. Das Inselchen ist die im Jahre 1722 von dem holländischen Seefahrer Roggeveen entdeckte Osterinsel (in der Sprache der Eingeborenen auch „Waihu“ oder „Rapanui“ genannt), und an sie knüpft sich eine jener dunklen menschheitsgeschichtlichen Fragen.

Es war am Ostermontag, als Roggeveen die Insel entdeckte, und sie erhielt danach ihren Namen. Schon der holländische Seefahrer berichtet von wunderbaren Spuren einer alten Kultur, von einer großen Zahl riesiger Steinfiguren in Menschengestalt und von anderen alten Denkmälern, die er auf der Insel bemerkt hatte. Nach ihm besuchte der Weltreisende Cook im Jahre 1774 das Eiland, dann kamen der Franzose La Pérouse, Kotzebue (1816) und andere, aber erst in unserer Zeit, nachdem die ethnologische Forschung ihre Aufmerksamkeit auf die merkwürdigen Ueberreste einer verschwundenen Kultur auf der einsamen Insel gerichtet hatte, fing man an, eingehendere wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen. So geschah dies in den Jahren 1870 und 1874 durch die französischen Kriegsschiffe „La Flore“ und „Saignelay“, und im Jahre 1882 besuchte das deutsche Kanonenboot „Hyäne“ unter dem Kommando des Kapitänlieutenants Geisler die Insel im besonderen Auftrage der kaiserlichen Admiralität, um Material zu sammeln für die Forschung auf diesem interessanten Gebiet und Altertümer von dort für die ethnologischen [157] Sammlungen der Museen zu erwerben. Die Ergebnisse dieser Expedition sind veröffentlicht, und im Museum für Völkerkunde in Berlin befinden sich zahlreiche Gegenstände alten und neueren Ursprungs von der Osterinsel, die bei jener Gelegenheit erworben worden sind, vielfach letzte Ueberbleibsel einer entschwindenden Zeit, denn die europäische Kultur überzieht allmählich auch die entlegensten Inseln der Südsee.

Es sind, wie schon angedeutet, die Spuren einer alten, verhältnismäßig hohen Kultur, die auf der Osterinsel unser Erstaunen hervorrufen, und die unlösliche kulturgeschichtliche Frage, vor die uns jene Spuren stellen, ist die: wie erklärt sich der Ursprung und die Herkunft dieser entschwundenen Kultur auf der öden, einsamen Insel, bei ihrer geringen Bevölkerungszahl?

Die Altertümer auf der Osterinsel sind verschiedener Art. An mehreren Punkten finden sich nicht weit vom Strande des Meeres in der Ebene breite Plattformen, etwa 2 Meter hoch und 20 Meter lang, aus großen Quadersteinen nach den Regeln der Baukunst völlig kunstgerecht ohne Hilfe von Mörtel erbaut. Auf diesen Plattformen (vgl. die Abb. S. 156) standen große rohbehauene Statuen aus grauem Stein bis zu 9 Metern Höhe in der Form der antiken Hermen, viereckige Blöcke, die oben in einen Menschenkopf auslaufen. Auf dem Kopfe trugen diese Statuen mächtige cylinderförmige Aufsätze wie Hüte, aus einem anderen Steinmaterial als die Figuren, einer rötlichen Lava. Jetzt sind diese Hüte sämtlich herabgeworfen und zertrümmert, die Figuren umgestürzt. Alle liegen auffallenderweise mit dem Gesicht nach oben und dem Kopf nach Westen. Wer mag sie umgestürzt haben? Einige dieser Steinkolosse sind nach Paris, andere nach London in das Britische Museum übergeführt und so vor dem gänzlichen Untergang gerettet worden.

Steinbilder am Krater Rana Roraka.

Eine zweite, ganz verschiedene und anscheinend jüngere Art von steinernen Bildwerken steht am Abhänge des Kraters Rana Roraka, eines erloschenen Vulkans. Dort erheben sich ohne Plattformen, wie aus der Erde gewachsen, große plumpe steinerne Gesichter ohne Körper und Büste und ohne die roten Lavahüte. Sie starren mit eigentümlich unzufriedenem Gesichtsausdruck nach dem Meere und machen einen fast gespensterhaften Eindruck.

Die beiden Arten von Steinbildern gehören unzweifelhaft verschiedenen Perioden der unbekannten Geschichte der Insel an. Im ganzen haben frühere Beobachter fast 200 solche Idole auf der Insel gezählt.

Auch die ehemaligen Verfertigungsstätten dieser Bildwerke hat man aufgefunden. Sie waren an den Abhängen der Bergwände gelegen, hier wurden die Statuen aus dem Felsen herausgemeißelt, dann abgetrennt und mit Hilfe von Seilen den Abhang hinabgelassen. Noch jetzt kann man die Herstellung der steinernen Kolosse verfolgen, denn die alten Bildhauer sind mitten in ihrer Thätigkeit auf und davon gegangen. Angefangene und halbfertige Figuren haften noch unabgelöst an der Felswand, in allen Stadien der Ausarbeitung, von den ersten rohen Umrissen bis zur Vollendung. Auch die steinernen Meißel, mit denen die Arbeit ausgeführt wurde, haben die alten Steinmetzen zum Teil liegen gelassen; Kapitänlieutenant Geisler hat zwei dieser Werkzeuge mitgebracht.

Außer diesen Denkmälern hat man Fundamente von ehemaligen Behausungen der Eingeborenen aufgedeckt, ferner zahlreiche Grabmäler und niedrige Steinhäuser, halbverschüttet und im Innern nicht selten mit Einritzungen und farbigen Figuren versehen.

Im Jahre 1870 kam nun die Nachricht einer überraschenden Entdeckung nach Europa, die zu den ausschweifendsten Vermutungen Anlaß geben mußte. Der französische Missionär Roussel entdeckte auf der Osterinsel drei hölzerne Tafeln mit Hieroglyphenschrift! Nirgends deuteten sonst in Australien und bei den Völkern der polynesischen Inselwelt Spuren darauf, daß dort jemals, wie in anderen Erdteilen, eine höhere Gesittung zur Entwicklung gelangt sei, nichts deutete darauf, daß der australische Mensch irgendwo die Grenzen des rohen Wilden überschritten hatte. Die Schrift, jene wichtige Sprosse auf der Leiter zur Kultur, schien bei den Eingeborenen des jüngsten Erdteils gänzlich zu fehlen. Und nun lagen plötzlich die Proben einer solchen von der einsamen und öden Osterinsel vor, deren Steindenkmälern man ohnehin schon so ratlos gegenüberstand. Hier war für abenteuerliche Hypothesen der weiteste Spielraum geöffnet.

Inschriftentafel von der Osterinsel.

Die Funde solcher Holztafeln – die ersten sind jetzt im Museum zu Santjago in Chile – vermehrten sich bald, so daß heute in mehreren europäischen Museen, darunter auch im Berliner Museum für Völkerkunde, Proben dieser alten Reste einer untergegangenen Bildung im Original und in Abgüssen zu sehen sind.

Die Schrift, die sie aufweisen, besteht aus eingegrabenen hieroglyphenartigen Zeichen, ähnlich den ägyptischen, und läuft von rechts nach links und von unten nach oben. Die gleichmäßige Art, wie die Zeichen ausgeführt sind, verrät so große Gewandtheit, daß man an berufsmäßige Schreiber denken muß. Das Holz der Tafeln stammt zum größten Teil von der einzigen auf der Osterinsel vorkommenden Baumart, andere mögen wohl aus angeschwemmten Hölzern verfertigt sein – wenn man nicht zu wunderbaren Deutungen greifen will.

Solche wunderbare Deutungen knüpften sich aber naturgemäß an diese Entdeckung. War die Osterinsel der letzte Rest eines untergegangenen, von Kulturvölkern bewohnten Erdteils, den der Ocean verschlungen hatte wie die sagenhafte Atlantis der Griechen? Oder stand diese Kultur in Zusammenhang mit den alten civilisierten Ländern Amerikas, mit den Bewohnern Perus, mit den Völkern Centralamerikas, von denen die Insel Hunderte von Meilen durch das offene Meer getrennt ist? Bedeutende Kenner der amerikanischen Altertumskunde traten für diese letztere Vermutung ein. Denn darüber konnte kein Zweifel bestehen, daß der Ursprung einer solchen verhältnismäßig hohen Gesittung auf der kleinen vereinzelten Insel nicht zu suchen war. Aber schon Wilhelm von Humboldt hatte nachgewiesen, daß jedenfalls zwischen den Sprachen der polynesischen Inseln und denen Amerikas nicht die entfernteste Verwandtschaft besteht. Dennoch konnten ja in frühen Perioden der Geschichte Keime amerikanischer Kultur nach der Osterinsel gelangt sein, und der berühmte englische Geograph Markham suchte solche Beziehungen zwischen den vorgeschichtlichen Ruinen am Titicacasee in Peru und den Denkmälern der Osterinsel.

