Die Eröffnung des ersten deutschen Reichswaisenhauses in Lahr

Textdaten
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Autor: A. J.
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Titel: Die Eröffnung des ersten deutschen Reichswaisenhauses in Lahr
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 399–400
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
vgl. Sina Fritsche: Das Erste Deutsche Reichswaisenhaus in Lahr, LEO-BW
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[399] Die Eröffnung des ersten deutschen Reichswaisenhauses in Lahr. Auf dem Felde der werkthätigen Menschenliebe ist eine neue Frucht erwachsen und am zweiten Pfingstfeiertage eingeerntet worden: das erste deutsche Reichswaisenhaus, über dessen Gründungsgeschichte die „Gartenlaube“ 1883 in Nr. 27. berichtet hat. Aus dem Erlöse von Cigarrenspitzen, Flaschenkapseln, Patronenhülsen etc., aus der Sammlung von Pfennigen, die im ganzen Deutschen Reiche und über dessen Grenzen hinaus von fleißigen Händen veranstaltet wurde, ist der schöne und stolze Bau errichtet, der von der Lehne des herrlichen Altvaterberges herab den Wanderer grüßt. Aus allen Gauen Deutschlands waren daher auch die Repräsentanten der Verbände und Vereine, welche für die Gründnug eines Reichswaisenhauses in Lahr „fochten“ und noch „fechten“, herbeigeeilt, um mit von Freude, Genugthuung und Dank erfülltem Herzen dem Weihe-Akte der Eröffnung des Hauses beizuwohnen.

Die Feier verlief programmmäßig in würdigster Weise und dürfte einen neuen mächtigen Impuls gegeben haben, in dem Sammeleifer für [400] das Werk nicht zu erkalten, bis der Fonds eine Höhe erreicht hat, daß aus den Zinsen dauernd die erforderlichen jährlichen Ausgaben für die Anstalt bestritten werden können.

Was das in einem prächtigen Park liegende Haus selbst anbetrifft, so kann man sich eine anmuthigere und dabei gesundere Lage nicht denken. Eine auf 30 Fuß hoher Quadermauer ruhende Terrasse mit Blumenbeeten, Springbrunnen und schattigen Kastanienbäumen zieht sich zu beiden Seiten der Vorderfront hin und verleiht der Anstalt den Eindruck eines vornehmen Herrenhauses. Von jener Terrasse aus hat man einen wahrhaft bezaubernden Ausblick auf das zu Füßen liegende Schutterthal und die Stadt Lahr, auf die mit Laub- und Nadelwald bestandenen Schwarzwaldberge und im Hintergrunde auf die bläulich schimmernden Vogesen.

Die innere Einrichtung des Hauses ist praktisch und komfortabel. Links vom Eingange im Hochparterre befindet sich die Wohnung der Familie des Hausvaters, rechts zwei Speise- resp. Arbeitssäle für die Zöglinge. An diese hohen, hellen und geräumigen Zimmer schließt sich nach der hinteren Seite zu die Küche. Der Hausflur ist mit bunten Thonplatten gepflastert. Auf einer breiten, mit eisernem Geländer versehenen Treppe – das ganze Haus ist massiv aus Sandstein gebaut – gelangt man zu den im ersten Stock befindlichen Gemächern. An beiden Enden des Korridors nach vorn heraus liegt je ein Schlafsaal für fünfundzwanzig Knaben; an jeden der beiden schließt sich ein Aufsichtszimmer, von dem aus man durch ein Fenster den Schlafsaal überblicken und somit die Kinder jederzeit überwachen kann. In der Mitte ist noch ein Gemach, das zu einem Krankenzimmer bestimmt ist. Auf der entgegengesetzten Seite, nach hinten heraus, befindet sich das gemeinschaftliche Waschzimmer mit Wasserleitung und Ausguß. Ebenso ist die Einrichtung des zweiten Stockes, nur mit der Ausnahme, daß der Raum, welcher im ersten Stockwerk zum Waschzimmer dient, hier zu einem Krankenzimmer bestimmt ist. Hinter dem Gebäude ist ein sauber gepflasterter Hof mit Stallungen, Remisen, Scheune, Heuboden etc. Am Fuße der Terrasse zieht sich ein Gemüsegarten mit Weinstöcken und vielen Obstbäumen sowie Spalieranlagen hin. Rechts von ihr ist ein hübscher kleiner Blumengarten mit einem niedlichen Treibhause. Das ganze Grundstück, das im Jahr 1883 für den billigen Preis von 40000 Mark von einem Herrn Fallenstein in Bremen gekauft worden, hat ein Terrain von 13 Morgen. Besser und schöner als hier dürften Waisen nirgends im ganzen lieben deutschen Reiche wohnen. Vorläufig soll der Anfang mit 40 Zöglingen gemacht und die Zahl allmählich nach Maßgabe der Mittel auf 100 gebracht werden. Gott gebe zu diesem Werke edelster und reinster Menschenliebe seinen Segen! A. J.