Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Gudhrûnarhvöt
Da ging Gudrun ans Meer, nachdem sie Atli getödtet hatte. Sie ging in die See, sich umzubringen, mochte aber nicht versinken. Da ward sie von den Fluten über den Sund getragen an das Land König Jonakurs. Der nahm sie zur Ehe. Ihre Söhne waren Sörli, Erp und Hamdir. Dort wurde Swanhild, Sigurds Tochter, erzogen und Jörmunrek dem reichen zur Ehe gegeben. Bei dem war Bicki: der gab den Rath, daß Randwer, des Königs Sohn, sie zur Ehe nähme. Das verrieth Bicki dem Könige. Da ließ der König Randwern henken und Swanhilden von Pferden zertreten. Als Gudrun dieß hörte, sprach sie den Söhnen zu.
Aus tödlicher Tauer emporgetragen,
Als da die grimme Gudrun die Söhne
Zur Rache reizte mit der Rede Schärfe:
Wie freut euch fürder noch frohes Gespräch,
Da Jörmunrek die blühend junge
Von Pferden zerstampfen ließ, eure Schwester,
Auf offenem Wege von weißen und schwarzen,
Grauen, gangzahmen gotischen Rossen.
Nicht hohes Herzens wie Högni war.
Ihr würdet ihr, wähn ich, nicht weigern die Rache,
Hättet ihr Muth wie meine Brüder
Und hunnischer Herscher herben Sinn.“
„Läßiger warst du wohl Högni zu loben,
Als er Sigurden vom Schlaf erweckte.
Deine Bettdecken waren, das blauweiße Stickwerk,
Roth von des Gatten Blut, ganz von dem Schwall bedeckt.
Die Söhne zu schlachten mit grausamem Sinn.
Wir könnten die junge nun an Jörmunrek
Atlis Söhnen gesellt, die Schwester, rächen.
Weil zum Waffenspiel du uns erwecktest.“
Kor aus den Kisten königlichen Helmschmuck
Und breite Brünnen, brachte sie den Söhnen.
Die Muthigen luden den Mähren sich auf.
„Dir kehren nicht mehr die Mutter zu schauen
Die Fechter, gefällt im Volk der Goten,
Bis uns du Allen das Erbmal rüstest,
Swanhilden gesamt und deinen Söhnen.“
Bei Seite sitzen mit Leid beschwert.
Sie zählte der Freunde Unfälle sich auf
Hin und her, die Harmbeschwerte:
Drei Gatten ward ich ins Haus begleitet.
Sigurd allein war mir werther als alle;
Meine Brüder haben ihn umgebracht.
Noch mehr gedachten sie mich zu betrüben,
Als mich die Edlinge dem Atli gaben.
Ich sollte nicht Sühne der Schmerzen gewinnen
Bis ich vom Halse hieb der Niflungen Haupt.
Der Falschen Verfolgung wollt ich entfliehn.
Mich hoben, nicht schlangen die hohen Wellen:
Zu längerm Leben stieg ich ans Land.
Zum dritten Mal vermählt einem König.
Kinder gewann ich zu Wächtern des Erbes,
Zu Schützern des Erbes die Söhne Jonakurs.
Der Erzeugten liebt ich zärtlicher keinen.
So schien Swanhild in meinen Sälen
Wie ein Sonnenstral die Sinne labte.
Eh sie gegiftet ward ins Gotenreich.
Da hab ich den härmsten Harm empfunden,
Als die leuchtenden Locken Swanhildens
In den Staub stießen stampfende Rosse.
Den siegberaubten, mir erschlugen im Bett,
Und das am Grimmsten, da Gunnarn dort
Das Leben fraßen die falschen Schlangen;
Aber am schärfsten schnitt mir ins Herz,
Da sie lebend zertheilten den tadellosen.
Säume nicht, Sigurd! dein schimmernd Ross,
Das laufgeschwinde, lenk es hieher.
Nun sitzt hier weder Schnur noch Tochter,
Der Gudrun gäbe goldene Zierden.
Da wir beide im Bette saßen:
Daß du kommen wollest, Kühner, zu mir
Aus der Halle der Hel, mich heimzuholen.
Daß sie hoch sich heben unter dem Himmel,
Die leidvolle Brust mir das Feuer verbrenne,
Vor Hitze der Harm im Herzen schmelze.
Allen Schönen lindr es die Schmerzen,
Wenn sie mein Harmlied zu Ende hören.“
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied.