Die Brück’ am Tay (Fontane, 1905)
(28. December 1879.)
When shall we three meet again.
Macbeth.
„Wann treffen wir drei wieder zusamm?“
„Um die siebente Stund’, am Brückendamm.“
„Am Mittelpfeiler.“
„Ich lösche die Flamm.“
„Ich komme vom Norden her.“
„Und ich von Süden.“
„Und ich vom Meer.“
„Hei, das giebt ein Ringelreihn,
„Und der Zug, der in die Brücke tritt
Um die siebente Stund’?“
„Ei der muß mit.“
„Muß mit.“
Ist das Gebilde von Menschenhand!“
* * *
Alle Fenster sehen nach Süden aus,
Und die Brücknersleut’, ohne Rast und Ruh
Sehen und warten, ob nicht ein Licht
Ueber’s Wasser hin „ich komme“ spricht,
„Ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,
Ich, der Edinburger Zug.“
Am anderen Ufer. Das muß er sein.
Nun, Mutter, weg mit dem bangen Traum,
Unser Johnie kommt und will seinen Baum,
Und was noch am Baume von Lichtern ist,
Der will heuer zweimal mit uns sein, –
Und in elf Minuten ist er herein.
* * *
Und es war der Zug. Am Süderthurm
Keucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,
Aber was thut es, wir zwingen es doch.
Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
Die bleiben Sieger in solchem Kampf,
Und wie’s auch rast und ringt und rennt,
„Und unser Stolz ist unsre Brück’;
Ich lache, denk’ ich an früher zurück,
An all den Jammer und all die Noth
Mit dem elend alten Schifferboot;
Hab ich im Fährhaus zugebracht,
Und sah unsrer Fenster lichten Schein,
Und zählte, und konnte nicht drüben sein.“
Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
Und die Brücknersleut’ ohne Rast und Ruh
Und in Bangen sehen nach Süden zu;
Denn wüthender wurde der Winde Spiel,
Und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel’,
Ueberm Wasser unten … Und wieder ist Nacht.
* * *
„Wann treffen wir drei wieder zusamm?“
„Um Mitternacht, am Bergeskamm.“
„Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm.“
„Ich mit.“
„Ich nenn’ euch die Zahl.“
„Und ich die Namen.“
„Und ich die Qual.“
Wie Splitter brach das Gebälk entzwei.“
„Tand, Tand,
Ist das Gebilde von Menschenhand.“