Die Blinde der Tauben

Die Blinde der Tauben.

Der Vögel Zwitschern und ihr süßes Singen
Wird Deinem todten Ohr nicht mehr erklingen,
Doch siehst Du, wenn der Frühling naht, sein Walten,
Wie Knospen dann zu Blumen sich gestalten.

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Du hörst nicht mehr die Dir vertrauten Töne

Der Sprache, doch Du siehst in seiner Schöne
Der Kinder Antlitz, siehst die kleinen reinen,
Die Kinderaugen wie sie lächeln, weinen.

Der Rede Sinn geht spurlos Dir vorüber,

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Doch wird Dein heit’rer Blick darum nicht trüber;

Wenn scharf und schneidig harte Worte fallen,
Du ahnst den Inhalt nicht und sie – verhallen.

Du hörst es nicht, wenn ungerechter Tadel
Verunglimpft Deiner Seele reinen Adel;

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Du hörst es nicht, das unheilvolle Rügen,

Das heuchelnd lobt, wenn fromm die Mienen trügen.

Und hat ein tiefes Weh Dein Herz erschüttert,
Das jede Lebensfreude Dir verbittert,
Dann schaust Du aufwärts, Sonne, Mond und Sterne,

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Sie leuchten Trost aus ahnungsreicher Ferne.

Und wenn der Schlaf umfängt der Augen Lider,
Du weißt, der Morgenstrahl durchdringt sie wieder
Zu neuem Schaun der schaffenden Gestalten,
Die, Deinem Blick gehorchend, um Dich walten.

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Ich – bin erblindet, kann nur in mich schauen

Mit meines Geistes Augen – Nacht und Grauen
Ist um mich, und ich sehe nicht die Lieben,
Die Wen’gen, die von Vielen mir geblieben;

Ich sehe nicht der Morgenröthe Leuchten,

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Seh’ nicht demant’nen Thau die Flur befeuchten,

Seh’ nicht, wie Blumen ihm entgegenbeben,
Durch seinen Kuß geweckt zu neuem Leben.

Ich sehe nicht der Sonne Strahlengluthen,
Nicht Mond, nicht Sterne in der Ströme Fluthen

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Sich spiegeln, sehe nicht den Tag sich neigen,

Den Morgen nah’n in andachtsvollem Schweigen.

Und will der Schlaf die todten Augen schließen,
Da fühl’ ich bittre Unmuthsthränen fließen,
Und leises Flehen flüstert bang’ die Frage:

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Ob nimmer mir ein Morgen wieder tage?

„Nein!“ - tönt es durch der Nacht lautlose Stille:
„Erst wenn sie sinkt, der Seele morsche Hülle,
Sinkt Deiner Augen Schleier; neues Leben
Wird Himmelsklarheit dem erlosch’nen geben.“

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So hör’ ich, ach! die Geisterstimme flüstern,

Und schwärzer noch will sich der Blick umdüstern,
Denn wie er suchen mag, er wird nicht finden
Den Stab – o, schweres Loos der armen Blinden!