Man schätzte erklärlicherweise auch das Alter der Ueberreste auf der Osterinsel gewaltig hoch. Sie mußten die Zeugen einer längst vergessenen, grauen Vorzeit sein, denn die heutigen Eingeborenen [158] schienen keinerlei Kunde von ihrer Entstehung zu hoben, sie konnten die Zeichen auf den Tafeln nicht deuten und standen ohne eine Spur von Verständnis vor den steinernen Bildsäulen. Kein Lichtstrahl schien aus der Vergangenheit zur Erklärung dieser Altertümer in die Gegenwart zu fallen.

Indessen die neueren Untersuchungen haben ergeben, daß das nicht ganz richtig ist. Es war jedenfalls auch eine höchst überraschende Entdeckung, als man wahrnahm, daß die Ueberlieferung doch noch nicht so völlig abgerissen ist, daß vielmehr unter den Eingeborenen der Insel noch heutigestags Reste einer überkommenen Kunde lebendig sind, die sich an die Ueberbleibsel der untergegangenen einheimischen Kultur knüpft. Wenn auch vielleicht daraus, daß die Eingeborenen, wie schon der Weltreisende Cook bemerkte, für die Steinbilder besondere Namen haben und eine gewisse abergläubische Scheu vor ihnen hegen, nicht viel zu schließen sein würde, da dergleichen auch in anderen Ländern mit den Resten längst vergangener und vergessener Kulturperioden geschieht, so kamen doch andere Beobachtungen hinzu, die klar erkennen ließen, daß die Ueberlieferung in der That bis zu den heutigen Eingeborenen herabreicht.

Es wird uns berichtet, daß schon, als die Spanier unter Gonzalez im Jahre 1770 von der Osterinsel Besitz ergriffen, der König oder Häuptling der Insel darüber eine Urkunde mit verschiedenen Figuren und Zeichen aufgenommen habe. Noch heute bezeichnen die Eingeborenen die hölzernen Schrifttafeln in ihrer Sprache mit einem Wort, das „sprechendes Holz“ bedeutet. Besonders wichtige Ergebnisse brachte aber die deutsche Expedition im Jahre 1882. Es wurde ein alter Häuptling gefunden, der noch mitteilen konnte, daß man früher die Geschlechtsregister der angesehenen Familien auf solchen Holztafeln in Hieroglyphenschrift aufgezeichnet habe, und daß die verschiedenen Häuptlinge sich Nachrichten in dieser Schrift zukommen ließen. Die Kenntnis derselben sei auf die alten Könige und Häuptlinge beschränkt gewesen, das niedere Volk habe die Schrift nicht verstanden. Die Könige der Insel sollen auch Brustschilder mit solchen Inschriften getragen haben.

Trotz dieser Angaben ist eine Erklärung der Inschriften auf den Tafeln im einzelnen bis jetzt nicht gelungen; auch die ältesten Eingeborenen der Insel, die nach den Mitteilungen, welche dem Kapitänlieutenant Geisler gemacht wurden, die Bedeutung der Zeichen noch kennen sollten, schienen doch nur oberflächliche Vorstellungen über den Inhalt der Tafeln im allgemeinen zu haben. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die Kenntnis der Schrift als solcher untergegangen ist, und daß lediglich unbestimmte Erinnerungen über die Bedeutung der Holztafeln und über den Inhalt dessen, was auf ihnen aufgezeichnet steht, sich erhalten haben. So ist es denn noch immer nicht gelungen, die Zeichen mit Sicherheit zu erklären, und nur einige Figuren, wie die der wichtigsten Gottheit der Eingeborenen, des „Gottes der Seevögeleier“, der auch sonst auf der Osterinsel sich häufig dargestellt findet und daher bekannt ist, lassen sich in ihrer Bedeutung feststellen. In anderen Zeichen vermutet man Zeitangaben, Sinnbilder der Jahreszeiten und Aehnliches.

Es kommt nun aber hinzu, daß die Richtigkeit der Angaben der Eingeborenen über diese Holztafeln angezweifelt wird. Unser großer deutscher Ethnologe Professor Bastian teilt jedenfalls die Ansicht nicht, daß die Tafeln lediglich dürre Geschlechtsregister seien, wenn sie sich auch auf genealogische Dinge beziehen mögen. Er macht mit Recht darauf aufmerksam, daß die Mannigfaltigkeit der Figuren und ihre Anordnung dagegen spricht, und in der That scheint es, daß der Inhalt der Tafeln verschiedenartiger und reichhaltiger ist, als daß man bloße Aufzeichnungen von Namen und Daten in ihnen sehen könnte. Die Frage kann daher noch nicht als gelöst gelten, und für den Forscher ist hier noch ein interessantes Feld offen.

Ebenso wie über die Holztafeln lernte man auch noch in neuester Zeit Ueberlieferungen kennen, die sich auf die Steinbildwerke auf der Insel beziehen. Mit Hilfe eines auf der Osterinsel seit Jahren ansässigen Mannes, der die Sprache der Eingeborenen verstand, wurde ermittelt, daß die Steinbildwerke von den Vorfahren der jetzigen Bewohner angefertigt seien. Es habe in früheren Zeiten - so wurde erzählt – eine besondere Klasse von Leuten gegeben, welche die Anfertigung solcher Idole verstanden und deswegen besondere Ehre genossen hätte. Die Arbeit soll so schwierig gewesen sein, daß ein „Idolmacher“ in seiner ganzen Lebenszeit oft nur ein bis zwei Bildwerke fertigbrachte, und dem Kapitänlieutenant Geisler wurde noch ein Mann gezeigt, dessen Urgroßvater Idolmacher gewesen sein sollte.

Noch heute hegen die Insulaner – obgleich dem Namen nach Christen – vor den Steinbildwerken, wie schon erwähnt, eine abergläubische Scheu. Man schreibt den Idolen eine große Macht zu, und nur die zertrümmerten werden als machtlos und „tot“ angesehen. Die Sage der Eingeborenen berichtet, daß sie nachts miteinander gekämpft hätten, und daß dabei die Schwächeren unter ihnen umgestürzt und zerschlagen worden seien.

Das ist alles, was sich über die Altertümer der Osterinsel an Ort und Stelle noch hat ermitteln lassen. Und wir müssen uns nun fragen: ist damit das Rätsel gelöst, die Frage vereinfacht? Gewiß nicht! Denn wenn danach auch die frühere Meinung, daß diese Kulturreste uralt und die Kunde davon gänzlich verschollen sei, nicht richtig ist, so bleibt damit doch die Frage nach dem Ursprung dieser Kultur nicht minder dunkel, und dieser Ursprung kann trotzalledem uralt sein. Es steht nichts weiter fest, als daß die letzten Reste der Ueberlieferung sich noch in unserer Zeit lebendig erhalten haben. Auf die eigentliche Frage: woher kam die alte Kultur? erhalten wir keine Antwort. Denn soviel bleibt sicher: sie kann unmöglich auf der Insel selbst entstanden sein. Es ist ganz undenkbar, daß der Mensch auf dem kleinen einsamen Eiland eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht, daß die geringe Bevölkerung selbständig die Grenzen des rohen Naturzustandes überschritten haben sollte, denn das wäre ohne Beispiel in der Geschichte der Menschheit. Nur größere reichere Ländergebiete bringen unter den günstigsten Bedingungen eine Kultur im höheren Sinne hervor; es müssen viele Voraussetzungen zusammentreffen. Die alten Kulturgebiete auf der Erde sind im Vergleich zur Landoberfläche spärlich verteilt; ganz Afrika hat beispielsweise nur im Norden, an den Küsten des Mittelmeers und in Aegypten, solche Gebiete. Wir hören zwar, daß die Osterinsel früher reich bevölkert und gut angebaut gewesen sei, wir müssen aber annehmen, daß diese Zustände sich lange vor der Ankunft der Europäer schon geändert hatten. Die Erinnerungen an die Zeiten eines einheimischen selbständigen Gemeinwesens, wie sich solche, jetzt den europäischen Vorbildern angepaßt, ja auf andern Inseln der Südsee, z. B. in Hawaii, bis heute erhalten haben, sind auf der Osterinsel fast gänzlich verschwunden. Könige oder Häuptlinge von irgend welcher Bedeutung giebt es dort nicht mehr. Und die Bevölkerung stirbt unaufhaltsam aus; die Zahl der Sterbefälle übertrifft die der Geburten um das Doppelte. Es macht den Eindruck, als stürbe hier der letzte Rest einer früheren Geschichtsperiode des polynesischen Menschen hinweg, dessen Schicksal schon vor Jahrhunderten entschieden war.

