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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1891
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[629]

Nr. 38.   1891.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf.   In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf.   In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Zu Theodor Körners hundertjährigem Geburtstage.

[630]

Theodor Körner.

Als schmachgebeugt das deutsche Land
Der Knechtschaft Kette trug,
Da war dein Lied der Feuerbrand,
Der in die Herzen schlug,

5
Der Flamme gleich, die sturmgejagt

Empor zum Himmel loht:
Frisch auf, mein Volk, im Norden tagt
Der Freiheit Morgenroth!

Und von der eig’nen Töne Gluth

10
Das junge Herz berauscht,

Hast mit dem Schwerte kühngemuth
Die Leier du vertauscht,
Den Kranz, den um die Stirne dir
Schon früh die Muse wand,

15
Mit einer blut’gen Lorbeerzier

Im Tod fürs Vaterland.

O Heldenblut, du edle Saat,
Aus der die Freiheit sprießt,
Wenn es in freier Opferthat

20
Aus freiem Herzen fließt,

Du bahntest uns den Weg zum Sieg
In mancher heißen Schlacht,
Und deinem heil’gen Quell entstieg
Des Deutschen Reiches Macht!

25
Und ruft uns der Trompete Schall

Auf neue Kriegesbahn,
Dann schwebt ihr theuren Schatten all
Dem kühnen Zug voran!
Ob dich auch drohend rings umschleicht

30
Der Feinde List und Trug,

Frisch auf, mein Volk, die Hölle weicht
Vor solcher Geister Flug!
 Carl Hecker.




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Ein Götzenbild.

Roman von Marie Bernhard.

      (2. Fortsetzung.)

5.

Die table d’hôte, welche mit aller Gewandtheit großstädtischer Verhältnisse von statten ging und eine Reihe vortrefflich bereiteter Speisen aufwies, gewährte Andree eine wohlthuende Zerstreuung. Er war einer guten Tafel nicht abgeneigt, war in diesem Punkt in Rom durchaus nicht verwöhnt worden, und die berühmte Hamburger Küche sagte ihm ausnehmend zu. An viele Ausländer war er von Rom her freilich gewöhnt, doch hatte er sie nur gesehen, kaum gelegentlich einmal mit ihnen gesprochen, da er im ganzen sehr eingezogen lebte und sich auf den Verkehr mit seinen Freunden und ein paar römischen Familien beschränkte. Hier nun saß er mitten in einem Gemisch von Vertretern der verschiedensten Nationalitäten, ein angeregtes Gespräch kam in Gang, und Andree unterhielt sich vortrefflich. Als er nach aufgehobener Tafel in bester Stimmung die Treppe emporstieg, beschloß er, diese gute Laune zu benutzen, und sogleich Hilt aufzusuchen. Die Marmorbüste hatte er sorgfältig in seinen Kleiderschrank eingeschlossen, und er hoffte, der Zimmerkellner werde sie sich nicht gar zu genau betrachtet haben.

Als der Maler vor die Thür seines Gasthofs trat, hatte der Regen nachgelassen, und eine weiche, feuchte Lenzluft wehte ihn an. Er hatte gar keine Lust, sich wieder in einen dumpfigen Wagen zu setzen, und beschloß, den Weg zu Hilt, dessen Wohnung er aus dem Adreßbuch erfahren hatte, zu Fuß zurückzulegen.

Dies sollte ihm nicht so ganz leicht gemacht werden, denn es war ein ziemlich verwickelter Weg, der zur Katharinenstraße führte, und Andree hatte das Vergnügen, an jeder Straßenecke still zu stehen und sich nach seiner Marschrichtung zu erkundigen. Es fing inzwischen an zu dämmern, und mit erstaunten Augen blickte der Suchende jetzt um sich. Bisher war ihm Hamburg ungefähr wie jede andere Großstadt erschienen, nun aber, da er sich dem Gebiet des Hafens näherte, mußte er sich gestehen, daß diese Stadt denn doch ihr ganz eigenartiges und höchst anziehendes Gepräge habe. Welch ein buntes Drängen und Treiben! Als hätte ein gewaltiger Würfelbecher alle Völker der Welt durcheinandergerüttelt, so wechselten in verblüffender Schnelligkeit die Trachten, die Gesichter und die Sprachen. Neger, Spanier, Franzosen, Amerikaner, Russen, Deutsche – alles bei einander! Und Matrosen … Matrosen, wohin das Auge sah! Vierschrötige Holländer, den Kautabak im Munde, lange Schweden mit breiten, blonden Gesichtern, phlegmatische Engländer und kleine dunkle Spanier – sie alle schlenderten mit ihrem wiegenden Gang, meist die Hände in den Hosentaschen und das Pfeifchen zwischen den Lippen haltend, durch das Gewühl, und beinah jeder hatte denselben sichern selbstbewußten Ausdruck, der sagen wollte: hier bin ich der Herr! Hier ist der Seemann zu Hause und die andern sind nur geduldet!

Staunend hatte Andree sich treiben lassen und fand sich plötzlich am Kehrwieder-Quai, ziemlich weit von seinem Ziel entfernt. Doch kümmerte es ihn wenig, er ließ sich von einem Hafenpolizisten genau den Weg nach der Katharinenstraße beschreiben und war nach einer geraumen Weile an Ort und Stelle.

Man hatte mittlerweile die Gasflammen, da und dort auch elektrisches Licht, entzündet; das Haus, vor welchem der Maler jetzt stand, ein hohes etwas engbrüstig aussehendes Gebäude von vier Stockwerken, war ebenfalls fast durchweg hell erleuchtet. Im dritten Stock war neben einer dichtverhängten Glasthür ein kleines Porzellanschild angebracht: „F. Hilt.“ Weiter nichts.

Andree besann sich, während er die Glocke zog, ob Hilt und er sich damals in München – fünf oder sechs Jahre mochten seitdem vergangen sein! – mit Du oder Sie angeredet hätten, allein er konnte zu keinem Ergebniß kommen und beschloß, Hilts Anrede abzuwarten und sich danach zu richten.

Er hätte noch viel mehr beschließen können, man ließ ihm reichlich Zeit dazu! Die Glocke hatte schrill und vernehmlich angeschlagen, dennoch mußte er ein zweites und drittes Mal läuten, ehe ihm endlich aufgethan wurde.

Ein junger Mensch mit hoch emporstrebendem Haarwuchs erschien endlich und führte den Besucher in ein kleines, spärlich möbliertes Vorzimmer, in dem eine helle Lampe brannte. An der dem Eintretenden gegenüberliegenden Wand hing nur ein einziges Bild: der Kopf eines Mannes, fast in Lebensgröße, der dem Beschauer mit höhnischem Blick die Zunge entgegenstreckte. Dem Maler schien es, als sehe der Kopf Hilt ähnlich; jedenfalls entsprach diese höfliche Art der Begrüßung seinem früheren Wesen, er schien sich also nicht sehr geändert zu haben.

Nach ein paar Minuten that sich die Thür des Nebenzimmers auf, und Hilt zeigte sich auf der Schwelle. Ganz der Alte! Dieselbe kleine unansehnliche Figur, der ruhelose kluge Blick, die beweglichen Lippen unter einem dürftigen Bärtchen. Das Haar war noch mehr gelichtet als vorher, und die frühen Runzeln um Augen und Wangen hatten sich vermehrt. Er trug ein fadenscheiniges Röckchen von dunklem Stoff und gelbe Lederschuhe an den Füßen.

„Wer ist denn dieser Riese Goliath?“ murmelte er leise vor sich hin und blinzelte zu Andree herüber, dann schlug er sich mit der Hand auf den Schenkel.

„Hallo! Nun hab’ ich’s! Der lange Andree, Waldemar mit dem Taufnamen, nicht wahr, Waldemar? Aber was ich [631] für ein Gedächtniß habe! Reich mir die Biederhand, aber zermalme mir die meinige nicht, sie soll nach einiges leisten! Was führt Dich denn hierher zur freien Hansa? Ja so, ich bin Dir noch hundert oder zweihundert Mark schuldig, die willst Du wohl wieder haben?“

„Warst Du mir wirklich Geld schuldig, Hilt? Das hatte ich ganz vergessen!“

Hilt sah seinen Besuch von der Seite an und schnitt eine höhnische Grimasse.

„Das mach’ weis, wem Du willst, Kunde! So was vergißt kein Mensch!“

„Glaub’ es oder glaub es nicht – das halte, wie Du willst!“ entgegnete Andree kurz. „Ich führe nicht Buch über –“

„Aber ich!“ rief der andere eifrig. „Wart’ mal, oder lieber, komm’ mit mir da herein!“ Er riß die Thür zum Nebenzimmer vollends auf und lief an einen hohen Schrank, der im Hintergrunde dieses anscheinend als Wohn- und Speisezimmer dienenden Raumes stand.

„Hier drinen muß es stehen – Jahrgang 1879 – das ist’s nicht – 1882 – da haben wir’s! München – hier – komm’ her – von Andree 200 Mark! Leider sind es 200! Was sagst Du nun?“

Er hob sich auf die Fußspitzen, um seinem Gast genau ins Gesicht sehen zu können, und setzte eine so triumphierende Miene auf, als habe er ihm die 200 Mark soeben bei Heller und Pfennig auf den Tisch gezählt!

„Nichts!“ erwiderte Andree trocken. „Es mag so sein, wenn es da steht. Weshalb ich Dich aufsuche? Ich bin ganz fremd hier in Hamburg, will ein paar Monate, ein halbes Jahr oder so herum, dableiben, und da ich niemand in der ganzen großen Stadt kenne als Dich, so kam ich, Dich um Rath zu fragen. Wie richtet man sich’s am besten hier ein? Wo wohnt man – natürlich mit Atelier! – wo speist man, wo besorgt man sich Leinwand u. s. w.? Möchtest Du mir das sagen?“

„Setz’ Dich zuerst!“ Hilt nöthigte ihn auf eine mit dunkeln Wollstoffen überhangene Ruhebank und setzte sich dicht neben ihn. „Du siehst gut aus, Waldemar Andree! Ich hatte Dich gar nicht so stolz und stattlich in meinem sonst vortrefflichen Gedächtniß! Diese Figur! Steh’ noch einmal auf! Fabelhaft! Dich hätte der große Soldatenkönig ganz unfehlbar unter die Potsdamer Riesengarde gesteckt! Neben Dir seh’ ich aus wie’n Schwefelhölzchen! Was schaust Du mich so durchbohrend an? Du bist wohl bloß zu mir gekommen, weil Du sonst keine Seele hier kennst?“

„Laß das,“ sagte Andree und rückte etwas unbehaglich auf seinem Sitz umher, „wir wollen die Dinge nicht auf das persönliche Gebiet hinüberspielen. Wenn ich Dir irgendwie ungelegen komme –“

„Mir ungelegen? Mir?“ Hilt lachte mit einer Selbstgefälligkeit, die ihm komisch genug zu Gesicht stand. „Schöne Begriffe machst Du Dir von meinem Verkehr und Leben! Leute von meinem Schlag sind überall gesattelt, die kennen kein ‚Gelegen‘ und ‚Ungelegen‘. – Also Wohnung mit Atelier! Hier herum, wie?“

„Ja!“, kam es etwas zögernd heraus.

„Nicht zu nahe bei mir, wie?“

„Nein!“ klang es jetzt kurz und bündig.

Hilt lachte wieder und schrieb eine Bemerkung in sein Taschenbuch. „Leinwand und alles sonstige hier ganz in der Nähe, ich schreib’ Dir die Adresse auf, sehr gute Quelle, aber theuer, theuer, wie alles in dieser edlen freien Reichsstadt! Mittagstisch – wenn die Wirthin, die ich im Auge habe, Dich annimmt, dann bist Du wohl geborgen. Eine Hamburger Aalsuppe bereitet Dir dies Weib, und gebackene Seezungen und ein Roastbeef, es ist einfach –“

„Schön! Wo wohnt sie?“

„Fürs erste noch mein Geheimniß! Laß Dir nur vorläufig meine Führerschaft gefallen, ich weiß ja noch nicht, ob sie Dich aufnimmt! Ein paar Tage bleibst Du doch noch im Gasthof. Wo bist Du denn abgestiegen? ‚Hamburger Hof‘? So feudal? Na, da besuch’ ich Dich einmal, man bekommt dort großartige Austern! Eine Liebe ist der andern werth! Ich bin ja mütterlich besorgt um Dich! Ja, wenn ich Dir nicht noch diese 200 Mark schuldig wäre! Und nicht zu sehr in meiner Nähe will er wohnen! Kostbar! Der Duckmäuser! Will nicht, daß man ihm in die Karten sieht! Na, das hält bei mir heillos schwer!“

Andree nickte nur so vor sich hin; Hilts Auffassung war ihm ganz lieb, und er ließ ihn dabei, denn er konnte doch nicht sagen, wie wenig angenehm ihm dessen Persönlichkeit sei und wie er aus diesem Grunde einen näheren Verkehr nicht wünsche.

Hilt unterbrach das Schweigen. „Du kommst geradeswegs von Rom?“

„Geradeswegs!“

„Wie lange hast Du da gelebt?“

„Vier Jahre, vorher reiste ich!“

„Ja, ja, ich weiß! Bin ganz auf dem Laufenden! Habe ein paar von Deinen Bildern gesehen! Du hast sehr viel Begabung, ’s ist schade um Dich! Ihr alle da unten in der ewigen Stadt richtet Euch selbst zu Grunde mit Eurem himmelblauen Idealismus und abgedroschenen Schönheitskultus!“

„Ah so!“ machte Andree gelassen. „Du bist einer von den ‚Neuen‘?“

„Und ob ich es bin! Und bin stolz darauf! Stolz, sag’ ich Dir!“

„Ich will Dir’s gern glauben, Hilt! Aber wechseln wir lieber das Thema, oder laß mich nach meinem ‚Hamburger Hof‘ zurückgehen. Eher kommen Feuer und Wasser zusammen als die überzeugten Anhänger zweier Schulen. Wir hatten bei uns in Rom auch so ein paar übereifrige Neuerer, es war nicht mit ihnen zu reden –“

„In Rom! Guter Gott! Die paar armen versprengten Schäflein inmitten einer Rotte von Rafaelanbetern. Hierher müßt Ihr kommen, hierher!“ Und Hilt schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, daß es dröhnte. „Hierher nach Norddeutschland, wenn Ihr wissen wollt, was die neue Richtung will und kann! München, das ist zu international, die Amerikaner kaufen da zu viel und machen ihren Yankee-Geschmack geltend, aber wir in Hamburg, und namentlich in Berlin – o Berlin! Nie im Leben wär’ ich von dort fort, wenn ich nicht hier einige sehr vortheilhafte Aufträge bekommen hätte; allein mich hält’s in Hamburg nicht auf die Dauer und ich bin drüben, so oft ich nur kann. Berlin ist die wahre Welt, der Sitz aller Intelligenz – aller, auf was sie sich immer beziehen mag! Jede andere Stadt, wenn sie etwas leistet, ist doch nichts als eine Filiale von Berlin! Das ist der Sitz, das Centrum, der Ausgangspunkt! Wer das nicht kennt, kann überhaupt den Mund nicht aufthun!“

„Erlaube, daß ich den meinigen dennoch aufthue! Erstens habe ich viel gesehen, was von dorther gekommen ist –“

„Nichts hast Du gesehen! Rom hat keine Ahnung, keinen blauen Dunst von Berlin!“

„Ich bin mehrere Tage in Berlin gewesen –“

„Die Ausstellung besucht? Eingehend?“

„Natürlich! Meinst Du, ich weiß nicht, was ich lobe oder verwerfe und weshalb?“

„Und weiter! Was hast Du dort gesehen?“

„Nun … die peinlich genau gemalte Innenansicht von Spitälern und Sezierstuben, halb entkleidete Lungenschwindsüchtige, Morphiumkranke mit stieren Blicken und Amputierte auf dem Operationstisch – das habe ich gesehen!“

„Aber wie gemalt, wie gemalt – was?“

„Ja, bei einigen war’s wirklich schade um die fleißig geübte, virtuose Technik, die an solche Motive verschwendet wurde, bei andern, bei den meisten sogar, war es ein stumpfer kalter Ton, der auf mich häßlich und unnatürlich gewirkt hat“ –

„Aha! Du bist in Deinem Rom in den ewigen Farbenrausch, in den Koloristendusel gerathen, der nichts anderes anerkennt als satte Goldtöne und glühende Tinten!“

Andree erhob sich.

