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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1891
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[789]

Nr. 47.   1891.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf.   In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf.   In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.


Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Ein Götzenbild.

Roman von Marie Bernhard.

(11. Fortsetzung.)


Ich habe mich so sehr dagegen gesträubt, die Büste heute hier im Saale aufstellen zu lassen,“ flüsterte Stella, nur für Andree verständlich, „aber meine Eltern bestanden darauf, sie behaupteten, dadurch werde den übertriebenen Gerüchten, die noch immer über diese Sache im Umlauf sind, die Spitze abgebrochen.“

Laut setzte sie für Konsul White hinzu:

„Auf die Ausstellung kommt meine Marmorbüste nicht, sie kann doch nicht auf einer öffentlichen Ausstellung paradieren, die schon ein Gemälde bringt, das meine Züge verewigt? Denn Herr Andree hat es meinen Eltern ausdrücklich erklärt, daß er nichts verändern, nichts idealisieren möchte – er will mein Gesicht malen, gerade so, wie es da ist!“

„Herr Andree thut sehr wohl daran,“ erwiderte Konsul White mit höflicher Kopfneigung gegen den Maler hin, „nicht das Geringste zu ändern. Wo die Natur etwas Vollendetes schuf, darf selbst des tüchtigsten Künstlers Hand keine Aenderung versuchen!“ Seine matten Augen suchten, während er so mit etwas schwerfälliger Galanterie seine Ansicht aussprach, Stellas Blick zu begegnen, und er hob sein Glas und leerte es auf einen Zug, zum Preise ihrer Schönheit.

„Sagen Sie doch, Gnädigste,“ fuhr der Prinz etwas nervös dazwischen, „ist das junge Mädchen in Weiß am untern Ende der Tafel dieselbe Persönlichkeit, die Sie vor einigen Tagen im Garten aufsuchen kam? Es will mir so scheinen. Damals konnte man sie ohne weiteres übersehen – heute sieht sie gar nicht übel aus. Wohl eine junge Verwandte Ihres Hauses?“

„Allerdings!“ entgegnete Stella unbefangen. „Meine Schwester Gerda!“

„Wa – – s der Tausend! Verzeihen Sie meine Ueberraschung, gnädiges Fräulein – aber – in der That – darauf konnte doch kein Mensch gefaßt sein!“

„Gerda wird Sie zum Herbst verlassen und Herrn Grimms Pflegetochter werden, wie ich höre,“ sagte Andree auf der andern Seite. „Sie werden das Schwesterchen doch jedenfalls sehr vermissen!“

„Sehr!“ sagte Stella mit Nachdruck.

„Gerda und ich sind nämlich sehr gute Freunde,“ fuhr er lächelnd fort. „Wenn sie doch einmal zu mir herübersehen wollte. Aber sie wendet den Blick kein einziges Mal hierher.“

Reinhold Begas.


Der Prinz starrte immer noch ganz verblüfft zu Gerda hinüber. „Kolossal erstaunlich!“ murmelte er kopfschüttelnd. „Schwester! Nie im Leben darauf zu kommen! Keine Ahnung von Aehnlichkeit! Haare – Augen – Gesichtsbildung – alles völlig verschieden! Aber das junge Fräulein hat einen schlechten Platz neben diesem Trottel von Tillenbach! Eine wahre Karikatur!“

Stella zuckte die Achseln.

„Kunos Vater ist ein sehr alter Freund unseres Hauses, wir sind ihm Rücksichten schuldig. Uebrigens wird Gerda durch ihren andern Nachbar vollauf entschädigt.“

„Aber – aber – Gnädigste verzeihen – das ist doch ein alter – Herr!“

„Nicht so ganz alt – sehen Sie einmal genauer zu, mein Prinz! Er wird meine Schwester nächstens adoptieren und ganz zu sich ins Haus nehmen!“

[790] Sie sagte es im allerharmlosesten, natürlichsten Ton von der Welt. Aber der Blick, mit dem sie dabei den Prinzen ansah, ließ diesen stutzen und die Augen von neuem auf Gerda und ihren Nachbar wenden; sein Interesse mußte bedeutend erhöht sein, er setzte das Monocle ein und starrte ungeniert nach den beiden hin.

„Für einen Adoptivpapa immerhin ein wohlkonservierter, gut aussehender Herr!“ meinte er nach einer Pause.

„Nicht wahr?“ fragte Stella lächelnd.

„In – der – That!“ betonte der Prinz. „Schönes weißes Haar! Ob er es sich wohl pudert?“

„Ich denke nein! Herr Grimm liebt so sehr die reine, unverfälschte Natur, daß man ihn mit einem solchen Verdacht nicht kränken darf!“

„An Ihnen, meine Gnädigste, hat er keine besonders warme Freundin, wie ich annehme!“

„Mit Unrecht! Ich gedenke, ihm Beweise meiner Freundschaft zu geben, und zwar in nächster Zeit!“

Sie führte ihr Glas zum Munde und trank es langsam leer. –

Nein, Gerda sah kein einziges Mal zu „ihrem Freunde“ Andree hinüber. Warum sollte sie das wohl auch? Es war ihr beklommen und traurig zu Sinn, trotzdem sie Onkel Grimm zu ihrer Rechten hatte, der ihr leise Winke ertheilte und väterlich für sie sorgte. Zum ersten Mal saß sie mit vielen Menschen zusammen an einer glänzend geschmückten Tafel, zum ersten Mal „spielte sie die Dame.“ Ach – sie hatte sich das immer gewünscht und es sich sehr hübsch gedacht, und nun sie es erlebte, konnte sie sich nicht daran erfreuen!

Zu ihrer Linken saß Kuno von Tillenbach und schwärmte ihr von Stella vor, wie schön sie wieder sei, und wie er – Kuno – sie anbete, bloß daß er sich’s nie unterstehen würde, es ihr zu sagen. Ob Gerda ihm nicht verrathen könne, wen ihre bezaubernde Schwester einmal heirathen werde. Man sage, den Prinzen, aber das könne er – Kuno – sich eigentlich nicht denken, denn der Prinz solle ungeheuer adelsstolz sein, und Stella, so hinreißend sie sei … bürgerlich bleibe sie doch nun einmal! Und was das denn mit diesem Herrn Andree sei, den Stella so sehr auszeichne, daß sie sich sagar zweimal von ihm malen lassen wolle – einmal Porträt, das andere Mal Phantasiebild, das müsse doch auffallen, dabei müsse man sich doch etwas denken, habe sein – Kunos – Papa gesagt! Er – Kuno – könne sich eigentlich, zu Gerda im Vertrauen gesagt, nichts dabei denken – denn Stella und so ein Maler – das sei doch nur zum Lachen! Wen Gerda eigentlich hübscher finde – den Prinzen oder Andree? Der Prinz habe wohl ein feineres Gesicht, aber der Künstler eine weit bessere Gestalt. Die Figur – ja, die könne sich wirklich sehen lassen! Und daß er in Stella verliebt sei, das sehe man ja … natürlich! Welcher Mann wäre nicht in sie verliebt?

„Ums Himmelswillen, Kuno, schweigen Sie nur einmal still und essen Sie etwas!“ flüsterte ihm Gerda endlich entrüstet zu. „Der Diener wird Ihnen gleich wieder den Teller fortnehmen, und Sie haben nichts genossen!“

„Ach Gott, das schadet nichts! Ich habe heute gar keine Ruhe, ich habe soviel zu beobachten!“

„Ja!“ sagte Gerda, zwischen Aerger und Lachen schwankend, „Sie beabachten alles andere, bloß mich und mein Weinglas nicht! Wissen Sie, daß Sie mir noch keinen Tropfen Wein eingeschenkt haben? Ihretwegen könnte ich vor Durst umkommen. Und ich bin doch Ihre Dame!“

„O Du mein Himmel, Gerda!“ Und der junge Ritter schwenkte die Karaffe mit Rheinwein so unternehmend, daß ihm Gerda in den Arm fiel. „Sehen Sie, so bin ich! Gut, daß mein Papa das nicht gesehen hat! Ja, aber wenn ich Stella sehe, dann kann ich an gar nichts anderes denken.“ –

„Nun, Gerda, Töchterchen – wie ist Dir bei Deinem ersten Debüt zu Muthe?“ fragte in diesem Augenblick Herrn Grimms Stimme und seine Hand legte sich leicht auf die des Mädchens.

„Vortrefflich, Onkelchen!“ entgegnete sie tapfer – sie wollte ihm die Freude nicht verderben. „Wenn ich mich nur gut benehme!“ fügte sie leiser hinzu.

„Ueberraschend gut, Kind! Ich wollte nur erst, das Essen wäre vorüber, und wir könnten hinaus in den Garten!“

Es dauerte noch eine Weile, bis dieser Wunsch seine Erfüllung fand, denn es gab noch viel zu essen und zu trinken.

Hilt, der seinen Platz recht ungünstig fand – er hatte ein ältliches Mädchen zur Nachbarin, mit der er nichts anzufangen wußte – spülte seinen Aerger mit gutem Wein hinunter, hütete sich aber, zuviel zu trinken. Er hatte an der Geschichte mit der Büste gerade genug!

Auch er wünschte sehnlichst ein Ende der Mahlzeit, deren Vorzüge er widerwillig anerkennen mußte, herbei – dann sollte draußen im Garten seine Thätigkeit als Leiter der Illumination und des Feuerwerks beginnen – o ja, dazu war er gut genug! Den Handlanger dieser reichen Leute durfte er spielen und dem widerspenstigen Wolfgang, der für alles, was Kunst hieß, wirklich auffallend stiefmütterlich von der Natur bedacht worden war, Zeichenstunden geben – aber ihre gewichtigen Empfehlungen, die ihm von großem Nutzen hätten sein können, behielten die Leute für sich, und es fiel ihnen gar nicht ein, ihm auch nur den kleinsten Auftrag zu ertheilen. Dafür hatten sie ja Andree!

Jetzt gab ihm die Hausfrau, die er von seinem Platz aus schräg rechts hinüber sehen konnte, einen herablassenden Wink. Man war schon beim Nachtisch, später sollten in den anstoßenden Zimmern Kaffee und Cigarren gereicht werden, und für Herrn Hilt war es nun Zeit, zu verschwinden und den „Firlefanz“ draußen, wie er sich respektlos in seinem Innern sagte, mit Hilfe von Obergärtner, Gärtnerburschen und Bedienten in Scene zu setzen. Es freute ihn zwar, von der bejahrten Jungfrau fortzukommen, aber es ärgerte ihn wiederum, daß er gehorchen mußte, wenn man ihm winkte, daß er wie eine Marionette am Fädchen war. –

Draußen dämmerte allmählich der Frühlingsabend nieder. Auf den Baumwipfeln glühte noch das letzte Sonnengold, aber vom Wasser fingen leichte bläuliche Dunstschleier an, emporzusteigen – ein feiner Nebelduft wob sich um das Buschwerk. Es war alles so regungslos – die Vögel, welche hier fast den ganzen Tag über ihren fröhlichen Gesang hatten ertönen lassen, waren endlich verstummt. In der Ferne setzte einmal eine Nachtigall mit ein paar stürmisch drängenden Noten ein, brach aber sofort ab. Das rothe Gold auf den Baumkronen erstarb in einem blassen Schein – jetzt war auch der dahingeschwunden.

Langsam kam ein Paar zum Ufer hinabgeschritten – ein sehr stattlicher Mann und ein Mädchen im weißseidenen Kleide. Ihre Hand lag leicht auf seinem Arm, er athmete zuweilen tief auf und neigte sich herab, um ihr in die Augen zu sehen, aber er sprach nicht. Wenn Andree jetzt gesprochen hätte, so hätte er dem Mädchen an seiner Seite sagen müssen, daß er sie liebe – und das ging doch nicht! Vor wenigen Wochen erst hatte er selbst ihr die Nachricht vom Tode ihres Verlobten gebracht – und hier stand er nun und wollte ihr von seiner Liebe sprechen! Beurtheilte er sie so niedrig, daß er denken konnte, ihr Herz habe sich mit seinem Schicksal so rasch schon abgefunden, habe Werner Troost vergessen und sei ihm selbst zugeflogen? Und hieß das dem Andenken seines liebsten Freundes die Treue halten, wenn er heute und hier schon um dessen hinterbliebene Braut warb? Freilich – er wollte Werner Troosts Erbe sein, aber er mußte seiner Verlobten Zeit gönnen, ihren Schmerz ausklingen zu lassen. Und so fragte er denn zuletzt in gedämpftem Ton, als fürchte er sich davor, einen Schlummernden zu wecken:

„Wenn ich meine Aufgabe gelöst habe und mit mir nicht unzufrieden bin … darf ich dann zu Ihnen sprechen? Und wissen Sie den Grund, warum ich nicht früher zu Ihnen zu sprechen wage?“

Sie athmete tief auf, so daß die süßduftenden Rosen an ihrer Brust bebten. Sie fühlte eine innere Erlösung und sie war zufrieden! Zeit gewinnen! Das wollte sie! Nicht hier, nicht dort sich binden, kein Wort verpfänden, keine Pflichten, keine Verbindlichkeiten übernehmen! Sie wollte auch den Prinzen dazu bewegen, daß er wartete – er war ein ungestümer, eifersüchtiger Freier – sie aber wollte ihr Leben und ihre Freiheit voll genießen, ohne die beengende Fessel des Brautstandes! Auf wen ihre Wahl schließlich fallen würde, das wußte sie nur zu gut … aber bis dahin –  –

Hier war ein berühmter Künstler, der ihr Bild malen, es der staunenden, schauenden, neidischen Welt übermitteln sollte. Er gefiel ihr auch als Mann – und wie anbetend er sie liebte! Warum nicht sich dessen freuen, nicht jeden Genuß, den das Leben bot, auskosten?