So scheint es denn, als ob das Rätsel der Osterinsel niemals zu lösen sein wird, und man bleibt auf Vermutungen angewiesen, unter denen die Annahme eines untergegangenen Erdteils, dessen letzte Trümmer die Inseln der Südsee bilden, noch immer die wahrscheinlichste bleibt. Die Wissenschaft lehrt ja, daß solche Umwälzungen der Erdoberfläche nichts Seltenes sind, und diese Umwälzung braucht in unserem Falle weder sehr weit zurück zu liegen, noch braucht sie plötzlich, gewaltsam eingetreten zu sein. So mögen denn auf dem ehemaligen Erdteil in der Südsee, den eine allmähliche Senkung des Bodens unter den Wogen des Oceans begraben hat, Völker gelebt haben, die sich einer gewissen Kultur erfreuten. Reste dieser Kultur können auf der Osterinsel erhalten und weiter bewahrt worden sein; sie mußten untergehen, weil sie dort eine lebendige Fortentwicklung nicht finden konnten. Nichts spricht für eine besondere geistige Begabung der Bewohner der Osterinsel, sie stehen nicht höher als die Eingeborenen der übrigen Inseln. Sie übernahmen nur ein altes Erbteil, die Schätze der Vorfahren. Und wer weiß, ob nicht das, was dort gerettet wurde, nur die kümmerlichen Ueberbleibsel einer weit höheren Gesittung waren, deren Träger unter den Wogen der Südsee ruhen? Ein Umstand ist es vor allem, der diese Annahme unterstützt. Vereinzelt finden sich nämlich die Spuren einer alten Kultur, verfallene steinerne Bauwerke, pyramidenförmige Grabdenkmäler und Aehnliches auch auf anderen Inseln der Südsee, so auf der Insel Ascension, auf den Ladronen und den Sandwichinseln. Es sind die Zeugen einer für immer verschollenen Periode der Menschheitsgeschichte, die letzten Andeutungen einer unbekannten Vergangenheit, die hier geheimnisvoll und unverstanden in unsere Zeit hereinragen.




[159]
Die Perle.
Roman von Marie Bernhard.
(9. Fortsetzung.)


9.
Kalkutta, 5. September 18 .. 

 „Mein Herz, mein Liebling!
Endlich einmal wieder festen Boden unter den Füßen, endlich ein wenig Muße, Dir zu schreiben! Denn ein Kapitän hat ernste Pflichten, hat keine Zeit zu Liebesbriefen; selbst seine Gedanken muß er zusammenhalten, damit sie nicht ‚verbotene Wege‘ gehen ... das aber hab’ ich nicht immer gekonnt! Wie die Sehnsucht mich anfiel und packte und festhielt in diesen kurzen sternhellen Nächten, die den Himmel in unbeschreiblicher Pracht und Schönheit flimmern ließen! Wie hätte ich schlafen können, erfüllt von Deinem Bilde, von der Liebe zu Dir, die unwandelbar ist, ob auch alles um mich her sich täglich wandelt: die Menschen, ihre Sprache, ihr Thun und Treiben! Ich brauche nicht einmal ein gewisses Büchlein hervorzuziehen, um mir meine Ilse zu vergegenwärtigen – Zug für Zug weiß ich das holde süße Gesichtchen auswendig. Ich sehe Dein Erröten, Dein Lächeln, Dein sonniges Goldhaar und Deine Augen – Liebling, Du Einzige, Du Meine! Das letzte Wort, das ist doch das schönste: mein! Hunderttausende haben das geflüstert und gestammelt und laut hinausgejubelt in die weite Welt, und hier im fernen Kalkutta, mitten in den Wunderm der Tropenwelt, sitzt einer, der sagt es sich immer wieder vor, wenn er tausendmal an sein deutsches Liebchen denkt: mein!

Bei Euch, wenn Du diesen Brief erhältst, muß es schon Herbst sein. Deutscher Herbst! Ach wenn er mir seinen kühlen frischen Atem hierher senden würde in diese sengende Glut! Ich habe einen starken Körper, eine gestählte Gesundheit, aber einem beständigen Leben in den Tropen hielte ich nicht stand. Du brauchst darum nicht eine Minute lang in Sorge um mich zu sein, Ilse! Ich lebe vorsichtig und mäßig und erfreue mich andauernden Wohlseins. Freilich, nicht jeder von unserem Schiffsvolk kann dasselbe von sich sagen; die Mannschaft macht mir Sorge, der Schiffsarzt ist in scharfer Thätigkeit. An Bord herrscht musterhafte Mannszucht, doch ‚wehe, wenn sie losgelassen‘! Die ewige Klage über den Seemann am Lande ist durchaus nicht unbegründet.

Meinen kurzen Brief aus Lissabon wirst Du erhalten haben. Den ersten lieben Gruß von Dir fand ich in Aden vor. Laß Dir tausendmal dafür danken! Du hättest mich sehen sollen, als ich den Brief empfing! Aeußerlich ruhig und würdevoll, nahm ich ihn in Empfang und senkte ihn in meine Brusttasche; aber dann ging es davon in einem sehr wenig gesetzten Tempo; ich konnte es nicht abwarten, mit mir allein zu sein. Dein Brief, Du, die Heimat – das war alles, was ich dachte!

Und doch – als ich nun las! Meine Ilse, Du bist mir nicht ruhig, nicht glücklich genug. Mißversteh’ mich nicht, mein armes Herz! Ich verlange nicht, daß Du gleichgültig zusiehst, wie Deine arme Mutter leidet, wie Dein Vater sich blutenden Herzens von dem Stück Erde losreißt, das seine Vorfahren seit Jahrhunderten bebaut haben. Liebe die Deinigen, lache und weine mit ihnen, es soll so sein, und mich freut es, daß es so ist, denn eine fühllose Tochter wird schwerlich eine liebevolle hingebende Frau. Aber sprich mir nicht von ‚Haltlosigkeit‘, von ‚dumpfer Angst‘, von ‚unerklärlichem Druck‘, der auf Dir laste, von ‚krankhaftem Gefühl, daß alles, alles gut sein würde, wäre ich nur da, um Dich zu schützen‘! Schützen? Vor wem denn in aller Welt? Wer will Dir etwas anhaben? Solch unklare Redewendungen sind mir ganz neu an Dir! Was mich immer entzückt hat an Dir, das war die gesunde Klarheit Deines Wesens, Dein starkes reines Empfinden. Wie konntest Du lachen, Liebling, so recht aus dem Herzen heraus, jugendlich, kindisch sogar über irgend eine Dummheit, die Du selbst oder ein anderer zuwege gebracht! Ich habe dies Lachen geliebt, selbst wenn ich zum Schein eine ernste Miene aufsetzte und sagte: ‚Aber wie kann man denn so lange über diesen Unsinn lachen?‘ Dann faltetest Du wohl die Händchen über meinem Arm – ich küsse diese Händchen! – sahst mir mit reuevoller Schelmerei in die Augen und sagtest leise: ‚Ja, ich weiß, es ist unrecht von mir, die ich so viel Trauriges daheim erlebe, aber ich kann dem Kummer nicht nachhängen – ich bin zu glücklich durch Dich!‘ Sieh, diesen Gedanken, meine Ilse, den halte Du fest: Dein Glück durch mich, das meine durch Dich – dieses Bewußtsein muß uns hinwegtragen über alles, auch in der Ferme, auch in der Trennung. Denk’ doch des ewig alten, ewig neuen Wunders: ein Herz gehört Dir und nur Dir auf dem weiten Erdenrund, es ist Dein mit jedem Schlage! Und dies Wunder soll uns nicht helfen, Widerwärtigkeiten zu besiegen, Trauriges zu überwinden? Eine schwächliche Art von Liebe, die das nicht könnte, nicht meine Art – und auch die Deine nicht, ich weiß es. Kopf hoch, Ilse! Gewiß fühle auch ich eine heiße unbezwingliche Sehnsucht nach Dir, und die sollst Du ganz erwidern, aber sprich nicht mehr von ‚dumpfer Angst‘, von ‚krankhaftem Empfinden‘, sonst muß ich mich um Deine Gesundheit sorgen!

Ist denn inzwischen der Gutsverkauf, von dem Du mir schriebst und dessen auch Onkel Leupold in seinem Brief erwähnte – ein Prachtstück übrigens, dieser Brief: wohlgezählte achtzehn Zeilen lang! – zustande gekommen? Der Name des Käufers ist mir völlig unbekannt; ich hätte gern gewußt, welchen Eindruck der Mann auf Dich gemacht hat, aber davon schreibst Du mir nichts, und doch geht aus Deinem Brief hervor, daß Du ihn bereits kennengelernt hast. Daß er Deinem Vater die Stelle des Administrators antragen will, scheint mir für den Mann zu sprechen. Hart muß es freilich sein, da gehorchen zu müssen, wo man früher zu befehlen gewohnt war. Allein, wenn der neue Besitzer seinen Vorteil versteht, so wird er nicht viel mit Befehlen kommen, sondern Deinen Vater ruhig gewähren lassen; hat dieser das notwendige Kapital in Händen, so bringt er ohne alle Frage die ‚Perle‘ wieder in die Höhe, das hat mir noch jeder gesagt, der Verständnis für die Sachlage hatte, nicht zuletzt Kapitän Leupold, den wahrlich nicht übergroße Liebe zu seinem Schwager blendet. Onkel Leupold – er ist der Einzige, der von unserer Liebe weiß. Wie lange noch wird er der Einzige sein? Ach, Liebling, wie mich das Geheimnis quält und drückt! Eine Thatsache, die ich stolz aller Welt verkünden möchte, muß ich verschweigen und bemänteln wie eine Schuld! Ich sehe ja ein, daß Du die kranke Mutter, den hartgeprüften Vater schonen mußt, aber ich bäume mich auf unter dem Zwang, den diese Rücksicht uns beiden auferlegt! Frei und offen wie das Element, das ich mir zum Aufenthalt auserkoren, soll mein Leben daliegen, das Stolzeste und Schönste darin Du, die Liebe zu Dir. Verzeih’, ich gelobte Dir, als wir damals bei unserem alten Freunde zum letztenmal einander in den Armen hielten, daß ich Dich nie wieder mit meiner Ungeduld, mit meinem Unmut quälen wollte – ach Lieb, ich quäle mich selbst am ärgsten damit!