„Ich bitte Dich noch einmal, Hilt: endigen wir doch dies Gespräch! Ich möchte wirklich gehen – wo hast Du denn meinen Hut gelassen? Ich will Dir durchaus den alleinseligmachenden Kultus Deiner neuen Lehre nicht rauben, aber laß’ Du mir dafür meine Ueberzeugungen!“

„Die will ich Dir aber nicht lassen, zum Teufel, nein!“ schrie Hilt, sprang ebenfalls auf und reckte seine kleine Gestalt empor, so hoch er konnte. „Das ist’s ja eben! Soll es einem nicht das Blut empören, wenn man einen begabten Menschen vor

[632]

Napoleons Flucht durch Leipzig 1813.
Nach dem Gemälde von Louis Braun.

[633] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [634] sich sieht, der Gutes leisten könnte, der alles Zeug zu einem tüchtigen Maler von der Natur mitbekommen hat – und er geht hin und setzt unmögliche Bilder in die Welt und führt den Geschmack des Volkes, auf den es jetzt ja allein ankommt, in die Irre!“

„So, so!“ unterbrach Waldemar ihn trocken, „also die gebildeten Klassen zählen einfach gar nicht mehr mit!“

„Nein! Thun sie auch nicht! Oder doch wenigstens nur bis zu einem gewissen, sehr gering bemessenen Grade. Wir, mein Lieber, wollen von unten auf regenerieren, versteh mich wohl: von unten auf! Das ist das Stichwort aller neueren Dichter, Maler, Bildhauer und Schriftsteller. Wir setzen unsern Stolz und unsere Ehre drein, all’ unser Können, unsere besten Mittel für das Volk, und nur für das Volk, zu entfalten, mit dem alten Kram aufzuräumen und der neuen Zeit ein neues Evangelium zu verkünden!“

„Ich gratuliere dazu!“ Andree legte seine langen Beine übereinander und sah phlegmatisch unter halb zugesunkenen Lidern, nach dem kleinen heftig zappelnden und gestikulierenden Männchen hin – die Sache fing an, ihm Spaß zu machen. „Wenn nur die neue Zeit dies neue Evangelium ebenso gläubig aufnehmen wird, wie Ihr, seine Verkündiger, es predigt! Ich hege die feste Zuversicht, daß der gesunde Geist unseres Volkes – da doch das Volk allein es ist, an das Ihr appelliert! – alle krankhaften und häßlichen Elemente in dieser neuen Richtung solange abstoßen, verleugnen wird, bis sie von selbst verschwinden oder bis aus der widerwärtigen Raupe ein lebensfähiger Schmetterling kriecht. So ist es, gottlob, immer gewesen, so wird es auch diesmal kommen, und ich werde meine Freude daran haben! Wie sagt unser alter Lessing: ‚die Kunst soll –‘“

„Unsinn!“ Hilt schrie so laut, daß Andree, der sehr ruhig gesprochen hatte, nothwendig verstummen mußte. „Was heißt Lessing? Das heißt gar nichts mehr heutzutage. Seinerzeit war er ein bedeutender Mann, das muß man zugeben, aber seine Zeit ist gewesen, und das heutige Geschlecht steht in anderen Schuhen als er. Wer mißt jetzt noch mit dem veralteten Maßstab? Die Kunst soll überhaupt nichts! Sie ist ein Ausfluß aus dem Gehirn des Künstlers, als solcher die natürliche Wirkung der von diesem aufgenommenen Eindrücke aus der realen Welt. Die Kunst soll also weder erheben, noch erfreuen, noch bilden ober warnen oder irgend eine sittliche oder ästhetische Wirkung ausüben!“

„Und wenn sie sich nun untersteht und es dennoch thut? Ist sie dann in Euren Augen keine Kunst mehr? Du hast soeben so deutlich das Recht des Individuums betont: was der Künstler in seinem Innern schaut, gleichviel, welche Wirkung er sich davon verspricht, das ist er berechtigt zu schaffen, falls er die Mittel dazu hat! Nicht wahr, so hieß es doch? Nun gut: sind denn nur die Individuen dazu berechtigt, die der neuen Schule und Richtung angehören? Wer will mir mein Recht als denkendes und produzierendes Individuum streitig machen, wenn ich in mein Inneres schaue und darin nicht nur Scenen aus dem Operationssaal, aus der Verbrecherwelt und Lasterhöhle sehe, sondern andere Bilder, die gleichfalls ihre sehr nahen Beziehungen zur Menschheit, sagen wir zum Volk haben? Wer will mir, wer darf mir wehren, sie zu malen, und wer darf andern verbieten, sie wahr zu finden, nur weil sie nichts Abstoßendes und Scheußliches darstellen?“

Hilt lächelte sarkastisch.

„Mein Guter, Du wirst immer ein großes Publikum und bereitwillige Käufer finden, weil – leider! – die Zahl derer nie aussterben wird, die sich lieber reizende Unwahrheiten als traurige Wahrheiten sagen lassen wollen.“

„Nun – weshalb zum Beispiel mein letztes Bild ‚Tombola in Rom‘ reizende Unwahrheiten enthalten soll, das sehe ich nicht ein. Ein großes Volksgruppengemälde –“

„Hat sich natürlich glänzend verkauft!“ fiel Hilt höhnisch ein.

„Allerdings glänzend! Ach so – das ist wohl auch ein untrügliches Merkzeichen von Euch: alles, was sich gut verkauft, ist veralteter Schwindel und enthält Unwahrheiten. Was übrig bleibt, was keiner will und keiner kauft, das sind die Perlen, welche die Wahrheit enthalten. Leider muß ich bekennen, daß Berlin, ‚das Centrum, der Sitz der Intelligenz‘, meine ‚Tombola‘ angekauft hat.“ Andree erhob sich bei den letzten Worten.

„So! Na, da werd’ ich’s ja sehen! – Du willst wirklich gehen, in allem Ernst?“

„Ja, in allem Ernst!“

„Und Du willst keinen Likör haben, keinen Cognac?“

„Danke, nein! Ich – ich wollte Dich nur noch etwas fragen.“

„Frag’ immerzu, Schönheitsapostel!“

„Du hast doch hier in Hamburg auch gewiß Verkehr mit Privatleuten?“

„Ob ich habe! Mehr als mir lieb ist! Soll ich Dich irgendwo einführen?“

„Vielleicht – später einmal – das heißt –“ Andree war es unbehaglich zu Muth, er hätte gern eine Ausflucht gebraucht, fand aber keine. „also man hat mir in Rom von einer Hamburger Familie gesprochen, Senator Brühl –“

„Ah so! Das glaub’ ich!“ Hilt pfiff durch die Nase und sah unglaublich unternehmend und impertinent aus. „Das heißt, der Senator kam wohl nicht weiter in Betracht, das ist ein aufgeblasener Patron und weiter nichts! Aber sein Töchterlein!“ Er küßte seine Fingerspitzen, schloß die Augen und schnalzte mit der Zunge.

„Also da willst Du hin!“ fuhr er nach einer Weile fort, als Andree still blieb. „Die ist es allerdings werth, daß ihr Ruf und Name bis nach Rom dringt! Wer hat Dir denn aber von ihr erzählt?“

„O – gleichviel!“ Waldemar wollte vor Hilt um alles nicht Werner Troosts Namen nennen.

„Ja, siehst Du, hier hat die Natur allerdings etwas geschaffen, was wohl keiner ungeschehen machen möchte. Für einen Schönheitspriester ist das einfach ein Ideal. Für Leute unseres Schlages … hm! … ist sie zum Fürchten schön!“

„Zum Fürchten?“

„Wie willst Du denn, daß man die Empfindung erklärt, die bei ihrem Anblick geweckt wird? Ich kann nur sagen, ich habe Angst vor Stella Brühl, und wenn ich das sage – ich muß morgen dorthin, gebe dem nichtsnutzigen Schlingel von Sohn Zeichenstunde, werde horrend bezahlt – willst Du mit mir kommen?“

„Morgen? Nein, das ist mir zu rasch!“

„Also. gut, dann melde ich Dich für einen der nächsten Tage an: Freund aus Rom, hier fremd, Anhänger Rafaels, vielgesuchter und vielgekaufter Maler – daraufhin kannst Du ruhig Deinen Besuch machen. Gastfrei sind die Leute, es gehen bei ihnen allerlei Menschen ein und aus, sehr viel Kunst dabei – der Alte spielt sich gern auf den Mäcen – na, lassen wir ihn! Da ging vor Jahr und Tag auch ein Bildhauer um, schöner Kerl, hieß Troost, wollte auch nach Rom – hast Du ihn da irgendwo zu Gesicht bekommen?“

„Was war’s denn mit ihm?“ fragte Andree statt der Antwort.

„Nun, den hatten sie alle ungeheuer gern, war Liebling im ganzen Haus, aber die schöne Stella, o – ja, werde einmal einer aus der klug! Der Satan weiß, was in ihr steckt!“

Hilt lachte wieder sein schneidendes, kaltes Lachen, an dem der Humor keinen Antheil hatte.

„Adieu!“ sagte Andree kühl und ließ die kleine feuchtkalte Hand Hilts rasch fallen. „Du wirst mich besuchen?“

„Natürlich! Der ‚Hamburger Hof‘ ist mir in reizender Erinnerung, ich hab’ da mal früher schöne Stunden verlebt. Uebrigens, Brühls wohnen ganz in Deiner Nähe, Alsterdamm, haben eine Villa für den Sommer in Uhlenhorst, alles großer Zuschnitt! Denn man kann seine Perle nicht in Talmigold fassen, sagt der alte Senator, und ’s ist noch nicht sein dümmster Ausspruch! Also adieu, Andree! ’s ist doch was Fremdes in Deinem Gesicht, was kann es sein? War dieser länglich zugespitzte kleine Backenbart schon immer da? Trugst Du nicht in München nur den Schnurrbart? Richtig! Fabelhaftes Gedächtniß von mir, was?“

Andree nickte schweigend und stand fünf Minuten später auf der Straße. Das Wiedersehen mit Hilt hatte ihn weder erfreut noch angeregt, der Gedanke, oft mit ihm zusammenzutreffen, war ihm unangenehm. Wenn das hier sein vertrautester Umgang werden sollte! –

Er blieb mitten auf der dunkeln Straße stehen und sah zum Himmel hinauf. Durch eilig ziehende Wolken schimmerte dann und wann mit mattem Goldlicht ein einzelner Stern, der weiche feuchte Frühlingswind war schwül und strich wie mit heimlichem [635] Seufzen um die Häuser. Wehte derselbe seufzende Wind auch über das Grab am Fuß der Pyramide des Cestius und schienen auch dort die mattleuchtenden Sterne durch schnellziehendes Gewölk herab?

Und mit voller Schmerzensgewalt kam die Erinnerung an den toten Freund über den Einsamen.




6.

Nach ein paar Tagen hatte der Frühling auch in der alten Hansastadt seinen Einzug gehalten.

Ist er auch ein launenhafter Gesell, auf den man sich nicht verlassen kann, weil er heute lacht und morgen plötzlich wieder weint, so bleibt er doch immer der beste Freund und Tröster der Menschen; er schmeichelt erwachendes Hoffen in müde Seelen und singt allen zu Grabe getragenen Träumen sein verlockendes Auferstehungslied.

Heute war er in seiner rosigsten Stimmung, er lachte über das ganze Gesicht, hatte weit, weit den tiefblauen Himmel über der norddeutschen Hafenstadt ausgespannt, ließ ein lindes weiches Lüftchen wehen und tauchte die Straßen in freudigen Sonnenglanz, auch das große graue Patrizierhaus auf dem Alsterdamm, das, von zwei Eckthürmen flankiert, einen hohen Glaspavillon und einige Balkons zeigte und eine mächtige, herrlich geschnitzte Eichenthür aufwies, ein wahres Kunstwerk, dessen Entstehung ein paar Jahrhunderte zurückreichen mußte.

Vor dieser nachgedunkelten Eichenthür stand jetzt Waldemar Andree und bewunderte sie mit kundigem Auge. Er hatte einige Tage hingehen lassen, ehe er seinen beabsichtigten Besuch beim Senatar Brühl abstattete. Inzwischen hatte er sich die Stadt ein wenig angesehen, ein paar Theater besucht, war nach Blankenese und Altona hinübergefahren, hatte die Außen-Alster („Buten-Alster“ sagt der richtige Hamburger) beschaut und den Eindruck gewonnen, daß die Gegend bei vorgerückter Vegetation einen schönen und malerischen Anblick gewähren müsse, obwohl jetzt alles noch ein wenig kahl wirke. Auch war ihm ein höfliches Schreiben einer Witwe Wiedekamp aus der Admiralitätstraße zugegangen, in welchem sich diese auf die Empfehlung des Malers Hilt hin anheischig machte, Herrn Andree eine Wohnung von drei Zimmern mit Atelier zu überlassen, falls er bei näherer Besichtigung finde, daß ihm das Logis passe. Das war nun allerdings der Fall: das Atelier war groß und hatte ausgezeichnetes Licht, die Zimmer waren elegant und wohnlich ausgestattet, und die Lage, dicht beim Binnenhafen und der Norder-Elbe, besonders verlockend. Andree fand großes Wohlgefallen an dem Leben und Treiben im Hafengebiet. Weit weniger Wohlgefallen lockte ihm Frau Wiedekamp ab, die Witwe eines ertrunkenen Obersteuermanns. Sie schien nicht ungebildet, aber durch ihre wortreiche Freundlichkeit schimmerte ein Zug von Verschlagenheit, der den Maler unangenehm berührte. Auch war der Preis, den die Witwe forderte, ein unverhältnißmäßig hoher. Indessen, Andree war gut situiert, die Wohnung sagte ihm zu, mit Frau Wiedekamp brauchte er keine Freundschaft zu schließen und so versprach er denn, am ersten Mai nach der Admiralitätstraße überzusiedeln, bis dahin, etwa noch acht Tage, gedachte er in seinem Gasthof zu bleiben. –

Ungewiß, ob er sich bei Fräulein Stella Brühl oder bei ihrer Mutter melden lassen solle – der Senator würde um diese Zeit, halb ein Uhr mittags, ohnehin nicht daheim sein – stand der Maler vor der geschnitzten Thür mit einem nicht ganz ungetheiltem Gefühl: wie würde er Gelegenheit und Worte finden, das junge Mädchen mit dem bekannt zu machen, was sie doch erfahren mußte? Um allem Zögern und fruchtlosen Nachsinnen ein Ende zu bereiten, drückte er kräftig auf den Knauf der Glocke, ein heller Ton lief alarmierend durch die Stille, und sogleich sprang die schwere Eichenthür auf; aber in dem kleinen, seitwärts angebrachten Fenster tauchte kein Gesicht auf, sodaß Andree ohne weiteres das Haus betrat.

Der Treppenflur, in großartigen Verhältnissen und mit vornehmer Nichtachtung der in unserer Zeit überall vorwaltenden Raumersparniß angelegt, empfing ein sanftes bläulichrosiges Licht durch hohe, schmale Glasfenster, was dem Ganzen etwas Feierliches verlieh. Sechs graue Marmorstufen, welche die ganze Breite beanspruchten, führten in das Innere des schönen Raumes, in dessen Hintergrunde eine große Doppeltreppe mit breitem Geländer emporstieg.

Von dieser Doppeltreppe her kam ein starker Lärm, der die stille Weihe, welche diesem Raum sonst innewohnen mußte, auffallend beeinträchtigte. Noch konnte Andree nicht gewahr werden, von wem dieser Lärm ausging; da weit und breit kein Diener zu sehen war, an den er sich mit seiner bereitgehaltenen Karte hätte wenden können, ging er entschlossen auf die Doppeltreppe zu und erstieg einige Stufen.

Nun hörte er allerdings besser und sah auch!