[791] Sie hob ihre dunkelbewimperten blauen Augen, in denen es träumerisch schimmerte, zu ihm auf und sagte stockend: „Ich kann Sie verstehen, ich danke Ihnen. Ich konnte es Ihnen bis jetzt noch nicht sagen, aber ich denke, Sie wußten es auch so: mein Herz liegt im Bann der Erinnerung, und ich kann es noch nicht daraus erwecken!“ –

„Hier ist Stella,“ fiel da plötzlich eine dünne Stimme ein, „sehen Sie, daß ich es gewußt habe! Sie liebt dies Plätzchen am Wasser – es ist dasselbe, wo sie neulich die Seide wickelte; zuerst hielt sie ihr der Prinz, und dann kam ich – ja, dann kam ich!“

Er kam auch jetzt, der gute dumme Kuno, ein ganzes Gefolge von Herren und Damen hinter sich! Der Prinz und Konsul White, Barckwitz, Leskow und die andern alle, sie umringten Stella, die rasch Andrees Arm losgelassen und sich zu ihnen gewendet hatte – und man pries den milden Abend und die Luft und den Duft und das Wasser und die Bäume – und wie schade es sei, daß die Sonne nicht mehr scheine, und es sei doch noch zu früh zur Illumination, noch ganz hell – und sie alle hätten Stella gesucht, aber Kuno sei der einzige gewesen, der geahnt habe, wo sie zu finden sei.

Die Scenerie war im Nu verwandelt – lachende, schwatzende Menschenstimmen überall, helle Rufe, kokettes Kichern – um den keuschen Reiz der feierlichen Abendstille war’s unrettbar geschehen! –

„Kuno, wo haben Sie denn Ihre Dame gelassen?“ fragte Barckwitz und bog sich nach rechts und links, um irgendwo Gerda zu entdecken.

„Gott, Gerda ist doch noch keine Dame, sie ist doch noch ein Kind! Herr Grimm nahm sie mir weg, er sagte, er habe mit seiner Tochter zu reden! Tochter! Ich finde es doch sehr komisch …“

„Gnädigstes Fräulein, machen wir morgen unsern Ausflug zu Pferde?“ unterbrach der Prinz ohne weiteres Kunos „komische“ Empfindungen. „Ihre Primrose wird sich die Beine steif stehen, wenn Sie ihr nicht ’mal wieder zu einer ordentlichen Bewegung verhelfen!“

„Sehr gern!“ sagte Stella freundlich. „Sind die Herren alle mit dabei?“ wandte sie sich an die Umstehenden. „Eine ganze Kavalkade! Ich denke mir das so hübsch!“

Der Prinz sah aus, als denke er sich das weit weniger hübsch, aber er schwieg, und bald trennte ihn auch das Gewoge von der angebeteten Schönheit.

Inzwischen begann es in der Nähe der Villa aufzuflammen. Goldglänzende Ketten zogen sich längs der Alleen, farbig funkelnde Guirlanden schwebten von Baum zu Baum; in den dunkeln Bosketts glühte es feurig roth und leuchtend blau. Auf den Rasenflächen waren zahllose Tulpen und Lilienkelche aus buntem Glase verstreut, die jetzt ihre farbigen Flämmchen ins herabdämmernde Dunkel hineinblitzen ließen. Unscheinbare Gerüste, die man hinter das dichte Gebüsch geschoben hatte, wurden hervorgeholt und wiesen nun strahlenwerfende Sterne und Kreuze auf. Bizarr geformte japanische und chinesische Laternen schaukelten an den Aesten. Es schwirrte die erste Rakete auf, und alles drängte nach dem Mittelpunkte des Gartens hin, um das Feuerwerk zu sehen.

Dem Prinzen war es endlich wieder gelungen, an Stellas Seite zu kommen. Die anwesenden Herren hatten ihm dies Unternehmen redlich erschwert, denn die Tochter des Hauses war heute mehr als je umlagert. Jetzt aber hatte der Prinz sich mit ihr geschickt zu isolieren gewußt, sie standen beide seitwärts unter einer riesigen Schirmtanne, und was das junge Mädchen um jeden Preis hatte vermeiden wollen, das geschah nun doch: der Prinz erklärte sich.

„Endlich!“ begann er hastig flüsternd und suchte die herabhängende Linke Stellas zu fassen. „Ziehen Sie Ihre Hand nicht fort – suchen Sie nicht, mir zu entkommen – ich will zu Ihnen reden! Ich liebe Sie, Stella, Sie wissen das, und ich werfe alles über Bord, was von Vorurtheil in mir spricht, ich nehme den Kampf auf gegen jedes Hinderniß, das sich mir in den Weg stellt, und biete Ihnen meine Hand. Ich kann nicht ohne Sie sein … warum antworten Sie mir nicht?“

Sie war für einen Augenblick rathlos gewesen, aber das ging rasch vorüber.

„Weil ich nicht darf!“ sagte sie leise.

„Stella!“

„Nicht darf!“ wiederholte sie. „Man hat mir gesagt, Ihr Bruder sei gegen Ihre Neigung; es drohe ein ernstliches Zerwürfniß zwischen Ihnen, wenn Sie gegen seinen Willen –“

„Ich bin nicht meines Bruders Untergebener!“ brauste er auf. „Und ich frage jetzt nicht“ – er dämpfte auf einen halblauten Mahnruf von ihr mühsam seine Stimme – „was mein Bruder sagt – ich will wissen, was Ihr Herz spricht!“

„Es darf noch nicht sprechen! Nicht eher, als bis Ihres Bruders Widerstand besiegt und – und“ – sie zögerte, und das widerstrebende Händchen, das er mit leidenschaftlichem Druck umschlossen hielt, zuckte – „und bis seine Wunden geheilt sind. Denn der junge Künstler, der meine Marmorbüste gemeißelt hat, war mein Verlobter, und ich habe soeben erst die Nachricht von seinem Tode erhalten. Sie, mein Prinz, sind der einzige, der dies Geheimniß erfährt – der einzige“ – ihre Stimme wurde fast unhörbar – „der ein Recht darauf hat, es zu wissen!“

„Stella!“

Im plötzlichen Glücksrausch schoß dem Prinzen das Blut zu Kopf, er vergaß, sich zu entrüsten, daß dies unvergleichliche Geschöpf einem jungen, unbekannten Bildhauer seine Liebe hatte schenken können – er hörte nur den letzten Satz und preßte die kleine Hand so ungestüm, daß er selbst erschrak.

„Verzeihung!“ murmelte er.

Gerade sauste ein neuer Raketenschwarm zum dunkeln Nachthimmel empor. Garbenweise, wie Strahlenbündel, stoben die bunten Leuchtkugeln in die Luft und sanken dann lautlos nieder. Man hörte Ausrufe des Entzückens, lebhaften Beifall, hier und da eine Stimme, die „Stella!“ rief.

„Und ich darf hoffen?“ flüsterte der Prinz, dicht zu der weißen Gestalt hinabgeneigt.

„Noch nicht jetzt – noch lange nicht“ – sie bog sich von ihm zurück und suchte ihm von neuem ihre Hand zu entziehen – „ehren Sie meinen Schmerz – beseitigen Sie Ihres Bruders Widerstand – dann –“

Er seufzte ungeduldig.

„Eine harte Probe! Aber Sie versprechen mir, keinen andern – keinen, Stella, zu begünstigen – Sie schwören mir –“

„Es bedarf dessen nicht!“

Eine hohe rothe Flammensäule, in der es von Tausenden goldener Fünkchen blitzte, stieg unmittelbar vor ihnen auf, und in dem magischen Licht erschien dem verliebten Prinzen das Mädchen an seiner Seite wie ein Götterbild.

Es mußte auch andern so erscheinen – Ausrufe der Bewunderung tönten herüber.

„Da ist sie ja!“

„Wo denn?“

„Dort unter der Schirmtanne – haben Sie sie nicht gesehen?“

„Der Anblick war ja das Schönste von dem ganzen Feuerzauber!“

„Stella! Kommst Du gar nicht mehr zurück?“

„Mit wem ist sie denn dort?“

„Mit dem Prinzen natürlich – mit wem denn sonst?“

Nun, so ganz natürlich finde ich das doch nicht – ich sah sie heute häufig genug mit jemand anderem, der durchaus kein Prinz war!"

„Stella! So komm’ doch!“

„Mit Ihrer Erlaubniß, meine gnädigste Frau, brechen wir in corpore auf, um uns das gnädige Fräulein zurückzuholen.“

Die Herren nahmen bunte Lampions von den Bäumen und gingen als Fackelzug zu der Schirmtanne hinüber. Stella mußte sich als Gefangene erklären und wurde feierlich in die Mitte genommen und im Triumph entführt. Es machte den jungen Hamburger Kaufleuten, von denen mancher ein kleiner Krösus war, großen Spaß, dem Prinzen, der ihnen bei näherer Besichtigung durchaus nicht mehr so sehr imponierte, die schöne Tochter des Hauses vor der Nase fortzunehmen, und wenn die Herren gewußt hätten, daß ihr Fackelzug mitten in eine Liebeserklärung des durchlauchtigen Herrn hineingefahren war, dann wäre für sie das ganze Unternehmen ohne Zweifel noch viel unterhaltender gewesen. –

„Komm, mein Kind,“ sagte indessen Herr Grimm zu Gerda, die gedankenvoll neben ihm gestanden und mit großen Augen all [792] dem flüchtigen Lodern und Flammen und Leuchten zugesehen hatte, „gieb mir Deinen Arm und mache mit mir einen Spaziergang! Das heißt, wenn Du willst! Ich glaube, es ist hier noch nicht zu Ende, und Du könntest wohl noch manchen Schwärmer, manchen Frosch und manche Schlange bewundern!“

„Nein, Onkel, ich danke! Ich habe schon genug Schwärmer, Frösche und Schlangen gesehen!“ Gerdas Stimmchen klang halb traurig, halb lachend, und so war auch ihr Gesichtsausdruck, wie eine eben aufzuckende bengalische Flamme zeigte.

Sie umgingen das große Rasenrund mit den eingelegten Teppichbeeten, den Platz mit der Fontäne, deren hochaufspringende Wasserstrahlen bald im blauen, bald im rothen oder goldfarbenen Licht glänzten, die Boskets, in denen es gleich farbigem Geschmeide schimmerte, und gelangten allmählich in die weniger gepflegten Partien des Gartens, die demgemäß auch schwächer beleuchtet waren. Endlich hörten die einzeln verstreuten Lampen und Flämmchen ganz auf. Dunkel ragten die Bäume und Büsche in die stille Luft, ab und zu kam ein leichter Windeshauch und sprach zu den Blättern, dann klang es wie ein flüchtiges Seufzen, als rege sich die Natur im Traum. Droben hatte sich der Himmel mit zahllosen Sternen gefüllt, und ganz nahe fing auch von neuem die Nachtigall an zu locken, erst schüchtern, in einzelnen Lauten, dann drangvoll und stürmisch, bis sie, wie überwältigt von der eigenen Sehnsucht, schwieg und alles wieder in die bisherige Stille zurücksank.

„Was denkst Du, Kind?“ unterbrach Grimms Stimme endlich das Schweigen. „Mir will es scheinen, als stimme diese Deine erste Gesellschaft Dich nicht froh!“

„Nein, Onkel!“ Sie drückte schmeichelnd seinen Arm. „Sind Sie mir auch nicht böse deshalb?“

„Ich, Du kleines, dummes Mädchen? Wie käme ich denn dazu?“

„Weil ich mir’s immer so brennend gewünscht hatte, mit dabei zu sein, und weil Sie es mir verschafft haben.“

„Ganz recht! Aber ich habe die Menschen nicht gewählt, die um uns herumsaßen. Sag’ mir also Deine Gedanken ganz ungeniert!“

„Danke schön, Onkelchen! Sehen Sie, wenn es eine Tanzgesellschaft gewesen wäre, hätt’ ich mich gewiß sehr schön unterhalten. Ich hab’ immer leidenschaftlich gern getanzt, schon als ganz kleines Mädchen, und mancher hätte mich doch aufgefordert, schon so aus Höflichkeit, und dann Ihretwegen, Onkel, weil Sie mich zu sich nehmen wollen, und auch aus Neugier, um zu sehen, ob ich gut tanze. Und ich tanze gut, – wirklich, das weiß ich, – Sie können es mir dreist glauben! Also ich hätte getanzt und mich gefreut und keine Zeit gefunden, allerlei zu sehen –“

„Nun, – was denn zu sehen?“

„Ach, – allerlei dummes Zeug!“

„Was war denn das für dummes Zeug?“

Gerda schwieg ein Weilchen und bewegte unruhig die Schultern und den Kopf.

„Der Tanz um das Götzenbild war’s, den ich gesehen habe!“ brach sie plötzlich los. „Ich kann’s ja keinem verdenken, denn sie ist schön wie ein Engel – aber wenn ich doch nun weiß, wie sie sein kann, – und wie sie alle an sich zieht und keinen wirklich lieb hat, – und wie sie sich alle, alle untereinander belügen, die Damen, die sich gegenseitig beneiden, und die Herren, die einer dem andern den kleinsten Vortheil nicht gönnen, – und wie sie alle Stella schmeicheln. Und dabei sind die Mädchen alle wüthend, daß sie von ihr überstrahlt werden und daß die Männer ihr so huldigen, … Onkel, Onkel, ich komm’ mir so schlecht, so niedrig und erbärmlich vor, daß ich das alles sehe und verstehe, – aber ich kann doch nichts dafür, ich kann doch meine Augen und Ohren nicht verschließen! Ich möchte alle Menschen lieb haben und meine eigene Schwester zuerst, und ich kann doch nicht, – ich kann nicht! Onkel, lieber Onkel Grimm, wie ich Ihnen dankbar bin, daß Sie mich herausnehmen wollen aus all’ den schiefen falschen Verhältnissen, – und ich darf den ganzen Tag bei Ihnen sein und bei Ihren Bildern und Blumen, – – und bei Hafis!“

In Gerda brach das Kind durch bei der Erinnerung an Hafis, und sie lachte, aber die Erregung klang noch in ihrem Lachen mit.

„Ob es Dir bei mir so ohne Einschränkung gefallen wird, weiß ich noch gar nicht,“ meinte Grimm bedächtig. „Versprich Dir nur ja nichts Ueberschwängliches! Wenn Du glaubst, daß Du bei mir beständig auf Rosen wandeln wirst …“

„Nein, nein!“ unterbrach sie ihn eifrig. „Das nicht! Aber ich werde wahr sein dürfen, und das kann ich hier nicht! Und ich werde auch gut sein, – Sie werden mich immer tadeln, Onkel, und immer schelten –“

„Wenn ich nichts weiter thue, als tadeln und schelten, dann wird etwas Schönes dabei herauskommen!“ warf er humoristisch ein.