Zittere nicht um mich und mein Leben! Einem Seemann hast Du Dich verlobt, eines Seemanns Braut muß stark und tapfer sein. Mein Beruf ist mein Stolz, meine Freude, mit Leib und Seele gehör’ ich ihm an, und ich danke Gott, daß es so ist. Auf der Kommandobrücke stehen und mein gutes Schiff mit Sturm und Wellen kämpfen sehen wie einen tapfern Ringer, es lenken und leiten nach meinem besten Wissen, die volle Verantwortung fühlen für mich und die Vielen, die mein Los teilen – das ist Leben, und Leben ist Kampf! Ob ich Gefahren zu bestehen, Stürmen zu trotzen hatte? Frag’ nicht, mein Herz! Wozu soll ich Dich mit Beschreibungen von Not und Gefahr betrüben? Alles das sollst Du später zu hören bekommen, wenn wir auf immer vereinigt sind. Sitzen wir dann in unserem nordischen Heim, zu Kiel, in einem von diesen hohen schönen Häusern, die ich schon bei meinem letzten Aufenthalt auf diese selige Zukunft hin scharf ins Auge gefaßt habe – im Kamin singt die rote Flamme, und draußen braust der Sturm und ruft mir Erinnerungen wach ... dann sollst Du von allem hören, was ich erlebte, auch von den Gefahren, denen ich entging.

Du schreibst, Du zitterst, wenn Du den Sturm hörst – Kind, was ist das, was Du einen Sturm nennst, gegen den Orkan auf offenem Meer! Ich hab’ oft lachen müssen, wenn ich an Land war und die Leute sagen hörte: heute ist ein solcher Sturm! Sieh zu, wie auf dem Meer der Orkan heulend herankommt und eine Sturzsee um die andere aufwühlt, wie er die Segel gleich Fetzen herunterreißt und die Masten knickt und dann mit einem Ruck die Boote herunterschlägt, auf denen die Mannschaft sich im Notfall retten soll, wie er das Schiff gleich einem Ball [160] hochnimmt und wirft … dann rede von Sturm! Doch darum keine Furcht – meine ‚Nixe‘ ist köstlich gebaut! Mir lacht das Seemannsherz im Leibe, wenn ich sie sehe, wie sie sich im Sturm hält. Schade, daß Du die technischen Ausdrücke nicht kennst, in denen der Seemann zu reden gewohnt ist! Das hast Du alles noch zu lernen, Liebling – Du wirst eine gute Schülerin abgeben! Ein Leben liegt vor uns, ein, will’s Gott, langes Leben, um unser Glück zu genießen, um einer am andern zu erstarken, um alles zu teilen, alles. Freue auch Du Dich, Isolde, sei dankbar, sei getrost, laß Deine Seele fröhlich sein! Ich vertraue auf Gott – ich denke immer, es kann keinen Seemann geben, der das nicht thut, denn gewaltig spricht Gott zu ihm im rasenden Sturm, im wütenden Meer, in all den zahllosen Wundern der Natur, die er ihn schauen läßt. Ja, alles sollst Du mit mir teilen, Herzlieb, wenn ich Dich erst habe, nie will ich denken: dies kann sie nicht fassen, jenes wird ihr langweilig sein. Wie sollte das möglich sein, da Du mich liebst? Und auch Du sollst mich Anteil nehmen lassen an Deinem Leben, an jedem, was Dir lieb und wichtig ist. Nie sollst Du meinen: das ist Frauensache, die kann ihn nicht interessieren! Die Angelegenheiten meiner Frau werden mir niemals unwichtig sein. Liegt denn nicht in dem Wort ‚Einssein‘ eben diese unbedingte Gemeinschaft? Wie ersehne ich dies Einssein mit Dir, Du meine Welt, Du mein Alles!

Wie Du staunen würdest mit Deinen lieben schönen Augen, sähest Du mich in meiner jetzigen Umgebung! Wie würdest auch Du, wärest Du hier, Staunen erregen, wie würden die Leute nach Dir schauen, Dein goldenes Haar, Deine feine weiße Haut bewundern! Welch wunderbares Land, dies Indien! Wie anziehend seine Bewohner! Diese Frauen solltest Du sehen mit den weichen dunkeln Gesichtern, den scheuen Gazellenaugen, diese Männer in ihrer malerischen weißen Tracht, mit ihren bunten Turbanen, den gemessenen Bewegungen!

Hinter mir steht, während ich dies schreibe, der Punkha-Wala, eine in Hindostan wichtige unerläßliche Person. Was ist ein Punkha-Wala? Zu deutsch ein Fächerzieher, der durch eine auf Rollen gehende Schnur den Riesenfächer in Bewegung setzt, welcher von der Zimmerdecke herabhängt und die notwendige Kühlung zuweht. Ein unmögliches Dasein ohne den Punkha-Wala! Man vergeht, man zerschmilzt ohne ihn – Tag wie Nacht hat er seines Amtes zu warten. Mit gravitätischem Ernst zieht mein brauner Inder seine Schnur, ahnungslos, daß ich von ihm berichte. Ich bin nicht zum erstenmal hier, ein Paar Brocken der Landessprache habe ich aufgeschnappt, und die Leute sind glücklich, wenn ich etwas verstehe und mich ihnen, freilich mit einiger Mühe, verständlich machen kann. Meine Hautfarbe gleicht jetzt der einer gerösteten Kaffeebohne, ich fürchte, Du würdest Dich für den Kuß eines so braunen Liebsten bedanken. Bis zu unserem Wiedersehen hoffe ich indessen schon wieder menschlicher auszusehen! Unser Wiedersehen! Die Zeit fliegt mir rasch dahin, und doch dehnen sich die Monate bis zu diesem einen glückseligen Augenblick endlos, endlos vor mir. Gestern hab’ ich hier für Dich eingekauft – ach, das Schönste, das Kostbarste möcht’ ich haben und Dir zu Füßen niederlegen! Ob Dir mein Geschmack gefallen wird? Ich wage es zu hoffen, es giebt köstliche Dinge hier, und ein Engländer, den ich in meinem Gasthof traf und der die hiesigen Verhältnisse gut kennt, kam mit mir und erteilte mir seinen Rat.

Ich muß den Brief beenden, mein Herz. Morgen geht es wieder an Bord; unsere Rast in Kalkutta ist nur kurz. In Hongkong hoffe ich Nachricht von Dir zu finden. Was alles hätte ich Dir noch zu sagen, Dich zu bitten! Sei stark und mutig, Geliebteste, finde Trost und freudige Zuversicht in unserer Liebe und sei in Deinem Herzen bei mir, wie ich es jetzt und immer bin!

Dein Albrecht.“ 


10.

Ilse von Doßberg las diesen Brief, im „Achterdeck“ Onkel Leupolds. Ein trüber sonnenloser Herbsttag sah zu den kleinen Fensterscheiben herein, ein grauer und kalter Ton lag über all den bunten fremdländischen Herrlichkeiten, die das Zimmer schmückten. Nur die „büßende Magdalena“ strahlte in ihrer farbenglühenden Schönheit aus dem Rahmen des Bildes heraus; die Thränen in ihren reuevollen Augen schienen zu zittern, zu flimmern.

Ilse ließ den Brief langsam in den Schoß sinken und sah zu dem Gemälde hinüber. Kamen die Thränen dort aus einem Herzen, das nur Zerknirschung, nur Reue empfand? Und ihre eigenen Thränen, die jetzt still auf das Blatt in ihrer Hand niedertropften – flossen sie nur aus Bangen und Sehnen um den Geliebten? Wie gut und treu hatte er geschrieben, wie hatte er sich bemüht, ihr Angst und Sorge auszureden … war es ihm gelungen? Sie liebte ihn ja, sie liebte nur ihn, und was sonst fremd und unverstanden in ihrem Innern lebte, das war sie bestrebt gewesen, mit aller Kraft zu unterdrücken. Sie wollte nicht über sich selbst nachgrübeln, wollte nicht in ihrem eigenen Innern lesen, und doch war diese Flucht vor sich selbst das Richtige? Tief seufzte das schöne Mädchen auf.