Anfangs hatte er geglaubt, es müsse eine ganze Gesellschaft da oben versammelt sein, die aufgeregt durcheinander schreie, jetzt überzeugte er sich, daß es nur eine Gruppe von drei Personen war, die sich hier tummelte, und daß die Akustik des ungewöhnlich großen und hohen Raumes den Schall der Stimmen so erheblich verstärkte. Auf den obersten Stufen rangen zwei halbwüchsige Jungen miteinander. Der eine kniete dem andern auf der Brust, aber der zu unterst liegende hatte den Kopf des Knieenden zu sich herabgezogen und riß ihn bald abwechselnd bei den Haaren, bald bearbeitete er ihn mit den Fäusten; dabei schrieen und schimpften beide durcheinander, und jetzt rollten sie, immer noch unlöslich verbunden, zwei oder drei Stufen hinab.

Die dritte Persönlichkeit im Bunde war ein junges, hoch emporgeschossenes Mädchen, das für seine Größe etwas zu kurze Kleider trug und einen mächtigen dunkelfarbigen Zopf über den Rücken herabhängen hatte. Mehr war nicht von ihr zu sehen, da sie sich tief zu den Ringern hinabgebeugt hatte, offenbar bemüht, sie zu trennen. Ihre Stimme, die einen tieferen Klang hatte als die der Knaben, mischte sich in deren Geschrei, und Andree konnte einzelne Worte verstehen.

„Loslassen! Auf der Stelle! Wolfgang, Du Taugenichts, Du drückst ihm den Brustkasten ein. Heinz, Du schlägst jetzt nicht mehr! Ruhe, Jungen! Loslassen! Hört Ihr nicht? Dann werdet Ihr’s fühlen – Ihr sollt es erleben, daß ich Euch auseinander bringe!“

Und sie erlebten es wirklich. Mit einer Körperkraft, die gewiß niemand in dem schmächtigen jungen Geschöpf geahnt hätte, riß sie den Knieenden mit beiden Händen in die Höhe, daß er taumelnd auf die Füße zu stehen kam, und dann raffte sie den andern, der laut keuchte, von der Erde auf und hielt ihn fest, bis er sich an das Geländer gelehnt hatte. Athemlos von ihrer Anstrengung stand sie da und musterte mit zornigen Blicken die Jungen, die einander wie zwei erboste Kampfhähne anstarrten und nicht übel Lust zu haben schienen, noch einmal anzufangen.

„Wie Ihr ausseht! Wolfgang, das ist die neue Hose, die kannst Du nicht mehr tragen! Und Heinz, Du hast ihm ein ganzes Büschel Haare ausgerissen, mach’ die Hand auf. ich hab’ es ja gesehen! Ihr dummen Bengel! Was? Noch einmal wollt Ihr anfangen? Untersteht Euch!“ Sie langte nach ihrem schweren, langen Zopf und gab damit jedem der Jungen ein paar scharfe Hiebe über den Rücken. „Jetzt marsch!“

„Das ist recht, gnädiges Fräulein!“ ließ sich eine breite Männerstimme vernehmen, und ein großer dicker Portier in voller Gala stand, wie aus der Erde gewachsen, neben der Gruppe. „Heinz, Schlingel, wie kannst Du Dich unterstehen und dem jungen Herrn die Haare vom Kopf reißen?“

„Ach, Unsinn! Der junge Herr ist nichts besseres als Ihr Heinz, Oehmke, und hat außerdem angefangen. Wenn einer auf mir knieet und mich bald abwürgt, dem werd’ ich wohl eine Hand voll Haare ausrupfen dürfen. Die Jungen taugen alle beide nichts! Heinz, mach’, daß Du wegkommst, und Wolf kommt mit mir!“

Es war keine anmuthige Scene gewesen, die Andree da mit angesehen hatte: eine regelrechte Prügelei, in die sich ein Mädchen gemischt hatte – ein Mädchen, das Kraftausdrücke gebrauchte und mit einem langen Zopf um sich schlug, und doch mißfiel ihm das Ganze durchaus nicht, wenn es ihn auch stark befremdete. Er war auf etwas Derartiges im Hause des Senators Brühl nicht gefaßt gewesen. Ob dies seine jüngeren Kinder sein konnten? Und wenn sie es waren – wie kam es, daß sie so unbeaufsichtigt hier im Treppenflur umhertoben durften?

Der Portier zog mit seinem Sprößling nach der andern Hälfte der Doppeltreppe ab, und das junge Mädchen versuchte Wolfgangs Anzug etwas in stand zu setzen. Sie rückte an seinem Schlips und Hemdkragen, glättete ihm mit einem Taschenkämmchen [636] das zerraufte Haar und sagte halblaut: „Was war denn los?“

„Ach, der Esel der! Meinen Pfiff hat er nachgemacht, und Fritz Brocksdorff ist drauf ’reingefallen – na – das konnt’ ich mir doch nicht gefallen lassen!“

Hier drehte sich das junge Mädchen mit einer ganz unerwarteten Wendung herum, da ihr der kleine Kamm aus der Hand gefallen war, und bekam Andree zu sehen, der, unschlüssig, ob er bleiben oder gehen sollte, in zögernder Haltung dastand. Ihr blasses und schmales Gesicht röthete sich leicht, als sie den fremden Herrn gewahrte, augenscheinlich aber war sie nicht sonderlich verlegen, eher innerlich belustigt. Ihre ausdrucksvollen großen grauen Augen musterten ihn rasch, und die Lippen zuckten leise von verhaltenem Lachen.

„Was wünschen Sie, mein Herr?“ fragte sie dann.

„Ist Fräulein Stella Brühl zu sprechen?“ erwiderte Andree und ärgerte sich in demselben Augenblick, daß er sich nicht lieber nach ihren Eltern erkundigt hatte.

Das junge Fräulein zog nachdenklich die Brauen zusammen.

„Ich weiß nicht – ich glaube nicht – ich will aber nachfragen. Frau Willmers!“ rief sie mit lautschallender Stimme nach oben. „Ist die Prinzessin zu Hause?“

Ein Weilchen blieb es still, dann kam ein breites Organ von oben aus irgend einer geheimnißvollen Thür.

„Nein! Die Prinzessin ist mit Dudu ausgefahren, Papa ist zur Börse und Mama beim Photographen!“

„Da haben wir’s! Alle fort! Von den Eltern wußte ich’s übrigens, sonst wär’ es hier nicht so zugegangen! Wo aber unsere Diener stecken, das wissen die Götter! Darf ich –“ mit einem Blick auf das Elfenbeinetui in Andrees Hand – „Ihre Karte abgeben?“

„Zu gütig, mein Fräulein! Sie wollen sich selbst bemühen … indessen, wenn Sie die Freundlichkeit haben wollten! In den nächsten Tagen bin ich so frei, meinen Besuch zu wiederholen!“

„Bitte!“ Sie warf einen Blick auf die Karte. „Ach – Herr Andree, von dem Herr Hilt uns schon gesagt hat! Bitte, verrathen Sie Herrn Hilt nicht, wie Sie meinen Bruder und mich heut’ hier angetroffen haben – dieser Herr erzählt meinen Eltern nämlich alles wieder!“ Auf den beweglichen Zügen stand deutlich eine offene Abneigung gegen Herrn Hilt sowohl als auch gegen seine Gewohnheit des Wiedererzählens zu lesen.

„Mein Wort darauf!“ Andree verneigte sich feierlich und faßte nun auch Wolfgang näher ins Auge – ein kräftig gebauter blonder Junge mit offenem Gesicht, nicht hübsch und nicht häßlich.

„Danke!“ nickte das Mädchen. „Und entschuldigen Sie, daß ich das alles hier auf der Treppe mit Ihnen verhandle, aber ich darf außer meinen Freundinnen noch keine Besuche empfangen – Mama erlaubt das nicht!“ Wieder übten die grauen Augen ausdrucksvolle Kritik an diesem mütterlichen Verbot.

„Jedenfalls habe ich das am meisten zu bedauern,“ entgegnete Andree zuvorkommend und reichte Wolfgang die Hand zum Abschied. „Adieu, junger Freund! Als ich in Ihrem Alter war, hätt’ ich ohne Frage auch den niedergeworfen, der sich unterstanden haben würde, meinen Pfiff nachzuahmen und einen guten Freund zum Narren zu halten.“

Der Junge wurde roth und kicherte, schlug jedoch mit Vergnügen in die dargereichte Hand ein und sah mit seinen hellen Augen wohlgefällig an Andree in die Höhe. „Solche Figur möchte ich auch einmal bekommen!“ stand in dem Blick zu lesen.

„Auf Wiedersehen, mein Fräulein – hoffentlich darf ich so sagen!“ Der Maler verneigte sich nochmals und bekam als Gegengruß jenes komische Zwitterding zwischen Knix und Kompliment, das unausgewachsene Mädchen, die noch keine langen Kleider tragen, mit unfehlbarem Ungeschick zustande bringen. Vor sich hinlächelnd und kopfschüttelnd verließ er das Haus. Das also waren Senator Brühls jüngere Kinder! Wie mochte die älteste Tochter sein, die „Prinzessin“, wie man sie dort im Hause nannte?

Nachdenklich wanderte Andree über den Alsterdamm. Im Grunde fühlte er sich wenig gemüthlich in Hamburg. Er hatte in Rom viel Verkehr mit seinesgleichen gehabt, anregenden interessanten Verkehr, der fehlte ihm hier bis jetzt gänzlich. So überkam es ihn jetzt fast wie Sehnsucht nach den Bekannten in Rom. Nachrichten von dort waren ihm nur einmal zugegangen. Der kleine Hartwich hatte ihm mit ein paar freundlichen treuen Worten mitgetheilt, daß Signora Marchini ihr Haus zugeschlossen habe und nach Pisa gereist sei, ihre dortige Adresse sei unbekannt! Und da war auch wieder jenes dumpfe leere Gefühl, das ihn an den kürzlich erlittenen Verlust mahnte. Es war kein eigentlicher Schmerz, eher eine warnende Stimme, die ihm zuflüsterte: in der Tiefe Deines Herzens ruht etwas – daran rühre nicht! Thust Du es dennoch, so kommt es Dir mit übermächtigem Weh zum Bewußtsein, wie innerlich verarmt, wie einsam Du dastehst, darum hüte Dich, das, was in Dir schlummert, zu wecken! –

In seinem ziellosen Weiterwandern war der Maler auf den Weg an der Außen-Alster geraten, der bei dem schönen Wetter außerordentlich belebt war. Wie bei einer Korsofahrt zog Wagen auf Wagen an ihm vorüber, und die meisten Gefährte und Rosse bewiesen deutlich genug, daß der vielgerühmte Reichthum der Hamburger Patrizier und Handelsleute noch immer in voller Blüthe stand.

So auch eben jetzt! Zwei arabische Schimmel kamen heran, langmähnig, seidenhaarig, mit zierlichen Köpfen und kleinen Hufen, ihre silbernen Gebißketten flimmerten im Sonnenschein. Sie waren vor einen niedrigen Wagen mit auffallend großen Rädern gespannt, auf dessen Vordersitz eine junge Dame saß, welche die Zügel straff in den Händen hielt. Sie fuhr gerade jetzt langsam, denn sie hatte einen älteren Herrn entdeckt, der bedächtig auf dem Wege für Fußgänger einherwandelte, aber anscheinend tief in Gedanken verloren war und auf seine Umgebung nicht achtete. Das Fräulein machte umsonst mit der Peitsche allerlei Zeichen, um die Aufmerksamkeit des Herrn zu erregen, endlich wandte sie sich um, sprach ein paar Worte rückwärts und zog die Leine an. Die Araber standen, und Andree blieb gleichfalls stehen und sah sich die Scene an.

Auf dem Rücksitz des Wagens, der wie ein Vogelkäfig an breiten Riemen in der Luft hing, balancierte ein Negerknabe, kohlrabenschwarz, mit wulstigen Lippen und einer kolossalen Wucht wirrer Kraushaare, auf denen ein kleiner, brennendrother Fez saß. Gewiß besaß der Junge auch herrliche Zähne, die zeigte er aber jetzt nicht – seine weit vorliegenden dunklen Augensterne, die in glänzendem Blauweiß schwammen, blickten blöde und traurig zugleich um sich, und seine Herrin mußte zweimal zu ihm sprechen und lebhafte Gebärden machen, ehe er sie verstand und von seinem luftigen Sitze herab auf die Straße sprang.

Andree bemerke, daß er nicht der einzige war, der stehen blieb oder langsamer ging, um das Gefährt zu betrachten – vielmehr nicht dieses selbst, denn bizarre Wagen und schöne Pferde und vollends Neger gab es übergenug in Hamburg zu sehen, darum brauchte man sich nicht aufzuhalten. Aber die Rosselenkerin! Nein, gottlob, die Schönheit war noch nicht ausgestorben in der Welt, die Natur fand immer noch Lust und Gelegenheit, sie zu schaffen. Wie üppig war diese frei und scheinbar ganz kunstlos herabrollende Lockenpracht vom schönsten Tizianischen Rothbraun, das man sich denken konnte! Die Sonnenstrahlen nisteten sich darin ein und trieben ein wundervolles Spiel mit goldigen, braunen und metallisch rothen Lichtern, es leuchtete förmlich um das kleine rosigweiße Gesicht mit den zarten Zügen und den lächelnden Lippen. Lange dunkle Wimpern und Brauen schienen sich mühen zu wollen, die Augen zu verstecken, aber das war umsonst – groß aufgeschlagen und strahlend blau sahen sie in die Welt hinein. Das Reizvollste an dem entzückenden Geschöpf war die völlige Unbefangenheit, mit der es sich benahm. Nicht als befinde es sich mitten auf der belebtesten Promenade einer Großstadt, angestaunt und begafft von vielen, sondern so zwanglos, als sei es allein und unbeachtet, rückte sich das schöne Mädchen auf seinem Sitz zurecht, tastete mit der Rechten nach dem dunkelblauen Sammetmützchen, das sich bei der Fahrt ein wenig verschoben haben mochte, und blickte über die Menschen weg, als wären sie leere Luft, dem Negerknaben nach, der im Begriff war, seinen Auftrag auszurichten. Ein schönes verwöhntes Mädchen nimmt es als etwas Natürliches an, daß ihm die Welt gehört mitsammt dem pflichtschuldigen Tribut von Anbetung und Erstaunen, daher hält es sich nicht weiter damit auf, geschmeichelt zu lächeln oder triumphierend umherzublicken – es weiß genau, wieviel es auch ohne das erreicht!

Andree fühlte sein Herz so heftig schlagen, daß es ihm die Kehle mit hartem Druck zusammenpreßte: er hatte Werner Troosts Braut gefunden und zugleich sein Ideal – nicht das seines Mannesherzens, wohl aber das seiner begeisterungsvollen Künstlerseele! Ob das eine das andere nach sich zog?

(Fortsetzung folgt.)
[637]
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Zu Theodor Körners hundertjährigem Geburtstag.

 „Wahrlich, Dich liebten die Götter, Geschiedener! Freundlich mit Liedern
      Kränzt’ in der Jugend schon liebend die Muse Dein Haupt.
 Und da Du nun auszogst begeisterungskühn zu dem Kampfe,
      Ward in der Stunde des Tods Dir noch ein gnädig Geschick;
 Denn Du stiegst in der Fülle der Kraft, in heiligem Muthe
      Schnell von dem tödlichen Blei schmerzlos zum Orkus hinab.“

Es waren gewaltige Zeiten, jene stürmischen Anfänge unseres Jahrhunderts. Europa wankte in seinen alten staatlichen Grundlagen; Deutschland vor allem ward durch den eisernen Druck des französischen Welteroberers bis in seine Tiefen erregt. Aber mitten in diesem Umsturz, in dem nichts mehr zu beharren schien, bereitete sich eine innere Neugeburt des deutschen Volkes vor. Der literarische Aufschwung, der nach der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts angebrochen war und in Lessing, Schiller und Goethe rasch die führenden klassischen Geister erhalten hatte – er fand im Zusammenhang mit jener Neubelebung des Volksbewußtseins gegenüber der Fremdherrschaft und dem nationalen Unglück patriotische Klänge, vaterländische Weisen. Das Morgenroth deutscher Einheit und deutschen Fühlens, das jetzt für uns zum lichten Tag geworden ist, war verheißungsvoll heraufgezogen, und Männer wie Arndt, Schenkendorf und Rückert begrüßten den werdenden Tag mit begeisterten Tönen. Keiner unter den vaterländischen Dichtern aber hat seine Muse feuriger und tapferer in den Dienst dieser großen Zeit gestellt als der Sänger von „Leyer und Schwert“, als Theodor Körner.