„O nein, nicht das allein! Sie haben mich nicht ausreden lassen, Onkel, die Hauptsache sollte erst noch kommen: Sie werden mich lieb haben, – lieb haben!“

Und Gerda warf ihre Arme um Onkel Grimms Hals und drückte ihr Gesicht an seine Wange.




18.

Monate waren vorübergegangen. Heiße, schwüle Sommersonnentage brüteten über der alten Hansestadt. Die gezwungen waren, darin zu bleiben, schlichen träge über das glühende Pflaster der Straßen, thaten etwas widerwillig ihre Pflicht, nur eben gerade die gebieterisch geforderte Pflicht, und sonst nichts weiter, und sehnten den Abend herbei, um ihn irgendwo „draußen“ zuzubringen. Selbst der arme Handwerker und Kleinhändler raffte seine kargen Pfennige zusammen, um sich und seiner Familie diese Erholung zu gönnen. Es war wahrlich nicht zum aushalten! Die alten Hamburger erinnerten sich kaum, einen ähnlich heißen Sommer je erlebt zu haben. Von den Häuserwänden prallte die Gluth förmlich dem unglücklichen Straßenwanderer entgegen, – sie fing sich in den engen Gassen, blieb bis zum späten Abend in den schmalen Höfen und Winkeln und machte aus dem frischen Grün der Blätter ein fahles, staubiges Grau. Wo die Menschen nur immer konnten, drängten sie sich ans Wasser, und sie waren froh, so viel davon zu haben. Wer aber im Innern der Stadt wohnte, wen seine Arbeit dorthin bannte, – und ihrer waren viele! – der war halb verschmachtet, bis der Abend kam, und fühlte sich, sobald die Berufswege erledigt waren, so ermattet, daß er oft sich lieber im verdunkelten Zimmer lang hinstreckte, als daß er sich der Strapaze unterzog, noch bis zum Wasser zu gehen.

Dann und wann ging ein Gewitter nieder, ein tobendes, böses Unwetter! Aber man konnte nicht aufathmen, denn die Sonne stach gleich darauf genau ebenso unbarmherzig wie zuvor, und der Himmel sah aus wie ein Riesenschild von hellpoliertem Stahl. Die heiße, aufgesprungene Erdrinde schluckte gierig die herabströmende Fluth ein, die kleinen gurgelnden Rinnsale, die sich gebildet hatten, verschwanden im Nu, und wieder brütete greller Sonnenbrand über der durstigen Erde. –

Andree hatte sich dazu verstehen müssen, Stellas Porträt draußen auf der Villa zu malen. Ihre Mutter hatte erklärt, sie werde alles thun, um des Künstlers Wünschen hinsichtlich eines guten Ateliers entgegenzukommen, sie werde es aber niemals gestatten, daß ihre Tochter den Fuß in Herrn Andrees Wohnung setze, – er müsse eben sehen, wie er es mache.

Er that dies auch, aber es wurde ihm sehr schwer. Wie jeder Maler, hatte auch er sich gewöhnen müssen, auf sein Modell zu warten, seine Stimmung einigermaßen der Stunde anzupassen, da das Modell bei ihm erschien. Aber erstens konnte man ein bezahltes Modell allenfalls fortschicken, wenn es denn einmal durchaus mit der Stimmung nicht gehen wollte, – man bezahlte eben das ausbedungene Honorar und war fertig. Zweitens konnte man jederzeit in seinen eigenen vier Wänden an dem Gemälde weiter malen, konnte es bei jeder Beleuchtung betrachten, kleine Abänderungen treffen, Aeußerlichkeiten, zu denen man das Modell gar nicht brauchte, in aller Muße fertig stellen, … an alles dies hatte sich Andree gewöhnt, und alles dies entbehrte er jetzt. Freilich hatte auch diese Medaille ihre angenehme Kehrseite: es kam ihm sehr darauf an, möglichst oft in Stellas Nähe zu sein, die Sitzungen so lange als irgend thunlich hinzuziehen, und da er sich einer raschen und willigen Pinselführung rühmte, so wäre das Porträt, hätte er auch noch außer den festgesetzten Stunden daran malen können, wahrscheinlich zu rasch fertig geworden. Allerdings hätte ihm das große Gemälde, das er in seinem eigenen Atelier anfertigte, immer noch einen willkommenen

[793]

Venetianische Fischerbarke.
Nach dem Gemälde von L. Dill.

[794] Vorwand geliefert, oft nach der Brühlschen Villa hinauszufahren, – – es war eine sehr große, lange Zeit in Anspruch nehmende Arbeit und ihm weit wichtiger und interessanter noch als das Porträt, weil er hier seine eigenen Ideen entfalten, seine künstlerische Phantasie bethätigen konnte.

„Eos“ wollte er es nennen – Eos, die Morgenröthe! Eine einzige Figur, die rosenfingrige Göttin, wie sie in ihrem Sonnenwagen, die schneeweißen, sich bäumenden Rosse mit goldenem Zügel lenkend, aus einem rosigen Gewölk aufsteigt und den Menschen das Licht bringt.

Licht! Die Idee war in ihm aufgestiegen, als er damals – wie unendlich lange Zeit schien ihm seitdem entschwunden zu sein! – das emporgewendete Marmorköpfchen mit den sehnsüchtig aufgeschlagenen Augen und den leise geöffneten Lippen gesehen hatte. Seitdem hatte es wie ein Fieber in ihm gebrannt, dies Bild zu malen – und nun wurde es Wirklichkeit!

Er hatte zahllose Skizzen von Stella Brühl in ihrem Beisein entworfen, die er alle möglicherweise für sein Gemälde verwerthen zu können meinte. Im Profil – im Halbprofil – voll den Beschauer ansehend – halb über die Schulter zurückgewendet – das Haupt erhoben – das Haupt gesenkt – das Haar frei herabfließend – das Haar nach griechischer Art geordnet – beide Hände erhoben – eine Hand herabgesunken – in weißem, in goldfarbenem, in rosarothem Gewande – mit und ohne Spange in den Locken – immer wieder hatte er sie skizziert, und – er hatte sich nicht helfen können – manche dieser Skizzen hatte er gleich dort, an Ort und Stelle, sorgsam ausgeführt, obschon er sich sagen mußte, daß dies kaum einen Sinn habe. Die Versuchung war zu übermächtig! Er vergaß zu Zeiten seinen eigentlichen Zweck, die „Eos“, der diese Entwürfe nur zur Stütze dienen sollten, angesichts dieser strahlenden jungen Schönheit, die sein Können förmlich herausforderte mit ihren immer neuen Reizen. Das prachtvolle Haar, die Augen, das unvergleichliche Kolorit je allein hätten genügt, um einen Maler in Entzücken zu versetzen … die Vereinigung alles dessen versetzte ihn in Ekstase. Jedesmal glaubte er, sie heute am schönsten gesehen zu haben, und am nächsten Tage sah er sich getäuscht und fand sich versucht, sie so zu malen, wie er sie diesmal fand. So rückte denn das Porträt, das Stella im schlichten weißen Kleide zeigte, ein paar Rosen in den lässig herabgesunkenen Händen, nur langsam vorwärts, denn heute brachte er ihr einen venetianischen Schleier und entwarf das Bildchen einer jungen Venetianerin, morgen ein holländisches Stoffmützchen, oder den goldklirrenden Münzenschmuck einer Orientalin – und sie ging lächelnd auf all dieses Spielwerk ein und ließ sich schmücken, ja es schien auch ihr nicht im mindesten darum zu thun, die Sitzungen abzukürzen.

Nur als Mignon konnte er sie nicht malen; er hatte die Idee schon lange gehabt und es mehrmals versucht, sowohl in der Villa als bei sich daheim – aber es wollte ihm nicht glücken. „Sie hat alles, was schön ist, und sie kann alles aus ihrem Gesicht machen, was sie nur will!“ sagte er sich. „Aber das unergründliche Etwas, den geheimnißvollen Reiz einer Mignon hat sie nicht in sich. An ihr ist alles volles Leben, hinreißende, verführerische Wirklichkeit – in der Mignon aber steckt ein Stück Märchen!“

Was die beiden während der langen Sitzungen zusammen sprachen? Scherz und Ernst, Triviales und Gediegenes, wie es gerade kam. Wenn Andree skizzierte und mit leichter, unglaublich rascher Hand eine Idee festhielt, dann lachte und plauderte er viel, unterbrach sich wohl auch, um plötzlich aufzuspringen und ein Band, eine Blume, ein Schmuckstück hinzuzufügen oder fortzunehmen. Malte er aber an dem Porträt oder fiel ihm ein wichtiger Zug für sein großes Gemälde ein, dann trat ein gesammelter Ernst auf sein Gesicht, sein Blick konzentrierte sich, sein Mund verstummte und preßte sich zusammen, und eine strenge Falte erschien auf seiner Stirn, die das ganze Gesicht älter, aber auch bedeutender und anziehender machte. Dann liebte es Stella Brühl, ihn aus seiner Künstlerstimmung herauszureißen, ihre Macht an ihm zu erproben, und wenn er dann, wider seinen Willen, unruhig wurde und zu ihr hinübersah und sein Blick gefesselt an ihr hängen blieb, bis er endlich den Pinsel fortlegte und erklärte, nicht weiter malen zu können – dann stahl sich ein Lächeln über Stellas schwellende Lippen, und sie sagte leichthin: „Genug gearbeitet! Plaudern wir!“

Unbeweglich saß während dieses „Geplauders“, das sich oft bedenklich in die Länge zog, eine starre, stumme Gestalt in der Nähe des breiten, nach Norden gelegenen Fensters. Die Hände um die Kniee geschlungen, den Kopf erhoben, den Blick unverwandt geradeaus vor sich hin gerichtet, saß sie da gleich einer ägyptischen Sphinx, scheinbar unbekümmert um alles, was in ihrer Nähe vor sich ging. Aber auch nur scheinbar! Thatsächlich entging ihr nichts, kein halbes oder geflüstertes Wort, keine besondere Betonung, kein Seufzer und gepreßtes Athmen. Ja, selbst die unverwandt vor sich hinschauenden Augen nahmen erstaunlich viel wahr. Frau Willmers würde sich nie erlaubt haben, ihrem vergötterten „Prinzeßchen“ Vorstellungen zu machen oder eine leise Mißbilligung anzudeuten. Ein einziges Mal hatte sie gefragt, was sich „Prinzeßchen“ eigentlich bei diesem nahen Verkehr mit dem Maler denke – und Stella hatte lächelnd erwidert: „Ich denke mich dabei zu amüsieren.“

Die Willmers hatte auch gelächelt und ganz beruhigt gethan, sie setzte ja unbegrenztes Vertrauen in ihres Abgottes Klugheit und sagte sich hundertmal: „Ein gebranntes Kind scheut das Feuer – sie wird doch nicht zum zweiten Male so unklug sein, ein Liebesverhältniß mit solch einem Künstler anzufangen!“

Aber was dachte sich denn der Engel, wenn er diesen Herrn mit solchen Augen ansah – Augen, die ein mit dreifachem Erz gepanzertes Männerherz verwundet haben würden? Und dies Herz war durchaus nicht gepanzert! Was dachte sich das Prinzeßchen, wenn es dem Maler bis an die Thür entgegenlief, wenn es ungeduldig mit dem Füßchen gegen den geschnitzten Schemel hämmerte, sobald besagter Maler einmal nicht auf die Minute pünktlich erschien? Was bedeutete es, daß ihre Stella ihm ein so entzückendes Lächeln spendete? Ihm willig das Händchen überließ und es gestattete, daß er selbst das herrliche, goldstrahlende Haar ordnete –  – so – und so – und wieder anders – während sie doch sah – sehen mußte, wie es um den Mann stand, und daß es ihn die äußerste Anstrengung kostete, Herr seiner Sinne zu bleiben?