„Also das und weiter nichts bringt der Brief des Herzallerliebsten zuwege – Thränen und Seufzer? Pfui!“ Breitspurig, die Hände in den Hosentaschen, pflanzte sich Kapitän Leupold, der soeben eingetreten war, vor seiner Nichte auf. Dido, das Aeffchen, hockte auf seiner Schulter, bog den kleinen behaarten Kopf vor und betrachtete das junge Mädchen mit einem ganz menschlich prüfenden Blick.

„Was ist denn los? Sogar meine Dido wundert sich – sieh, wie sie Dich beobachtet! Ist er krank, der Teufelskerl? Hat ihn das Fieber erwischt oder hat er sich in ein schönes Hinduweib, in so ’ne Lotosblume vom Ganges, vergafft und will von Euer Gnaden nichts mehr wissen?“

Ilse schüttelte lächelnd den Kopf. „Nichts von alledem! Er ist gesund und ist mir treu. Aber, Onkel, kannst Du mir’s denn wirklich verargen, daß ich – daß ich mich –“

„Na also – was? ‚Daß ich – daß ich –‘ Hübsch zu Ende reden, Prinzeß Ilse!“

„Daß ich mich nach ihm sehne!“

„Ach was, sehnen! Unsinn! Verlobt sich mit ’nem Seemann und sehnt sich nachher! Hat das Sinn und Verstand? Wenn doch in einem einzigen Weib auch nur ein Gran Logik stecken möchte! Du kannst doch Gott danken, solch ’nen Kerl wie den Albrecht Kamphausen zum Mann zu bekommen!“

„Das thu’ ich ja auch, Onkel Erich!“

„So? Thust Du auch? Na, Dein Glück scheint nicht sehr groß zu sein! Kein Lüdrian, ein tüchtiger Seemann, kein Dummkopf und ’ne flotte Carriere vor sich – auch nicht häßlich, was bei Euch Weibern ja immer ’ne Rolle spielt – den schönsten Beruf von der Welt, und ’n Kleid auf den Leib und ’n Stück Brot in den Mund wird er Dir auch schaffen können, wenn’s auch nicht gleich zu lauter Seiden- und Spitzenfahnen und zu Austern mit Champagner in Paris und Nizza reicht, wie’s Dein Herr Vater Deiner Frau Mutter geboten hat! Die Folgen sind ja denn auch demgemäß.“

Ilse erhob sich rasch – ihre Augen blitzten, ihre Brust flog. „Ich muß Dein Haus verlassen, Onkel Erich, wenn Du fortfährst, in dieser Weise über meine Eltern zu sprechen! Mag mein Vater meine arme Mama zu sehr verwöhnt und in Blindheit über unsere Lage gehalten haben – aus Liebe, aus übergroßer Liebe hat er das gethan, und Du hast kein Recht, ihn dafür zu verhöhnen! Er leidet seine Strafe für diese Schwäche so schwer, so bitter, daß Du zufrieden sein kannst! Er muß da den Untergebenen spielen, wo er vor kurzem noch Herr gewesen ist, er muß für einen Fremden die Scholle bebauen, die unserem Stamm und Namen gehören sollte, bis der letzte Doßberg seine Augen geschlossen hat! Ich kann nichts ändern dabei, mit gebundenen Händen muß ich zusehen … aber ich will nicht dulden, daß ein Mann, der so tief gedemütigt ist, noch dazu geschmäht wird – von einem Verwandten seines Hauses!“

Die dicken buschigen Augenbrauen des Kapitäns waren bei dieser hastig hervorgesprudelten Rede in zuckender Bewegung auf und niedergegangen. Er war ein heftiger Mann, dem trotz seiner Jahre immer noch die Zunge durchging, aber er sah sein Unrecht, wenn er eines begangen hatte, rasch ein und erblickte nie eine Schande darin, es freimütig zuzugestehen. Er zog jetzt langsam seine breiten Hände, eine nach der andern, aus den Hosentaschen und rieb ihre Flächen mechanisch gegen das Beinkleid. In dem Blick, mit dem er die Nichte ansah, lag ein beinahe komisches Gemisch von Verdrossenheit über das viele „Weibergeschwätz“ und von einer Art bärenhaften Wohlgefallens an dieser „frechen Krabbe“, die ihm so unerschrocken ihre Meinung sagte.

„So! Sieh’ ’mal! Verbittest Dir! Verbittest Dir ohne weiteres in meinem Haus, hier in meinem ‚Achterdeck‘, angesichts

[161]

Abendstille.
Nach einem Gemälde von Herm. Kaulbach.

[162] von der da!“ Er wies mit dem Daumen über seine Schulter nach der „büßenden Magdalena“. „Solch ein Frauenzimmer! Angst hast Du wohl keine Spur vor mir, was?“

Ilse schüttelte sehr nachdrücklich den Kopf, mußte aber zugleich lächeln. „Nein, keine Spur!“

„Na, das ist vernünftig! Feige Menschen sind mir in den Tod zuwider. Gegen Deinen Herrn Papa hätt’ ich nichts sagen sollen. Du hast ihn Dir nicht ausgesucht, und für sein Thun und Treiben kannst Du nichts. Dir ist ja das Heimlichthun und Lügen ein Greuel, und Verschwendungssucht scheinst Du grad’ auch nicht zu besitzen!“ Seine raschen Augen musterten Ilses Erscheinung auf und ab, als wollte er ihre Kleidung bei Heller und Pfennig abschätzen. „Na, setz’ Dich wieder hin und laß ’n vernünftiges Wort mit Dir reden! Ich hab’ ja lange Zeit gar nichts von Euch gesehen und gehört – Dein Schlingel von Bruder läßt sich auch nicht mehr bei mir blicken, seitdem ich ihm ’mal scharf den Kopf hab’ waschen müssen. Sein Klassenlehrer hat mich besucht eines Tages – für ’n Bücherwurm ’n ganz anständiger Mensch! – und hat Stein und Bein geklagt über den Bengel. Er wär’ bis Ostern ’n guter Schüler gewesen, sei auch begabt und in alten Sprachen tüchtig, ’n fixrer Mathematiker, und was sonst noch alles für Zeug – aber jetzt tauge er den Teufel, faulenze so herum und sei dabei trotzig und aufsässig und so weiter. Ich kaufte mir natürlich das Gewächs und hielt ihm ’ne Predigt auf Seemannsmanier, aber der Schlingel setzte seinen Dickkopf auf und sagte: ja, es ist alles wahr – aber er wird und will nichts mehr lernen, ihm ist alles egal, seine Zukunft und sein Beruf sind doch zum Henker, da er die ‚Perle‘ nicht bekommen soll. Ich kam ihm mit Philosophie – half nichts – ich kam mit gemeinem gesunden Menschenverstand – wieder nichts – zuletzt kam ich ihm mit Grobheit und schmiß ihn ’raus – ich glaub’ aber, das hat auch nichts geholfen, denn seitdem hat er sich nicht mehr bei mir sehen lassen.“

„Ich weiß,“ sagte Ilse, „Armin hat mir’s geschrieben, daß Ihr Streit miteinander hattet.“

„Streit! Zwischen mir und diesem Dreikäsehoch, der noch nicht hinter den Ohren trocken ist? Spricht von Beruf und Zukunft – mit siebzehn Jahren, ’s ist zum Lachen!“

„Es müssen sich doch viele junge Menschen noch früher als mit siebzehn Jahren für einen bestimmten Beruf entscheiden, und Du, Onkel Erich, hast jedenfalls in diesem Alter schon ganz genau gewußt, daß Du Seemann werden wolltest.“

„Ja, ich! Mir war mein Beruf sozusagen auf den Leib geschrieben!“

„Bei Armin ist es ganz derselbe Fall. Er hat von klein auf nichts anderes gehört und nichts anderes gewollt als die ‚Perle‘ bewirtschaften.“

„Hm, Ihr Doßbergs habt Euch samt und sonders in Eure ‚Perle‘ so festgebissen, daß es wirklich ’n gehöriges Stück Arbeit ist, Euch die aus den Zähnen zu reißen. Seht zu, was Ihr mit dem Schlingel anfangt – meine Methode hat nicht angeschlagen!“

„Du wolltest mich einiges fragen, Onkel Erich?“

„Ja, gewiß wollt’ ich. Bei der Mutter alles beim alten?“

„Nein!“ Ilses Gesicht trübte sich. „Seit einiger Zeit geht es schlechter. Bisher hatte sie noch immer Appetit, jetzt muß man oft bitten und betteln, daß sie etwas genießt, sie ist auch müder, gleichgültiger geworden – die Kräfte nehmen ab. Ist das nur der Herbst oder –“

Kapitän Leupold blickte mit ernstem Gesicht vor sich hin.

