Die Bismarck-Feier in Berlin

Textdaten
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Autor: Hermann Heiberg
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Titel: Die Bismarck-Feier in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 268
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Bismarck-Feier in Berlin.

Stimmungsbild von Hermann Heiberg.

Vielleicht steht unter den großen gewaltigen Bewegungen, die im Laufe der Zeiten ein Volk aufstehen ließen, um einem einzigen Menschen eine nationale Huldigung darzubringen, die Bismarck-Feier am 31. März in Berlin unvergleichlich da. Der Norddeutsche ist zwar überhaupt frei von starken Ausdrücken seiner Gcfühlserregung, aber wer diesen Abend einzeichnen kann in seine Erinnerungen, wer nicht nur mit blödem Auge die Dinge nahm, wie sie ihm erschienen, wer sie aufhorchte, wie der norddeutsche Volksmund spricht, wer dem nordischen Germanen ins Auge schaute und in seinen Mienen zu lesen verstand, dem gelangte es an diesem Tage zum Bewußtsein, daß etwas Besonderes, Tiefes, Etwas, was nichts gemein hat mit dem Rausche einer bloßen von spontaner Begeisterung getragenen Laune, die Brust der Volksmassen bewegte. Aus dem so verschieden abgetönten Empfindungsleben der Massen drangen wohl auch Laute hervor, wie sie unzertrennlich sind von einem solchen Schaugepränge. Wo der Farbensinn sich regte, wo die wechselnden Bilder ein Künstlerauge traf, wo gar der norddeutsche Humor durchbrach, schlugen wohl die Stimmen zusammen und hoben sich in der Erregung die Arme und Hände, aber im Großen und Ganzen stand die Menge mit einem Anhauche von Ehrfurcht und sah, was und wie sich’s zusammen, und wie eine Idee so viele Tausende gleichmäßig verbunden hatte: „Ausdruck zu geben dem Danke, der des Deutschen Inneres erfüllte an dem heutigen Tage.“

Imposant ist ein fremdes Wort. Aber kein Ausdruck ist zutreffender. Imposant war dieser Zug mit seiner Würde und seinem feierlichen Gepränge. Keiner, der die Fackel in seiner Hand hielt, und den nicht das Gefühl bewegte: „ein kleiner winziger Tribut für unseren großen Kanzler“, keiner, der einen Schläger in der Hand hielt, oder das Banner hochtrug, keiner, dem ein Emblem in der Faust steckte, und keiner, in welch immer der Idee angepaßten Kleidung er einherschritt, der Hellebardier und der auf altdeutsch-gezäumtem Rosse in die Trompete stoßende Herold, keincr von allen diesen ernst einherschreitenden Männern aus den Gewerkcn, aus den Gilden, aus den Vereinen, der nicht ein Gefühl des Stolzes in sich trug, ihm, dem großen eisernen Manne, dem größten Sohne des Volkes den Tribut zu zollen, der ihm gebührt.

Das war die innerste Physiognomie dieser grandiosen Huldigung. Nicht unmittelbar neben dem Kanzlerpalais, aber in genügender Nähe, und in einer solchen Entfernung von dem Endpunkte der Wilhelmstraße, um den Zug in seiner Ausdehnung zu verfolgen, hatte ich meinen Platz.

„Jetzt kommt der Zug!“ Dies Wort brauste etwa um acht Uhr durch die Kopf an Kopf gereihten, geradlinig neben dem Trottoir aufgestauten Volksmassen. „Der Zug ist da!“ wiederholte sich’s summend und schwirrend. Und nun entwickelten sich unter des Himmels glitzerndem Dache, unter dem aufqualmenden Rauche der Fackeln und über den unzähligen dunklen beweglichen Punkten, Tausende gleich glühenden Irrwischen in der Luft tanzender Lichter.

Die Tête des Zuges machte Halt vor dem Palais des Gefeierten; nun schwenkten allmählich auch die Reihen, nun kam’s endlich, gleich einem hinabgesunkenen Sternenhimmel näher und näher und ging an unserem Auge in nächster Anschauung auf.

Und in diesem Augenblick lösten sich von den Dächern der Häuser breite feurige und dampfende Lichter, die in rosenfarbenem Kolorit emporstiegen und in märchenhaften Schimmer Alles, was unter ihnen lag, einhüllten. Und kaum waren diese Flammengarben verloschen, als Smaragdgrün aufleuchtete und wunderbare, seltsame Reflexe hinabfielen auf das bunte Treiben drunten, auf die silbernen Rüstungen und Waffen, auf die phantastischen Gewänder und zitternden weißen Helmbüsche.

Und dazwischen spielten die Musikkorps ihre feierlichen, erhebenden Märsche, senkten sich die Degen, Rapiere und Fackeln. Vorüber Tausende an Tausenden, vorüber an dem Gewirre von Menschenköpfen, die herabschauten, vorüber an den Lichtern, Blumen und Fahnen, die herabflatterten aus den Häusern mit ihren dichtbesetzten Fenstern, Vorsprüngen, Dächern und Thüren. Hier wehte ein weißes Tüchlein und darunter neigte sich ein Kopf, dort blitzte ein Frauenkopf und ein Hurrah drang empor. Und Hurrah! und Hurrah! und nun fielen hundert Stimmen ein, bis neue Klänge aus den Trompeten diese Töne verwischten. Und immer neue Bilder! Eines prächtiger fast als das andere! Wagen, aufgeschirrte Pferde, Herolde, Krieger, Fackelträger, ganze Vereine mit ihren Fahnen, Embleme und Triumphwagen, und abermals Ruhe und abermals dampfende glühende Fackeln und abermals die langgezogenen oder raschen Fanfaren der berittenen Musiker.

Ausführlich ist an anderen Orten von den Einzelheiten des großen Festfackelzuges berichtet worden: hier sei nur gestattet am Schluß noch einige Eindrücke wiederzugeben. Einige Male glaubte man sich in ein Märchenland versetzt! So erschien wie ein von Gustav Doré, dem großen französischen Illustrator, hervorgezaubertes Bild: der Triumphwagen der Kunst-Akademiker, ebenso phantastisch, so grotesk, so mannigfaltig, so kühn in der Zusammenstellung und in der Lichtvertheilung! Welch eine Mannigfaltigkeit an plastischem Schmuck, an Farben, Gewändern, Figuren und Masken! Die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches, die Politik in den fremden Erdtheilen zu symbolisiren, war die Aufgabe gewesen und sie war in einem entzückenden lebenden Bilde gelöst.

Als endlich die Nachzügler mit herabgebrannten Fackeln oder mit leeren Händen erschienen, als Lichterglanz und buntes Treiben dahin, Menschentritte und Musik verrauscht und verschollen, lösten sich die dichten, bisher fast unbeweglichen Menschenreihen und plötzlich war die noch ebenso streng gesäuberte Straße von Tausenden übersät, die dem Zuge nacheilten oder sich zerstreuten.

Als ich meinen Beobachtungs-Posten verließ und auf die Straße hinabstieg, lief noch eilend ein junger Mensch, fast ein Knabe, athemlos mit zwei hochaufgerichteten Fackeln in den Händen dem Zuge nach. Er hatte sie aufgesammelt und wollte, vorher nicht geduldet – jetzt noch seine Empfindungen an den Tag legen durch diesen Akt: für den großen Kanzler des Deutschen Reiches Fürst Otto von Bismarck.