Frau Willmers wußte auch, daß der Prinz abgereist war. „Weißt Du, den hab’ ich fortgeschickt!“ hatte Stella ihrer alten Vertrauten einmal des Abends beim Auskleiden, als sie besonders gut aufgelegt war, gestanden. „Ich sagte Dir doch, ich wollte ihn anders haben, als er war, nicht so großherrlich und von oben herab – nicht er sollte mir eine Ehre erweisen, wenn er um mich warb, sondern ich ihm, wenn ich ihn erhörte. Aber“ – hier hatte die schöne Stella leichthin gelacht und übermüthig die Achseln gezuckt, „ich hätte gar nicht nöthig gehabt, darauf hin zu manövrieren! Ich hatte ihn augenblicklich fest. Er wollte sich gleich mit mir verloben, schnurstracks, auf der Stelle, seinem Bruder zum Trotz. Aber, verstehst Du, darum ist mir’s nicht zu thun. Ich mag mich noch nicht verloben, ich will noch mein Leben genießen, diesen Sommer und auch diesen Herbst und auch noch den Winter hindurch! Und ich will auch nicht, daß er sich mit seinem Bruder, der für jetzt noch nichts von mir wissen will, erzürnt. Mein Prinz hat nichts als ein kleines mütterliches Vermögen, aber sein Bruder ist ungeheuer reich, und ich gebrauche viel Geld – viel, viel Geld! Ja – und nun hat der Prinz seinem Bruder feierlich auf Ehrenwort versprechen müssen, ein Jahr zu reisen und nie an mich zu schreiben oder von mir Nachricht zu bekommen – mir beides sehr recht! – und wenn er dann nach einem runden Jahr noch an mich denkt und keine andere will als mich, dann wird die Durchlaucht ihm seinen Segen geben und auch eine standesgemäße Apanage, was noch viel mehr werth ist – und das alles hat mir der Prinz in einem langen, langen feurigen Liebesbrief auseinandergesetzt und mir mit tausend Eiden zugeschworen, daß er immer und ewig nur mich lieben werde. Und unterdessen bin ich frei – frei – und kann thun, was ich will, denn der Fürst ist nun auch fort sammt seiner Familie, und ich brauche mich um keinen Menschen auf der weiten Welt zu kümmern!“

Aber sie kümmerte sich doch um einnen – und der eine war Waldemar Andree! –

Seltsamerweise fand das verwöhnte Mädchen großes Wohlgefallen an ihm. Sie wunderte sich selbst darüber, aber es war so: sie freute sich von einem Tag zum andern auf die Stunde, die ihn zu ihr führte, sie dachte viel über ihn nach und sie war sehr zornig, wenn einmal irgend ein unvorhergesehener Zwischenfall [795] Andrees Kommen verhinderte. Sie verglich ihn im stillen mit all ihren andern Verehrern, Konsul White und den Prinzen an der Spitze, und sie fand zu ihrem Staunen, daß er ihr besser gefiel als sie alle zusammen. Diese andern langweilten sie zuweilen sehr; sie waren richtige Welt- und Lebemänner, ohne besondere geistige Interessen, sie hatten das, was sie „Genuß“ nannten, nach allen Richtungen hin ausgekostet und wußten selbst einem so schönen Mädchen, wie Stella Brühl es war, beim besten Willen nicht immer etwas Neues, Interessantes zu sagen, so gern sie auch gewollt hätten. Stella aber war noch zu jung, um schon gänzlich blasiert zu sein. Sie hatte zwar eine nüchterne Lebensauffassung und war sich ihres Zieles, durchaus einen sehr reichen und vornehmen Mann heirathen zu wollen, klar bewußt; aber sie hatte Verstand, einen raschen Geist und liebte es, gut unterhalten zu werden. Bis sie den bewußten hochstehenden Krösus heirathen würde, wollte sie sich auf ihre Art vergnügen, und dazu war ihr Waldemar Andree gerade der rechte Mann. Er war kein sogenannter „Blender“, geistvolle Paradoxen waren nicht sein Fall, aber er besaß gute Kenntnisse, konnte sich noch ehrlich und warm begeistern, hatte für seine Kunst einen schönen Enthusiasmus und entfaltete oft einen trockenen Humor, der sehr erheiternd wirkte. Er war ein Mensch aus einem Guß, ein ernster und gereifter Mann, der sich noch lange nicht verausgabt, dem das Leben nichts von seiner fest geprägten Individualität geraubt hatte.

Das sah und fühlte Stella Brühl recht gut heraus, und sie verkehrte lange genug in der großen Welt, um sich sagen zu können, daß ein solcher Mensch in unserer heutigen Zeit eine große Seltenheit genannt werden mußte. Ihrem beweglich schillernden Wesen sagte seine Stetigkeit zu, und dabei zu fühlen, zu wissen, daß er sie abgöttisch liebte – das gab dem ganzen Verkehr noch einen besonderen Reiz.

Der Gedanke, ihn zu heirathen, kam ihr nie. Er hatte ihr wohl einmal gesprächsweise gesagt, daß er sich schon ein hübsches Vermögen erworben habe, und er hatte ihr die Summe genannt, die er im Durchschnitt jährlich verdiene. Es war eine ansehnliche Ziffer gewesen, und Stella hatte sich gestanden, daß die meisten jungen Mädchen Andree gewiß eine sehr gute Partie nennen würden. Aber ihr war es um mehr als das zu thun! Sie wollte im Sommer die bekanntesten Seebäder, im Herbst die englischen Rennen besuchen, einen Theil des Winters in Paris verleben und den Frühling an der Riviera, in Monaco oder Bordighera oder Nizza, zubringen. Und sie wußte, ein solches Wanderleben würde sie an Andrees Seite nicht führen können. So anbetend er sie liebte – sie war ihm eins mit seiner Kunst, und seine Kunst vertrug es nicht, daß er heute hier sein Zelt aufschlug und morgen dort. Sie wußte, es war sein Ideal, sich bald seßhaft zu machen, höchstens einmal im Jahr eine Reise, die zugleich dem Studium und der Erholung dienen sollte, zu unternehmen – im übrigen aber sich am häuslichen Herd niederzulassen und dort seiner Kunst wie seiner Liebe zu leben.

Nun, davon konnte für sie natürlich keine Rede sein. Sie wollte es ja auch gar nicht, hatte diesen Gedanken nicht eine Minute lang ins Auge gefaßt – einstweilen freute sie sich an dem Verkehr mit diesem ihr so gut zusagenden Mann und machte sich nicht die geringsten Bedenken über die Zukunft. Sie hatte Andree zwar ein halbes Versprechen gegeben – und dem Prinzen eigentlich ein ganzes. Aber der Prinz sollte ihr ein Jahr fern bleiben, und bis Andree die beiden Bilder fertig hatte, das dauerte auch noch so lange. Wer würde sich vor der Zeit Sorgen machen! – –

Indessen spitzten sich doch die Verhältnisse derartig zu, daß es der schönen Stella, trotz ihres hübschen Verkehrs mit Andree, gar nicht so ungelegen kam, als sie Papa Brühl eines Tages fragte, ob es ihr genehm sei, eine Reise mit ihm und Mama zu unternehmen. Man habe sich zwar vorgenommen, in diesem Sommer zu Hause zu bleiben, und es sei ja auch soweit gar nicht übel hier draußen in Uhlenhorst – der Sommer sei aber so ungewöhnlich heiß und seine – Papa Brühls – Geschäfte hätten, dank einem rechtzeitigen Wink seines gewandten Freundes Grimm, einen so erfreulichen Aufschwung genommen, daß es doch schade sei, hier immer in Hamburg zu sitzen. Die Bilder gingen ja so rüstig vorwärts, daß ihre Fertigstellung fast jetzt schon bestimmt werden könne … was sein Prinzeßchen zu Dieppe oder Trouville oder sonst irgend einem fashionablen Bade meine? Und Prinzeßchen, das den Papa seit der Geschichte mit Gerda sehr ungnädig behandelt und nur selten eines freundlichen Wortes oder Blickes gewürdigt hatte, versprach huldvoll, sich die Sache zu überlegen. Das geschah denn auch. In dem entzückenden, kühl gelegenen „Porzellanzimmer“, zunächst dem mit den köstlichsten Gestalten, Amoretten und Blumen ausgestatteten Kamin, saß Stella – selbst einer von dem schönsten Sèvres-Service weggelaufenen Figur gleich – und sann nach.

Andree war sehr verändert seit den letzten Tagen. Er malte lässig, plauderte viel weniger angeregt als früher und verlor sich oft so ganz in ihren Anblick, daß er sichtlich alles um sich her vergaß.

Schmeichelhaft für Stella – ohne Zweifel! Aber zugleich unbequem! Konnte er denn nicht bleiben, was er war – ein Liebhaber „aus der Entfernung“, der zufrieden war, sie sehen, bei ihr sein, sie malen, mit ihr reden zu dürfen? Sie wußte es, dieser Zustand genügte ihm jetzt nicht länger, er wollte mehr, der begehrende, ungestüme Mann war in ihm erwacht. Aber dieses Erwachen kam ihr äußerst ungelegen. Was sollte sie denn nun mit ihm anfangen? Daß die Männer sich doch nie begnügen können! Auf Reisen schicken, gleich dem Prinzen, konnte sie ihn nicht, und einen zürnenden Bruder, von dem Andree abhing, konnte sie ihm auch nicht vorhalten … aber geschehen mußte etwas, das stand fest, sonst fiel er ihr eines Tages mit der feurigsten Liebeserklärung zu Füßen … und was dann?

Das Ergebniß von Stellas eifrigem Nachsinnen neben dem Porzellankamin, von welchem herab all die schelmischen Liebesgötter sie verständnißvoll anlachten, war, daß sie ihre Eltern mit der Nachricht beglückte, sie wolle reisen, und zwar zunächst nach Trouville – dort werde es sich finden, ob man bleiben oder weitergehen werde. Ganz kaltblütig schrieb und telegraphierte dann die junge Dame an ihre Modistin nach Paris und fing an, in ihrem Innern diese Reise für eine ganz angenehme Abwechselung zu halten. Andree wollte sie einfach sagen, sie fühle sich angegriffen, die andauernden Sitzungen hätten ihrer Gesundheit geschadet, und der Arzt habe eine längere Unterbrechung sowie einen Aufenthalt im Seebade für sie angeordnet.

Andree ahnte von all diesem nichts, als er, eine prachtvolle Centifolie im Knopfloch, an einem heißen Augustmorgen langsam und in Gedanken durch den Brühlschen Garten schritt.

In Gedanken! – Er war es jetzt sehr, sehr oft. Daheim, wenn er an der „Eos“ malte, sank ihm zuweilen auch der Pinsel aus der Hand, und er blieb eine Weile müßig stehen, mit starren Blicken vor sich niedersehend. Aufdämmernde Zukunftsbilder schoben sich vor diesen Blick, und dann war es wieder die Vergangenheit, die er deutlich sah. Nie hatte er so lebhaft an Werner Troost gedacht wie in dieser Zeit – jede Einzelheit der schönen römischen Tage, die sie miteinander verlebt hatten, stand greifbar vor seiner Seele. Ihre Streifzüge in die Campagna hinein, ihre Gespräche im Colosseum beim flammenden Sonnenuntergang, ihr Wandeln Arm in Arm über den Monte Pincio, ihr sorgloses Plaudern in den kleinen Osterien beim Fläschchen Chianti! – Da legte denn wohl Andree eilfertig den Pinsel hin und griff zum Stift und warf mit seiner leichten Hand das Gesicht eines schönen jungen Mannes aufs Papier. „So hat er ausgesehen, wenn er lachte – sein junges, hellstimmiges Lachen – so, wenn er ernst war – und wieder so, wenn er an seine Liebe dachte!“

Seine Liebe, die nun auch Andrees Liebe war! Wie hatte sie doch zu ihm gesagt, damals bei dem Sommerfest? „Mein Herz liegt im Bann der Erinnerung, und ich kann es noch nicht daraus erwecken!“

Er hatte sie damals verstanden, und er verstand sie auch heute noch – wäre nur sein eigenes ungestümes Herz nicht gewesen, das stürmisch nach seinem Glück verlangte! Er warf unruhig den Stift beiseite und wandte sein Antlitz empor, und in seine Augen kam ein sehnsüchtiges Leuchten, wie er seine „Eos“ sah. Es schien halten zu wollen, was er sich davon versprochen hatte, dies Bild – aus einem Guß, aus einer Stimmung heraus wurde es gemalt, und es ließ alles Gute, Tüchtige, Charakteristische und Schöne, was er bisher geschaffen, weit hinter sich zurück. Auch das verdankte er seiner Liebe!

Er hatte heute ganz in aller Frühe aufstehen und an der „Eos“ malen müssen, es hatte ihm keine Ruhe gelassen, Luft und Gewölk waren ihm herrlich gelungen, er hatte sich nur schwer losgerissen, um von der halb untermalten Göttin zu ihrem Urbild zu kommen. Langsam, Schritt für Schritt, ging er nun durch den blühenden Garten, der voll von geschäftig summenden Bienen und leichtsinnig umhergaukelnden Schmetterlingen war.

(Fortsetzung folgt.)
[796]

Reinhold Begas.

Begasscher Garten mit Ateliergebäude.

Bis gegen das Ende der sechziger Jahre war das „Karlsbad“ eine der stillsten, ländlichsten und anmuthigsten Straßen Berlins, eine Sackgasse, die sich an der Südseite der Potsdamerstraße, nahe hinter der Brücke über den Kanal, öffnete und an ihrem südlichen Ende durch einen Bretterzaun, welcher eine Wiese umhegte, abgeschlossen war. Ihr Damm war ein ungepflasterter, ja nicht einmal chaussierter breiter Weg, der sich, ohne Trottoirs auf den Seiten, zwischen meist nur ein- oder zweistöckigen, mitten in Gärten liegenden Landhäusern und bescheidenen Villen dahinzog. Ihren Namen hatte diese merkwürdige Straße ursprünglich von einer großen Badeanstalt, die sich an ihrem Eingang links an der Ecke der Potsdamerstraße in einem weiten Garten befand, erst in den fünfziger Jahren den Gebäuden des Restaurants Mielang gewichen ist und nach dem Begründer oder zu Ehren des Prinzen Karl so genannt wurde. Die Gärten der Häuser an der Ostseite erstreckten sich bis zum Ufer des alten Landwehrgrabens, welcher 1848 in den jetzigen Schiffahrtskanal verwandelt wurde, und an der Westseite bis weithin zur „Lützower Wegstraße“, die heute den Namen Lützowstraße führt. Nur zwei Häuser in der östlichen Reihe nahe dem Ende der Straße ragten hoch über die andern ländlichen niedrigen Baulichkeiten empor. Das eine von ihnen schaute aus einem fast waldartigen Park hervor, der es auf allen Seiten umgab und mit seinen hohen dichten Laubbäumen umschattete: ein seltsamer Bau in mittelalterlichem Burgcharakter, welcher durch Lage, Erscheinung und Einrichtung die Geistesart und künstlerische Gesinnung seines Erbauers und Bewohners, eines echten Romantikers, des Baumeisters Stier, jedem, der sehen und urtheilen konnte, sofort verrieth. Im Volksmunde führte dies im Frühling von Pirol-, Finken- und Nachtigallengesang umtönte Haus den Namen die „Stierburg“. Unmittelbar an die Südseite seines Parkes grenzte der weite, wohl gehaltene Frucht-, Blumen- und Gemüsegarten, in dessen Mitte sich das andere der beiden einzigen „hohen Häuser“ der Straße „Auf dem Karlsbade“ erhob. Seine ganze Erscheinung trug einen nicht minder eigenartigen persönlichen Stempel als jene Nachbarburg. Das mächtige obere Stockwerk zeigte in seiner Nord- und Ostwand kolossale Atelierfenster. Man sah, daß es von einem Maler bewohnt und für dessen Zwecke nach seinem eigenen Plan erbaut worden war.