„Sie zeigte anfangs Interesse, als es hieß, es müsse im Schloß gebaut werden, ihre Zimmer seien nicht gesund für sie und sie werde nun einstweilen ins Verwalterhaus übersiedeln. Der Gedanke beschäftigte sie sehr, wir mußten ihr alles schildern, all die Verbesserungen und Veränderungen im Schloß, die für fremdes Geld unternommen werden, die sie natürlich für Papas Werk ansieht! – Es wird alles wunderschön und kostbar eingerichtet, Onkel Erich, und doch ist nichts Prahlerisches, Uebertriebenes dabei. Die Halle besonders wird herrlich, überall werden riesige gemalte Glasfenster eingelassen, wahre Kunstwerke. Mächtige braungebeizte Eichensitze an den Wänden mit köstlichen Schnitzereien, Vertäfelungen, Kron- und Armleuchter ... man kann sich kaum satt sehen! Wir haben es ja früher auch schön bei uns gehabt, aber so fürstlich ist’s nicht gewesen. Der Speisesaal wird gemalt – Wände und Decke; ein bedeuteter Künstler ist schon seit Wochen daran thätig. In die Eckzimmer kommen die schönsten Gobelins, und die Bibliothek –“

„Firlefanz!“ knurrte der Alte dazwischen.

„Das ist es eben nicht, Onkel! Ach, mir thut das Herz weh, wenn ich das alles der armen Mama, Stück für Stück, beschreiben muß, und sie denkt, das gehört nun ihr! Seit einiger Zeit darf ich mich aber nicht mehr damit quälen, sie fragt wenig mehr, liegt so still da –“

Das junge Mädchen konnte nicht weitersprechen, die Stimme versagte ihr. Kapitän Leupold ließ merkwürdigerweise diese „Sentimentalität“ ungerügt hingehen und fragte nur nach einer Pause: „Und Dein Vater, mein Herr Schwager?“

„Papa ist fast beständig draußen, er reitet und fährt umher und sieht nach allem. In der Bewirtschaftung des Gutes hat er vollkommen freie Hand, keine seiner Anordnungen wird jemals beanstandet, auch darf er stets in einen gefüllten Beutel greifen, das Geld spielt gar keine Rolle. All die Verbesserungen, die seit Jahren schon so dringend notwendig waren, werden jetzt ins Werk gesetzt; es ist den ganzen Sommer über fleißig gebaut worden, ein paar Gebäude sind auch glücklich unter Dach gekommen. Neue Maschinen sind angeschafft, der Viehstand ist ergänzt, und im Roßgarten weiden jetzt wieder schöne edle Pferde. Papa arbeitet eigentlich ununterbrochen, er führt die Bücher alle selbst mit der peinlichsten Gewissenhaftigkeit. Die beiden Vorwerke Velten und Gnadenstein sind wieder mit ‚Perle‘ vereinigt, wenn auch vorderhand die früheren Gutsleute dort noch nicht abgezogen sind; aber Papa hat auch da schon nach dem Rechten zu sehen und für alles, was geschieht, die Verantwortung zu tragen. Es wurden ihm ein paar Unterbeamte angeboten, aber er bleibt dabei, alles allein mit dem alten Hinz und seinem ehemaligen Rechnungsführer besorgen zu wollen. Todmüde will er sich machen, nicht zur Besinnung gelangen, um nicht nachdenken, nicht fühlen zu müssen – ach, ich kann ihn darin so gut verstehen! Er kommt nur zu den Mahlzeiten nach Hause und spricht dann wenig oder nichts. Bei Mama ist er anscheinend heiter, er tröstet sie, liest ihr vor und redet mit ihr von vergangenen schönen Zeiten. Aber er kommt selten ins Krankenzimmer, und Mama, matt und teilnahmlos, wie sie jetzt ist, fragt auch kaum nach ihm.“

„Und wann wollt Ihr sie ins Verwalterhaus bringen?“

„Es soll ein schöner warmer Herbsttag dazu abgewartet werden. In Ordnung ist dort alles. Die Zimmer sind so behaglich wie möglich hergerichtet, und Mamas Möbel und Zimmerschmuck gehen mit hinüber. Sobald wir übergesiedelt sind, treten die neuen Besitzer ihr Eigentum an.“

„Ist denn dieser Herr von Montrose ... ja, was hast Du denn dabei so rot zu werden?“

„Ich, Onkel Erich?“ fragte Ilse unsicher und errötete noch tiefer.

„Nu, wer denn sonst? Etwa die gemalte Dame da oder ich oder Dido? Also warum bist Du rot geworden, Prinzeß Ilse?“

Sie bemühte sich, unbefangen zu erscheinen, aber, wie sie recht wohl merkte, mit schlechtem Erfolg. „Ich – das ist zu dumm bei mir, ohne jede Veranlassung kommt mir das, und schließlich kann mir’s niemand verdenken, daß es mir peinlich ist, wenn ... aber sieh doch, Onkel, was Dido anfängt!“

Das Aeffchen hatte sich von seines Herrn Schulter weg mit einem leichten Satz aufs Fensterbrett begeben, nestelte sich jetzt in eine tiefe Gardinenfalte hinein und benutzte sie als Hängematte, indem es sich behende hin und herschaukelte.

„Dido, Du Racker! Willst Du das gleich bleiben lassen! Hierher! ’s ist unglaublich, was diese Bestie mir schon für Schaden angerichtet hat! Und wie viel Mühe hab’ ich mir mit ihrer Erziehung gegeben – Jan Grenboom desgleichen! Aber erzieh’ ’mal einer ’n Frauenzimmer! Reine Zeitverschwendung, verlorene Mühe! Das schadenfrohe Gesicht, mit dem die Kreatur sich schaukelt! Dido! Wirst Du gehorchen, Scheusal!“

Nein, das „Scheusal“ blieb, wo es war, es wiegte sich taktmäßig weiter und fletschte seinen Gebieter mit frechem Hohn an.

„Na, lassen wir sie! Ich muß es aufgeben, mich über sie zu ärgern, jemehr ich das thu', um so unverschämter wird sie – sie hat ’nen tückischen Charakter. Wobei waren wir? Richtig, Du wurdest rot und ich wollte wissen, warum?“

„Ach, Onkel, was soll ich darauf antworten – wie kann man darüber Rechenschaft ablegen?“

[163] „Ich denk’ mir, man könnt’ schon, wenn man nur wollte! Wenn aber ’ne Frauensperson nicht will, na, dann ist’s eben aus, dann können sich zwanzig Mannsleute auf die respektiven Köpfe stellen und es geschieht erst recht nicht! Und daß mein Fräulein Nichte jetzt nicht will, das merk’ ich ja. Also was ich fragen wollte: ist dieser Herr von Montrose oft bei Euch draußen gewesen?“

„Ja, verschiedenemal; ich hab’ ihn aber nicht mehr gesehen und gesprochen, seit –“

„Seit wann? Herrgott, red’ Deine Sätze zu End’! Was ist das für’n abgerissenes Gefasel!“

„Seit jenem ersten Mal, als er mit seiner Tochter kam, sich das Schloß anzusehen!“

„Wann war dies berühmte erste Mal?“

„Ach, das ist schon ziemlich lange her – zu Anfang Juni wird’s gewesen sein!“

„So! Und als er dann mehrmals wiederkam, da ließest Du Dich nicht sehen?“

„Nein, da ließ ich mich nicht sehen.“

„Dazu mußt Du denn doch ’ne Art von Grund gehabt haben.“ Ilse antwortete nicht. „Wer hat ihn denn da immer empfangen?“

„Papa.“

„Kommen die beiden Herren gut miteinander zurecht?“

„Es scheint so.“

„Welchen Eindruck macht denn der Mann?“

„Welcher Mann?“

„Na, zum Teufel, der Montrose! Stell’ Dich nicht so dumm!“

„Er ist ein vornehmer Herr.“

„Vornehmer Herr! Dabei kann einer sich allerlei denken! Alter Herr, was?“

„Nein – ja – ich weiß nicht recht.“

„Na, wenn Du das nicht weißt, dann bist Du einfach verrückt, liebes Kind. Da er erwachsene Kinder hat, so ist anzunehmen, daß er denn doch alt ist. Hör’ ’mal, der Herr Sohn soll ein höllischer Mädchenjäger sein, hast Du den schon kennengelernt?“

„Ja, ich hab’ ihn ein paarmal gesehen.“

„Und hast das Gerücht, von dem ich eben sprach, bestätigt gefunden?“

„Ja.“

„Und daß der Albrecht Kamphausen Dich fest an der Leine hat, das konntest Du natürlich nicht sagen?“

„Nein.“

„Die Tochter soll ’ne dumme Gans sein, übermütig, blind vernarrt in ihren Schatz, der sie bloß des Geldbeutels wegen nimmt. Ich hab’ sie ’mal gesehen, ein Bekannter zeigte sie mir auf der Straße – hat so ’ne fade Larve, nicht Fisch, nicht Fleisch! Gefällt die Dir?“

„Nicht besonders.“

„Wann soll denn die Hochzeit sein?“

„Im Frühjahr, glaube ich.“

„Schön! Und jetzt wollen wir dies interessante Frag- und Antwortspiel beenden. Schön Dank für gütige Auskunft! Knapper wie Du kann man nicht ’mal vor Gericht antworten – für’n Frauenzimmer alles mögliche! Irgend etwas ist übrigens bei der Geschichte nicht geheuer, das steht fest. Aber verlaß Dich drauf, daß ich dahinterkomme!“

Ilse sah mit einem trüben Lächeln vor sich hin. Wie wollte der alte Seebär hinter etwas kommen, das sie selbst nicht verstand?

