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Titel: Die Doggen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 319–320
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Doggen.


Unsere Vorfahren kannten einen Hund, dem seltene Stärke, verwegener Muth und große Bissigkeit nachgerühmt wurden und der diesen seinen Eigenschaften gemäß zu verschiedenen wenig lobenswerthen Zwecken verwendet wurde. Es war dies der Canis molossus, eine jetzt ausgestorbene Rasse. Ueber seiner Herkunft schwebt ein Dunkel, das die Wissenschaft nicht zu lichten vermochte, aber die Geschichte seiner Thaten ist desto genauer in vielen Büchern verzeichnet.

Die Römer sollen ihn in England kennen gelernt haben und ließen ihn in großen Massen nach Rom bringen, damit er dort in den blutigen Cirkusspielen mit wilden Thieren kämpfte. Der Canis molossus eignete sich vorzüglich zu diesem Zwecke. Drei dieser Hunde genügten, um einen Bären zu bewältigen, vier trieben selbst den Löwen in die Enge. Die damaligen Weltbeherrscher legten auf jene Spiele einen so großen Werth, daß sie in ihrer britannischen Provinz sogar besondere Beamte anstellten, die sich mit der Auswahl und Erziehung der nach Rom zu versendenden Molosser-Hunde zu befassen hatten.

Canis molossus.

Später ahmten die christlichen Könige die Sitten der heidnischen Cäsaren nach, und an den Höfen der Großen wurden auch nach dem Verfalle des römischen Reiches diese Hunde gegen wilde Thiere gehetzt – freilich mit dem Unterschiede, daß später, als die Beschaffung der Löwen immer schwieriger und auch der Bestand an Bären gelichtet wurde, der Stier den vornehmsten Partner in diesen Kämpfen abgeben mußte.

Jedoch nicht allein gegen Thiere wurde der Canis molossus losgelassen, man wußte ihn auch gegen den Menschen abzurichten, und die Geschichte erzählt leider von vielen scheußlichen Thaten, die durch ihn vollbracht wurden. Eine Abart des Molossus waren gewiß auch jene Bluthunde, mit welchen Spanier und Engländer die farbigen Rassen Amerikas bekriegten. Namentlich bei der Eroberung Mexikos und der angrenzenden Länder spielten jene Bestien eine hervorragende Rolle, und die damaligen Chronisten schrieben sogar ausführliche Biographien „berühmter“ Hunde. Am Anfange des 16. Jahrhunderts gab es keinen Pflanzer in Westindien, der den „Bezerillo“ nicht gekannt hätte, den berüchtigten Bluthund, dessen Leben ein vergifteter Indianerpfeil bei der Eroberung von Puerto Rico im Jahre 1514 ein wohlverdientes Ende bereitete. Er war der Stammvater würdiger Nachkommen unter denen der Hund Balboa’s, Leoncico, eine besondere Erwähnung verdient, da er auf einer einzigen Expedition so viele Indianer zerrissen hatte, daß auf ihn allein ein Bette-Antheil von 6000 Mark entfiel.

Vero Shaw hat in seinem großen Werke „Das illustrirte Buch vom Hunde“ nach alten im British Museum befindlichen Vorlagen zwei Abbildungen eines echten Molossus gebracht, von denen Wir eine diesem Artikel beifügen.[1]

Von diesen Hunden stammen, wie allgemein angenommen wird, die englischen Doggen ab, und wir sind darum etwas ausführlicher auf die Schilderung ihres Charakters eingegangen, um dem Leser den großen Gegensatz zwischen den beiden Rassen klar vor Augen zu führen. In der That hat der Mensch durch Kreuzung und Erziehung den Molossus im vollsten Sinne des Wortes civilisirt, denn unsere heutige hochedle englische Dogge zeichnet sich trotz ihres ernsten, Respekt einflößenden Aussehens durch eine so große Sanftmuth aus, daß ihr selbst hier und dort die Rolle der Kinderfrau anvertraut wird.

Auf unserem naturgetreu für die „Gartenlaube“ von Schroetter gezeichneten Gruppenbilde (S. 317) sehen wir zwei vorzügliche Exemplare dieser Rasse. Da ist zunächst die gewaltige englische Dogge „Boatswain“ von M. Hartenstein in Plauen i. V., welche in London 1883 den ersten Preis erhielt. Wie gemüthlich lehnt das Prachtthier seinen Kopf auf den rechten Schenkel des vor ihm sitzenden Züchters, wie klug und verständig schauen die Augen in die Ferne, in denen man vergeblich nach einem Ausdruck der Wildheit oder Grausamkeit forschen würde!