Dieser Erbauer, Eigenthümer und Bewohner war der berühmte Maler Professor Karl Begas. In den dreißiger Jahren hatte er, der damals vor allen andern Berliner Malern gefeierte Meister, sich dies Haus hier in der weltverborgenen, stadtfernen, ländlichen Einsamkeit und Stille gegründet. Es wurde zur Stätte zugleich der rüstigsten, freudigsten, unermüdlichsten, künstlerisch-schöpferischen Arbeit und des beglücktesten Familienlebens. Die junge Hausfrau, ein wahrhaft idealer Mustertypus edler, blonder, blauäugiger, gesunder germanischer Weiblichkeit, welche hohe reiche Geistes- und Herzensbildung, glückliche musikalische Begabung und häuslichen Sinn in sich vereinigte, schenkte dem geliebten Gatten, in dessen braunäugigem, dunkellockigem, bräunlich blassem Antlitz und seiner Gestalt sich der spanische Ursprung seiner aus Belgien in die Rheinlande eingewanderten Familie nicht verleugnete, sechs Söhne und zwei Töchter. Die letzteren schienen, wie man im Volk zu sagen pflegte, „zu schön für diese Welt“ und starben im blühenden Mädchenalter dahin; die Söhne aber wuchsen in Haus und Garten in voller Freiheit auf. Der eigene wie jeder der benachbarten Gärten, die ganze vom geschäftigen Verkehr abgeschiedene Straße und die angrenzenden Wiesen wurden die weiten Tummelplätze, auf denen sie sich nach Herzenslust austoben konnten. Das Talent für die bildenden Künste und für die Musik war ihnen allen von den gütigen Feen mit in die Wiege gelegt worden. Jenes entwickelte sich gleichsam von selbst und spielend weiter in des Vaters Werkstatt und in der steten Berührung mit allem, was im damaligen Berlin an hervorragenden Künstlern lebte und wirkte, wie mit den zahlreichen jungen Schülern des väterlichen Ateliers.

Am 15. Juli 1831 war der vierte dieser Söhne geboren worden. Bei seiner Taufe hatten die drei ersten Bildhauer des damaligen Berlin, Gottfried Schadow, Christian Rauch und L. Wichmann, die Pathenstellen übernommen. Ihr Segen hat sich wundermächtig an dem Kinde erwiesen. Es empfing den Namen Reinhold. Ueber seine Bestimmung, seinen Beruf konnte schon in seinem sechsten oder siebenten Jahr kaum noch ein Zweifel aufkommen. Was die schönen großen blauen Knabenaugen draußen in der Wirklichkeit sahen, suchten die kleinen Hände in Thon nachzukneten, und die Pferdchen und Männer, die sie daraus formten, erregten gerechte Verwunderung. Bei seinem älteren Bruder Oskar hatte sich eben so frühe schon das Talent zur Malerei geoffenbart. Mit 15 Jahren besuchte Reinhold die Berliner Akademie, arbeitete in Wichmanns und in Rauchs Werkstatt; in letzterer allerdings nur kurze Zeit. Bald trag er mit seinem ersten selbständigen Werk hervor: der Gruppe Hagar mit dem verschmachtenden Ismael, einem Werk, an dessen Durchführung lebhaftes Naturgefühl und feines Verständniß der lebendigen Form sich erfreulich geltend machten. Der Auftrag zur Ausführung einer zweiten Gruppe idealen Charakters – Psyche mit der Lampe in der erhobenen Hand, sich über den schlummernden Amor beugend – führte Begas 1855 nach Rom. Dort in der ungehemmten Freiheit des Lebens, unter dem Eindruck der gewaltigen Werke der Vergangenheit entfaltete sich sein großes Talent bald [797] zur reichen Blüthe. Als er 1858 nach Berlin zurückkehrte, brachte er das Gipsmodell der lebensgroßen Gruppe „Pan tröstet die verlassene Psyche“ mit, welches auf der akademischen Kunstausstellung jenes Jahres einen Eindruck hervorrief und eine Bewunderung erweckte, wie es plastischen Werken auf unsern Ausstellungen nur ganz ausnahmsweise zu gelingen pflegt. Diese frische naive Hingebung an die Natur, diese Freiheit vom Zwange der herrschenden Schultradition, dieses Streben nach lebendiger Wahrheit, das sich hier mit so edlem Schönheitssinn verband und sich einer so außerordentlichen Kraft der bildnerischen Darstellung gesellte, war man von den Schöpfungen der Rauchschen Schule nicht gewöhnt.

Diese Gruppe und eine gleichzeitig ausgestellte vorzügliche Bronzebüste des Generals v. Peucker machten Begas freilich zum berühmten Künstler. Aber auf die realen Früchte dieses Ruhmes hatte er noch ziemlich lange Zeit in Geduld zu harren. Die Ausführung jener vielbewunderten Pan-Gruppe in dauerndem Material wurde erst sehr viel später bestellt. Der einzige Auftrag, den er empfing, war der zu einer kolossalen dekorativen Sandsteingruppe, welche die Mitte des Hauptgesimses am neuen Börsengebäude zu Berlin in der Burgstraße schmücken sollte: Borussia als Schützerin des Handels und der Industrie.

Mit der Kühnheit und Mächtigkeit seiner Komposition und Formengebung, welche an die der Meister des Barockstils erinnerte, erschreckte er die damaligen tonangebenden Kunstautoritäten Berlins, und sie riefen Wehe über ihn, welcher sich solcher Sünden gegen das „edle Maß“ und gegen den „reinen Stil“ schuldig machte.

Der Schloßbrunnen in Berlin.
Nach einer Zeichnung von C. Bernewitz.

Eine 1860 ausgestellte Gruppe „Faunenfamilie“ konnte diese Wächter des Stils und der Formenstrenge in ihrer eifervollen Gegnerschaft gegen Begas nur bestärken. Aber gerade damals erging an ihn ein Ruf des kunstsinnigen Großherzogs von Sachsen-Weimar, das Lehramt der Bildhauerei an der neu gegründeten Kunstschule zu übernehmen. Der nächste Freund aus Begas’ römischer Studienzeit, Arnold Böcklin, war bereits der gleichen Einladung gefolgt. Jener nahm die ehrenvolle Berufung an und siedelte im Frühling 1861 nach Weimar über.

Dort führte er die große Modellskizze eines Denkmals für König Friedrich Wilhelm III. aus, womit er sich an dem Wettbewerb um das in Köln zu errichtende Monument betheiligte; und dort auch die Skizze für das Denkmal, welches Schiller in Berlin auf dem Platz vor dem Schauspielhause gesetzt werden sollte. In der Konkurrenz um das Kölner Denkmal erwarb sich Begas wohl den ersten Preis. Aber den Auftrag, seine Skizze auszuführen, empfing er nicht. Die eines unterlegenen Mitbewerbers, des Rheinländers und Rauchschülers Gustav Bläser, erhielt den Vorzug.

Die Skizze für das Berliner Schillerdenkmal fand ebenso begeisterte Bewunderer als heftige Bekämpfer. Der erste Preis wurde zwischen ihm und Siemering getheilt. Mit diesem hatte er noch einmal in den engeren Wettbewerb einzutreten, und als er auch aus diesem als Sieger hervorging, mußte er sich die Forderung gründlicher Abweichungen von seinem Entwurf, die Ueberwachung der Ausführung durch eine dafür eingesetzte Kommission gefallen lassen. In der Gestaltung des Fußgestells mit seinen herrlichen grandiosen vier Musengestalten, der lyrischen Poesie, der Tragödie, der Geschichte und Philosophie, kehrte er zwar trotzdem zu der ursprünglichen Komposition zurück und besiegte durch die Schönheit derselben schließlich auch seine Gegner. Die Statue des Dichters selbst aber ist – das muß man bei aller Hochschätzung und Bewunderung seiner Kunst doch zugeben – nicht in gleichem Maße gelungen.

Nach dem Aufgeben seiner Stellung in Weimar siedelte Begas 1863 wieder in seine Heimathstadt Berlin über, um daselbst die Vorarbeiten zu seinem Schillerdenkmal in Angriff zu nehmen.

Im Januar des Jahres 1864 verheirathete er sich mit einem blutjungen Mädchen von hoher Anmuth und zog mit seiner jungen Gemahlin dann wieder zu mehrjährigem Aufenthalt nach Italien.

Diese Frau ist später durch ihren Geist und ihre glänzende Schönheit zu einer der bezauberndsten, gefeiertsten Damen der [798] Berliner Gesellschaft geworden, in deren gastlichem Hause die ersten geistigen Größen unserer Zeit, Staatsmänner, Gelehrte, Meister aller Künste, als Freunde verkehrten, Kaiser und Kaiserin Friedrich in den Zeiten ihres ungetrübten Glücks und ihr Sohn und Erbe, der heutige deutsche Kaiser, wiederholt als Gäste erschienen.

Aus Rom sandte Begas wieder eine neue plastische Schöpfung, welche bei ihrer Ausstellung in Berlin einen stürmischeren Meinungskampf als jedes seiner bisherigen Werke erregte: die Gruppe der Venus, die den von der Biene in den Arm gestochenen Amor mütterlich zärtlich tröstet, ein Bildwerk in fast Rubensschem Stil voll warm pulsierenden Lebens in den prangenden Gestalten der schönen Göttin und des neben ihr stehenden Flügelbübchens.

Nach Berlin Anfang 1866 zurückgekehrt, erhaute sich Begas auf einem von ihm angekauften Grundstück am südlichen Saum des westlichen Thiergartentheils eine große Werkstatt, wie er sie für die Ausführung der Modelle seines Schillerdenkmals bedurfte. Einige Jahre später errichtete er unmittelbar daneben an der Westseite des großen Vorgartens ein Wohnhaus nach eigenem Geschmacke für sich und seine Familie, an welchem heute die „Stülerstraße“ vorüberführt. Der nur aus einem Keller- und Erdgeschoß und erstem Stockwerk bestehende einfache Bau mit einem Balkon, der die Veranda an seiner Gartenseite beschattet, erregt die Aufmerksamkeit jedes Vorübergehenden durch einen ganz eigenartigen reizenden künstlerischen Schmuck: einen Relieffries, welcher sich über die Straßenfront hinzieht und an der dem Garten zugekehrten Seite des Hauses fortsetzt. Der Hausherr selbst hat ihn modelliert.

Kleine nackte Buben von köstlich naiver Naturwahrheit in den Formen und Bewegungen sieht man dort alle Lieblingsbeschäftigungen des Meisters ausüben und seinen eigenen Passionen sich hingeben: Modellieren, Meißeln, Zeichnen und Malen, Musizieren, Jagen, Fischen etc.

Der ganze Relieffries gehört zu seinen liebenswürdigsten und sinnigsten Schöpfungen.

In dieser Werkstatt an der Stülerstraße sind Bildwerke der mannigfachsten Art und Größe, Erzeugnisse großer, schöpferischer Kraft in stattlicher Zahl entstanden.

Der Sarkophag Kaiser Friedrichs.

Während der Arbeit an der Modell- und der Marmorausführung des Schillerdenkmals bildete er die kleine Gruppe des Pan, welcher ein nacktes Bübchen auf seinem Schoß die Flöte blasen lehrt; ferner die nackte weibliche Gestalt, welche sich seitlich herabbeugend das Bein nach dem Bade trocknet, die junge Mutter, welche ihr nacktes Kind glückselig auf den Händen emporhält, die beiden Medaillonreliefs: Venus, ihrem Knaben die Tauben ihres Gespanns hinhaltend, und Ganymed, einen Amoretten tränkend, das große Halbrundrelief, Tanz und Musik durch Gruppen von Idealgestalten darstellend. Nach der Vollendung des Schillerdenkmals, welches dann auf seinem Platz vor dem Schauspielhause noch so manches Jahr in seinem Bretterhause der Enthüllung entgegen zu harren hatte, setzte sich diese bildnerische Thätigkeit in immer großartigerer Ausdehnung fort.

Begas sah sich in der glücklichen Lage, nicht erst Aufträge abwarten zu müssen, wenn es ihm auch nie an bedeutenden öffentlichen und privaten Bestellungen fehlte. Seine Hauptwerke waren und sind doch immer diejenigen, zu welchen ihn die eigene freie Phantasie anspornte. Zu diesen zählen vor allem die wunderschöne Gestalt der sitzenden nackten, sich erschreckt den Rücken verhüllenden Frau; dann Psyche, von Merkur getragen, der sich zum Fluge aufschwingen will (in Marmor ausgeführt in der Nationalgalerie); der Raub einer leidenschaftlich sich sträubenden Sabinerin durch einen römischen Krieger; die Nymphe, welche der zärtliche Centaur auf seinen Rücken hebt, indem er die eine Hand zum Steigbügel für ihren Fuß macht; die große Kandelabergruppe, welche die Entstehung des elektrischen Funkens im heißen Kusse einer schwebenden Tochter der Luft und eines erdgeborenen, vom Boden zu ihr aufstrebenden heroischen Jünglings versinnlicht; vor allem das Modell des vielgenannten kolossalen Schloßbrunnens, dessen Erzguß die Stadt Berlin Kaiser Wilhelm II. als Ehrengabe der Bürgerschaft dargeboten hat, und der, dem kaiserlichen Wunsche entsprechend, in der Mitte des Schloßplatzes errichtet worden ist.

Dieser Schloßbrunnen ist eine gewaltige Komposition. Auf hohem Felsensitz, der sich aus weitem Bassin erhebt, thront die bärtige nackte Riesengestalt des Meerbeherrschers, von Putten umklettert. Vier See-Centauren mit fischförmigen Hinterleibern, Gestalten von grandios phantastischer Bildung, bäumen sich, große Muschelbecken über ihren zottigen glotzäugigen Häuptern tragend, an den Ecken dieses Felsenthrones aus dem Wasser des Beckens empor. Nackte Putten entleeren herbeigetragene Urnen in diese Muschelschalen, über deren zackige Ränder das Wasser zum großen Bassin herabströmt. Andere Putten fliehen angstvoll am Felsen hinauf vor den riesigen Hummern und Polypen, welche herankriechen und Scheren und Fangarme nach ihnen ausstrecken, während in weiterer Entfernung Schlange, Seehund, Schildkröte und Krokodil auftauchen und sich hoch aus dem Wasser recken. Auf der vierpaßförmigen Schranke aber, welche das große untere Becken umgiebt, lagern in gleichen Abständen voneinander vier herrliche Nymphengestalten, die Sinnbilder der vier Hauptströme Preußens, auf ihre Urnen gestützt. Der Brunnen ist am 1. November feierlich enthüllt worden.