Erich Leupold hatte die Hände wieder in die Taschen seines weiten Beinkleids vergraben, er wiegte sich leicht hin und her und besah sich seine Nichte wie eine Kuriosität. Man wurde doch niemals klug aus den Weibern; wer konnte sagen, was alles in dem goldblonden Mädchenkopf da steckte!

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüten.


Ludwig Büchner. Es sind jetzt dreiunddreißig Jahre, seit zum erstenmal ein Beitrag von Ludwig Büchner in den Spalten der „Gartenlaube“ erschien, ein Aufsatz: „Das Schlachtfeld der Natur oder der Kampf ums Dasein“.[WS 1] Seither hat sich der berühmte Verfasser von „Kraft und Stoff“ immer wieder von Zeit zu Zeit, zuletzt noch im vorigen Jahre, in diesen Blättern eingestellt. Ist ja doch gerade das ein wesentlicher Zug seiner Begabung, daß er es mit so großer Meisterschaft versteht, die Ergebnisse der strengen wissenschaftlichen Forschung in einer geistreichen und fesselnden Weise weiteren Kreisen verständlich zu machen! Insofern wies ihn eine starke Ader seines Könnens auf die Mitarbeiterschaft an der „Gartenlaube“ hin, und wenn ein Mann wie er das schöne Fest des siebzigjährigen Geburtstages begeht, so darf die „Gartenlaube“ unter denen nicht fehlen, die mit einem Glückwunsche sich einstellen.

Ludwig Büchner.
Nach einer Photographie von G. Brandseph in Darmstadt.

Am 29. März d. J. ist dieser Tag gekommen, zu dessen Feier wir das Bild des Jubilars unsern Lesern vorführen. Seit Jahren lebt er in Darmstadt seinem medizinischen Berufe und seinen wissenschaftlichen Studien, denen außer jenem seinen Ruf begründenden Werke „Kraft und Stoff“ noch eine stattliche Reihe naturwissenschaftlicher und philosophischer Schriften entsproßt ist. Von seinen drei Geschwistern, die sich sämtlich ebenfalls einen hervorragenden Namen gemacht haben, lebt nur noch das jüngste, der Litterarhistoriker Alexander Büchner in Caen. Der älteste Bruder Georg, der Dichter, ist schon in jungen Jahren dahingerafft worden, und die Schwester Luise, die bekannte Vorkämpferin der Frauenbewegung, starb im Jahre 1877. Möge dem mutigen Forscher, dem emsigen Schriftsteller und dem verdienstvollen Arzte ein freundlicher Lebensabend beschieden sein!

Wohnungsnot in den großen Städten. Immer wieder kommt man in der Oeffentlichkeit zurück auf die traurigen Wohnungsverhältisse der ärmeren Volksklassen in den großen Städten. So geschieht dies auch neuerdings in einer kleinen, bei Carl Heymann in Berlin erschienenen Schrift, welche Untersuchungen über diese Verhältnisse in Berlin bringt. Es sind drei Aufsätze verschiedener Verfasser, die sich vorzugsweise mit den schlechten Wohnungen in Kellern und unter dem Dache beschäftigen, dabei aber sich wohl bewußt sind, daß sie ihren Stoff hiermit nicht erschöpfen. Denn es giebt eine noch weit größere Anzahl von Wohnungen, in denen es an und für sich nicht an Licht und Luft fehlen würde; erst durch die Uebervölkerung mit Frauen und Kindern, Schlafburschen und Aftermietern wird darin der auf jeden Bewohner entfallende Luftraum auf ein so gesundheitmörderisch kleines Maß herabgedrückt. Aber auch jene Dach- und Kellerwohnungen zeigen, wenngleich sie nicht die Regel bilden, welche unglaublichen Zustände in den Großstädten herrschen; wir erhalten als Beispiel ein wahrhaft abschreckendes Bild einer Kellerwohnung, wie sie von den maßgebenden Behörden nicht geduldet werden sollte. Daß sie wegen der sehr niedrigen Fenster dunkel ist, muß man leider bei den meisten Kellerwohnungen als unvermeidlich hinnehmen; daß in den Räumen – Stube, Kammer und Küche – eine dumpfe Luft alles zum Stocken bringt, ist schlimm. Weit schlimmer aber sind folgende Besonderheiten: in schrägem Winkel zum Kammerfenster steht auf dem Hofe der Asch- und Müllkasten; daraus kriechen im Sommer massenweise Maden in die Wohnung. Nicht weit von den Fenstern ist ein Pferdestall gebaut; bei Regenwetter mischen sich Jauche und Wasser und fließen zu den tiefliegenden Fenstern hinab. Unter den Fensterbrettern im Innern wachsen von Zeit zu Zeit Pilze und an den Wänden ist der Schwamm. Lange war die Wasserleitung schadhaft; da trotz wiederholter Bitten die durchlöcherten Röhren nicht ausgebessert wurden, so suchte man sich, so gut es ging, zu helfen, indem man die Röhren mit Lappen umwickelte. Ist es da zu verwundern, daß die Dielen vor dem Ausguß verfaulten und große Löcher zeigten? Und hier hauste eine Familie von neun Köpfen, Mann und Frau nebst sieben Kindern! Solche Wohnungen sind menschenunwürdig; es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, damit die Wohlfahrtspolizei Hand ans Werk legt und solche entsetzlichen Mißstände beseitigt.

Uebrigens ist in Hessen mit dem 1. Oktober v. J. ein Gesetz über die polizeiliche Beaufsichtigung der Mietswohnungen und Schlafstätten in Kraft getreten. Zur Durchführung einer wirksamen Kontrole der Mietswohnungen haben die Gesundheitsbeamten und Polizeibehörden die Befugnis, Mietswohnungen und Schlafstellen daraufhin zu untersuchen, ob aus der Benutzung Nachteile für die Gesundheit oder Sittlichkeit zu besorgen sind. Für die Städte werden besondere Wohnungsinspektoren bestellt. In allen Gemeinden über 5000 Seelen sind neu zur Vermietung kommende Wohnungen anzumelden, wenn sie, einschließlich der Küche, aus weniger als vier Räumen bestehen oder im Kellergeschoß liegen, bezw. wenn sie nicht unterkellerte Räume enthalten, deren Fußboden nicht mindestens 25 cm über der Erde liegt, oder wenn unmittelbar unter dem Dach befindliche Räume zum Wohnen dienen sollen. Vermieter möblierter Wohnungen sind von der Anzeige befreit, wenn der Mietpreis für das Zimmer 8 Mark monatlich übersteigt. Noch genauer werden Schlafstellen überwacht, bei denen die Anmeldepflicht allgemein – unabhängig von der Einwohnerzahl – gilt. Die Polizeibehörde kann innerhalb zweier Wochen nach der Anzeige die Benutzung einer Wohnung wegen Gesundheitsschädlichkeit untersagen, das Vermieten von Schlafstellen


Anmerkungen (Wikisource)

  1. In: Die Gartenlaube, 1861, Heft 6, S. 93. Der erste Beitrag in der Gartenlaube erschien aber bereits 1860, in Heft 34: Ueber das Alter des Menschengeschlechts.

[164] aber jederzeit, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die Aufnahme von Schläfern zu Unsittlichkeiten führen würde. Um auch gegen die Nachteile der Ueberfüllung Sorge zu tragen, kann durch Polizeiverordnung für Mietwohnungen und Schlafstellen ein Mindestmaß von Luftraum für jede Person vorgeschrieben werden.

Prüfet die Blitzableiter! Wieder naht die Jahreszeit, in welcher Gewitter am Himmel aufziehen und der aus den Wolken zuckende Blitzstrahl Leben, Hab’ und Gut der Menschen bedroht. Es ist bekannt, daß die Blitzgefahr in Deutschland während der letzten Jahrzehnte erheblich zugenommen hat, und die Statistik lehrt, daß der Schaden, welchen Blitzschläge verursachen, nicht unbeträchtlich ist; sind doch im Jahre 1889 im Königreich Preußen von 22477 Schadenbränden nicht weniger als 1251 durch Blitzschläge verursacht worden!

Allerdings besitzen wir im Blitzableiter ein ausgezeichnetes Mittel, unsere Baulichkeiten vor dieser Gefahr zu schützen; es ist aber dabei nicht zu vergessen, daß dieser Schutz nur dann vollkommen ist, wenn die Anlage in allen ihren Teilen richtig im Stande ist. Die Erfahrung hat leider gelehrt, daß dies oft nicht der Fall ist und daß eine Anlage, die vor kurzer Zeit noch ihrem Zwecke entsprach, durch irgend welche Beschädigung oder auch bauliche Veränderungen ihren schützenden Wert völlig einbüßen kann.