Für ihn, der am 23. September 1791 geboren wurde, verlief gleich die frühe Jugend unter dem Zeichen jener Erschütterungen, welche im Gefolge der französischen Revolution und der sich anschließenden Kämpfe auftraten; und als der poetische Genius des Jünglings eben die Flügel geregt hatte, da erklang auch schon am 3. Februar 1813 jener Aufruf Friedrich Wilhelms III., welcher Deutschlands Söhne zum entscheidenden Ringen gegen Napoleon aufforderte und den emporstrebenden Dichter in die Reihen der Lützowschen Freischar führte. So mußten für Theodor Körner die Kinder seiner Muse zugleich zu Kindern des Krieges werden, und es ist nicht zu verwundern, daß seine besten Lieder dem heißen Kampf für das Vaterland galten. Gefecht und Feldwache, einsame Stunden unter dem gestirnten Himmel, kühne Ritte durchs Land im hellen Sonnenschein – das alles ward ihm zum Gedicht in diesem mächtigen Spiel der Waffen, wo nicht nur in seiner eigenen Seele, sondern in jedem seiner Genossen jene echte Begeisterung lebendig war, welche das Letzte an die Freiheit des Volkes setzt. Karl Immermann, der Dichter des „Oberhofs“, welcher 1815 gleichfalls in den Kampf gegen Frankreich zog, schildert diesen Geist, der in Körner und in den Lützowschen Scharen lebendig war, bei Gelegenheit des Kölner Freiwilligenfestes am 8. Februar 1838 mit folgenden treffenden Worten:

0Körners Geburtshaus0
zu Dresden im Jahre 1791.

„Die Jugend und Frische des deutschen Gesammtlebens war in seinen zartesten Nerven von der Fremden-Ueberziehung angetastet worden; deutsches Denken, Sinnen und Dichten stand in Gefahr, mit der heimischen Sprache den fremden Lauten und dargeliehenen oder aufgedrungenen Geistesformen weichen zu müssen. Deshalb kämpfte die Blüthe der Jugend aus dem Hörsaal, der Kirche, dem Lehrstuhl, der Gerichtshalle so begeistert mit. Diese Jugend fühlte, daß das ganze Erbe unserer großen geistigen Ahnen und die Zukunft des Geistes, welche ihr anheim fallen sollte, auf dem Spiele stehe. Der Athem dieser Jugend durchdrang erfrischend das Heer, überallhin waren ihre Sprossen gepflanzt, nirgends aber stand der junge, grüne Hain so dicht, als in den Lützowschen Freischaren. Hier war der Student der Nebenmann des jungen Geistlichen; Aerzte, Künstler, Lehrer, Naturforscher, ausgezeichnete, zum Theil schon hochgestellte Beamte von besonderem Schwunge des Wirkens waren an die wenigen Kompagnien und Schwadronen vertheilt, welche zum Zeichen, daß alle Farben des deutschen Lebens erst wieder aufwachen sollten, das farblose Schwarz trugen. Unsere Sinnes- und Geistesart war gewissermaßen dort in einer gedrängten und übersichtlichen Gruppe nach ihren verschiedensten Formen sichtbar. Ein kühner, freisinniger Führer hielt diese eigenartigen Persönlichkeiten, diese wundersame Genossenschaft unter den schwierigsten Umständen in Sieg und Niederlage zusammen.

Die Freischar war die Poesie des Heeres, und so hat sie denn auch den Dichter des Kampfes in ihrem Schoße ausgetragen: Theodor Körner. Ein schönes, beneidenswerthes Leben! Indem er den Kriegsrock anzieht, streift er alles Schwache, Nachgeahmte seiner ersten Versuche ab; er ist ein Anderer geworden. Von Feldwache zu Feldwache, von Gefecht zu Gefecht quellen ihm Lieder zu, eigene, unnachgeahmte, unnachahmbare, welche die Nation zu ihren Schätzen zählt, er dichtet sein ‚Schwertlied‘, einen der höchsten Laute unserer Sprache. Da werben schon die Trompeten. Er wirft den Stift weg und ergreift sein Schwert, die Braut, welche er eben besungen: in der Fülle dieser Wonne, auf dem Gipfel solchen Glücks tritt ihn der Tod an, rasch, ohne daß er sein Antlitz gesehen hat, und die Brüder geben ihm den Feuergruß in die erkämpfte Gruft. Er fehlt [638] im Siegesheimzuge, aber er ruht auf freier Erde, wie er wollte, und lebt im Volke:

‚Denn was berauscht die Leyer einst gesungen,
Das hat des Schwertes freie That errungen.‘“ –

Ja, Körner lebt fort in seinem Volke! Am 23. September dieses Jahres wird in seinem Vaterlande und allenthalben, wo Deutsche wohnen, welche der Heimath und ihrer Größe nicht vergessen, sein Andenken dankbar gefeiert. Und es muß hier nicht wie so oft ein halb Verschollener beim hundertjährigen Gedenkfeste erst wieder in die Erinnerung zurückgerufen werden. Körners Bild ist nie entschwunden, und vor allem hat seine Vaterstadt Dresden sich stets dessen erinnert, daß innerhalb ihrer Mauern einst die Wiege des „deutschen Tyrtäus“ stand.

Antonie Adamberger
die Braut Theodor Körners.

Schon am 26. August 1863, am fünfzigjährigen Todestage des Dichters, wurde die Stätte seiner Geburt in der Neustadt mit einer Gedenktafel geschmückt und die Straße mit dem Geburtshause, die vorher „am Kohlenmarkt“ hieß, in „Körnerstraße“ umgetauft. Und am 18. Oktober 1871, dem Jahrestag der Schlacht bei Leipzig, fand auf dem Georgplatz in Dresden vor dem Gymnasium zum heiligen Kreuz, dem einst Körner selbst als Schüler gehörte, die Enthüllung des Standbilds statt, das Ernst Hähnel mit verständnißvoller Künstlerhand für den Sänger der Befreiungskriege gerade zu der Zeit entworfen hatte, als Deutschlands Heere wiederum die siegreichen Waffen gegen den Erbfeind im Westen kehrten. Endlich feierte am 28. März 1875 unter dem Geläute der Osterglocken und umbraust von vielhundertstimmigem Jubelgesang dort im anmuthigen „Deutschen Florenz“ ein Raum seine Auferstehung, der in seiner Anspruchslosigkeit bisher wenig beachtet worden war.

An diesem Tage wurde nämlich das Geburtshaus Körners mit den darin aufgestellten Sammlungen zum „Körnermuseum“ geweiht, unter gleichzeitiger Enthüllung zweier Reliefbildnisse an der Außenseite, von denen das eine den Heldenjüngling selbst wiedergiebt, während das andere Schiller darstellt, der von 1785 bis 1787 hier bei den Eltern Theodor Körners in traulichem Zusammensein verweilte und an diesem gastlichen Herde ein neues Glück und neue dichterische Schaffenslust fand.

Der Gedanke bei dieser Eröffnung des Museums war, nicht nur dem Gedächtniß des Dichters, sondern zugleich dem jener ganzen bedeutungsvollen Zeit der Befreiungskriege eine Heimstätte zu geben, den Alten zur Erinnerung an ihre Thaten von Einst, dem Manne zur Anfeuerung in ernstem Schaffen und muthigem Ausharren, der Jugend eine Ruhmeshalle, welche sie zu fröhlichem Liede und, wenn es gilt, zu tapferem Schwerterklang begeistern soll.

Diese Bestimmung zu erreichen, ist dem Begründer und Leiter des Museums in noch erhöhterem Maße als zu Anfang möglich geworden, seit im Herbst 1885 die städtische Verwaltung sich mit dem Besitzer der Sammlungen über die Bedingungen geeinigt hat, unter denen das Ganze Eigenthum der Stadt werden konnte.

Während nunmehr der Inhalt der Räume im Erdgeschoß den weltgeschichtlichen Wendepunkt zweier Jahrhunderte veranschaulicht, sind die Gelasse im oberen Stockwerk, die von 1785 bis 1793 dem Vater des Dichters dem Appellationsrath Dr. Christian Gottfried Körner, und den Seinigen als Wohnung dienten, den Reliquien der Familie gewidmet, die eine hervorragende Rolle in der Kulturgeschichte Dresdens gespielt hat. Die Einrichtung der Zimmer stammt zum großen Theil aus dem einstigen Besitz Dr. Körners und ist auch sonst in allen Einzelheiten streng dem Stile zu Anfang unseres Jahrhunderts angepaßt.

Von Theodor Körner selbst befinden sich im Museum außer den schönsten Reliquien, jenen Gegenständen, die er in seinen letzten Tagen trug, die ersten Nachrichten über seine Geburt, seine frühesten Uebungen im Schreiben und Zeichnen, Gelegenheitsgedichte des Knaben, Zeugnisse der aufkeimenden Neigung zur Poesie, seine Studienhefte aus der Schulzeit und namentlich hübsch gelungene Kupferradierungen, wodurch er sich als würdigen Enkel seines Großvaters Michael Stock zeigte, der in Leipzig ein geschätzter Kupferstecher gewesen war und Goethes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Außerdem liefern verschiedene Skizzenbücher den Beweis, daß die Begabung für Malerei in Theodor Körner ebenso lebendig war wie in seiner Mutter, der Tochter des eben erwähnten Michael Stock, und in seiner um drei Jahre älteren Schwester Emma. Ferner sind die Schränke erhalten geblieben, die der Vater für eine reiche Mineraliensammlung anfertigen ließ, nachdem sich sein Sohn für das Studium der Bergwissenschaften in Freiberg entschieden hatte, und ebenso sind noch die bergmännischen Instrumente zu sehen, welche der Jüngling dort benützte.

Vom Jahre 1808 bis 1810 verweilte Theodor Körner auf der Bergakademie zu Freiberg. Als er von da schied, weil ihn das eingeschlagene Studium nicht befriedigen konnte, unternahm er zunächst einige kleinere Reisen und verlebte namentlich eine herrliche Zeit der Stille und Sammlung auf Schloß Löbichau bei Altenburg, wohin ihn seine Pathin, die Herzogin Dorothea von Kurland, eingeladen hatte. Im Oktober 1810 bezog er die Universität Leipzig mit dem Entschluß, sich der Jurisprudenz zu widmen. Allein was seine eigentliche Bestimmung sei, das verrieth ein Bändchen Gedichte, „Knospen“ betitelt, das er noch im gleichen Jahre veröffentlichte; vor allem schilderte er hier das Bergmannsleben in leuchtenden Farben.

Wegen einiger studentischer Händel vertauschte er Ostern 1811 Leipzig mit Berlin, jedoch eine gefährliche Krankheit unterbrach auch seinen dortigen Aufenthalt in Bälde. Um nun den Sohn in eine Lage zu versetzen, in welcher er frei von irgendwelchen gefährlichen Verbindungen seinen Geist und sein vorzügliches Dichtertalent [639] ausbilden könnte, beschloß der Vater, ihn in das glänzende Wien einzuführen.

Theodor Körner, von seinem Waffengefährten Olivier
gezeichnet am 26. August 1813 unter der Eiche bei Wöbbelin.

Versehen mit den besten Empfehlungen von einflußreichen Freunden seines Vaters, eines W. v. Humboldt, Fr. v. Schlegel u. a., traf Theodor Körner Ende August 1811 in der österreichischen Hauptstadt ein. Eine neue Welt that sich hier vor ihm auf: die Bühne versprach ihm einen ausgebreiteten Ruf. Bald hörte man von Wien aus mit rauschendem Lobe seinen Namen nennen; mehrere seiner dramatischen Dichtungen, wie „Der grüne Domino“, „Der Nachtwächter“, „Die Gouvernante“, fanden allgemeinen Beifall. Indessen Körners hochstrebender Geist ließ sich nicht an diesen kleineren Arbeiten genügen, ihn verlangte nach einem großen tragischen Stoff. Den Plan zu einem Trauerspiel „Konradin“, der ihn früher beschäftigt hatte, gab er auf, dafür bot sich ihm ein dankbarer Vorwurf aus der ungarischen Geschichte: das Schicksal des „ungarischen Leonidas“ Zriny. Im Sommer 1812 vollendete der Dichter in Oberdöbling bei Wien die Tragödie, welche den Namen jenes Helden trägt, und als das leidenschaftlich bewegte Stück am 30. Dezember 1812 auf dem Theater „an der Wien“ in glänzender Ausstattung und unter begeisterter Zustimmung seine erste Aufführung erlebte, da war der Ruhm des Jünglings gesichert; der Kaiser ernannte ihn zum Hoftheaterdichter.

Verkleinerte Nachbildung der Urschrift des Gedichtes „Treuer Tod“.

Zu dieser Aufmunterung seines Strebens kam noch eine feurige Liebe des Dichters zu einer begabten und liebenswürdigen Schauspielerin, Antonie Adamberger. Es war eine glückliche Fügung, daß gerade sie Körners Neigung gewann und als seine Braut einen wohlthuenden Einfluß auf ihn ausüben konnte. Der Vater des Dichters erkannte dies bald, in einem Briefe sagt er, dieses Mädchen sei vom Himmel gleichsam zum Schutzengel seines Sohnes bestimmt, indem sie ihn ebenso durch die Reize der Gestalt wie der Seele fessele. Mehrere Jahre nach Körners Tod hat sie sich mit dem Museumsinspektor Josef von Arneth vermählt, dessen Sohn jüngst in seinen „Lebenserinnerungen“ interessante Mittheilungen über die Beziehungen seiner Mutter zu dem Dichter veröffentlichte.

Neue Arbeiten, neue Entwürfe beschäftigten den rastlosen Geist Theodor Körners. Da ertönte jener königliche Aufruf zur Befreiung der deutschen Laude, deren Schmach der Jüngling schon längst mit bitterem Weh empfunden hatte, und nun säumte er keinen Augenblick, die Leyer mit dem Schwert zu vertauschen. In einem Briefe aus Wien vom 10. März 1813 bittet er den Vater um die Erlaubniß, zu den Waffen eilen zu dürfen. „Deutschland steht auf! Der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge die Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande – laß mich ihr würdiger Jünger sein! – Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene, glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, nun, sei’s auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen!“ Fünf Tage nachher riß er sich von seiner Braut los und einen Monat später nahm er, schon in der Uniform der Lützowschen Schar, von den Seinigen Abschied. Es war das letzte Mal, daß er diejenigen umschloß, die ihm theuer waren auf Erden, nun galt sein Leben einem höheren Dienste, dem Kampf um das Vaterland, zu dem er mit den begeisterten Worten aufrief:

Frisch auf, mein Volk. Die Flammenzeichen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen;
Frisch auf, mein Volk! – Die Flammenzeichen rauchen.
Die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht!
Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte!
Drück’ Dir den Speer ins treue Herz hinein:
‚Der Freiheit eine Gasse!‘ – Wasch’ die Erde,
Dein deutsches Land, mit Deinem Blute rein“ –

Reliquien aus Körners Schul- und Studienzeit.

Reliquien aus Körners letzten Tagen (Achselklappen, Uhrband, Säbelkoppel, Uniformweste, Taschenbuch).

Wie dieses reiche, vielversprechende Leben dem Befreiungskampfe zum Opfer fiel, ist bekannt. Nachdem er schon am 17. Juni beim verrätherischen Ueberfall von Kitzen eine schwere Verwundung erhalten hatte, deren Heilung ihn bis zum 15. Juli in Karlsbad aufhielt, eilte er, kaum genesen, wieder zu seinem Corps zurück, bei dessen zweiter Jägerschwadron er als Adjutant des Majors v. Lützow stand. Seine Waffengefährten begrüßten ihn mit Jubel, allein es war nicht die Zeit zu ruhiger ungetrübter Freude. Am 23. August schreibt Körner an den Hofrath Parthey in Berlin aus Kirch-Jesar, wo er unmittelbar vor seinem Tode auch seinen Schwanengesang, das „Schwertlied“, dichtete, daß er noch lebe, doch seit dem 17. schlügen sich die Lützower alle Tage. Wie eine verhüllte Todesahnung gemahnen uns diese Worte, und nur zu bald ging sie in Erfüllung. In nächster Nähe eines Gehölzes an der Landstraße unweit Gadebusch in Mecklenburg-Schwerin durchbohrte am 26. August eine feindliche Flintenkugel das Herz des edlen Jünglings; so ward dem deutschen Volke der Genius entrissen, der glänzend wie das Frühroth eines verheißungsvollen Tages seine Bahn begonnen hatte.