Von den für öffentliche Bestimmungen von Begas ausgeführten Werken nennen wir die folgenden: die beiden Gruppen von je einem mächtigen Stier, der von einem kraftvollen Mann, Hirt oder Metzger, geleitet wird, auf den Portalpfeilern des Vieh- und Schlachthofes zu Budapest; die weniger als seine andern Bildwerke befriedigende Marmorstatue Alexanders von Humboldt mit ihrem Postament vor der Berliner Universität; die schöne stolze und üppige symbolische Frauengestalt „der Reichthum“ für den Sitzungssaal der deutschen Reichsbank; die beiden sitzenden römischen Krieger für die untern Geländerpfosten der Marmortreppe im Lichthofe des Berliner Zeughauses; ebendort die symbolischen Flachreliefs an der Treppenwand, Armee und Marine versinnlichend; die Marmorstatuen der „Stärke“ und der „Weisheit“ oben in der Feldherrnhalle desselben Gebäudes und die prächtige, in schwungvoll bewegter Haltung dastehende marmorne Riesenstatue der behelmten, auf das Schwert gestützten Borussia in der Mitte des Zeughauslichthofes; den Sarkophag Kaiser Friedrichs III. für dessen Mausoleum mit der im Todesschlaf zurückgesunkenen, mit dem Herrschermantel überbreiteten, rührenden und doch so majestätischen Gestalt des edlen Dulders.

Unter den Arbeiten unseres Künstlers ist auch noch die lange Reihe der Bildnißbüsten zu erwähnen. In der Ausführung dieser Art von Aufgaben bewies Begas jederzeit eine erstaunliche Begabung für die Erfassung der Individualität, der geistigen Persönlichkeit und für die lebendige Darstellung des Abglanzes [799] in den Formen, den Zügen, dem Blick des Antlitzes. Büsten wie die von ihm modellierten und gemeißelten der früh verstorbenen schönen Gattin Hans Hopfens, des Kaisers Wilhelm I., des Kaisers Friedrich als deutscher Kronprinz, der Gemahlin desselben, der Erbprinzessin Charlotte von Meiningen, des Fürsten Bismarck, des Grafen Moltke, der Fürstin Radziwill und manche andere noch reihen sich würdig den schönsten und kunstvollendetsten Meisterwerken an, die auf dem Gebiete der Bildnißskulptur geschaffen worden sind.

Die mächtigen Wirkungen des Beispiels, welches Begas in seinen Hauptschöpfungen gegeben hat, machen sich in der deutschen Bildhauerkunst der letzten zwanzig Jahre fühlbar. Die starke Betonung des Malerischen in der Plastik und das rückhaltlose Streben nach Naturwahrheit und Lebendigkeit der Formen, der Bewegung und der Oberflächen – beides ist durch ihn in unsere moderne Skulptur gekommen. Wenn ihr dadurch die Gefahr einer gewissen Verwilderung des plastischen Stils, der Ausartung ins Naturalistische nahe gebracht ist, so ist andererseits der Gewinn dieser Neubelebung und Auffrischung der im Konventionellen bereits halb erstarrten Kunst so groß und offenbar, daß der Nachtheil jener[WS 1] möglichen Folgen dadurch reichlich aufgewogen wird.

Seit 1876 ist Begas an die Spitze eines Meisterateliers an der Hochschule der bildenden Künste zu Berlin berufen. Er ist Mitglied des Senats der Akademie und mit der höchsten Auszeichnung, welche das künstlerische und wissenschaftliche Verdienst in Preußen belohnt, dem Orden der Friedensklasse des pour le mérite geschmückt. – Seine reiche Begabung ist durchaus nicht einseitig auf die plastische Kunst beschränkt. Er hat von seinem malerischen und architekonischen Talent und Können glänzende Proben gegeben. Er ist ein vortrefflicher Cellospieler und ein Meister in allen körperlichen Uebungen, ein leidenschaftlicher Jäger, der beste Schütze und beschämt durch seine Virtuosität und Ausdauer als Schlittschuhläufer noch heute als sechzigjähriger Mann die flottesten Meister dieses edlen Sports. Wer die fast sechs Fuß hohe schlanke, mit eigenthümlich freier, künstlerischer Eleganz gekleidete Gestalt, welche den prächtigen bärtigen Kopf trägt, jugendlichen Schwunges über die schimmernde Eisfläche dahingleiten und auf stählernen Sohlen vielverschlungene Kreise ziehen sieht, wird es kaum glauben, daß dieser „Meisterläufer“ der ruhmgekrönte Schöpfer einer so langen Reihe gewaltiger Werke, der Bahnbrecher der neuen deutschen Bildhauerkunst sei. Ludwig Pietsch.     




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Der höhere Standpunkt.

Von E. Werner.

     (1. Fortsetzung.)

Dora Herwig war ein muthiges, entschlossenes Mädchen. Wohl stand sie eine Minute lang starr vor Entsetzen bei dem Unglück, das sich so unmittelbar unter ihren Augen zutrug, dann aber hielt sie sich nicht mit nutzlosen Angst- und Schreckensrufen auf, sondern setzte ihren Bergstock ein und begann den Weg, den sie eben zurückgelegt hatte, so rasch wie möglich wieder abwärts zu steigen. Nach ihrem Begleiter sah sie sich dabei gar nicht um, denn von ihm erwartete sie keine Hilfe. Aber da hemmte ein höchst unerwarteter Anblick ihre Schritte.

An ihr vorüber sauste Professor Normann auf demselben steilen Felspfade, den er vorhin als halsbrechend bezeichnet hatte und der dem armen Friedel so verhängnißvoll geworden war. Der Weg war natürlich beim Abstieg noch weit gefährlicher als beim Emporklimmen, besonders wenn man diesen Abstieg in so tollkühner Weise unternahm wie der Professor. Er sprang, kletterte, rutschte, wie es gerade kam, als ginge es auf Tod und Leben, und verschwand gleichfalls vor den Augen des jungen Mädchens in der Tiefe.

Als Dora endlich athemlos unten anlangte und nach dem Gestürzten spähte, sah sie, daß ihre schlimmste Befürchtung sich nicht bestätigte. Friedel war nicht in die eigentliche Tiefe gestürzt, sondern lag auf dem Wege selbst. Nur wenige Schritt seitwärts und der Abgrund hätte ihn zerschmettert aufgenommen, aber auch jetzt war der Anblick bedenklich genug. Der Knabe lag totenbleich und regungslos da, während von seiner Stirn das Blut niederrieselte und der Professor sich mit hastigen, ungeschickten Hilfeleistungen um ihn bemühte.

„Ich glaube, der Junge ist todt,“ sagte er in einem eigenthümlich dumpfen Tone.

„So ziehen Sie ihn doch vor allen Dingen seitwärts,“ rief Dora heftig. „Er liegt ja dicht am Abhang und kann bei der ersten Bewegung von neuem stürzen.“

Normann gehorchte. Er hob den Knaben auf und trug ihn seitwärts, dann stand er stumm da und blickte auf ihn nieder.

Er hatte in dem Kleinen bisher nur den Diener gesehen, der regelmäßig und geräuschlos die gewohnten Dienste verrichtete und ihm bequem war, weil er ihn nicht in der Arbeit störte, und jetzt lag ein blutendes Kind vor ihm, leblos, mit geschlossenen Augen und dem scharf und deutlich ausgeprägten Leidenszug in dem blassen Gesichtchen. Das war ihm ganz neu. Er sah mit einer Art von hilfloser Bestürzung seine junge Begleiterin an, die ihm zurief:

„So, nun geben Sie Ihre Feldflasche her! Wir wollen versuchen, ihm Wein einzuflößen, oder ihm wenigstens die Schläfe damit reiben. Legen Sie ihm den Plaid unter den Kopf – so! Vielleicht ist er nur ohnmächtig vom Sturze.“

Sie kniete nieder und suchte mit ihrem Taschentuche das reichlich hervorquellende Blut zu stillen; auch der Professor zog das seinige hervor, aber er hatte wahrscheinlich noch niemals in seinem Leben jemand solchen Beistand geleistet, denn er benahm sich dabei in der ungeschicktesten Weise. Zunächst goß er die Hälfte seiner bis an den Rand mit Wein gefüllten Feldflasche über den Bewußtlosen aus, und als das nicht helfen wollte, faßte er ihn bei den Schultern und begann ihn derb zu schütteln, wobei er in halb angstvoller, halb zorniger Weise seinen Namen rief. Dora wollte unwillig auffahren, aber diese merkwürdige Behandlung hatte trotz alledem Erfolg. Friedel machte eine matte Bewegung und schlug gleich darauf die Augen auf.

Er versuchte zu lächeln, als er das Fräulein erkannte, und griff mit der Hand nach der blutenden Stirn.

„Bleib ruhig, Friedel,“ ermahnte das junge Mädchen. „Rühre Dich einstweilen nicht! Schmerzt es sehr?“ Damit warf sie ihr eigenes blutgetränktes Taschentuch bei Seite und ergriff das des Professors, mit dem sie einen nothdürftigen Verband herstellte.

„Ich weiß nicht,“ sagte Friedel matt. „Es blutet ja – ich bin wohl gestürzt?“

„Natürlich!“ rief Normann, der seine bedeutende innere Erleichterung sofort wieder mit Barschheit verdeckte. „Kopfüber bist Du die Felswand heruntergeschossen und wir haben nachklettern müssen.“

„Ich konnte wirklich nichts dafür,“ entschuldigte sich Friedel, „der Stein brach los und die Tasche –“

„Ungeschickt bist Du gewesen!“ fuhr ihn der Professor an, gab jedoch dabei der seitwärts liegenden Tasche einen nachdrücklichen Fußtritt; plötzlich aber hob er ohne weiteres den Knaben empor und stellte ihn auf die Beine.

„Kannst Du stehen? Jetzt hebe einmal den Arm! Nun, gebrochen wenigstens ist nichts und das Loch im Kopfe wird auch heilen. – Da wird er schon wieder ohnmächtig! Solch ein Jammerwesen!“

Er fing den Sinkenden noch rechtzeitig auf und legte ihn nieder. Jetzt aber schritt Dora ein und verbat sich nachdrücklich diese Behandlung.

„Ueberlassen Sie mir den Friedel,“ sagte sie in gereiztem Tone, „Ihre sogenannten Hilfeleistungen sind ja schlimmer als der Sturz vom Felsen. Haben Sie wenigstens die Güte, nach der Alm vorauszugehen und ein paar Leute herzusenden, die den armen Jungen tragen, denn daß er nicht gehen kann, sehen Sie doch hoffentlich ein.“

Normann blickte auf den Knaben nieder, der sich unter Doras Bemühungen schon nach wenigen Minuten wieder erholte, und schüttelte unwirsch den Kopf.

„Damit er noch dazu den Sonnenstich bekommt,“ brummte er. „Hier in der Nähe ist ja nirgends ein Schattenplatz zu finden,

[800]

Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.
Damenkapelle.
Nach dem Gemälde von E. Spitzer.

[801] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [802] und ehe jemand von der Alm kommt, vergeht eine Stunde – da trage ich ihn lieber selbst.“

Dora sah ihn in wortlosem Erstaunen an. Es war freilich das Beste, wenn der kaum nothdürftig verbundene Knabe sobald als möglich nach der Alm geschafft wurde, wo man ihm die nöthige Hilfe leisten konnte, daß aber Professor Normann sich selbst dazu erbot, erschien ihr doch sehr sonderbar. Dieser wartete übrigens gar nicht ihre Antwort ab, sondern hob den Knaben von neuem empor; die empfangene Zurechtweisung schien indessen doch gefruchtet zu haben, denn es war eine merkwürdig schonende und vorsichtige Bewegung, mit der er ihn in die Arme nahm, während seine Stimme schon wieder sehr befehlshaberisch klang.

„Jetzt legst Du den Kopf an meine Schulter und rührst Dich nicht – so! Und nun kannst Du zum dritten Male ohnmächtig werden, wenn es Dir Vergnügen macht!“

Er trat mit dem Knaben in den Armen den Rückweg an, während Dora folgte. Die schmächtige Gestalt Friedels war keine schwere Last, aber auf dem steilen, schattenlosen Bergwege, auf welchen die Sonne in voller Mittagsgluth niederbrannte, machte sie sich doch sehr fühlbar, zumal für den Herrn Professor, der nicht gewohnt war, irgend etwas zu tragen. Jetzt keuchte er und verlor den Athem, jetzt rann ihm der Schweiß in Strömen von der Stirn. Er ging zwar unverdrossen weiter, aber sie wurde ihm doch blutsauer, diese erste Leistung im Dienste der „sogenannten Menschenliebe“.




Die Wohnung des Professors Herwig in Schlehdorf war ziemlich einfach, wie man es in dem kleinen Bergorte nicht anders erwarten konnte, und ließ manche der gewohnten Bequemlichkeiten vermissen, aber das Häuschen war freundlich und sauber und hatte die volle Aussicht auf das Gebirge. Ein kleiner Garten trennte es von dem Nebenhause, wo sich Professor Normann angesiedelt hatte, und selbstverständlich verkehrte man bei der nahen Nachbarschaft täglich miteinander.

In dem großen, zu ebener Erde gelegenen Zimmer, das Herwig bewohnte, saßen die beiden Herren in angelegentlichem Gespräche und hatten sich so darin vertieft, daß sie weder den schönen Sonnenuntergang noch den Gesang beachteten, der durch das offene Fenster hereindrang. Draußen in der Laube saß Dora und bemühte sich, dem Friedel einige Lieder beizubringen. Er schien auch ein gelehriger Schüler zu sein, denn er sang mit schwacher, aber vollkommen reiner Stimme die Melodie nach, die er schnell begriff.