Dicht daneben sitzt gravitätisch die breitspurige, berühmte „Schönheit“, gerufen Ilford Baroneß, Eigenthum der Frau Carlslake in Greenfield. Sehen wir uns die beiden Doggen genauer an, so treten uns die charakteristischen Merkmale dieser Rasse deutlich entgegen. Der Mastiff, so nennt der Engländer seine Dogge, ist gewöhnlich nicht auffallend hoch von Gestalt, von Farbe gelb mit schwarzer etwas gedrungener Schnauze und schwärzlichen Ohren, seltener gestromt und sehr selten schwarz. Er trägt einen mächtigen Kopf mit flacher, faltiger Stirn, unter der nußbraune, ernste Augen hervorschauen. Ein wahrer Stiernacken, die breite Brust und die starken grobknochigen Füße verleihen dem Thier eine kraftvolle, imposante Erscheinung.

Bei den berühmtesten englischen Doggen sucht man die Abstammung von Lyme Hall nachzuweisen, wo eine alte Familie Legh sie schon im Jahre 1435 gezüchtet haben soll. Man berichtet; Sir Percy Legh sei nach der Schlacht von Azincourt, als er blutend auf dem Schlachtfelde lag, von einer solchen Dogge vor den anstürmenden Feinden beschützt worden, bis ihm endlich Hilfe gebracht wurde, er starb jedoch und seine Leiche wurde nach Hause geschafft, wohin die treue Dogge sie begleitete. Bis heute nun soll diese Rasse erhalten und mit ängstlicher Sorgfalt gepflegt worden sein!

Doch kehren wir zu unserem Hauptbilde zurück! Neben Ilford Baroneß sehen wir einen eleganten Hund, der gar selbstbewußt dreinschaut. Er ist auch ein Musterexemplar, wo er bis jetzt in ausgewähltester Hundegesellschaft erschienen war, auf allen Hunde-Ausstellungen trug er Preise davon. „Leo“ ist sein Name und sein glücklicher Besitzer Dr. Caster in Winkel im Rheingau. Ilford Baroneß, die auf einen respektablen Stammbaum zurückschauen kann, scheint ihm auf unserem Bilde absichtlich den Rücken zu kehren, als ob sie wüßte, daß Leo in Sportkreisen doch als ein Proletarier gelten muß, da nicht einmal seine Eltern bekannt sind und sein Geburtsjahr (1880) nur gerathen wird. Das schadet aber nichts, Leo wird mit der Zeit ohne Zweifel Vater eines berühmten Geschlechts werden. Für uns ist er jedoch besonders interessant, denn er bildet einen vorzüglichen Repräsentanten der Hunderasse, die in kurzer Zeit unter dem Namen „deutsche Doggen“ berühmt wurde.

Kopf eines Mopses.0 Nach einem alten Kupferstich.

Mancher unserer Leser wird wohl auf den ersten Blick Leo für eine Ulmer oder eine dänische Dogge gehalten haben. Fehlgeschossen hat er dabei nicht, denn die Benennung dieser Rasse hatte lange in Deutschland geschwankt, man sprach von Ulmer und dänischen Doggen, obwohl Niemand die besonderen Eigenschaften, durch die sich dieselben von einander unterscheiden sollten, genau anzugeben vermochte. Um diesem Wirrwarr ein Ende zu bereiten, wurden von den deutschen Vereinen zur Veredelung der Hunderassen auf der Ausstellung in Berlin im Jahre 1880 die genauen Merkmale dieser Rasse, wie sie in vorzüglichster Vollkommenheit sein soll, festgestellt und der einheitliche Name „deutsche Dogge“ für dieselbe vereinbart. Das große Publikum mag diesem Vorgange folgen und von dänischen und Ulmer Doggen nicht mehr reden. Es kann dies mit vollem Rechte und ohne Gewissensbisse thun, denn die dänische Dogge ist in Dänemark so zu sagen auf den Hund gekommen, während sie in Deutschland wirklich veredelt wurde. Sie ist ein Produkt deutscher Zucht und darf mit Fug und Recht den deutschen Namen tragen.

Wir wollen hier einen Auszug aus der Zusammenstellung der Rassenmerkmale, oder wie der Züchter sagt: aus der Pointirungsskala, unserer Dogge geben.

Sie muß von möglichst hoher Gestalt sein, ohne daß die schöne Symmetrie der Körperform dadurch leidet, denn im Gegensatz zu dem [329] englischen Mastiff ist sie schlank; ihre Bewegungen sind leicht und graziös. Ihr Fell muß weich und fein sein wie Sammet; ihre Farbe erscheint bald stahl- oder silbergrau, bald tiefschwarz oder goldgelb gestreift wie der Tiger, auch weiß mit schwarzen oder grauen Flecken. Die Ohren werden fein zugeschnitten, und obgleich Manche gegen diese Operation eifern, so wird sie doch kaum allgemein abgeschafft werden, weil gut gestutzte Ohren dem Hunde ein sehr aufgewecktes Aussehen verleihen.