Fast will es scheinen, als habe sich Theodor Körner in dem feurigen Helden Lorenz [640] Juranitsch seines „Zriny“ prophetisch selbst gezeichnet. wenn dieser ausruft:

„Wer Kräfte fühlt, der muß die Kräfte regen;
Der Kampf ist kurz, der Sieg soll ewig sein!
Und sehnt’ ich mich nach ungemeinen Schätzen,
Ich muß das Ungemeine daran setzen!“ –

„Ich möchte untergehen wie ein Held,
Im frischen Kranze meiner kühnsten Liebe,
Und, was die wilde Sehnsucht hier versprach,
Dort drüben von der Lust des Himmels fordern.“

Körners Grabstätte bei Wöbbelin im Jahre 1813.
Nach einer Zeichnung von Olof Winkler.

Und klingt uns nicht der ganze Opfermuth des Dichters entgegen aus jenen freudigen Worten, mit denen er in seinem Liede „Treuer Tod“ das Ende dessen schildert, der im kühnen Streit ums Vaterland sein Blut vergießt[1]:

Und furchtbar stürzt er in des Kampfes Gluth
Und tausend fallen unter seinen Streichen,
Den Sieg verdankt man seinem Heldenmuth,
Doch auch den Sieger zählt man zu den Leichen.
‚Ström’ hin, mein Blut, so purpurroth,
Dich rächten meines Schwertes Hiebe,
Ich hielt den Schwur, treu bis in Tod
Dem Vaterland und meiner Liebe.‘“

Am 27. August begruben seine Kameraden den geliebten Toten unter einer mächtigen Eiche bei Wöbbelin, nachdem noch einer von ihnen, Olivier, das Antlitz des geschiedenen Freundes mit wenigen Strichen auf einer Zeichnung festgehalten hatte. Als der Sarg in die Erde gesenkt wurde, sangen die Lützower als letzten weihevollen Gruß des Dichters „Gebet vor der Schlacht“:

„Vater, ich rufe Dich!
Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze.
Lenker der Schlachten, ich rufe Dich!
Vater Du, führe mich!“ –

Theodor Körner ging dahin, ohne die Befreiung seines Vaterlandes zu erleben, an welcher sein flammendes Lied doch so großen Theil hatte. Wir, die wir nicht bloß in das Erbe dessen eingetreten sind, was die Jahre 1813 bis 1815 unserem Volke gebracht haben, sondern mit stolzem Glück auch die Einheit des Vaterlandes sich gestalten sahen – wir haben die Pflicht, des allzufrüh Dahingerafften dankbar zu gedenken mit dem Entschluß, darüber zu wachen, daß Leyer und Schwert der Deutschen nur deutschem Geist und deutscher Sache diene. Dr. Emil Peschel.     




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Opfer des Blitzes.

Die Zahl der Menschenleben, welche der Blitz alljährlich fordert, ist größer, als man gewöhnlich glaubt. Die Statistik, welche in vielen Staaten darüber geführt wird, ist zwar noch sehr lückenhaft, immerhin aber gestattet sie schon einige Schlüsse; man kann annehmen, daß in unseren Kulturstaaten von 200 000 bis 250 000 Personen je eine jährlich vom Blitz getötet wird.

Die Blitzgefahr ist nicht in allen Gegenden in gleicher Weise vorhanden. In gewissen Gebirgsländern Süddeutschlands scheint sie größer zu sein als in der Ebene. Nach Mittheilungen, die Dr. Katterer neuerdings in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin veröffentlicht hat, kann man in Steiermark, Kärnten und Tirol unschwer Menschen finden, die in ihrem Leben einmal vom Blitze niedergeschlagen oder gestreift worden sind. Die Bevölkerung ist an diese Unglücksfälle gewöhnt; die Toten werden begraben; und da diejenigen, welche mit dem Leben davongekommen sind, sich in der Regel rasch wieder von der Betäubung erholen, so wird der Arzt nicht aufgesucht. Daher gelangt nur ein Bruchtheil der Unglücksfälle zur allgemeinen Kenntniß. Das ist zu bedauern, denn die Wirkungen des Blitzschlags auf den Menschen sind bis jetzt nur wenig erforscht.

[641]

Photographie im Verlage der Photographischen Union in München.
Im Sommer von 1813.
Nach einem Gemälde von O. Wergeland.

[642] Der Blitz, „der war, eh man ihn sah“, tötet in der Regel im Augenblick. Bekannt ist der von Reimarus erzählte Fall, wo zwei Menschen, die vor dem Gewitter hinter einer Hecke Schutz gesucht hatten, dort vom Blitze getötet wurden. Man fand sie in ganz unveränderter Lage, mit offenen Augen; der eine hielt nach ein Stück Brot in der Hand, das er einem Hunde reichen wollte, der auf seinem Schoße saß und mit erschlagen wurde.

Häufig findet man an den Leichen der vom Blitz Getroffenen nicht die geringste Verletzung, in anderen Fällen läßt der Blitz Spuren seiner Gewalt zurück. Am bekanntesten sind die „Blitzfiguren“, geröthete, baumartig verzweigte Streifen, welche sich vom Gesicht bis zur Fußsohle erstrecken können und keineswegs dem Lauf der Blutgefäße oder Nerven entsprechen, sondern bloß die Bahn des Blitzfunkens bezeichnen. Dann trifft man wieder nur kleine umschriebene Hautabschürfungen oder blutunterlaufene Stellen und lochförmige Oeffnungen. Daneben aber finden sich breitere Wunden, ja die Verletzungen können, wenn auch sehr selten, in mächtigen Zerstörungen, im Abreißen ganzer Gliedmaßen und in Schädelbrüchen bestehen. Verbrennungen der Haut und Versengungen der Haare werden gleichfalls öfter beobachtet.

Ebenso verhält es sich mit den inneren Verletzungen, bald zeigen sich gar keine Veränderungen, bald tiefe Schädigungen der edelsten Organe.

Regelmäßiger erblickt matt deutliche Spuren des Blitzes an den Kleidern der Getroffenen, sowie an den Gegenständen, die sie bei sich getragen haben. Die Kleider können verbrannt oder zerrissen sein, namentlich werden oft Risse am Schuhwerk beobachtet; doch kommt es auch hier vor, daß alle Spuren fehlen. Die sonderbarste Erscheinung bilden wohl jene Fälle, in denen die Kleider unversehrt bleiben, aber metallene Gegenstände wie Messingknöpfe, Geld, Uhren, Ketten geschmolzen werden. In medizinischen Fachblättern wurde kürzlich Folgendes mitgetheilt: Jäger fanden in Tirol unter einem Baume die Leiche eines Mannes. Wenige Tage vorher waren über der Gegend heftige Gewitter niedergegangen, und so lag die Vermuthung nahe, daß der Mann vom Blitze erschlagen worden sei. Obwohl nun an der Leiche selbst keine Spuren von Verletzungen bemerklich waren, so trug der Tote doch den deutlichsten Beweis des Blitzschlages in seiner Tasche. Eine Anzahl Kupfermünzen war dort zu einem festen Haufen zusammengelöthet, da ihr Rand an verschiedenen Stellen geschmolzen war.

Lichtenberg, der berühmte Naturforscher und satirische Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts, hat gesagt, die Menschen würden vom Blitz erschlagen, weil sie es nicht anders haben wollten. Ein gut Theil Wahrheit ist in diesem Wort enthalten; denn die Schutzmittel gegen den Blitzschlag werden immer noch nicht in genügender Weise benutzt, und manchmal wird die Gefahr sogar herausgefordert. In früheren Zeiten war die Sitte des Wetterläutens allgemein, und da ereignete es sich nicht selten, daß der Glöckner erschlagen wurde, da der Blitz gerade in die Glocke fuhr. Kein Wunder, denn Metallmassen, und vollends hoch angebrachte, ziehen den Blitz an. Aber noch heute besteht in vielen Gebirgsdörfern diese Sitte fort und fordert ihre Opfer, wie genaue Kenner der betreffenden Gegenden versichern. In ähnlicher Weise werden auch die Waffen der Soldaten gefährlich; es ist bekannt, daß der Blitz besonders häufig in militärische Lager oder marschierende Truppentheile einschlägt, wie sich das bei Berlin in diesem Jahre zweimal ereignete. Der größte Unglücksfall dieser Art traf 1864 ein nordamerikanisches Regiment, welches sich auf einem Hügel gelagert hatte, der die Ebene ringsum beherrschte. Eine ungeheure Feuersäule fuhr auf die Anhöhe herab, zerstreute das Lager, warf sämmtliche Mannschaft zu Boden und tötete fast alle Pferde. Achtzehn Mann waren tot, die andern beinah alle mehr oder weniger verletzt. Bei zwei Gewehrpyramiden entluden sich die Läufe, und die Geschosse töteten drei Soldaten in einem anstoßenden Lager.

Es wird ferner angenommen, daß größere Ansammlungen von Menschen schon für sich genügen, um den Blitz herbeizuziehen. Jedenfalls gestaltet sich hier die Verheerung viel schwerer. Am besten beobachtet wurde der von Heusner 1864 in den „Wiener medizinischen Blättern“ beschriebene Fall, wo der Blitz in eine Menschenmenge einschlug, welche aus Anlaß eines Wettrennens sich angesammelt hatte. Zwanzig Personen wurden getroffen; von ihnen blieben vier sogleich tot, während die übrigen theils nach wenigen Minuten, theils erst nach einer Stunde sich erholten, aber der Mehrzahl nach erhebliche Beschädigungen davontrugen. Diese bestanden in Verbrennungen und „Blitzfiguren“ an verschiedenen Körperstellen oder in weißgrau umsäumten Durchlöcherungen der Haut an den Fußsohlen, besonders an den Fußkanten, und in Rissen an den betreffenden Stellen der Strümpfe und Stiefel; das alles erinnerte im Aussehen an die Löcher, welche der elektrische Funke durch Kartenblätter schlägt. Auch die Kleider zeigten bei mehreren Verletzten ähnliche Brandlöcher, die sich dort, wo mehrere Schichten über einander lagen, nach innen zu vergrößerten. Bei Personen, welche Nagelschuhe trugen, waren solche Oeffnungen nicht vorhanden, offenbar weil die Nägel selbst dem Blitz als Leiter dienten. Die Wunden am Unterkörper sahen ganz anders aus als die am Oberkörper, was auf polare Verschiedenheiten des elektrischen Stromes zurückgeführt wurde. Auch bewiesen die mehrfachen, nebeneinander sichtbaren Durchbohrungen der Kleider und der Haut, daß der Blitz nicht in einfachem Strahl, sondern in ganzen Garben auf die Betreffenden niedergefahren war.

Daß hohe Bäume den Blitz anziehen weiß jeder, trotzdem suchen die Leute immer wieder während eines Gewitters Schutz unter Bäumen. Gewisse Bäume wie z. B. Buchen sollen jedoch verhältnißmäßig seltener vom Blitz getroffen werden, am häufigsten schlägt er in Eichen ein; der Grund dieser Erscheinung ist nicht ermittelt, vielleicht spielt hier die Bodenbeschaffenheit mit herein.

Es giebt einzelne Stellen, die eine besondere Anziehungskraft auf den Blitz ausüben: dieselben Pappeln am Wege, dieselben Weiden am Wasser wurden schon so und so viele Male getroffen. Diese Behauptung hört man sehr oft, wenn man auf Reisen mit Landwirthen über Blitzschläge spricht. Solche Orte sind besonders zu meiden, denn ihre Gefährlichkeit rührt höchst wahrscheinlich von unterirdischen Wassermassen her, welche den Blitz anziehen. Wenn man aber während eines Gewitters sich nicht unter einen Baum stellen soll, so ist es andererseits auch nicht gerathen, auf dem freien Felde zu bleiben, denn hier bildet man gerade einen hervorragenden Punkt, nach welchem der Blitz zielt. Schnelles Laufen und Reiten soll ebenso die Gefahr vermehren. In der That werden die meisten Opfer des Blitzes auf freiem Felde erschlagen, man hört seltener, daß Personen in Häusern getötet wurden, und so würde scheinbar hier der Spruch stimmen: „Mein Haus, meine Burg.“

Allein diese Burg ist selbst nicht immer sicher, deshalb hat sie der erfinderische menschliche Geist mit einem besonderen Schutzmittel, dem Blitzableiter, versehen. Da in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Blitzschläge bedeutend zugenommen hat – nach statistischen Erhebungen sollen jetzt etwa dreimal soviel Gebäude vom Blitz beschädigt werden als vor dreißig und vierzig Jahren – so hat man der Blitzableiterfrage eine erneute Aufmerksamkeit zugewendet. Was die Städte anbelangt, so werden diese in Zukunft besonders gut gegen die Gewittergefahr ausgerüstet sein, wenn man erst die Blitzableiter an die Röhren der Gas- und Wasserleitungen angeschlossen haben wird; denn diese großartigen unterirdischen Rohrnetze bilden das trefflichste Reservoir, in welchem der Blitz neutralisiert werden kann. Eine derartige Verbesserung beschäftigt jetzt Städteverwaltungen, Wasser- und Elektrotechniker aufs lebhafteste, sie ist nicht weniger für weitere Kreise von hohem Interesse.

Der Blitz zieht sehr oft die Gas- und Wasserleitungen dem Ableiter selbst vor, weil sich ihm hier der bequemste Weg zu dem großen zusammenhängenden Leiter der Elektricität, zur Erdmasse, darbietet. Er sucht darum jene Röhren mit aller Kraft zu erreichen, selbst wenn er große Widerstände zu überwinden hat. Hier einige bezeichnende Beispiele: Im Jahre 1871 hat der Blitz in Alatri einen 10 m langen und 3/4 m tiefen Graben im Erdreich aufgeworfen, um von dem eigentlichen Ableiter zur Wasserleitung zu gelangen. Im Jahre 1877 fuhr der Strahl vom Ableiter der Kirche in Itzehoe mit Durchbrechung einer Mauer von der Dicke eines halben Meters auf die Gasleitung über, und im Jahre 1880 sprang er vom Ableiter der Nikolaikirche in Flensburg hinüber auf die Gasleitung des an der Kirche liegenden Schulhauses.

Denken wir uns nun ein Haus mit einem Blitzableiter, der mit dem ebenfalls vorhandenen Netz der Gas- und Wasserröhren nicht verbunden ist. Hier ist der Raum zwischen den beiden [643] getrennten Leitungen stets von der Blitzgefahr bedroht, denn der elektrische Funke wird immer das Bestreben zeigen, zu den Gas- und Wasserrohren überzuspringen. Selbst wenn diese viele Meter von dem Blitzableiter entfernt sind, so sichert das nicht unbedingt vor der Gefahr; das würde nur dann der Fall sein, wenn innerhalb des Zwischenraumes keinerlei auch nur vorübergehend angebrachte und nur mäßig leitende Gegenstände vorhanden wären. Es liegt aber auf der Hand, daß bei bewohnten Gebäuden eine solche Voraussetzung äußerst selten zutrifft, da jeder gewöhnliche Klingelzug, jede Goldleiste etc. zu ungeahnten Brücken und Verbindungsgliedern werden kann.