„Wie ich Ihnen sage,“ schloß Herwig soeben eine längere Auseinandersetzung. „Professor Welten geht im nächsten Frühjahr nach Wien; die Verhandlungen schweben augenblicklich noch, aber er wird jedenfalls annehmen. Ich weiß aus bester Quelle, daß man Sie sehr gern für unsere Universität gewinnen möchte, allein Sie hatten ja bisher eine entschiedene Abneigung gegen jede umfangreichere Lehrthätigkeit und wollten sich nicht binden.“

„Ja – bisher!“ sagte Normann mit einer gewissen Verlegenheit, die seinem Kollegen aber vollständig entging, denn dieser fuhr lebhaft fort:

„Ich hoffe, Sie nun endlich umgestimmt zu haben. Glauben Sie mir, es ist doch ein erhebendes Wirken vom Lehrstuhl aus, und wir brauchen eine jüngere, tüchtige Kraft, wenn Welten uns verläßt. Ich zweifelte nur bisher, ob Sie eine etwaige Berufung annehmen würden, denn – der Gesang da draußen stört Sie wohl? Dora hätte sich auch einen anderen Platz dazu aussuchen können! Wir wollen das Fenster schließen.“

Er machte eine Bewegung nach dem Fenster hin, denn er hatte bemerkt, daß Normann, anstatt auf ihn zu hören, unausgesetzt dorthin blickte. Aber wie ein Stoßvogel schoß der Professor herbei und stellte sich davor.

„Wozu denn? Ich höre gar nicht darauf – es ist doch etwas heiß im Zimmer!“

„Nun, wie Sie wollen,“ sagte Herwig. „Was also unser Heidelberg betrifft, so sind Ihnen die akademischen Verhältnisse ja hinreichend bekannt, die gesellschaftlichen Kreise sind sehr angenehm und die schöne Lage der Stadt kommt doch auch in Betracht bei einer etwaigen Uebersiedlung.“

„Ich gehe nie in Gesellschaft,“ erklärte Normann in seiner gewohnten Schroffheit. „Und aus der Lage mache ich mir gar nichts. Sie wissen ja, ich bin nicht angelegt für Landschaften.“

„Ja, das weiß ich und habe es auch aufgegeben, Sie zu bekehren – aber Dora, was soll denn das? Hören Sie nur, das übermüthige Mädchen hat jedenfalls Ihre letzten Worte gehört und macht sich lustig über Sie!“

Dora hatte in der That ein angefangenes Lied mitten drin abgebrochen und urplötzlich ein anderes angestimmt. Sie besaß eine etwas verschleierte, aber liebliche Stimme, und durch die Abendstille ringsum klang es weich und lockend:

„Alt Heidelberg, Du feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine
Kein’ andre kommt Dir gleich.“

Bei der zweiten Strophe fiel Friedel ein, noch etwas schüchtern und unsicher, aber die Melodie wurde ihm schnell geläufig und den dritten Vers sang er tapfer mit.

„Ja, Fräulein Dora scheint förmlich etwas darin zu suchen, mir bei jeder Gelegenheit einen Possen zu spielen,“ sagte Normann in grollendem Tone. „Den Friedel hat sie mir überhaupt fortgenommen und thut, als wäre er ihr ausschließliches Eigenthum. Ich bekomme den Jungen gar nicht mehr zu Gesicht! Und jetzt lehrt sie ihn gar singen – singen, weil sie weiß, daß ich das nicht leiden kann. Aber gnade ihm Gott, wenn er sich einfallen läßt, bei mir zu singen!“

Indessen stand der Herr Professor trotz aller Entrüstung unverrückbar am Fenster, um den ihm bereiteten Aerger recht gründlich zu genießen.

Herwig gerieth in einige Verlegenheit, denn die Beschwerde war wirklich nicht ganz unbegründet. Dora stand mit seinem Kollegen nun einmal auf dem Kriegsfuße und ließ sich durchaus nicht zu der schuldigen Ehrfurcht bewegen. Selbst der Vater richtete mit seinen Ermahnungen nichts aus, und auch jetzt zuckte er nur die Achseln.

„Sie müssen Nachsicht mit dem Uebermuth haben. Ich gebe ja zu, daß meine Tochter etwas verzogen und eigenwillig ist. Sie hat früh die Mutter verloren und weiß nur zu gut, daß sie die erste Stelle im Herzen und im Hause des Vaters einnimmt, wo sie die Hausfrau vertritt. In der Gesellschaft wird sie nun vollends verwöhnt, die Studenten machen ihr eifrig den Hof und die jüngeren Docenten thun das auch, zum Theil wohl mit ernsteren Absichten. Da bildet sich solch ein junges Ding ein, es dürfe mit aller Welt spielen, und vergißt bisweilen, was es einem Manne von Ihren Jahren und Ihrer Bedeutung schuldig ist.“

Die gutgemeinte Entschuldigung hatte nicht die beabsichtigte Wirkung. Herr Professor Normann verzog den Mund, als gäbe mab ihm etwas sehr Bitteres zu kosten.

„Von meinen Jahren?“ wiederholte er gedehnt. „Für wie alt halten Sie mich denn eigentlich?“

„Ich denke, Sie werden in der Mitte der Vierzig stehen.“

„Bitte, ich bin erst neununddreißig!“

„Nun, nehmen Sie es mir nicht übel,“ lachte Herwig. „Sie sehen wirklich älter aus. Aber das darf Ihnen gleichgültig sein, in der Wissenschaft zählen Sie unbedingt noch zu den Jüngeren.“

Das Gespräch wurde hier unterbrochen; die Hauswirthin trat ein und berichtete, der Kutscher, der den Herrn Professor und das Fräulein morgen nach der Bahn bringen solle, sei da und möchte wegen der Abfahrtszeit und des Gepäckes noch mit den Herrschaften reden.

„Ich werde wohl selbst mit dem Manne sprechen müssen,“ meinte Herwig, indem er aufstand. „Wir sehen uns ja noch vor der Abreise, lieber Kollege, Sie werden froh sein, wenn Sie die unruhige Nachbarschaft endlich los sind!“

Der Herr Kollege war so unhöflich, nicht zu widersprechen, aber er sah nicht gerade besonders froh aus, als er sich gleichfalls erhob und das Zimmer verließ; er schien im Gegentheil recht übler Laune zu sein, trotzdem die ersehnte Ruhe und Stille nun in sicherer Aussicht stand.

Draußen in der Laube saß Dora und ordnete ihre Skizzen und Zeichnungen, die während des Aufenthaltes in Schlehdorf entstanden waren und nun eingepackt werden sollten. Es waren einige Landschaften in Wasserfarben und einige Studienköpfe darunter, und die sämmtlichen Arbeiten verriethen zwar keine hervorragende künstlerische Begabung, aber doch ein hübsches, frisches Talent.

[803] Friedel legte die einzelnen Blätter in die Mappe und verschlang sie dabei fast mit den Augen. Er trug noch eine breite, frische Narbe auf der Stirn, ein Erinnerungszeichen an jenen Sturz vom Felsen, sonst aber hatte er sich merkwürdig verändert in den letzten vier Wochen. Seine Haltung war freier und kräftiger, sein Aussehen frischer geworden, und statt der krankhaft bleichen Farbe zeigte sich bereits eine leise Röthe auf seinen Wangen. Die dunklen Ränder um seine Augen waren verschwunden, ebenso wie das Scheue, Gedrückte in seinem Wesen. Er trug auch nicht mehr die dürftige, abgetragene Kleidung, die er mitgebracht hatte, sondern einen nagelneuen Anzug, und die Joppe mit den grünen Aufschlägen und das Lodenhütchen standen ihm allerliebst, man sah es erst jetzt, daß der Friedel eigentlich ein sehr hübscher Junge war. Das arme, verkümmerte Stadtkind, das zum ersten Male die frische Bergesluft hatte athmen dürfen, zum ersten Male Freiheit und Freude kennengelernt hatte, war förmlich aufgeblüht bei dieser heilkräftigen Arznei.

In das muntere Geplauder, das Dora mit ihrem Schützling führte, kam der Herr Professor wie ein Ungewitter hineingefahren und störte die ganze Gemüthlichkeit.

„Hast Du denn ganz vergessen, daß es sieben Uhr ist?“ schalt er. „Deine Abendmilch sollst Du trinken, pünktlich soll sie getrunken werden! Da nahm ich den Jungen auf das unnütze Drängen des Doktors hin mit in die Berge, damit er ein menschliches Aussehen bekommen soll, und nun sitzt er da und guckt Bilder an, statt seine Milch zu trinken, um dann natürlich als das gleiche Jammerwesen nach Hause zurückzukehren. Auf der Stelle gehst Du nach dem Kuhstall!“

Dora hatte erstaunt zugehört. „Aber Herr Profestor,“ rief sie dann, „das klingt ja fast nach der dummen Menschenliebe, die Sie jüngst so furchtbar verurtheilt haben! – Geh nur, Friedel,“ fuhr sie fort, „ich werde schon allein fertig. Da nimm meinen Hut mit und trage ihn in das Haus!“

Der Knabe warf einen wehmüthigen Abschiedsblick auf die Zeichnungen, die er gar zu gern noch einmal angesehen hätte, aber er gehorchte, nahm den Hut – es war das Strohhütchen mit dem blauen Schleier, das Dora stets auf den Bergwanderungen getragen hatte – und trottete davon. Das junge Mädchen sah ihm nach und fragte dann den Professor:

„Finden Sie nicht, daß der Friedel sich merkwürdig erholt hat in den vier Wochen?“

„Das finde ich gar nicht merkwürdig,“ versetzte Normann. „Der Junge wird ja gepäppelt und verhätschelt und verwöhnt wie ein Prinz. Und einen neuen Anzug habe ich ihm auch kaufen müssen, der ein Heidengeld kostet!“

„Er sieht aber so hübsch darin aus! Uebrigens bat ich nur ganz bescheiden um ein neues Jäckchen, da kauften Sie den ganzen Anzug und noch dazu vom teuersten Stoff.“

„Weil ich mich schämte, daß der Junge in seinen Lumpen den ganzen Tag mit uns herumläuft. Sie nehmen ihn ja überall mit, es geht gar nicht mehr ohne ihn, und dabei trägt er höchstens Ihre Skizzenmappe, weil er sich beileibe nicht anstrengen soll. Ich muß mir meine Sachen selber tragen, ich werde überhaupt gar nicht mehr gefragt, eine förmliche Tyrannei wird über mich und den Knaben ausgeübt.“

„Friedel befindet sich aber sehr gut bei dieser Tyrannei,“ sagte Dora ruhig, „und Sie auch, Herr Professor.“

„Bitte, ich befinde mich sehr schlecht dabei, denn der Junge wird mir in Grund und Boden verdorben. Ich hatte ihn mir so schön angelernt. Er wagte früher in meinem Zimmer nicht den Mund aufzuthun, – jetzt schwatzt er nur so drauf los, fängt sogar an, aufzumucken. Bei jeder Gelegenheit bekomme ich zu hören: Fräulein Dora mag das aber nicht! Fräulein Dora will das aber so haben! Und dann thut er natürlich, was das gnädige Fräulein will, und kümmert sich den Kuckuck um mich und meine Befehle.“

„Ja, warum lassen Sie sich das gefallen?“ fragte Dora. „Ich thäte es eben nicht an Ihrer Stelle!“ Dabei nahm sie ihren Sonnenschirm von der Bank und lehnte ihn seitwärts an das Holzgitter.

„Ja, warum lasse ich mir das eigentlich gefallen?“ wiederholte Normann in hochgradiger Entrüstung und nahm schleunigst den leer gewordenen Platz auf der Bank ein. „Sie kümmern sich ja gar nicht um meinen Widerspruch.“

„Nein, und ich leide es auch nicht, daß der Friedel wieder zur Maschine gemacht wird wie früher. Was gedenken Sie denn eigentlich mit ihm anzufangen, wenn Sie wieder in der Stadt sind?“

„Die Stiefel soll er mir putzen!“ erklärte der Professor mit grimmigem Behagen. „Oder glauben Sie etwa, daß ich ihn so weiter verhätscheln werde wie Sie, mein Fräulein? Schwindsüchtig ist er nicht, nur verkümmert, hat der Arzt gesagt, er braucht nur Luft, Bewegung, kräftige Kost. Nun, die hat er jetzt, und wenn er dabei gesund wird, um so besser für ihn! Dann aber ist es zu Ende mit dem Herrenleben, dann muß er wieder Stiefel putzen, vom Morgen bis zum Abend.“

„Haben Sie denn eine so unendliche Menge Stiefel?“ rief das junge Mädchen und brach in ein helles Gelächter aus, das den Professor vollends zur Verzweiflung brachte.

„Lachen Sie nicht, Fräulein Dora,“ sagte er zornig. „Ich muß dringend bitten, daß Sie mich nicht auslachen, mich –“

„Den Professor Julius Normann, die Leuchte der Wissenschaft, die so viele Stiefel besitzt, daß man vom Morgen bis zum Abend daran zu putzen hat,“ ergänzte Dora und lachte, daß ihr die Thränen in die Augen traten. „Das möchte doch über die Kräfte des armen Friedel gehen, und ich wollte Ihnen auch ohnedies einen ganz anderen Vorschlag machen.“

„Soll der Junge etwa Opernsänger werden?“ fragte Normann boshaft. „Oder soll ich ihn studieren lassen, damit er dereinst auch eine Leuchte der Wissenschaft wird?“

„Das gerade nicht, aber etwas Aehnliches. Sehen Sie sich einmal dies an – Friedels erste künstlerische Leistung!“

(Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüthen.