Außer dem Leo sehen wir noch zwei deutsche Doggen auf unserem Bilde. Neben dem Züchter liegt auf den Dielen die Tigerdogge von H. Müller in Berlin und oben in der Ecke im Vordergrunde erblicken wir gleichfalls eine Tigerdogge, Eigenthum von Max Hartenstein in Plauen im Voigtlande. Wer sich weiter über diese jetzt so beliebte Rasse unterrichten will, den verweisen wir auf das betreffende Kapitel in dem „Illustrirten Buche vom Hunde“ von Shaw. Dort sind auch Auszüge aus sehr interessanten Mittheilungen des deutschen Züchters G. Lang aus Stuttgart abgedruckt. Bemerkt sei nur noch, daß Württemberg die besten deutschen Doggen züchtet.

In den Kreis unserer Doggenfamilie haben sich noch einige kleinere Kerle eingeschlichen, die auf die Verwandtschaft mit den großen Mitgliedern derselben pochen. Da sitzt auf der Bank zunächst die Bulldogge, welche „die Ehre hat, der englische Nationalhuud zu sein“. In England wurde auch diese Rasse früher mit Vorliebe zu Stierhetzen verwandt und zwar nicht etwa ausnahmsweise, sondern häufig genug. Noch im vorigen Jahrhundert hatte nämlich John Bull die Sitte, jeden Stier zu hetzen, bevor er ihn schlachtete, denn er meinte, das Fleisch werde in dem gehetzten Thiere durch die Anstrengungen des Kampfes verbessert! Darum hetzt er auch heute Hasen und Hirsche mit so großer Passion.

Das Ensemble unserer Doggenfamilie wird endlich durch die beiden Möpse vervollständigt, die sich vor Leo niedergelassen haben. Es sind Bullenbeißer en miniature, über deren Ursprung die Gelehrten auch nicht einig sind, deren nahe Verwandtschaft mit Bullenbeißern jedoch Niemand leugnen kann. Man hält sie für dumm, und der Franzose hat auch diese Schwarzschnauzen „Carlins“ genannt, nach dem dummen Harlekin, der sein Gesicht zu den Vorstellungen schwarz bemalte und „Carlin“ hieß. Wir wollen mit seinen Liebhabern oder besser Liebhaberinnen – Brehm nennt ihn den „Altjungfernhund“ – um den Witz des Mopses nicht streiten, aber das muß ihm nachgesagt werden, daß er im Kampfe ums Dasein sich nicht zu behaupten weiß. Vor fünfzig Jahren dachte man schon, er würde aussterben, und Brehm sagte, es würde um ihn nicht schade sein. Aber der Mops that den Gelehrten den Gefallen nicht; und in letzter Zeit tauchte er sogar in großer Zahl wieder auf.

Allerdings so ein echtes Mopsgesicht aus guter alter Zeit, wie das auf Seite 319 abgebildete, findet man heute nicht wieder. Der Mops hat sich leider sehr verändert, die Schnauze ist spitzer, die Ohren sind länger geworden. Das that seiner Beliebtheit lange Abbruch, aber er kommt wieder in Mode, obwohl er noch mit einem anderen großen Fehler behaftet ist: mit gewaltiger Neigung zur Fettleibigkeit. Den Mopsfreunden müssen wir daher rathen, ihrem Liebling ein Regime vorzuschreiben, das sonst nur für fette Menschen gilt. Dieser Schoßhund muß vor Allem zur fleißigen Bewegung in frischer Luft angehalten werden, und Futter, das fett macht, sollte er niemals genießen. Beachtet man diese Regel nicht, so bekommt er bald Athemnoth, förmliches Asthma vor lauter Fett und wird dann durch fortwährendes Aechzen und Schnaufen lästig und widerwärtig.

Damit beschließen wir unsern flüchtigen Ueberblick einer der interessantesten Hunderassen. Hier und dort werden unsere Worte gewiß freundliche Aufnahme gefunden haben; ist doch das Interesse für den treuen Begleiter des Menschen so groß und allgemein, daß über ihn eine Litteratur vorhanden ist, wie wir sie oft über manchen interessanten Volksstamm vermissen. – i.     




  1. Dieses berühmte Werk ist, mit werthvollen Zusätzen bereichert, in meisterhafter deutscher Bearbeitung von R. von Schmiedeberg bei E. Twietmeyer in Leipzig erschienen, und wir entnehmen demselben mit Zustimmung des Verlegers auch den nebenstehenden charakteristischen Kopf eines Mopses.