Schließt man aber den Blitzableiter durch eine eigene metallische Leitung an das Röhrennetz im Hause an, so ist jedes Ueberschlagen des Blitzes und ebenso jede Gefährdung der Röhren ausgeschlossen, vorausgesetzt, daß die letzteren in ihrem gesammten Verlaufe gleichfalls metallisch miteinander verbunden sind. Ist dies jedoch nicht der Fall, sind gewisse Stellen der Rohrleitung durch einen Elektricität nicht fortleitenden Kitt miteinander vereinigt, dann wird der Blitz solche Stellen in Gestalt eines Funkens überspringen und die Röhren schmelzen können, was jedoch auch ohne den Anschluß geschehen würde, wenn der Strahl die Wasser- und Gasleitung erreichen sollte. Allein unter allen Umständen bleibt dabei ausgeschlossen das mit Mauerdurchbruch verbundene Ueberschlagen des Blitzes von dem Ableiter zu den Röhren, ausgeschlossen ist die damit gegebene Bedrohung von Personen. „Durch den Anschluß des Blitzableiters an die Wasser- und Gasröhren,“ heißt es in einem Gutachten des Berliner Elektrotechnischen Vereins über diesen Gegenstand, „verschwindet in den meisten Fällen jegliche Gefahr, und in keinem Falle wird eine wesentliche Vermehrung der ohne den Anschluß bestehenden Gefahr bewirkt.“

Alle unsere Schutzmaßregeln sind nun zwar geeignet, die Blitzgefahr einzuschränken, allein gänzlich kann sie nicht beseitigt werden, und so werden ihr nach wie vor Menschen zum Opfer fallen; für das Verhalten diesen gegenüber ist es von Werth, sich eine Hauptregel zu merken. Wir müssen bedenken, daß der Blitzschlag nicht in allen, sondern nur in vielen, vielleicht in den meisten Fällen tötet; diejenigen, die mit dem Leben davonkommen, erholen sich in der Regel in kurzer Zeit, oft schon in wenigen Augenblicken. Doch kann es sein, daß die Bewußtlosigkeit tagelang andauert; jedenfalls ist es also für den Laien geboten, jeden vom Blitz Getroffenen, selbst wenn er ohne Lebenszeichen daliegt, bis zur Ankunft des Arztes als einen Scheintoten zu betrachten und dementsprechend zu behandeln.

Leute, die sich vom schweren Blitzschlag wieder erholen, haben keine Erinnerung an den Vorfall, wenn sie aus ihrer Betäubung erwachen; sie haben weder den Blitz gesehen, noch den Donner gehört.[2] Glücklicherweise geht die Mehrzahl mit raschen Schritten der völligen Gesundheit entgegen; manchmal aber hat der Blitzschlag langandauernde nervöse Erkrankungen im Gefolge, die indessen im großen und ganzen dann auch mit völliger Heilung abschließen.

Der Blitztod beschäftigt nur äußerst selten den Gerichtsarzt. Prof. E. Hofmann erwähnt einen höchst sonderbaren Fall, in dem er ein Gutachten abzugeben hatte: im Juni 1879 war während eines ungemein heftigen, mit Hagelschlag verbundenen Gewitters ein Fensterflügel einer Wohnung im dritten Stock so heftig vom Sturme zugeworfen worden, daß die mittlere Querleiste des Fensters brach und die Trümmer sämmtlicher Scheiben weit in das Zimmer hineingeschlendert wurden. Zwei fingerlange messerklingenartig geformte Glassplitter waren einem siebzehnjährigen Mädchen in die Brust gedrungen und hatten dessen Tod durch innere Verblutung veranlaßt. Obgleich ein im Zimmer anwesender Mann in dem Augenblicke, wo das Fenster in Trümmer ging, weder den Blitz gesehen noch den Donner gehört hatte, so wurde doch von den Angehörigen eine Tötung durch Blitzschlag angenommen, ebenso von dem herbeigerufenen Arzte, der auch in diesem Sinne den Totenschein ausstellte, worauf die Beerdigung erfolgte. Erst nach drei Wochen wurde der Fall durch genauere Erhebungen aufgeklärt und die wahre Todesursache festgestellt.

Wir schließen diese Bemerkungen mit der Hoffnung, daß es den unermüdlichen Forschungen der Wissenschaft gelingen werde, die Elektricität, die wir täglich mehr in unseren Dienst stellen, auch da so weit als möglich zu bezwingen, wo sie in Gestalt des Blitzes uns Gefahr droht.C. Falkenhorst.     



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Das Los des Schönen.

Erzählung aus dem achtzehnten Jahrhundert. Von Stefanie Keyser. Mit Abbildungen von René Reinicke.

(2. Fortsetzung.)

Die nächste Zeit verging im Amtshause still und gleichförmig, wie das Leben in kleinen Landstädten verläuft. Der Justizamtmann tüftelte an seinem Urtheil; die Frau gab eine Kaffeevisite; Lida pflückte am Tage aufblühende Maienglöckchen für ihren „Potpourri“, träumte von der seligen Stunde, wo der junge Offizier in seinem zierlichen Hut Veilchen für sie gesammelt hatte und schaute abends dahin, wo vom feurigen Abendroth sich die Festungsmauern abhoben, hinter denen er weilte. Nur Lotte war unsteter als sonst. Sie kam früher wie ehedem von ihrem Abendgang im Garten zurück und sie hatte sogar die Waffeln zur Kaffeevisite zu braun gebacken.

Als wieder einmal die Dämmerung hereinbrach, lief sie, fast stampfend vor Ungeduld, zwischen den Spaliergurken auf und ab, die ihre unscheinbaren Blüthen entfaltet hatten.

„Wieder bleibt er aus!“ schalt sie laut; denn sie hatte wie viele Menschen von lebhafter Gemüthsart die Angewohnheit, mit sich selber zu sprechen. „Fortzureiten, ohne mir zu sagen, wohin, warum, auf wie lange! Wenn er mich heut abermals vergeblich warten läßt, gebe ich ihm den Laufpaß.“ Und schon bei der Vorstellung dieser Möglichkeit wischte sie sich eine Thräne von den Wimpern.

Da kroch er durch den Zaun.

„Beliebt’s endlich dem Herrn?“ fuhr sie ihn an. „Ich bin gerade fertig mit meiner Promenade.“

„Nun, die Demoiselle wird sich schon noch Zeit geben, wenn sie erfährt, was ich weiß,“ erwiderte er gemächlich.

Sie blieb stehen. „Was ist’s?“

„Morgen ziehe ich meine gelbe brokatene Bratenweste an, nehme den neuen Dreimaster unter den Arm und halte bei dem Herrn Justizamtmann um die Hand seiner ältesten Demoiselle Tochter an.

„Aber,“ sagte sie, als traue sie ihren Ohren nicht, „es ist noch lange nicht Quatember.“

„Als ob man nur im Quatember Verlöbniß feiern könnte!“ lachte er. „Der Weg zur Frau Herzogin ist nicht abgebrochen. Ich bin hingeritten in aller Stille, nur ein Felleisen mit dem guten Rock hinter mir; ich habe mit den Herren Räthen verhandelt, und es ist mir zugesprochen worden, was ich vernünftigerweise verlangen konnte. Die Wohnräume werden ausgebaut, damit eine Frau Inspektorin Platz darin findet, mein jährliches Gehalt ist um hundert Thaler erhöht worden, und die Frau Herzogin hat mir auch die Nutznießung von einem Stück Land bewilligt.“

„Ehrhardt!“ jubelte Lotte und flog ihm um den Hals. „Den Weizenboden?“

Ein störrischer Zug trat in das frische gebräunte Gesicht mit den starken blonden Brauen und den klaren Augen.

„Ach, da bekommt er schon den viereckigen Kopf!“ jammerte sie, und die Arme sanken ihr herab.

Doch unbewegt klang seine Antwort: „Den Sandboden.“

Sie schüttelte sich vor Trotz.

Mit erhobener Stimme fuhr er fort: „Jeder Frohnbauer erhält in Zukunft neben seinem ihm gebührenden Brot und Käse Erdäpfel zur Anpflanzung.“

Sie schlug die Hände vor die Augen. „Eine Erdtoffelschule will der Inspektor gründen?“

Der junge Mann richtete sich kerzengerade vor ihr auf. „Will die Demoiselle den Inspektor Ehrhardt mit seinen Erdtoffeln oder nicht?“

[644] Sie lugte hinter dem großen selbstgesponnenen Schnupftuch hervor. Jetzt ließ er nicht mehr mit sich fackeln, das sah sie ein. „Ja!“ tönte es kläglich.

„Das ist brav. Und nun will ich Dir auch sagen: nur den Erdäpfeln verdanke ich mein rasches Vorwärtskommen. Ich habe der Frau Herzogin Vortrag thun müssen über mein Vorhaben. Es leuchtete Hochderselben ein. Sie läßt in der Musterwirthschaft, die sie auf ihrem Vorwerk eingerichtet hat, gleichermaßen den Versuch mit der amerikanischen Frucht machen und hat mir in Anerkennung meines Bemühens ein Belobigungsschreiben für meine Uneigennützigkeit zugehen lassen, worin sie mich ihrer Huld und Gnade versichert.“

Lotte trocknete ihre Thränen. „Das lassen wir unter Glas und Rahmen fassen und hängen es in unsere Visitenstube.“

Er lachte laut auf: „Kleiner Prahlhans!“, zog sie in seine Arme und küßte sie auf die rothen Wangen. Dann setzte er ernster hinzu: „Mir ist ein großer Stein vom Herzen, daß ich keine Heimlichkeit mehr vor Deinem Vater zu bewahren habe.“

„Mir auch!“ stimmte Lotte bei. „Aber in Liebessachen ist es einmal nicht anders.“

„Ja, ja,“ gab er zu. „Liebesangelegenheiten bringen vielerlei Molestierungen mit sich, unsere sind noch nicht die schlimmsten.“ Bedenklich setzte er hinzu: „Es ist doch gut, daß der Monsieur aus unserer Nachbarschaft abzieht. Lida und er schauten sich an, als ob sie vergehen wollten.“

„Wer zieht ab?“ fragte sie erschrocken.

„Euer Lieutenant,“ entgegnete er gutmüthig lachend. „Die Botenfrau, die in der Festung war, erzählte, morgen müsse der schöne junge Herr mit seinem Obersten wieder fort. Sie reisen in die Walddörfer, um Aushebungen vorzunehmen. Es ist ein großes Geklag im Land drüben.“

Lotte sah betreten vor sich hin. Was würde Lida sagen? Und doch, wozu konnte die Sache führen? Sie wußte nicht, ob sie Gott danken oder sich sorgen sollte.

Das Kammerfenster der jungen Mädchen blieb heut lange geöffnet. Sie kauerten in der tiefen Steinnische auf der Bank. Das erste Mondesviertel schien herein. Die Fliederbüsche unten im Garten entfalteten ihre Trauben, leise rauschte der Nachtwind in dem jungen grünen Laube.

Lotte hatte die ihr gewordenen Nachrichten, die Freudenbotschaft für sich, die Hiobspost für Lida erzählt.

„Nun kann man sich wieder nicht ordentlich freuen,“ klagte Lotte.

„Freu’ Dich nur!“ entgegnete Lida, „ich sehe ihn wieder.“

„Woher willst Du gar das wissen?“ fragte Lotte, halb weinend, halb lachend.

Ein sanfter Flötenton aus dem Garten unter dem Fenster schien Antwort zu geben. Es war ein rascher Lauf, der über die ganze Skala hinglitt mit dem weichen Ton der guten alten Holzflöte, die nichts von hartem Metall wußte. Dann erklang es schmelzend wie das Lied der Nachtigall: „Guter Mond, Du gehst so stille!“

„Was ist das?“ fragte Lotte.

„St!“ machte Lida ganz verklärt. „Er ist’s.“

Das Flötenspiel ging weiter, silbern glänzte der Mond, Frühlingsdüfte zogen mit dem Nachtwind an dem grauen Haus vorbei, und aus dem verwitterten Steinrahmen bogen sich ein blondes und ein schwarzes Köpfchen lauschend hernieder. Da verhallte das Lied in lang ausgehaltenem Ton. Aus dem Schatten der Hängeweide trat eine schlanke Männergestalt in den Mondschein hinaus, ein Hut ward geschwenkt, an dem die silberne Agraffe blizte.

Lida hob das Nesseltuch, das sie um den Hals geschlungen hatte. Eine Sekunde lang standen sie und der Fremde regungslos; die jungen Augen schienen die Nacht durchdringen zu wollen. In diesem Augenblick begann die Uhr auf dem Thürmchen des Amtshauses mit ihrem alten Räderwerk zu rasseln und zu ächzen und die späte Nachtstunde zu schlagen. Die lichte Erscheinung tauchte in den Schatten zurück, Lida ließ das Tuch sinken. Nach wenigen Minuten klang Hufschlag, der sich in der Ferne verlor.

„Er ist in der Nacht von der Festung herübergeritten und hat Dir ein Abschiedsständchen gebracht,“ flüsterte Lotte athemlos.

Lida lag auf den Knieen, die Hände gefaltet und sah selig und mit Thränen in den Augen zum heiteren Nachthimmel empor.

„Du lieber Gott! Giebt es denn wirklich eine solche Seligkeit auf Deiner schönen Erde? Und womit verdiene ich ein solches Glück?“

„Unberufen! Gott behüt’s!“ fiel Lotte erschrocken ein. „Beschrei’ es nicht! Ja, wenn Du auch den Kopf schüttelst – weißt Du noch, wie Ehrhardts Erbsenfeld so herrlich blühte und die Leute standen und lobten und priesen es? Am nächsten Tag kam das Hagelwetter und schlug alles in Grund und Boden.“

„Wie kannst Du dem gütigen Vater im Himmel so wenig vertrauen?“ sprach Lida vorwurfsvoll.

Lotte legte ihre Stirn in sorgenvolle Falten. „Ich weiß nicht, warum, aber ich weiß: er läßt’s zu. Das mit dem Beschreien ist ein Erfahrungssatz wie der Frost zu Pankraz und Servaz, den auch niemand erklären kann.“




Zu Himmelfahrt wurde in dem Amtsstädtchen stets das sogenannte Rondellfest gefeiert.

In dem Garten des herrschaftlichen Gutes hatten sich von früher einige Anlagen erhalten, welche den Festplatz bildeten. Steifgeschnittene Buchengänge liefen gleich Strahlen auf einem mächtigen Rasenrondell zusammen, das rings von ebenso glattgeschorenen Fichtenwänden umgeben war. Nur an der einen Seite erhob sich eine kleine Altane, auf welcher die aufspielenden Musiker, im Leben ehrsame Handwerker, zu sitzen pflegten.

Die Schankgerechtigkeit übte das Gut aus mit Rostwürsten und schäumendem Broyhan und Bier. Leicht aufgeschlagene Bänke und Tische standen bis in den großen Obstgarten hinein, der seine Blüthen auf sie herabschüttelte.

In der ganzen Umgegend war das Wort „Himmelfahrt“ gleichbedeutend mit einer Fahrt nach dem Rondellfeste. Wer irgend zu den Honoratioren sich rechnen durfte, lief auf Stöckel- oder Schnallenschuhen, mit hohem Touret oder zierlichem Haarbeutel auf dem kurz abgesichelten Rasen herum.

„Wenn es nur nicht gewittert!“ seufzte Lotte, als sie ihr Gesangbuch nahm, um zur Kirche zu gehen. Als erklärte Braut durfte sie nun offen ihre Sorge aussprechen um Ehrhardts für viele Gäste vorbereitete Garküche. Sie betete auch ehrlich das Gebet gegen Wetterschaden, wenn es gleich nicht zum heutigen Evangelium paßte.

Auf Lidas Bemerkung darüber entgegnete sie: „Dem lieben Gott muß man mit seinen Bitten ordentlich vor der Thür liegen. Man hat dann wenigstens das Seinige gethan.“ Sie wurde auch erhört. Nicht die kleinste Wolke zeigte sich am Horizont; dagegen stieg ein unerwarteter Gast an der Ausspannstelle des Gutes ab.

Lotte war eben, den feierlich langen Schweif ihres neuen Kleides in der Hand, auf den rothhackigen Schuhen aus dem Keller heraufgeklappert, wo sie dem verzapfenden Knecht das Gewissen geschärft hatte, und in die Küche gesaust, um sofort eine von der Magd gemauste Wurst zu entdecken und laut scheltend auf den Rost zurückzubefördern, als ein Reiter sein Pferd draußen im Hof anhielt.

„Der Lieutenant von Altendorn,“ rief sie, drehte sich auf dem spitzen Absatz um – und stand vor Ehrhardt, der sie halb forschend, halb mißtrauisch vom Kopf bis zu den Füßen maß. „Wo hinaus?“ fragte er.