Zum Gedächtniß eines Menschenfreundes. Vor kurzem ist in Darmstadt ein Mann aus dem Leben geschieden, welcher dort in reger dreißigjähriger Thätigkeit bemüht war, der Noth um sich her zu steuern und Gemeinnütziges zu schaffen. Wilhelm Schwab – dies ist sein Name – hat auch in weitgehendem Maße erreicht, was er anstrebte. Er suchte mit den Schenkungen und Einrichtungen, die von ihm ausgingen, vor allem eine dauernde Wirkung zu erzielen. Nicht um flüchtige Almosen war es ihm zu thun, sondern darum, den in Armuth Gerathenen durch einsichtige Unterstützung die Möglichkeit zu bieten, sich selbst emporzuarbeiten. Die Anstalten, die er ins Leben rief, sollten deshalb gerade jenen zu Hilfe kommen, welche den guten Willen zur Arbeit besaßen: so der „Verein zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse kleiner Leute“ und namentlich die „Pfennigsparkasse“, die erste ihrer Art in Deutschland. Wie sehr er darauf bedacht war, nicht bloß durch materielle Unterstützungen, sondern ebenso durch gemüthliche und geistige Anregungen Segen zu stiften, das beweist der Umstand, daß er unentgeltlich Blumenstöcke an die Armen vertheilen ließ, um bei ihnen, die keinen Garten und kein Stückchen Land ihr Eigen nennen, die Freude an der Blumenzucht zu wecken, um einen freundlichen Wiederschein der Natur auch in ihre Wohnungen zu bringen. In seinem Testament hat er den größten Theil seines beträchtlichen Vermögens der Stadt Darmstadt vermacht mit der Bestimmung, die Zinsen zur Ausbildung begabter junger Leute zu verwenden.

Schwab hat im stillen gewirkt, er wollte nicht an die laute Oeffentlichkeit treten. Jetzt, da sich sein Auge geschlossen hat, ist es vor allem für die „Gartenlaube“, der er zu manchen Artikeln über gemeinnützige Bestrebungen die Anregung gegeben hat, eine Pflicht der Dankbarkeit, seinem Andenken ein ehrendes Wort zu widmen. Möge das, was er geschaffen hat, bleibende Wirkung haben!

Venetianische Fischerbarke. (Zu dem Bilde S. 793.) Kein Sterblicher dürfte das Alter des Schiffleins zu bestimmen wissen, das der Künstler in unserem Bilde veranschaulicht. Geflickt und kalfatert an allen Ecken und Enden, wurmstichig, vom Salzwasser des Oelanstriches längst beraubt, das Segel gleich einem Harlekingewande mit bunten Lappen bedeckt, das ganze Fahrzeug mit seinen schmutzigen Netzen, Körben, Fischbehältern und sonstigem Handwerkszeug einer Trödlerbude ähnlich: so treibt es hinaus in die unabsehbare, in allen Farben des Regenbogens schimmernde Fluth, vergoldet von den Strahlen der Morgensonne. Wie die kräftigen, geschmeidigen Männergestalten mit ihren wie in Bronze gegossenen Zügen scherzend und lachend hantieren! So mögen einst die Urväter des Völkchens vor vierzehnhundert Jahren als die ersten Bewohner der nachmaligen Beherrscherin des Meeres ausgezogen sein nach der geschuppten Beute.

Sie selbst, die rüstigen Gesellen, wissen allerdings so wenig von ihren Ahnen wie von der Poesie ihrer gottbegnadeten Heimath.

Ihr Sinn strebt ausschließlich nach nützlichen Zielen, zumal heute, da sie sich, wie die windgeschwellten Barkensegel in der Ferne verrathen, ein wenig verspätet haben. Was der Mann aus der vom leichten Morgendunst verschleierten Barke soeben herüberrief, klang nicht eben schmeichelhaft für die Langschläfer in unserem Schiffe. Indessen nur der Hauptschuldige, [804] welcher die Segelleine anziehend dem Spötter den Rücken kehrt, macht darob ein grimmiges Gesicht, während seine Gefährten die Sache von der heiteren Seite nehmen.

„Per bacco, so geht es mit jungen Ehemännern,“ meint wohl der Häuptling, der „Capo“ der kleinen Gesellschaft, mit dem vom Strohhute beschatteten Gesichte. „Hätte ich Beppo nicht selbst aus seiner Koje geholt, er wäre jetzt noch nicht hier!“

„Ostia, mir ginge es um kein Haar besser,“ entgegnet der Mann am Steuer lachend. „Uebrigens, Glück bringt Glück, wer weiß, ob Memmo, der seine Backen so weit aufthut, sein Netz voller bekommt als wir!“

Ja, wer weiß, und wenn auch nicht, was liegt daran? „Ist’s heute nicht, so ist’s morgen,“ denkt das leichtlebige Völkchen, dem die Sorge für das Uebermorgen kaum in den Sinn kommt. Wozu auch? Das Leben kostet so wenig! Die Hauptnahrung spendet das Meer in unerschöpflicher Fülle; ein paar Soldi für die goldgelbe Polenta als Zuthat, für einige Cigaretten und einen Schluck Nostrano (Landwein) als Würze trägt auch der magerste Fang. Die Holzschuhe dauern eine ganze, die übrigen Stücke der Kleidung mit Hilfe irgend einer nadelkundigen Schönen eine halbe Lebenszeit aus, um das Obdach aber bangt den glücklichen nicht, da die alte Barke im Nothfall der ganzen Bemannung Unterschlupf bietet.
F. Schifkorn. 

Bleifressende Larven. Untersucht man die Leckstellen der Bleirohre in unseren Haushaltungen, so findet man mitunter, daß der Urheber des Schadens – ein Insekt war. Solche Fälle sind schon öfters beobachtet worden und neuerdings wird ein weiterer von K. Hartmann im „Gesundheits-Ingenieur“ mitgetheilt. Man entdeckte einen lebenden Holzwurm, der mit dem Kopfe in der Wandung einer Bleiröhre steckte. Der betreffende Theil des Rohres war in einem Holzstiel gelagert und von dort aus war das Blei angefressen worden, indem sich der Wurm von außen nach innen einen etwa 7 mm langen und 4 mm breiten Kanal gebildet hatte.

An Bleiröhren und Bleiplatten vergreifen sich in dieser Art auch gewisse Holzwespen und die sogenannten „Bleiwürmer“ aus der Familie der Hartflügler.

Es giebt verschiedene Mittel, sich vor solchen unerwarteten Feinden zu schützen. Der Wurm bohrt sich vom Splint des Holzes nach der Rinde hin durch und frißt dann das Blei an; es ist darum zweckmäßig, die Rinde des gespaltenen Holzes vom Blei abzuwenden, also nach außen zu verlegen. In altem trockenen Holze finden sich die Thiere überhaupt nicht vor.

Gegen Bleivergiftung sind diese Insektenlarven augenscheinlich gefeit. * 

Damenkapelle. (Zu dem Bilde S. 800 u. 801.) Der Eintritt in ein Mädchenpensionat pflegt sonst den Angehörigen des stärkeren Geschlechts nicht eben leicht gemacht zu werden, und wenn einem Vater, Bruder, Onkel, Vetter oder Freund je das Glück hold ist und ihm die Wege in das Innere eines solchen Hauses ebnet, so pflegt es ihn doch nicht über den offiziellen Empfangssalon der Vorsteherin hinauszuführen. Emanuel Spitzer aber, der Urheber unseres Bildes, muß nothwendig im Besitze des „Sesam, thu dich auf!“ gewesen sein, vor dem sich auch die intimeren Gemächer der sonst so streng gehüteten Erziehungsanstalt erschlossen. Fast möchte man vermuthen, daß auch noch eine Tarnkappe hinzukam. Denn nur so ist es zu erklären, wie der Künstler zu einer so verblüffend naturwahren Aufnahme einer toll ausgelassenen Mädchenschar gelangen, nur so ist es zu erklären, daß er sie im ungetrübtesten Sichgehenlassen belauschen konnte. Man glaubt den betäubenden Lärm der klappernden Blechdeckel, den dumpfdröhnenden Ton der Gießkanne, untermischt mit drei, vier sich streitenden Liedermelodien, mit Gekicher, Gelächter, Pusten, Kreischen und dem herzzerreißenden Geheul des Pinschers, aus dem Bilde herauszuhören, so daß man versucht ist, mit beiden Händen sich die Ohren zuzuhalten und im Namen dieser rasenden Bacchantinnen ängstlich nach der Thür zu spähen, ob die gestrenge Frau Vorsteherin nicht ihren zürnenden Kopf hereinsteckt.

Ottilie Wildermuth. In unserer Zelt, da die Erzeugnisse der schönen Litteratur, im besonderen der erzählenden, wie die Pilze aus der Erde schießen, kann man oft die wehmüthige Beobachtung machen, daß Autoren und Werke, welche vor einer verhältnißmäßig kurzen Reihe von Jahren noch der allgemeinsten Bewunderung und Hochschätzung sich erfreuten, vollständig in Vergessenheit gerathen, gleichsam hinweggeschwemmt werden von der übermächtigen Hochfluth des Neuen, ohne daß dieses doch Neue immer der inneren Berechtigung sich rühmen dürfte, an die Stelle des guten Alten zu treten. Eine Schriftstellerin, welche diesem Anprall der nachdrängenden Litteraturwogen bisher in geradezu bewundernswerther Weise Stand gehalten hat, welche heute gelesen wird und heute entzückt, wie sie vor einem Menschenalter verschlungen wurde und zündete, welche heute noch in vielen Herzen den ersten Platz unter den Schriftstellerinnen zwar nicht unbestritten, aber trotzdem erfolgreich behauptet, ist Ottilie Wildermuth.

Für das Leben einer litterarischen Persönlichkeit, deren Werke nicht mehr gelesen werden, pflegt nur der Litterarhistoriker Sinn und Zeit zu haben. Umgekehrt, wenn den persönlichen Geschicken eines lange nicht mehr unter den Lebenden weilenden Autors in den weitesten Kreisen aufmerksames Interesse entgegengebracht wird, so darf man gewiß sein, daß auch die Werke dieses Autors noch einen breiten Boden im Volke haben. So mag man es als einen Beweis für die unverminderte Anziehungskraft Ottilie Wildermuths ansehen, daß, als vor nunmehr drei Jahren ihr Lebensgang in der Schilderung ihrer Töchter erschien, dieses Buch eine ganz außerordentliche, heute noch fortschreitende Verbreitung unter der gesammten deutschen Lesewelt fand.

Eine einheitliche Gesammtausgabe ihrer Werke, an der es bis heute merkwürdiger Weise fehlte, hat, von der Tochter Adelheid Wildermuth besorgt und von Fritz Bergen illustriert, soeben zu erscheinen begonnen, und zwar in fünfundsiebzig Lieferungen, welche in vierzehntägigen Fristen ausgegeben werden. Sie darf der freundlichsten Aufnahme im deutschen Hause zum Voraus sicher sein.

In diesem Zusammenhange möge eines andern Vermächtnisses von Ottilie Wildermuth gedacht sein! Der „Jugendgarten“, den sie einst gegründet hat, erscheint heuer zum sechzehnten Male, herausgegeben von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelheid Wildermuth. Neben den beiden Schwestern, welche mit je einer Erzählung vertreten sind, haben C. Neumann Strela, Martin Claudius, Carl Cassau, Clara von Sydow, C. Michael, A. Freimut, Anna Fromm, V. Rein, Anna Klie, Richard Roth, Luise Jüngst, H. Fischer, Luise Pichler u. a. Beiträge geliefert, während die Verlagshandlung für eine reiche und gefällige Ausstattung Sorge getragen hat.




Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angaben von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

W. S. aus Königsberg. Die freigebige Berliner Stelle, welche für eingesandte Briefmarken als Gegengabe Geschenke vertheilt, ist uns leider auch nicht bekannt. Vielleicht meldet sie sich aber auf diese Anzeige hin. Im übrigen ist uns nur bekannt, daß abgestempelte Briefmarken zu gunsten der Missionen und der Waisenversorgung gesammelt werden.

Lehrer R. in H., Württemberg. Für Ihre freundliche Mittheilung der unfreundlichen Aeußerungen über die „Gartenlaube“ unsern besten Dank! Gegen Angriffe von dieser Seite sind wir längst gänzlich abgestumpft.

R. U. in O. Dagegen giebt es kein Mittel. Die Pockennarben lassen sich nicht entfernen.

A. D. in R. Von Goethes „schöner Mailänderin“, die in dem heigelschen Roman „Baronin Müller“ erwähnt ist, finden Sie ein gutes Bild nach Goethes eigener Zeichnung in dem „Goethestrauß“, den Robert Keil im Verlag der Deutschen Verlagsanstalt zu Stuttgart herausgegeben hat.

L. H. V. Die Frage, welches stenographische System sich am besten bewährt, wird von den Anhängern der verschiedenen Systeme je in ihrem Sinne beantwortet; das Gabelsbergersche hat bis jetzt jedenfalls äußerlich die größte Verbreitung gewonnen.



Inhalt: Ein Götzenbild. Roman von Marie Bernhard (11. Fortsetzung). S. 789. – Venetianische Fischerbarke. Bild. S. 793. – Reinhold Begas. Von Ludwig Pietsch. S. 796. Mit Abbildungen S. 789, 796, 797 und 798. – Der höhere Standpunkt. Von E. Werner (1. Fortsetzung). S. 799. – Damenkapelle. Bild. S. 800 und 801. – Blätter und Blüthen: Zum Gedächtniß eines Menschenfreundes. S. 803. – Venetianische Fischerbarke. Von F. Schifkorn. S. 803. (Zu dem Bilde S. 793.) – Bleifressende Larven. S. 804. – Damenkapelle. S. 804. (Zu dem Bilde S. 800 und 801.) – Ottilie Wildermuth. S. 804. – Kleiner Briefkasten. S. 804.




Unseren kunstsinnigen und kunstliebenden Lesern empfehlen wir die Anschaffung der soeben in unserem Verlage erschienenen


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Eine Sammlung der vorzüglichsten Holzschnitte aus der „Gartenlaube“.
Vollständig. 50 Kunstblätter auf feinstem starkem Karton-Papier in Groß-Folio-Format.
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Die Bildermappe für Kunstfreunde bringt Meisterwerke von Defregger, Grützner, Kaulbach, Kray, Lenbach, Piloty, Thumann, Vautier und vielen andern hervorragenden Vertretern moderner Kunst in gediegener, vornehmer Ausstattung.

Die Sammlung, in geschmackvoller Leinwandmappe mit reichster Pressung bildet ein Prachtwerk ersten Ranges, eine hervorragende Zierde jedes Salons, und dürfte sich zu so billigem Preise kaum ein schöneres Weihnachtsgeschenk finden lasen.

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Die Verlagshandlung der „Gartenlaube“: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ener