Mit Recht äußerte sich darum Prof. Dr. W. Holtz vom physikalischen Institut zu Greifswald: „Wer einen Blitzableiter besitzt, verlangt einen unbedingten, keinen bedingten Schutz, und er wird zur Erlangung desselben geringen Umständlichkeiten und Kosten gewiß nicht aus dem Wege gehen. Hierhin gehört, daß er in kürzeren Zwischenräumen selbständig untersucht, ob die wesentlichsten Teile keine Beschädigung erlitten haben, und daß er in größeren durch Sachkundige feststellen läßt, ob die Anlage nicht vielleicht änderungsbedürftig sei.“

Nun aber herrschen über die Art und Weise, in welcher diese Prüfungen vorzunehmen sind, vielfach ganz irrige Anschauungen und es bieten sich als Prüfer Leute an, die zu einer so wichtigen und verantwortungsvollen Leistung durchaus nicht befähigt sind. Wer darum sein Haus durch einen Blitzableiter schützen läßt, thut wohl daran, sich ein klares Urteil über das Wesen solcher Anlagen zu verschaffen. An guten Belehrungen fehlt es glücklicherweise nicht. Wir möchten vor allem auf die seitens des Elektrotechnischen Vereins in Berlin herausgegebenen Broschüren „Die Blitzgefahr“ Nr. 1 und 2 (Verlag von Jul. Springer in Berlin) hinweisen, in welchen sehr beachtenswerte Winke und Ratschläge für die Anlage von Blitzableitern gegeben werden. Neuerdings hat auch die im Blitzableiterfache bewanderte Firma Dieterichs und Löffelhardt in Hamburg, Hansaplatz 9, ein Schriftchen über „Die Untersuchung von Blitzableitern“ herausgegeben, das gleichfalls wertvolle Aufschlüsse erteilt. *     

Glücklich heraus!
Nach einem Gemälde von G. Süs.

Die Katastrophe auf der „Brandenburg“. (Mit dem Bilde des Schiffs S. 149.) Die Chronik unserer jungen deutschen Marine ist glücklicherweise im Verhältnis nicht eben reich an schwarzen Tagen. Aber jene schweren Unglücksfälle, wie der Untergang des „Großen Kurfürsten“, der Verlust der „Augusta“, die spurlos im Indischen Ocean verschwand, die Vernichtung des „Adler“ und des „Eber“, die ein furchtbarer Orkan bei den Samoainseln zertrümmerte, im letzten Jahr das Zerspringen eines Geschützrohrs auf der „Baden“ … das sind ebensoviele schmerzliche Wunden, die das Schicksal nicht bloß der deutschen Marine, nein, dem ganzen deutschen Volke geschlagen hat. Und nun eine neue Unglücksbotschaft, nicht die schrecklichste von allen, aber wahrhaftig grausam genug! Am Vormittage des 16. Februar hat auf dem neuen Panzerschiffe „Brandenburg“ bei Gelegenheit einer Probefahrt in der Kieler Bucht eine Dampfausströmung stattgefunden, die 44 Menschen das Leben gekostet und noch eine Anzahl weiterer schwer verletzt hat.

Wodurch das Unglück veranlaßt wurde, das ist ja begreiflicherweise in einem Falle, wo so gut wie alle Zeugen tot sind, nur schwer mehr festzustellen. Immerhin scheint es, daß die Ursache in einem außerhalb jeder menschlichen Verantwortung stehenden verhängnisvollen Zufalle lag, in dem weiter nicht erklärbaren Abreißen der Befestigung des Dampfsperrventils an der Steuerbordmaschine, wodurch der Dampf aus sämtlichen Kesseln der Maschine einen Weg in den mit Menschen gefüllten Maschinenraum sowie in die benachbarten Gelasse des Schiffes fand, alles, was er traf, unbarmherzig verbrühend.

Die „Brandenburg“ ist eines jener vier großen Panzerschiffe I. Klasse, deren Bau im Jahre 1889 vom Reichstag genehmigt wurde. Sie besitzt ein „Deplacement“ (d. h. eine Wasserverdrängung) von 10 033 Tonnen, eine Maschinenstärke von 9000 Pferdekräften und ihre Besatzung ist auf 552 Mann berechnet. Während sie also an Deplacement und Maschinenkraft das größte seitherige Panzerschiff, den „König Wilhelm“, wesentlich übertrifft, steht sie im Besatzungsetat, der bei diesem auf 732 Köpfe sich beläuft, nicht unbedeutend hinter ihm zurück. Der Bau der „Brandenburg“, der in den Händen des „Vulcan“ bei Stettin lag, wurde vor noch nicht langer Zeit vollendet, und die ersten Versuchsfahrten berechtigten zu den glänzendsten Hoffnungen. Auch das Schwesterschiff „Wörth“ ist bereits fertig und auf Probefahrten begriffen, während die beiden anderen gleichartigen Genossen, der „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ und die „Weißenburg“, sich noch in Arbeit befinden.

Das Mitleid mit den armen Hinterbliebenen jener Braven, die auch ihr Leben im Dienste des Vaterlandes gelassen haben, regt sich allenthalben und bereits sind Sammlungen im Gange, welche wenigstens äußere Not soweit als möglich ihnen fernhalten sollen. Es bedarf wohl nur dieses Hinweises, um auch unsere Leser für eine rege Beteiligung an diesem Werke der Barmherzigkeit zu gewinnen. Der stolzen „Brandenburg“ aber, welcher gleich zum Beginn ihrer Laufbahn ein so unheilvolles Mal aufgedrückt worden ist, möge fernerhin glücklichere Fahrt beschieden sein!

Zunahme des elektrischen Straßenbahnbetriebes. Vermöge ihrer besonderen, von keiner der bekannten Fortbewegungsarten erreichten Vorzüge kommen die elektrischen Straßenbahnen immer mehr in Aufnahme. Der Fortfall des An- und Abspannens, des Vorspanns, des Pferdegetrappels, des Schmutzes, der quälenden Ueberanstrengung der Zugtiere beim Anziehen und auf unebenen Strecken sichert dem elektrischen Betrieb namentlich auf Kosten der eigentlichen Pferdebahn eine große Zukunft; in Nordamerika finden wir eine fortwährende Abnahme der Pferdebahnen und eine Zunahme der elektrischen Straßenbahnen. Eine Gegenüberstellung des Bestandes im Frühjahr 1891 und Ende 1892 ergiebt folgendes Bild:

Kilometer:
Frühjahr 1891:0 Ende 1892:
Pferde- und Maultierbetrieb 9200      7176     
Seilbetrieb 850      1039     
Dampfbetrieb 890      998     
Elektrischer Betrieb 4700      9556     

In Deutschland findet der elektrische Betrieb gleichfalls immer mehr Freunde. Neben den älteren Betrieben in Frankfurt a. M., Steglitz, Bremen, Halle a. d. S. finden nur jetzt elektrische Straßenbahnen in Gera, Breslau, Dresden, Hannover, Remscheid, Essen a. d. R., Chemnitz; im Bau oder im Entstehen begriffen sind solche in Dortmund, Bochum, Zwickau, Plauen, Lübeck, Hamburg, Barmen (Bergbahn).


Kleiner Briefkasten.

T. in L. Friederike Goßmann, verheiratete Gräfin v. Prokesch-Osten, lebt in Gmunden und tritt nur noch gelegentlich in Wohlthätigkeitsvorstellungen auf. Wie Sie richtig vermuten, muß es auch in dem Artikel über die „Liebhaberinnen der deutschen Bühne“ (S. 63 dieses Jahrgangs) Goßmann statt Großmann heißen.

Abonnentin seit 30 Jahren in Burgsteinfurt. Wenden Sie sich an Herrn Schuldirektor Carl Otto Mehner in Burgstädt!


Inhalt: Die Martinsklause. Roman aus dem 12. Jahrhundert. Von Ludwig Ganghofer (9. Fortsetzung). S. 149. – Das neue deutsche Panzerschiff „Brandenburg“. Bild. S. 149. – Kanalbau in den Hochmooren Ostfrieslands. Bild. S. 153. – Aus Ostfrieslands Hochmooren. S. 155. (Zu dem Bilde S. 153.) – Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte. Von Dr. P. Schellhas. Die Osterinsel. S. 156. (Mit Abbildungen S. 156 u. 157.) – Die Perle. Roman von Marie Bernhard (9. Fortsetzung). S. 159. – Abendstille. Bild. S. 161. – Blätter und Blüten: Ludwig Büchner. Mit Bildnis. S. 163. – Wohnungsnot in den großen Städten. S. 163. – Prüfet die Blitzableiter! S. 164. – Die Katastrophe auf der „Brandenburg“. S. 164. (Mit dem Bilde des Schiffs S. 149.) – Zunahme des elektrischen Straßenbahnbetriebes. S. 164. – Kleiner Briefkasten. S. 164. – Glücklich heraus! Bild. S. 164.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Stahlbogen.

Anmerkungen (Wikisource)