„Zu Lida!“ rief sie und rannte fort, als brenne ihr der Kopf. „Sie soll das halbseidene rosenfarbene Kamisol anziehen!“

Weg war sie; doch von der Treppe her klang es noch: „Mine, mahle auf der Stelle den Kaffee! Und daß die Chokolade nicht überläuft! Ich komme gleich wieder; hurtig!“

Ehrhardt lachte. „Solch ein mobiles Frauenzimmerchen ist doch ein wahrer Spaß! Aber einen Sparren hat eine jede. Bei der ist’s ihrer Schwester Schatz.“

„Er ist da!“ Mit diesen Worten stürzte Lotte in ihre Kammer, wo Lida sich in aller Ruhe ankleidete. „Er kommt aus der Residenz expreß zum Rondellfest. Er hat davon erfahren, als er in der Festung war. Das hörte ich ihn zum Verwalter sagen, dem er sein Pferd übergab.“

Lida mußte sich setzen, so war es ihr in die Glieder gefahren; aber sie lächelte.

Gott sei Dank, daß ich Dir das weiße Kleid aufdisputiert habe,“ fuhr Lotte fort. „Wo ist das Sammetband um den Hals? [645] Die Jasminblüthen werden nicht in den ‚Potpourri‘ gezupft, das sage ich Dir; das Sträußchen kommt an das Mieder und die Perlenschnur von Deiner Pathe wird über das Haar geschlungen!“ Sie hatte alle Bedenken gegen diese Liebe vergessen. Irgendwo sucht sich die Romantik, die in jedem Frauenkopf haust, einen Ausweg. Nun ging sie an die eigene Toilette.

„Was für fremde Blüthen steckst Du da an?“ fragte Lida, noch immer ganz athemlos.

Lotte zwinkerte geheimnißvoll. „Ehrhardt wird Augen machen.“ Und sie befestigte auf ihrem Toupet ein Sträußchen zarter weißer lila umränderter Blumen, und mit einem ebensolchen schloß sie das fein gefältelte Busentuch.

„Erdtoffelblüthen,“ rief sie lachend; „ich habe sie von dem Gartenfleck gestohlen, den er mit der amerikanischen Frucht bestellt hat. Er hat sich nun einmal das Gewächs in seinen viereckigen Kopf gesetzt.“

„Seid Ihr fertig?“ scholl die Stimme der Frau Amtmännin von unten herauf.

„Gleich!“ rief Lotte. „Da sind die Filethandschuhe. Ach, wie Deine armen Fingerchen zittern!“

Indessen hatte sich das Rondell schon mit Gästen gefüllt. In einem Bogengang saßen die Herrn Pastoren der ganzen Umgegend mit großen dreieckigen Hüten, gravitätisch aus weißen Thonpfeifen rauchend, und spielten eine Partie L’Hombre oder Piquet. Der Arzt gesellte sich hinzu, der bei allerhand Versuchen an Retorte und Destillierkolben eine gute Tinktur gegen Kröpfe entdeckt hatte und dadurch ein wohlhabender Mann wurde. Auch der Herr Kandidat fand sich ein, der zugleich Lehrer an der neu errichteten höheren Schulklasse war und am Sonntag Nachmittag in dem langen schmalen, gleich einem Schweif hinter ihm drein flatternden Mäntelchen predigte. Er hielt sich zu den Gattinnen der Honoratioren; hatte er doch bei jeder einen „Tisch“ zur Aufbesserung seiner dürftigen Einnahme. Der Förster war von seinem Waldberg herabgefahren im grün umsteckten Wägelchen, drei lustige Jägerburschen und zwei kernfrische Töchter hinter sich, den knurrigen Teckel zwischen den Füßen.

Viele Blicke gingen hinüber nach dem jungen Fremden, der im eifrigen Gespräch mit dem Inspektor am Eingang stand. „Ein Edelmann!“ sagte bedeutungsvoll eine Frau Pastorin. „Ein Offizier!“ Die Frau Doktorin zuckte die Achseln. „Ein Windbeutel!“ verhallte es zwischen den Buchenwänden, wo der Sekretarius eben einen Tisch für das Amtspersonal aufstellen ließ.

„Da kommen sie!“ hieß es.

Die vornehmsten Personen der ganzen Landschaft erschienen, der Herr Justizamtmann nebst seiner Familie.

Alles erhob sich. Von den Spieltischen schallten laute Grüße. Die Herren schüttelten sich die Hände, die Frauen erkundigten sich nach dem gegenseitigen werthen Befinden. Jetzt nahte auch der Offizier. Die Frau Justizamtmännin bekam mit dem Instinkt aller Mütter einen Schrecken; aber als er ihr die Hand küßte, fühlte sich die Tochter eines Superintendenten doch geschmeichelt.

Der Amtmann dankte ihm würdevoll gelassen auf seinen ehrerbietigen Gruß. Dann, bevor er sich zu seiner Partie setzte, sagte er leise zu seiner Gattin: „Hab’ ein Auge auf die Lida, daß ihr der adelige Fant nichts in den Kopf setzt!“

Die Amtmännin ängstigte sich, damit sie doch etwas that; ein anderes Hilfsmittel fiel ihr nicht ein.

Längst hatten sich die Augen des Offiziers und Lidas gefunden und waren nicht wieder von einander gewichen. Jetzt stand er vor ihr. „Da bin ich schon wieder,“ begann er heiter. „Werden Sie mich fortschicken? Bin ich zu aufdringlich?“

„Ich wußte, daß Sie wiederkommen würden,“ antwortete sie einfach.

„Wirklich? Wußten Sie es?“ flüsterte er beglückt und sah ihr tief in die schwärmerischen Augen.

„Ich bin auch da,“ weckte Lotte das Pärchen aus seiner Versunkenheit. Sie hatte bemerkt, daß man die beiden beobachtete, und stand gleich einer Gluckhenne bereit, sie unter ihre Fittiche zu nehmen. „Nun, Ehrhardt, mache den Herrn Lieutenant mit den Herren bekannt, den Frauenzimmern will ich ihn präsentieren.“

In Ansehung des Schmuckes aus Erdtoffelblüthen würde der Inspektor den Teufel vorgestellt haben, wenn Lotte es verlangt hätte, wie viel lieber den hübschen jungen Kavalier. Der machte ihm seine Aufgabe nicht schwer. Wie es das feine neue Komplimentierbuch vorschrieb, sprach er mit jedem von denjenigen Dingen, für welche dieser muthmaßlich Theilnahme hegen mußte. Die Frauen klärte er darüber auf, wie die neuen Schminkpflästerchen von den Damen des Hofes verwendet wurden, um die Röthe der Wangen zu heben, einem unregelmäßigen Gesicht etwas Pikantes zu geben – wenn er auch lächelnd die Achseln dazu zuckte. Die Landwirthe – und das waren sämmtliche Pfarrherren und Angesessene der Gegend – benachrichtigte er, daß die Kammer des Landgrafen große Tuchankäufe gemacht habe zur Ausrüstung von neu ausgehobenen Regimentern, daß die Wollpreise dadurch sehr gestiegen seien und man wohlthue, sofort loszuschlagen. Und Ehrhardt vollends war ganz Ohr, als er über die Verschönerung des Gartens, die der Bräutigam seiner Lotte zulieb plante, allerhand Rathschläge zu ertheilen vermochte: wie man aus einem versumpften Tümpel, aus zerbröckelnden Tuffsteinen und einem grasüberwachsenen bärtigen Steinbild eine Grotte des Neptun herstellen könne. Der Landgraf lasse nach dem Muster von Versailles herrliche Wasserkünste anlegen und habe auf die höchste Spitze eines Hügels eine mächtige Wasserleitung befohlen.

„Ja,“ sagte ein Handlungsreisender, der am Morgen mit Scheren, Nadeln, Messern den Frauen aufgewartet hatte, „die Bauern drüben haben schweren Frohndienst, um die Wasserleitung von den Bergen nach dem Garten hinüber zu bringen.“

„Und doch soll das Geld ausgegangen sein,“ brummte der Förster.

„Aus dem armen Volk läßt sich wohl Blut und Schweiß, lassen sich Thränen pressen, aber kein Gold,“ schloß der stets zur Opposition neigende Doktor.

Ein trauriger Ausdruck flog über das Gesicht des jungen Offiziers; er erinnerte sich an die Auftritte, die er bei der Aushebung erlebt hatte. Aber das alles verschwand, als jetzt Lotte, Hand in Hand mit Ehrhardt an ihm vorübergehend, ihm zurief: „Wollen Sie eine Tänzerin zur Menuett, so tummeln Sie sich, gleich geht’s los!“ Altendorn eilte zu Lida hin und forderte sie mit tiefer Verbeugung auf. Ringsum sah man einen Augenblick [646] nur gebeugte Rücken von Herren und gleichsam in die Erde sinkende Damen. Und schon hoben die Geigen ihre lockende Weise an.

„Meine Lida hat den Herrn von Altendorn auf einem Spaziergang kennengelernt,“ ließ sich die Frau Amtmännin vernehmen, um zu entschuldigen, daß ihre Tochter mit einem Offizier tanze; denn man wußte damals bei einem solchen nie genau, ob er aus Abenteuerlust, um schiffbrüchiger Verhältnisse willen oder wegen bodenloser Armuth in den wenig angesehenen Stand gerathen sei. „Er hat ihr dabei einen Dienst erwiesen.“

Vielleicht wäre durch die mütterliche Angst aus dem Veilchenpflücken noch eine Lebensrettung geworden, allein die Lust am Tanz verhinderte die fromme Lüge. Der Herr Kandidat forderte sie zu einem Ehrentänzchen auf. Der Doktor chassierte kreuzfidel, wenn auch die Beine etwas knickend unter der langen Bratenweste hervorkamen, mit der Frau Pastorin davon, die auf der hohen Frisur noch einen Federputz trug, der in drei Stockwerken emporstieg.

Alt und jung, groß und klein traten zur Menuett auf dem Rondell an. Selbst des Pfarrers achtjähriges Lieschen breitete ihr safranfarbenes Röckchen zierlich gegen Schulmeisters kleinen Fritz aus, der im Besitz des ersten Haarbeutels feierlich auf sie zu stolzierte.

Wenn der Tanz eine Darstellung der Liebe in Fliehen und Nahen, in Schäkern und Schmollen und in endlicher zärtlicher Vereinigung ist, so war es eine gesunde frische Art der Liebe, welche das Brautpaar vorführte.

„Wenn ich nur nach dem alten Bücklingstanz noch ein ganzes Rückgrat habe,“ meinte Ehrhardt und verbeugte sich. „Was hat die Jungfer Naseweis zu lachen?“

Lotte machte mit impertinent gehobenem Kinn einen tiefen Knix. Es ist mir immer lächerlich, wenn ich vor dem Herrn Inspektor mich so tief verneigen soll.“ Und sie schwenkte sich an seiner Hand, daß ihr amaranthfarbiger Rock die Frau Subkonrektorin fast aus der Reihe fegte.

Anders faßte das junge Paar die Menuett auf. Schon die Art, wie der Lieutenant seine Tänzerin mit hochgehobener Hand auf ihren Platz führte, schien anzudeuten, daß er ihre Partnerschaft als hohes Glück angesehen haben wolle. Und wie er nun in leichtem Schritt vorging, an ihr vorüberglitt, wie ihre Augen festgehalten wurden durch seinen Blick, während sie auseinanderschwebten, darin sprach sich etwas aus, das über das lustige Heute hinausging. Immer in gemessenem Tempo, steigerte sich doch der Tanz des jungen Paares, zu dem die Herzen den Takt schlugen. Jetzt gingen sie auseinander; Lida versank, den Fächer entfaltend und in langer Verneigung von der schelmischen Anmuth zu tiefer Demuth übergehend, während er rückwärts schreitend die Hand mit leicht zusammengelegtem Daumen und Zeigefinger hoch hob, als richte er sich in zierlichem Uebermuth empor. Heiß glühten beider Wangen auf, als sie jetzt gehobenen Schrittes sich wieder nahten, um doch nur die Fingerspißen zusammenzufügen und sich in wohlabgemessener Entfernung zu umkreisen.

Mit scharfem Geigenstrich schloß der Tanz. Die Paare zerstreuten sich. Man nahm ein Schälchen Kaffee; die Herren schenkten mitgebrachten Malaga ein, die Frauen packten aus Körben handhohe Kuchenscheiben aus, die an die kleinen Mündchen der Töchter schwierige Aufgaben stellten, und die jungen Leute vergnügten sich in hergebrachter Weise.

Lotte machte einen abschreckenden Rundgang bei dem Dienstpersonal ihres Bräutigams, und dieser führte die Geistlichkeit an seine Erdäpfelbeete, um die neue Frucht ihrer Fürsprache zu empfehlen.

Auch Altendorn und Lida verließen das Rondell. Ohne Verabredung suchten sie die stilleren Wege auf. Sie hielt den Fächer schützend gegen die Strahlen der Abendsonne, welche durch die Zweige fielen. Von Zeit zu Zeit tauschten sie ein Wort über den weichen Zephyr, der an ihnen vorüber säuselte, über eine Goldammer, die auf der höchsten Spitze einer Hagebuche ihr letztes Liedchen sang.

So waren sie aus dem Garten des Gutes in den menschenleeren des Schlosses gelangt und, wie durch geheimen Zauber gezogen, sahen sie sich plötzlich wieder an dem Lieblingsplätzchen Lidas unter der Hängeweide. Wie sie dort von flüsternden, abgebrochenen Worten, leisen Seufzern, innigen Blicken zu den zusammengefügten Händen gekommen waren, wie Lida endlich, von Altendorns Arm umschlungen, an seiner Brust lag, wie sich zitternd, schüchtern die jungen Lippen zu einander fanden das hätte keines von ihnen zu sagen gewußt.

„Mein süßes Mädchen!“ flüsterte er. „Mein geliebtes Herz – ach, mein einziges Eigenthum! Aber wenn diese Hände auch arm sind, sie sollen Dich dennoch durch das Leben tragen.“

„Ich gehe mit Dir durch Noth und Tod.“

„Du glaubst an mich?“

„Wie an meinen Gott.“

In tiefer Rührung beugte er das Knie vor ihr. Und wie sie sich dann lange und tief in die strahlenden Augen sahen, da ging von Seele zu Seele das feierliche Gelöbniß, sich Liebe und Treue zu halten nicht nur für diese kurze Spanne Erdenzeit – nein für die ganze selige Ewigkeit.

Dann richtete er sich auf und sagte: „Es wird freilich nur ein einfaches Los sein, das ich Dir zu bieten vermag. In meiner jetzigen Charge kann ich nicht bleiben,“ fügte er hinzu, plötzlich sehr ernst werdend, „das verbieten gewichtige Gründe. Allein ich will mich zu dem Regiment versetzen lassen, das drüben in der Festung steht. Ein paar Lieutenants sind dienstuntauglich, man braucht Ersatz. Und an Anwärtern auf meinen Platz in der Leibgarde fehlt es nicht. Werde ich meinem lieben Mädchen auch noch gefallen, wenn ich aus dem schönen Rock in den schlichten dunklen geschlüpft bin?“

„Wird sich der Kavalier nicht sehnen nach dem Hof, den glänzenden Sälen, dem Lichtmeer der Feste?“

Ein langer Kuß machte das Nein, das auf jeder Lippe schwebte, überflüssig.

„Lida! Lida!“ klang es von fernher.

„Das ist Lottchen,“ sagte Lida, sich von der Bank erhebend. „O, sie muß zuerst unser Glück erfahren.“

Das junge Paar ging zurück. Es wurde wieder still auf der Stätte, wo eben zwei heiße Herzen sich für ewig gefunden hatten; nur die langen Zweige der Weide säuselten schwermüthig weiter, als hafte an ihnen eine Erinnerung an die Thränen, die nach des Psalmisten Worten vor Jahrtausenden ein seiner Heimath entführtes Volk vergoß, als es an den Wassern von Babylon saß und weinte und seine Harfen an die Weiden hing, die darinnen sind.

(Fortsetzung folgt.)



[647]

Blätter und Blüthen.

Napoleons Flucht durch Leipzig 1813. (Zu dem Bilde S. 632 u. 633.) Der entscheidende Sieg über die französische Macht, den Theodor Körner mit freudiger Hoffnung geahnt und in hellen Liedern besungen hatte, aber selbst nicht mehr schauen durfte – er war errungen, die Heere der Verbündeten hatten in der gewaltigen Völkerschlacht bei Leipzig den Korsen geworfen. Der einzige Weg zur Flucht für Napoleon und seine Armee ging durch Leipzig. Aber schon war ihnen auch hier der Feind auf den Fersen: die Russen unter Langeron und Sacken hatten die Hallesche Vorstadt, Bülow die Grimmaische erobert; hier drang zuerst das Königsberger Landwehrbataillan unter Friccius in die Stadt ein; das Petersthor im Süden wurde von Bennigsen besetzt. Nur der Ranstädter Steinweg und die Straße nach Frankfurt waren noch frei, und es galt für Napoleon, diese Straße und damit die Rückzugslinie zu gewinnen.

Das Bild von Professor Louis Braun zeigt uns, wie sich der verworrene Heeresknäuel in haltloser Flucht durch die Burgstraße wälzt: diese ist getreu dargestellt in ihrem damaligen Aussehen; der hohe Thurm der Thomaskirche erhebt sich im Hintergrunde und blickt auf dies wüste Bild der versprengten Truppenmassen herab. Soldaten aller Waffengattungen drängen sich durcheinander, in ihrer Mitte, mit fortgerissen von der stürmischen Fluth, der Kaiser selbst auf seinem Schimmel, nur von einem Adjutanten und dem bekannten Mameluken begleitet.

Das Schlachtenglück hat sich gegen ihn erklärt, sein Stern ist im Sinken. Die sonst marmornen Züge tragen den Ausdruck tiefster Niedergeschlagenheit – es spiegelt sich in ihnen die Ahnung, daß die Weltherrschaft verloren sei. Und wie machtlos ist der Wille des Gewaltigen selbst dem Nächsten gegenüber! Er kann die Flucht nicht hemmen, niemand würde auf seinen Ruf hören, nicht die dahinstürmenden Reiter, die sich den Weg mitten durchs Fußvolk bahnen trotz der abwehrenden Zeichen ihrer Kameraden, nicht die frechen Marodeurs, welche die Häuser plündern und alles, was sie in der Eile erraffen können, hinausschleppen auf die Bagagewagen. Vergeblich fleht ein knieendes Weib die Einbrecher um Schonung an. Und zu all dem rings auf den Straßen Verwundete und Sterbende, in steter Gefahr von dem vorüberbrausenden Troß der Reiter und Wagen zerstampft und überfahren zu werden; kaum daß da und dort einer von mitleidigen Kameraden fortgeschleppt wird. Gegen den Kaiser, den Urheber dieses Unglücks, erheben sich unter wilden Drohungen geballte Fäuste; ihm voraus schreiten zum Schutz noch einige Kernsoldaten, unter ihnen ein leichtverwundeter Fahnenträger, der das ihm anvertraute Gut mit tapferer Faust aus der Schlacht gerettet hat.

So ging es damals auf einem Umweg dem Ranstädter Steinweg zu, der auf die Frankfurter Landstraße führt. Aber ehe die fliehende Menge das freie Feld erreichte, mußte sie noch die Elsterbrücke vor dem Ranstädter Thor passieren, und als diese aus Versehen zu früh in die Luft gesprengt wurde, um den nachrückenden Verfolgern den Weg abzuschneiden, da fanden noch kurz vor der nahen Rettung Hunderte ihren Untergang.

Wie groß der Sieg der Verbündeten, wie groß die Niederlage der Franzosen war, das zeigt uns dies Bild einer Flucht, welche das eisern zusammengeschmiedete Heer des früheren Weltbesiegers in grenzenloser Auflösung aus dem Herzen Deutschlands hinwegführte. †      


Ansicht von Kollmann nach der Ueberschwemmung.
Nach einer Photographie von J. Gugler in Bozen.


Im Sommer von 1813. (Zu dem Bilde S. 641.) Die Sonne des Spätsommers scheint freundlich durch das Laub der Apfelbäume auf das Kaffeeplätzchen an der schützenden Hauswand und das goldgeränderte Porzellangeschirr auf dem Tische zwischen den vier Darumsitzenden. Aber nur das jüngste darunter genießt voll Unbefangenheit den schönen Spielnachmittag und die seltene Kostbarkeit eines Täßchens Kaffee. Die andern sitzen in schweren Gedanken, denn man schreibt 1813 und an der bevorstehenden großen Entscheidung hängt nicht nur des Vaterlandes Rettung, sondern auch das Lebensglück der jungen Frau, welche der Gatte im Frühling herbrachte zu den Eltern in das stille Rheinstädtchen und dann abschiednehmend sammt dem Kinde ans Herz drückte, ehe er dem Rufe seines Königs folgte. Der Himmel hat ihn beschützt in den ersten ungünstigen Gefechten, davon erzählen seine Briefe, er hat mit allen Patrioten vor einem elenden Frieden gezittert und ist, als dieser nicht mehr drohte, voll Begeisterung unter Blüchers Fahnen zum Entscheidungskampf aufgebrochen. Aber nun? Lange Wochen ohne Nachricht sind vergangen, man hört nur, der gewaltige Franzosenkaiser ziehe nach Schlesien heran; dort müssen große Schlachten erfolgen, vielleicht schon erfolgt sein. Lebt der Vater des Kindes noch? … Sorgenvoll ruhen die Augen des Großvaters auf dem kleinen Blondkopfe: er mag nicht aussprechen, was seine Seele bewegt, was er allen, besonders auch den ängstlichen Frauen verbirgt.

Und währenddem ist der glorreiche Sieg an der Katzbach schon erstritten, der größere von Leipzig wird nachfolgen, und vielleicht ehe die Blätter völlig gefallen sind, stürmt der Ersehnte dort zum Pförtchen herein, das Eiserne Kreuz auf der Brust, um Weib und Kind voll Glücksjubel zu umarmen.

Das Unglück im Eisackthal. Wo an der Bahnlinie Bozen-Innsbruck das berühmte Grödnerthal in das des Eisack einmündet, liegt am rechten Ufer des Eisack das Dörfchen Kollmann inmitten einer Umgebung, die ebenso reich ist an landschaftlicher Schönheit als anziehend durch ihre geschichtlichen Erinnerungen. Denn gegenüber am jenseitigen Ufer erhebt sich über der Station Waidbruck in herrlicher Lage die stolze Trostburg, die Heimath des „letzten Minnesängers“, Oswald von Wolkenstein; und wo unfern davon das erhöhte Gelände des Laiener Rieds sich ausdehnt, geschmückt von windumrauschten Linden und Edelkastanien, da leuchtet aus dem üppigen Baumgrün der „Vogelweiderhof“ hervor, vermuthlich die Geburtsstätte Herrn Walters von der Vogelweide.

Dieses stille Thal war in der Nacht vom 17. zum 18. August der Schauplatz eines übermächtigen Naturereignisses, dem ein großer Theil von Kollmann zum Opfer fiel. Mitten durch das Dörfchen führt der Ganderbach seine Wellen dem Eisack zu; in jener Nacht nun ging ein furchtbarer Wolkenbruch über dem Ritten nieder, unter der Wucht der herabstürzenden Regengüsse löste sich oberhalb im Ganderbachthal vom Rittenerberg eine steile Lehne los und legte sich quer in den mächtig angeschwollenen Bach, sodaß anfangs der Abfluß fast ganz unterbrochen war. Da mit einem Mal durchbrachen die aufgestauten Wassermassen das Hinderniß und stürzten mit vernichtender Gewalt thalabwärts, unter solchem Getöse, daß man in den Bauernhöfen rings das Beben der Erde spürte; die Felsblöcke, welche der entfesselte Strom daherwälzte, sprühten Funken beim gegenseitigen heftigen Anprall. Im Lauf weniger Minuten hatte die „Muhre“ einen Theil des Dorfes überschüttet, einige Mühlen und 14 Wohnhäuser sind von Grund aus zerstört, die Insassen unter den Trümmern begraben oder mit den Wellen fortgerissen. 39 Menschenleben forderte die Katastrophe. Zugleich wurde durch die ebenfalls aufgestauten Fluthen des Eisack, die sich seitwärts am Berg einen gewaltsamen Ausweg suchten, der Damm der Südbahn in einer Länge von 700 bis 800 Metern zerstört und der Verkehr in empfindlicher Weise unterbrochen.

Das Unglück im Eisackthale hat nicht nur im ganzen Land Tirol, sondern auch weiter hinaus eine schmerzliche Bewegung wachgerufen, und überall regte sich thatkräftige Hilfe. Der Kaiser Franz Joseph spendete sofort 2000 Gulden, andere namhafte Beiträge schlossen sich an. Allein wenn auch so der unmittelbaren äußeren Noth gesteuert werden konnte – das Leid, das über so viele Familien hereingebrochen ist durch den Verlust ihrer Angehörigen, geht tiefer und wird nicht rasch überwunden werden. Möge wenigstens die Theilnahme, die man ihrem Schmerze allenthalben entgegenbringt, einen freundlichen Schein in ihre Trauer werfen. Ph. J. A.     

Aus dem Künstlerinnenverein in München. Die „Kunstfrage“ genießt eine Ausnahmestellung unter den Streitpunkten in der Frauenbewegung, zahlreiche gute Leistungen von weiblicher Hand haben hier [648] befriedigend eingewirkt, und niemand macht heutzutage den Frauen das Recht der Ausbildung streitig. Aber wie viel schwieriger ist diese Ausbildung zu erlangen für die von den Akademien ausgeschlossenen Damen, als für die männlichen Kunstjünger! Noch vor einem Jahrzehnt hatten selbst in München die ärmeren Mädchen einen wahren Heldenmuth im Entbehren nöthig, um die Kosten für Atelier, Lehrer und Modell aufzubringen. Heute jedoch blüht dort als segensreiche hochgeschätzte Einrichtung der Künstlerinnenverein, welcher für einen mäßigen Beitrag nicht nur vorzügliche Lehrkräfte und schöne Ateliers sammt allen Mitteln zum Studium gewährt, sondern auch den vielen Ortsfremden einen geselligen Mittelpunkt mit regelmäßigen Veranstaltungen bietet, wo gute Vorträge und Musikaufführungen abwechseln mit zwangloser Unterhaltung oder dem Betrachten der von den Kunsthändlern bereitwillig gelieferten neuen Bilderwerke.

Und alles dies ist aus kleinen Anfängen herausgewachsen, nicht durch Staatshilfe, sondern rein aus eigener Kraft und ohne alle Reklame. Mit zehn Schülerinnen im bescheidensten Lokal begann im Jahr 1884 der Unterricht, heute sind es deren 60 bis 70; der Verein hat ein großes Haus in der Türkenstraße gemiethet und veranstaltet jetzt alljährlich eine Schulausstellung, welche sich neben derjenigen der Kunstakademie sehen lassen darf und von den jungen männlichen „Kollegen“ mit vielem Eifer besucht und studiert wird. Besonders die heurige stellte den Hauptlehrern Herterich[WS 1], Simm und Tina Blau[WS 2], sowie einem großen Theil der Schülerinnen ein glänzendes Zeugniß aus, es waren geradezu mustergültige Sachen unter den Aktfiguren und Kopfzeichnungen.

Ein Ausschuß von wenigen Damen, an dessen Spitze Frau Professor Dahn-Fries[WS 3] steht, leitet das Ganze, wählt die Lehrer, bestimmt die Schulordnung und weiß mit einer glücklichen Mischung von Energie und süddeutscher Gemüthlichkeit Frieden, Eintracht und frische Lernlust in dem großen Atelierhause zu erhalten. – Auch hier wieder bietet sich uns ein Beweis für die Erfahrung, daß zunächst am besten einfache Selbsthilfe die Aufgaben, die ihrer Lösuug harren, in Angriff nimmt. Bn.     

Der Fremdenverkehr in der Schweiz. Die Begeisterung für landschaftliche Schönheit ist noch nicht viel älter als ein Jahrhundert. Ehe Rousseau sein Entzücken über die Schönheiten der Schweiz in unvergänglichen Werken aussprach, betrachtete man die Alpen eher als etwas Störendes und Unbehagliches, das sich breit in den Weg stellte, wenn man eine Reise nach dem Süden unternehmen wollte. Und als Naturforscher wie Saussure die hohe Bergwelt durchforschten, da gab es noch keine Alpenfexe und Touristen, die in ihre Fußstapfen traten. Jetzt aber ist die Schweiz das am meisten besuchte Land Europas. Die Gasthöfe und Pensionen verfügen über 62 500 Betten; diese werden jährlich von 5 724 000 Uebernachtenden benutzt, wofür der Reisende an das Hotel nebst seinen anderen Bedürfnissen im Durchschnitt über 12 Franken bezahlt: dies ergiebt eine jährliche Bruttoeinnahme der Touristen- und Fremden-Etablissements von 71 545 430 Franken. Außerdem giebt der Tourist für Verkehrswesen, Führer, Vergnügungen, Aerzte täglich im Durchschnitt noch 10 Franken aus; das macht eine Summe von 57 240 000 Franken, und rechnet man die obigen Ausgaben für Wohnung und Bewirthung hinzu, so macht das eine Gesammtsumme von rund 128 785 000 Franken. Da sage man noch, daß der Sinn für Schönheit nicht die materiellen Interessen fördert! Ist doch diese große Summe auf Rechnung der Freude an der Gebirgswelt zu setzen, von der frühere Jahrhunderte keine Ahnung hatten. †      

Zu unseren Körnerbildnissen auf S. 629. Von den Eltern des Dichters befinden sich im Körnermuseum zu Dresden zwei Porträts, welche der Hand Anton Graffs entstammen und die sich, wie fast alle dieses berühmten Meisters, durch lebendige charakteristische Auffassung auszeichnen. Wir geben sie nach den Originalen wieder, zugleich mit einer Nachbildung der Kreidezeichnung, in welcher Emma Körner die Züge ihres geliebten Bruders Theodor festgehalten hat und die ebenfalls im Besitz des Körnermuseums ist. Es ist ein wehmüthiger Eindruck, den wir von den Bildnissen erhalten in dem Gedanken, daß der blühende Sohn um Jahrzehnte den Eltern im Tode voraufging.



Inhalt: Theodor Körner. Gedicht von Carl Hecker. S. 630. – Ein Götzenbid. Roman von Marie Bernhard (2. Fortsetzung). S. 630. – Napoleons Flucht durch Leipzig 1813. Bild. S. 632 und 633. – Zu Theodor Körners hundertjährigem Geburtstag. Von Dr. Emil Peschel. S. 637. Mit Abbildungen S. 629, 637, 638, 639 und 640. – Opfer des Blitzes. Von C. Falkenhorst. S. 640. – Im Sommer von 1813. Bild. S. 641. – Das Los des Schönen. Erzählung aus dem achtzehnten Jahrhundert. Von Stefanie Keyser (2. Fortsetzung). S. 643. Mit Abbildungen S. 645 und 646. – Blätter und Blüthen: Napoleons Flucht durch Leipzig 1813. S. 647. (Zu dem Bilde S. 632 und 633.) – Im Sommer von 1813. S. 647. (Zu dem Bilde S. 641). – Das Unglück im Eisackthal. Mit Abbildung. S. 647. – Aus dem Künstlerinnenverein zu München. S. 647. – Der Fremdenverkehr in der Schweiz. S. 648. – Zu unseren Körnerbildnissen auf S. 629. S. 648.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen Reichspostamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefern wir incl. Porto für 30 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir mit der Bestellung in Briefmarken einzusenden.
Die Verlagshandlung.


[ Verlagswerbung für W. Heimburg’s gesammelte Romane und Novellen, hier nicht wiedergegeben. ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Wir geben auf Seite 639 diesen Vers in einer verkleinerten Nachbildung der Urschrift wieder.
  2. In den Fällen, wo eine solche Erinnerung nach dem Erwachen aus der Betäubung besteht, ist man geneigt anzunehmen, daß der Blitz in der unmittelbaren Nähe der Betäubten niedergefahren ist und daß die nervösen Störungen der Betroffenen als sogenannte Schreckneurose aufzufassen sind.

Anmerkungen (Wikisource)